1. September 2022 - Oslo
Hä? Was haben Grönland und Oslo gemeinsam? Mit Sicherheit nicht viel – aber eine Gemeinsamkeit besteht: Oslo und die Südspitze Grönlands liegen auf demselben Breitengrad. Ach ja, noch eins: In Oslo gibt es ein Stadtviertel namens Grønland.
Darüber machte ich mir keine Gedanken, als ich mich in der unchristlichen Urlaubszeit von 6 Uhr aus den Federn hob. Unchristlich, aber notwendig. Schließlich wollte ich eine der schönsten norwegischen Fjordeinfahrten miterleben. War aber wie so oft nix – zu spät … Denn nach der üblichen und unvermeidbaren Morgentoilette gab´s für mich nur noch ca. eine Stunde Fjordfahrt an der frischen Luft. Unser Kapitän war ´mal wieder zu schnell! Aber egal – Vielleicht hatte er den Turbo eingeschaltet, damit wir nicht die Delphinschule verpassten … schön … aber zu weit weg für Fotos.
Es war eine wunderbare Morgenstimmung. Ruhig. Klare, frische Luft. Optimales Fotografierlicht, in der die bewaldeten, ab und an mit mehr oder weniger weißen Hausflecken versehenen Ufer richtig schön zur Geltung kamen. Wie auch die Inseln als Traumorte für Ferien- bzw. Wochenendhäuser.
Dann stellte sich uns der erste Hingucker Oslos in den Weg. Na ja, nicht direkt in den Weg, aber wir fuhren nahezu hauteng daran vorbei:
Vorbei am Dyna fyr, einem auf einem Inselchen 1874 erbauten Leuchtfeuer. 300 m von der Museumshalbinsel Bygdøy entfernt und ca. 3 km von Oslo. Bei den Norwegern ist Dyna fyr als “Oslofjordens hyggeligste fyr” bekannt. Nur ein kleiner Übersetzungstipp: hyggelig bedeutet so etwas wie schön, gemütlich … Aber eins haben die Norweger bei der Bezeichnung dieses Fleckens vergessen: Nach unserem Verständnis müsste er “Oslofjordens hyggeligste og dyreste fyr”. Dyr = teuer. Wie kommt´s? Seit 1956 funktioniert das Leuchtfeuer automatisch; seit 1992 ist im Inneren und auch im Außenbereich mit unbezahlbarem (nicht für alle!) Ausblick auf Fjord, Schiffe, Inseln ein aus mare TV bekanntes Restaurant mit der Spezialität frische Meeresfrüchte untergebracht. Das lassen sich die Betreiber entsprechend bezahlen … Einzelgäste werden nicht zugelassen, nur Gesellschaften mit einem „Eintrittsgeld“ (Fährpassage inbegriffen!) von nkr 4.000,--/Std. Für Mittagsmenues sind drei Stunden, für das abendliche vier Stunden vorgesehen. Man hat´s ja. Ach ja – unter 20 Personen wird der Ofen erst gar nicht angeworfen. Kommt eine kleinere Gesellschaft, muss für mindestens 20 bezahlt werden (Menues, Getränke, …). Natürlich versteht sich das Eintrittsgeld vor Mehrwertsteuer …
Genug vom Ausflug zum Dyna fyr. Zurück zur Realität. Wir näherten uns dem Hafen von Oslo und Mein Schiff 3 legte sanft gegenüber dem hypermodernen Stadtteil Tjuvholmen an. Zeit, nicht an die Köstlichkeiten von Dyna fyr zu denken sondern mit gutem Gewissen ins Anckelmanns zu stoßen, wo – wie man´s gerne nimmt – diverse Schmankerln auf uns warteten. Wir widmeten uns ihnen – gemütlich und ausgedehnt bis wir der Meinung waren: Es wurde Zeit, Oslo heimzusuchen!
Und schon standen wir neben Mein Schiff 3.
