7. September 2022 - Invergordon
Ein Ausflugsbeginn um 8 Uhr ist unmenschlich. Warum haben wir eigentlich den Vormittagsausflug „Reizendes Örtchen Dornoch und Naturschauspiel“ gebucht? Das hatte ein sehr, sehr frühes, erschreckendes und gnadenloses Wecken zur Folge. Gewirkt hat der Wecker auf jeden Fall …
Wir hatten gerade die Einfahrt in den Firth of Cromarty bewältigt und passierten vier für den Abwracktransport in die Türkei vorgesehene Bohrinseln.
Es dämmerte. Und – oh Wunder – es regnete nicht. Noch nicht. Die Wolken hingen tief; das immer näher kommende Invergordon sah grau und trist aus. Die auf der anderen Seite des Fjords aufsteigende Landzunge sah genauso traurig aus. Nun gut, das typische schottische Schmuddelwetter. Im Moment noch ohne Schmuddel.
Nach dem Frühstück begann unser Ausflug. Hurra! Im Bus war es trocken! Draußen nicht. So verließen wir bei Regenbegleitung die von Industrie geprägte Stadt. Die Landwirtschaftszone Ostschottlands begann. Abgeerntete oder für das Mühen bestimmte Getreidefelder. Wiesen und Weiden mit Schafen oder Rindern. Vereinzelt Mischwälder. Alles grün – das milde, auch vom Golfstrom verursachte Klima und der Regenreichtum war dafür verantwortlich. Wir durchfuhren nur wenige kleine Ortschaften, wie z.B. die für ein hoch wirksames medizinisches Produkt bekannte Glenmorangie. Einige Minuten später überquerten wir den Dornoch Firth und befanden uns auf einmal im verregneten Dornoch. Ein bei gutem Wetter mit Sicherheit reizendes Örtchen. Aber nicht an diesem Tag.
Eine programmgerechte lange Stunde hatten wir Zeit, das vor ca. 400 Jahren mit dem Titel „Royal Burgh" beschenktes Örtchen (um die 1.300 königliche Einwohner) zu erobern. Selbstverständlich wurde der Regen nach Verlassen des Busses stärker. War das schwierig, vom Regenschirm beschützt zu fotografieren … Aber da mussten wir durch. Auch durch den Ort. Richtig viel war´s nicht im Zentrum mit dem typisch englischen Baustil in verschiedenen Variationen.
Wir begannen mit der Kathedrale.
Ihre Vorläuferin wurde um 1200 erbaut, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch den roten Hahn zerstört und im 19. Jahrhundert in die jetzige Form gebracht. Und zwar im damals üblichen viktorianischen Baustil. Die Kathedrale musste in bestimmten Kreisen sehr begehrt gewesen sein. Drei Tage vor Heiligabend 2000 wurde in diesem Gotteshaus der Sohn von Madonna getauft; passenderweise heiratete sie einen Tag später in einem nahe gelegenen Schloss. Fast 10 Jahre später verehelichte sich Elon Musk in dieser Kirche. Aber alles das hatte nichts damit zu tun, dass in Dornoch die letzte Hexenverbrennung in Schottland stattfand, wie böse Zungen behaupteten.
Eine königliche Stadt musste auch Bischofssitz sein. Und das Haus vom Bischof durfte nicht weit von der Kathedrale entfernt sein. So war es auch in Dornoch. Direkt gegenüber der Kathedrale erhob sich Dornoch Castle.
Seit einiger Zeit gibt es keinen Bischof mehr in Dornoch und das Castle steht wohl nicht mehr im Eigentum eines Blaublütigen. Es ist ein vielseitig nutzbares Immobil: In der Vergangenheit war es Bischofssitz, Schule, Gefängnis, Gerichtsgebäude, Hauptquartier des Sheriffs, Jagdschloss, Hotel … Wie vielseitig das Gebäude ist, zeigt sich daran, dass es für schlappe 2,5 Mio. L zum Verkauf steht und auch als „unglaubliches Familienheim“ angeboten wird …
Ein schickes Anwesen und auch die Umgebung stimmt.
