Reykjavik (Tag 1)
Den „Vatertagsfrühschoppen“ in der Almhütte lassen unsere Leute mal aus. Es ist noch zu früh zum zünftigen Jodeln. Stattdessen hören wir uns mal den Lektor Dr. May an, der aber oft auch ein wenig an einen zerstreuten Professor erinnert. Ein paar Infos sind aber sicher aufzusaugen.
Schon beim morgendlichen Aufstehen übrigens haben wir Land erkannt. Mehr oder weniger ist jetzt also Island erreicht. Es sind schon mal, an der Südostspitze, die schneebedeckten Berge und die davor gelagerten kahlen Felsen der „Westmännerinseln“ zu sehen, von denen dann auch nur eine bewohnt ist.
Gegen 18:00 Uhr sollen wir diese nördlichste Hauptstadt der Welt, Reykjavik erreichen.
Hier dürfte uns mehr Leben als im beschaulichen Invergordon erwarten. Denn von den zwar nur etwas über 300000 Einwohnern Islands, leben über die Hälfte dort und daher auch soll es die wohl autoreichste Stadt der Welt sein. Na hoffentlich kommen wir da überhaupt über die Straße, wenn wir heute Abend mit dem gebuchten Shuttlebus dorthin fahren und auf Erkundung gehen. Müssen wir noch heute machen, da wir morgen schon mit 2 anderen Touren restlos ausgebucht sind. Stress also scheint sich in der gemütlichen Teddywelt anzubahnen…
Noch die Tage zuvor war hier mieses Wetter mit teils sintflutartigen Regenfällen gewesen. Jetzt aber laufen die Teddys hier ein und neben unter anderem uns, freut sich offenbar auch die Sonne über diesen Besuch.
Am Ausgang staut es sich nun gewaltig. Mindestens das halbe Schiff ist offenbar wie wir erlebnishungrig und versucht von Bord zu strömen. So steht man schon das Treppenhaus hoch, wir mittendrin und die Behörden haben das Schiff noch nicht mal freigegeben. Nun, der Abend will ja genutzt werden.
Von fast allen. Und Leute die sonst immer auf Abstand bedacht sind und sich andernorts damit rühmen diesen anzumahnen, ja genau die drängeln jetzt. „Sch…. was auf Gesundheit. Ich will raus!“
Zur Innenstadt sind es wohl mindestens 30, eher 45 Minuten zu laufen. Da haben wir mal lieber das 14,99 € Angebot mit dem „Shuttle“ angenommen und im Vorfeld gebucht, sparen uns die Kräfte für die Stadtbesichtigung auf.
Endlich unten angekommen steht nicht nur der Shuttlebus da, sondern drum herum auch eine Menschentraube. Aber zunächst werden nur vorgebuchte Passagiere mitgenommen und wir dürfen einsteigen. Es ist wohl der zweite Bus, einer ist schon weg. Die „Spontanbucher“ müssen erstmal auf die Rückkehr der wohl 2 Busse warten.
Was unten im Moment übrigens gar nicht (mehr) steht, das sind Taxen. Nur Menschen die darauf warten. Gar nicht mal so schlecht die Entscheidung für den Bus.
Der fährt jetzt an der Küste entlang, vorbei an „Solfar“, dieser metallenen Skulptur vom Wikingerschiff und vorbei an den Gruppen von Passagieren, die sich für den Fußweg entschieden haben, bis zur Harpa. Die haben auch die ersten Fußgänger jetzt erreicht. Das sind aber nur die, welchen als erstes die Flucht vom Schiff gelungen ist.
Erstmal ein Foto von den Teddys gemacht, soviel Zeit muss sein.
Aber die Helligkeit um diese Zeit so hoch im Norden ist trügerisch. Denn eigentlich müssen wir uns beeilen, die Kirche schließt um 20:00 Uhr. Als los, auf direktem Weg dort hochschleppen, immer in Richtung Kirchturm. Über einen Hügel mit Grünfläche,
vorbei am Denkmal von Ingolfur Arnarson,
der wie wir damals wohl mit dem Schiff gekommen ist, -nur nicht ganz so bequem.
Zwei oder drei-mal zickzack gelaufen erreichen wir die
die man wahrscheinlich wegen diesem komplizierten Namen angestrichen hat und daher jetzt Regenbogenstraße nennen kann.
An deren Ende zeigt sich jetzt da oben die Hallgrimskirche im Ganzen. Die zackige Architektur des grauen Betons ist den oftmals stufenartig zerklüfteten Klippen Islands nachempfunden.
Kostenlos durchs Portal und auch innen ist sie in diesem evangelisch geprägten Land eher nüchtern gestaltet. Nahezu einzig die Orgel sticht heraus und bringt etwas Farbe in das Gewölbe.