Neben uns unser Schiff unter strahlend blauem Himmel, vor uns einige der in den letzten Jahren hochgezogenen Prachtbauten von Tjuvholmen. Funktionell und trotzdem nicht langweilig. In exponierter Lage. Mit traumhaften Ausblicken. Nicht fragen, wieviel man für eine derartige Wohnung mit Ausblick auf den Fjord berappen müsste …
Wir durchstießen den in den 80er Jahren entkernten industriellen Stadtteil Aker Brygge mit nunmehr einträchtig nebeneinander stehenden aufgeprotzten Fabrik- sowie modernen Neubauten und standen nach kurzer Zeit am Rande der Bucht Pipervika. Dort, wo auch an diesem Tag das Leben spielte. Nun gut, noch nicht so richtig, denn es war noch recht früh. Es sollte sich aber im Laufe des Tages ändern. Hinter den Anlegestellen für Yachten lugte eins der Stadtzeichen Oslos hervor.
Das Rathaus. Monumental, funktionell, sonst nichts. Nicht gerade schön. Und irgendwie erinnerte mich das Rathaus an die Hamburger Elbphilharmonie. Nein, nicht wegen der exorbitanten Kostensteigerungen, nein, zwischen Grundsteinlegung und Bezug der ersten Räumlichkeiten vergingen 8 Jahre; die endgültige Fertigstellung erfolgte erst nach 19 Jahren. Der Hauptgrund der Verzögerung lag mit Sicherheit an der Besetzung Norwegens im Zweiten Weltkrieg.
Zunächst mussten wir an den sehr gut belegten Pontons vorbei. Wie es so aussah, fand eine Yachtmesse statt.
Der Zugang zu den Pontons war für Normalsterbliche wie wir es waren gesperrt; die Security passte auf, dass sich kein Unbefugter den großen und kleinen Schiffchen näherte. Einige Meter weiter ein Kuriosum: Am Kai waren mehrere schwimmende Saunen angetäut. Nicht schlecht für Liebhaber des Saunierens– nach dem schweißtreibenden Saunagang ein Sprung in den Fjord!
So, wir umrundeten die Bucht Pipervika, ließen das Rathaus links liegen und begannen den leichten Aufstieg. Den Aufstieg zu einem unserer Hauptziele, zur Festung Akershus.
Ganz schön weitläufig und mächtig. So war es noch nicht, als um 1300 Oslo zur Hauptstadt Norwegens wurde und der damalige König meinte, zur Abwehr von irgendwann kommenden Feinden ein Bollwerk schaffen zu müssen. Nach und nach wurde die Festung erweitert. Neben den Anlagen zur Abwehr von Angreifern entstand natürlich als ein Mittelpunkt ein Schloss incl. Kirche. Nach und nach wurde das Fort erweitert, stand ab und zu im Fokus kriegerischer Auseinandersetzungen und verfügte über das, was man für ein derartiges Bollwerk benötigte: Pulvermagazine, Zisterne, Marstall, Verwaltungsgebäude, Wohnstätten, … Nunmehr alles penibel restauriert und sehr gut erhalten. Das mussten wir sehen. Also rein – rein durch ein Nebentor der inneren Bastion (Der äußere Wall ist größtenteils nicht mehr erhalten):
Ganze drei Meter waren die Mauern dick. Schwer zu erstürmen. Wir waren nach wenigen Metern im inneren Bereich. Zum Glück war alles friedlich. Wir auch! Wir wollten nur besichtigen. Wie das auf dem Wall erbaute Fachwerkhaus, das seit einigen Jahren als Heimatfrontmuseum diente. Also auch zu friedlichen Zwecken. Wie auch andere Teilbereiche, denn nach Jahrhunderten langen Funktionen im militärischen Bereich wird die Festung heute als Multifunktionsobjekt verwendet: ein Teilbereich zu Repräsentationszwecken für die norwegische Regierung, ein anderer als Grablege der norwegischen Könige der Neuzeit, ein dritter wiederum im militärischen Sektor und daneben gibt es noch einen frei zugänglichen Freizeitbereich.