Der, der es kaufen will, kann sich auf Sportmöglichkeiten freuen. Dornoch ist mit einem der ältesten Golfplätze der Welt ausgestattet. Verhungern wird man auch nicht im Ort. Der Metzger ist in ca. drei Minuten – quer über den Friedhof – zu erreichen.
Und wer schnell friert, kauft im Geschäft nebenan wärmende Gewande aus echt schottischer Wolle. Wenn man nicht die richtige Lust hat zu kochen, verlagert sich in das nicht weit entfernte Restaurant Coach House Dornoch.
Den Kauf des Castle sollte in angemessener Umgebung gefeiert werden. Ich schlage das Links House of Royal Dornoch vor.
Über Dinnerpreise reden wir nicht – sie sind in diesen Kreisen nebensächlich. Ach ja, wer Glück hat, trifft in diesem noblen Haus Größen des Golfsports, die dort ein und aus gehen. Schließlich ist es nicht einen Golfabschlag, eher ein Katzensprung, vom ersten Abschlag des weltberühmten Royal Dornoch Golf Club entfernt.
Nur zur Klarstellung: Wir kaufen nicht das Castle! Oder doch? Als Schlossherr mit Camilla und Charles im zum Anlass passenden Schottenrock (Was trägt man darunter?) beim Five o'clock Tea vor dem prasselnden Kaminfeuer bei angenehmer Unterhaltung sitzen?! Darüber sollten wir noch einmal nachdenken. Später …
Zum Glück war es vom Links Hous nicht weit entfernt zum Bus. Nicht nur wir waren aufgrund des weiter prasselnden Regens froh, dass sich alle Ausflügler pünktlich im Bus einfanden und wir im Trockenen sitzend mit einer Fahrt durch viel Gegend beginnen konnten. Das Landschaftsbild änderte sich. Kein Wunder, denn uns nahmen die Highlands auf. Es wurde hügelig. Das Grün in vielfältiger Form – Farne, Ginster, Stechginster, Binsen, Mischbewaldung – wurde intensiver als in Küstennähe. Ortschaften wurden seltener, ab und zu Einzelhöfe mit Viehweiden. Felsen und abgestorbene Bäume, stark mit Flechten bewachsen. Ein Zeichen ausgezeichneter, gesunder Luft. Später in höheren Bereichen ausgedehnte Erika- und Stechginsterfelder.
Wir folgten eine längere Zeit dem Dornoch Firth bis wir auf den in den Fjord mündenden River Shin trafen. Dort bogen wir in ein enges Sträßchen ab – in den Weg zu den Falls of Shin, die Jahr für Jahr unzählige Touristen anlocken. Eine Kette von Wasserfällen und Stromschnellen fasziniert die Besucher. Besonders bekannt sind diese Wasserfälle, da fast das ganze Jahr über Lachse sehr oft erfolgreich versuchen, sie durch Sprünge oder durch Zick-Zack-Schwimmen zu überwinden, um ihre Laichplätze zu erreichen und dort nach dem Laichen zumeist das Zeitliche zu segnen.
Ob wir Lachse beobachten konnten? Zunächst der Hinweis, dass es immer noch regnete. Schottenwetter live … Trotzdem ließen wir es uns nicht nehmen, einen gut befestigten Weg bis zu einem Aussichtspunkt oberhalb der Falls zu nutzen.
Eine üppige Vegetation. Farne, Moose, Flechten, Sträucher. Alles auf beiden Seiten des lediglich 11 km langen River Shin, der unter uns von Felsen eingequetscht wurde. Das torfbraune, aber trotzdem recht klare Wasser floss zunächst ruhig, dann stürmisch über Felsbrocken und schließlich wieder gemächlich weiter.
Leider sahen wir keinen einzigen Lachs; unser schottischer Reiseführer erspähte immerhin zwei Exemplare, die die Hindernisse bewältigten. Er hatte allerdings einen ganz anderen Blick als wir Laien.