Natürlich ist der Aufzug zum Kirchturm mal wieder abgesperrt, daher nicht benutzbar und ich sehe auch keine Treppe, die man uns jetzt ersatzweise hochschleppen könnte. So bleibt uns der große Überblick von oben erstmal verwehrt. Aber geschafft, die Kirche ist schon mal abgehakt.
Endlich Zeit, uns mal um die Dinge rechts und links des Straßenrandes zu kümmern, wo wir eben nur vorbeigehetzt sind.
Schon beim Hochlaufen waren uns die Menschen draußen in den vielen Lokalen und Cafes aufgefallen. Kurzärmlig, mit kurzen Hosen, Röckchen und Latschen rennen und sitzen die hier rum, oder liegen gar auf den Wiesen. Wie schon in Inverness: Die haben hier Sommer! Und woran erkennt man die Touristen? Warme Jacken und Fotoapparat. Selbst die Teddys tragen hier lieber langärmlig.
Unten angekommen, landen wir auf der belebten immer wieder genannten Einkaufsstraße Laugavegur, der „Ausgehmeile“.
Es sind schon einige interessante Läden dabei und immer wieder diverse Außengastronomie. Auf dieser Straße liegt auch das „Phallusmuseum“. Was die da ausstellen weiß ich nicht. Ich glaube, unsere Leute wissen das auch nicht. Jedenfalls antworten die nicht. Scheint wohl ne fremde Sprache zu sein. Aber wir sind ja eh nicht so die Museumstypen.
Im Vorbeigehen fällt ein Lokal dadurch auf, das an den Wänden und auch im Raum auf mehreren Ebenen prall gefüllte Bücherregale sind. Irgendwie also ne Lesekneipe.
Im Moment liest hier aber wohl keiner, denn von einer kleinen Bühne gibt es gerade Livemusik und für unsere Träger bei dieser Gelegenheit einen unbeobachteten illegalen Toilettengang.
Und jetzt, mitten in der Einkaufsmeile, stehen wir plötzlich vor 2 großen Eisbären. Offenbar bewachen die den Eingang des Klimbimladens.
Regungslos lassen sie uns passieren und nehmen offenbar auch von ihrem Artgenossen, nämlich mir, keine Notiz. Finde ich komisch, denn es könnten ja Onkels, Tanten von mir sein. Oder gar….
Im Innern des Ladens dann aber noch ein Eisbär. Und der bewegt sich sogar, sicher vor Freude mich zu sehen. Ist das etwa meine Mama?
Doch der Ty holt mich wenig unsensibel in einer zumindest von ihm bisher nicht gekannten verbalen Grausamkeit aus meinen melancholischen Gedanken der Familienzusammenführung.
„Mann Teddy Kaufhof, der Eisbär ist genauso unecht, wie die beiden Strategen vor der Tür. Nur hat der hier noch nen Elektromotor. Und mit dir hat das mal ausnahmsweise gar nichts zu tun. Aber kannst ja gerne hierbleiben und zur Touristenbelustigung den ganzen Tag mit dem Ar…wackeln. Denk mal an den Kameraden Braunbär in der Altstadt von Göteborg. Der hängt wahrscheinlich dort noch immer draußen an der Wand und muss den ganzen Tag Seifenblasen in die Luft pusten.
Was für ein Leben…! Möchtest Du das? Du kommst jetzt schön mit mir im Rucksack nach draußen. Ich hab 2024 auch nicht vor in China zu bleiben, egal wen ich da treffe. Lass uns weiter unsere Klamotten tragen, Buttons sammeln, zanken und für lau durchs Leben geschleppt werden.“
Und dann wird er unverschämt:
„Wenn Du wirklich deine Mutter suchst, dann versuche es mal bei den Näherinnen, -in Tunesien !“
Der Tag ist für mich gelaufen. Mit dem spreche ich kein Wort mehr. Zumindest erstmal nicht… ungefähr bis wir aus dem Laden sind.
Die grausame Realität vor Augen, ist das nächste Ziel weg von diesem Nepp, runter zu diesem See.