Ein Tipp für Besucher: Die Treppe zum Heimatfrontmuseum
erklimmen (ist nicht so schlimm, wie es sich anhört!) und an der Mauer neben dem Museum staunen:
Ein hervorragender Ausblick auf einen der schönsten Teile von Norwegens Hauptstadt. Der Stadtteil Tjuvholmen, hinter dem sich Mein Schiff 3 versteckte; vorne das Astrup Fearnley Museum of Modern Art; im Hintergrund ein Teil der Museumshalbinsel Bygdøy mit dem Fram-Museum. Wenn wir schon einmal beim Museum sind:
Hinter dem modernen, aber keinesfalls hässlichen Klotz mit klaren Linien verbirgt sich das Nationalmuseum, vor dem das im ehemaligen Westbahnhof untergebrachte Ausstellungszentrum, in dem rund um den Friedensnobelpreis informiert wird, regelrecht winzig erscheint.
Nun aber weiter durch das Festungsgelände. Wir verließen die innere Bastion und kamen auf ein größeres Freigelände mit einem Wachtturm, den Munkstårnet.
Zur Freude zahlreicher Touristen standen am Wall eine Reihe von Kanonen, gerichtet auf den Oslofjord. Ob sie irgendwann im Gebrauch waren?
Wir verließen die Festung durch den Hauptzugang und stießen auf einen riesigen Platz, der begrenzt wurde von einigen repräsentativen Gebäuden, die militärischen Zwecken dienten. Kriegsmuseum, Verwaltung und Schule der Streitkräfte, … Am Rande des Platzes wurde mit einem Denkmal an die Opfer des Zweiten Weltkrieges gedacht.
Leider standen uns die repräsentativen Gebäude im Wege – wir konnten nicht auf direktem Wege die nächste Osloer Bucht Bjørvika erreichen. Und trotzdem schafften wir es nach einigen Umwegen. Und sahen, dass an diesem Tag unsere Mein Schiff 3 nicht das einzige Kreuzfahrtschiff in Oslo war. Die Viking Jupiter lag gut gesichert im Schatten einer Dienststelle des Verteidigungsministeriums. Dieses war allerdings nicht unser nächstes Hauptziel – vielmehr die Oper von Oslo.
Beeindruckend! Schneeweiß. Wie ein Eisberg. Passend zum Norden und damit zu Oslo. Im Hintergrund zur Oper passende Wohn- und Bürobauten. Wenn man diese Silhouette sieht, kann man sich nicht vorstellen, dass dort anstelle der Oper und der dahinterliegenden „Barcode-Häuser“ vor 25 Jahren ein stark genutzter Containerhafen sowie die viel befahrene Europastraße 18 angesiedelt war. Die Hafenanlagen wurden dem Erdboden gleichgemacht, die Europastraße durch Tunnel auf die andere Seite Oslos geführt und dafür ein Juwel erbaut. Vom Beginn der Planung bis zur Eröffnung der Oper vergingen zehn Jahre; die um fünf Monate vorverlegte Fertigstellung dauerte von der Grundsteinlegung bis zur Eröffnungsgala vier Jahre. So, wie sie auf dem Wasser zu schwimmen scheint, ist sie riesig. 207 m lang und 110 m breit. Das Schöne an diesem vermeintlichen Eisberg: Wir konnten ihn besteigen!
Und wir waren dabei vorsichtig. Wie bei einem normalen Eisberg gab es z.B. kleine Stufen und Querrillen, die manche Eisbergsteiger übersahen. Wir schafften die Bergtour ohne Blessuren und erfreuten uns an dem wieder phantastischen Ausblick incl. Spiegelungen. Wie z.B. den Blick auf den ehemaligen, 1921 fertig gestellten Hafenspeicher. Damals, zum Zeitpunkt der Übergabe an den Bauherrn, ein Superlativ: es war der größte Betonbau Europas! Da in den letzten beiden Jahrzehnten in diesem Bereich keine Lagerkapazitäten mehr benötigt wurden, kam das Zeitalter der Umwidmung: Aus dem Hafenspeicher wurde ein Büro- und Geschäftshaus in erster Lage!
Nach dem Genießen der Oper von oben bzw. außen machten wir uns auf den Weg in Richtung Innenstadt. Neben Neubauten sahen wir ab und zu ältere Prachtbauten. Wie die alte Hauptpost
am Rande des Stadtviertels Kvadraturen. Den Zeichen der Zeit folgend, benötigt selbst die Hauptstadt eines Königreiches nicht mehr eine derartig große Hauptpost. Immerhin war an seiner Fassade noch ein Briefkasten angebracht; auch in diesem Haus sind seit einiger Zeit Wohnungen und ein Restaurant im alten Stil untergebracht.
Kvadraturen hört sich norwegisch niedlich an. Was steckt hinter diesem Begriff? Eindeutig Quadratur. Wenn man sich dieses Viertel von oben anschaut, weiß man auch warum. Straßen teilen den Stadtteil in Quadrate. Gut, auch in Rechtecke. Nach einem Stadtbrand Mitte des 17. Jahrhunderts entschied der damalige König Christian IV, dass das neue Oslo nach den damaligen Renaissance-Vorstellungen direkt unterhalb der Festung Akershus entstehen sollte. Klare Linien = Kvadraturen wurden vorgegeben; außerdem gab es die Bestimmung, dass aus Brandschutzgründen nur Steinhäuser errichtet werden durften. So geschah es – aber leider blieben bis heute nur noch wenige alte Bauten übrig. Bis auf einige Häuser am Christiania Torv, ein Kleinod fast am Rande des Viertels.
Damals als Marktplatz vorgesehen; diesen Status verlor der Christiana Torv relativ schnell, als sich das Geschäftsleben in Richtung neuer Domkirche verlagerte. Übrig geblieben ist das älteste Haus der Kvadraturen, der Rådmannsgården (übersetzt Stadtratsgarten), in dem seit vielen Jahren die Universitätsbibliothek untergebracht ist. Auch das gelbe Relikt, das heutige Café Celsius, stammt aus der damaligen Zeit.
Von hier aus war es nicht mehr weit bis zu unserem letzten Besichtigungsziel. Anlässlich der ab der Jahrtausendwende geplanten Umgestaltung der Hafengegend wurde ein Industriegebiet ratzekahl verändert. Dort, wo im 18. Jahrhundert, also vor Beginn der norwegischen Industrialisierung eine nicht gerade einladende Gegend war. Tjuvholmen hieß und heißt diese kleine Landzunge. Auf deutsch „Insel der Diebe“. Diese „guten“ (?) alten Zeiten liegen lange hinter uns und i.R.d. Großprojektes „Fjordbyen“ (Stadt am Fjord) entstand dort ein architektonisches Wunderwerk.
Verschiedene Stile, hypermoderne Bauten, unterschiedliche Farben führten dazu, dass es auch uns nicht langweilig wurde, Tjuvholmen zu durchstreifen und zu umrunden. Im Grunde gab es etwas für jeden Geschmack. Restaurants mit Außenterrassen, Promenade direkt am Wasser, verschiedene Kunstwerke, ein öffentliches Freibad, das Astrup Fearnley Museum of Modern Art mit einigen Statuen im Grünen.
Ach ja, ab dem frühen Nachmittag wurde es in Oslo voller. Die AIDAperla hatte direkt unterhalb der Festung Akershus angelegt. Kein Problem für uns, denn die frischen Menschenmassen würden sich gut in Oslo verteilen und wir strebten sowieso unserem Schiff zu. Dort schonten wir zunächst unsere strapazierten Waden und beschlossen dann, uns vor dem Ablegen um 19 Uhr mit einem der leckeren Hamburger aus dem Tag und Nacht – Bistro zu stärken. Dann war es so weit.
Mein Schiff 3 legte gefühlsvoll ab, drehte nach langsamem Rückwärtsfahren auf dem Handtuch und nahm dann Kurs auf den Oslofjord.
Eine herrliche Landschaftsfahrt begann. Links und rechts von uns und unserem Schiff die wunderschöne norwegische Landschaft, die nach und nach von der untergehenden Sonne noch mehr aufgehübscht wurde. Auch der Sonnenuntergang fiel nicht aus – der Himmel brannte. Und als I-Tüpfelchen kam uns später in der Dämmerung ein uns gut bekanntes Schiff entgegen – die AIDAluna.
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