Laut Hafeninfo soll da, direkt neben der Skulptur vom „Unbekannten Bürokraten“,
ein tolles auffälliges Holzhaus stehen. Obwohl ich es jetzt gar nicht mal so auffällig und toll finde, entdecken wir es recht schnell. Ist jetzt so ein Studenten-Kulturtreff drin. Hätte man sich jetzt drin aufwärmen können, denn seit wir die Einkaufsmeilen verlassen haben weht uns hier zunehmend kalte Luft durch die unbekleideten Stellen des Plüschfells. Lieber aber zurück Richtung Bushaltestelle, denn da müssen wir ja noch den „Alten Hafen“ und die Harpa, also die Konzerthalle abklappern. Den alten Hafen aber habe ich mir jetzt irgendwie heimeliger vorgestellt. Aber wenigstens entdecke ich schon mal ein Boot mit der Aufschrift „Whale-Watching“ und da ich vermute, dass es unser morgiges Expeditionsboot sein könnte, halte ich im Vorbeigehen schon mal Ausschau nach strategisch vermeintlich günstigen Beobachtungsplätzen.
Diese „Harpa“ ist ein großes Bauwerk mit teils schiefen Wänden und ist mit hunderten Scheiben nahezu vollverglast. Je nach Lichteinfallswinkel und eigener Position wechseln einzelne Scheiben durch Reflektion die Farbe. Das ist schon raffiniert konstruiert, die Idee könnte von mir gewesen sein. Ist sie aber leider nicht.
Nun aber auch mal rein in die gute Stube. Eine unscheinbare Glastür lässt uns ohne jegliche Kontrolle passieren. Keiner nimmt irgendwie Notiz von uns und das scheint offenbar normal zu sein. Haben die hier keine Angst vor Anschlägen? Also wahrscheinlich aber eine gute Glasschadenversicherung. Na uns soll es recht sein und aus Zeitgründen nehmen wir einen stinknormalen Aufzug und fahren direkt bis nach ganz oben, in die 5. Etage. In den Untergeschossen sind übrigens Tiefgaragenplätze.
Im 5. Stock sind wir eigentlich alleine, gehen ein Stück herum und haben jetzt durch die Scheiben den Ausblick, oder wenigstens einen ähnlichen, wie wir ihn gehabt hätten, wenn wir denn eben auf den Kirchturm gekommen wären.
Oben angekommen, sehen wir nicht nur unser nächstes und letztes Ziel, die Skulptur "Solfar",
sondern auch auch die Ankunft eines Shuttlebusses. Als wir jetzt, nach einiger Zeit wieder unten ankommen, steht er immer noch an der Haltestelle und eigentlich wollen wir nur daran vorbeilaufen, denn die Teddys wollen noch zur etwa 500m entfernten Skulptur, die wir schon bei der Hinfahrt dort am Ufer gesehen haben und welche von vielen Fotos mit der Bergkulisse im Hintergrund bekannt ist. Aber es ist mittlerweile dermaßen zugig kalt hier am Wasser, dass ich mich frage, wie die arme Aida-Frau dort es die ganzen Stunden ausgehalten hat. Der Bus ist mit teils wohl schon lange wartenden Insassen mittlerweile fast voll und die Aida-Frau meint, dass der nächste Shuttle erst in etwa 1 Stunde, also um 22:30 Uhr fährt und damit die im Vorfeld angekündigte letzte Rückfahrmöglichkeit ist. Okay, wenn es jetzt direkt ohne Wartezeit zurück geht, man also quasi nur auf uns gewartet hat und der Bus damit endlich voll wird, dann wollen wir die mal nicht enttäuschen, ich nehme ich die Einladung an, steige als letzter Gast ein und verzichte damit schweren Herzens auf die Nahbesichtigung dieser Skulptur. Ein kurzer Moment der Reue flammt dann auch tatsächlich auf, als sie mit der klaren Sicht auf die Bergkulisse im Hintergrund, im schrägen Licht der Abendsonne, so interessant und fotogen an dem Busfenster vorbeizieht… Ja, jetzt erklärt sich der englische Name „Sun Voyager“ oder eben ganz einfach „Sonnenfahrt“.
Dennoch ist die Reue aber eben nur kurz, weil meine Gedanken bei denen sind, die nun an der zugigen Promenade bis zu 45 Minuten zum Schiff laufen.
Morgen wird’s dann auch für uns wieder zugig werden. Wir holen aus zum Doppelschlag. Gleich 2 „Entdeckertouren“ mit dem Boot stehen auf dem Programm.
Aber erstmal noch ist jetzt „Overnight“ angesagt. Erst morgen Abend werden die uns hier los.
-- Fortsetzung folgt --
Am nächsten Tag geht es endlich auf große Walexpedition. Wird uns das ultimative Foto gelingen? Das man dafür aber auch erstmal die passenden Fotomodelle finden muss, haben wir irgendwie verdrängt. Aber dennoch...
Und am Nachmittag wechseln wir das Forschungsgebiet. Wir suchen Papageientaucher.
Ausgerechnet ein Schlüsselanhänger beendet dann am Ende des Tages Frost und Frust beim kleinen Tiger...