Nur so nebenbei, da wir im Zusammenhang mit der Kathedrale von Dornoch mit Informationen über Prominente versehen wurden: Die Wasserfälle und das ganze Drumherum inkl. Schloss stehen im Eigentum des ägyptischen Geschäftsmanns Mohamed Al-Fayed, dessen Sohn bekanntlich eng mit Prinzessin Diana bekannt war. Das war´s aber an diesem Tag mit Promis …
Die Regenfahrt ging weiter durch die Highlands
und zwar in Richtung Heimat. Oder Zuhause. Unterwegs wurde uns am Dornoch Firth Viewpoint eine kurze Fotopause zugestanden.
Beeindruckend, der Blick auf den Dornoch Firth. Die Wolken hingen noch immer tief. Nebelschwaden. Mystisches Schottland. Auf der anderen Seite der Straße weitläufige Erikafelder. Die Lüneburger Heide könnte neidisch werden …
Nach einem weiteren Regenabschnitt standen wir wieder vor unserem Schiff. Was passierte dort? Der Regen nahm Reißaus. Streifen blauen Himmels kündigten ein Wunder an: Die Sonne erwies uns die Ehre! Teile des Städtchens Invergordon sahen unter ihr viel sympathischer aus.
Ebenso die Wiesen, Weiden und Wälder auf der anderen Seite des Cromarty Firth. Diesen Zustand mussten wir einfach nach einem schnellen Mittagessen im Gosch nutzen. Hinein ins nahe Stadtzentrum von Invergordon! Was gab es dort zu sehen? Zunächst die Invergordon Parish Church mit dem hohen, alles überragenden schlanken Turm.
Eine Innenbesichtigung war aufgrund von Reparaturarbeiten leider nicht möglich.
Weiterhin die Hauptgeschäftsstraße mit ausgiebigem Blumenschmuck
und unterschiedlichen Giebelmalereien.
Fotografierwürdig waren einige typische schottische Häuser.
Das war´s aber im Großen und Ganzen. Invergordon war für uns kein Ort, für den man einen ganzen Tag opfern konnte; vielmehr der Ausgangspunkt für Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung. Die Ausflugsfahrt hatten wir hinter uns, leider unter nicht optimalen Umständen. So eilten wir zurück. Richtung Schiff. Unterstützt wurde dieser Entschluss von Petrus. Dunkle Wolken ballten sich über uns zusammen; die ersten Regentropfen fanden ihren Weg in unsere Richtung. Aber kaum waren wir zurück auf unserem Schiff, war´s das mit dem Regen. Weg mit düsteren Wolken, her mit der Sonne. Und so ging es den ganzen Nachmittag weiter. Wie nutzte ich die Zeit außer mit Kaffee- und Kuchenpause? So z.B. …
Der Abschied vom letzten Auslandshafen dieser Kreuzfahrt nahte. Unser Kapitän hatte vermutlich Sehnsucht, wieder nach Bremerhaven zurückzukommen. Zehn Minuten vor der offiziellen Ablegezeit ertönten Typhon und „Die große Freiheit“. Mein Schiff 3 löste sich vom Kai, bewegte sich langsam an den Bohrinseln vorbei und nahm Kurs auf die Nordsee. Die uns noch begleitenden schottischen Landzungen und das am Ausgang des Fjords liegende Örtchen Cromarty zeigten sich in der Abendsonne von der besten Seite.
Wehmütig nahmen wir Abschied: Goodbye Scotland, besser Beannachd leat Alba!
Unser Abend gehörte zunächst dem Restaurant Atlantik. Lecker … u.a. lecker rosa gebratenes Rinderfilet. Genauso lecker: mein letzter Mai Tai auf dieser Kreuzfahrt. Machte es mich traurig? Nein, denn Mein Schiff 3 war schon wieder gebucht …
8. September 2022 – Seetag 3
Was macht man am letzten Tag einer Kreuzfahrt? Jeder hat eine andere Routine. Zu meiner gehörte wie an jedem Morgen der Morgenkaffee, verbunden mit dem Blick nach dem Wetter.
Na ja, Wolken neben Wolken … Machte zunächst nichts, denn wir frühstückten ausgiebig und in aller Ruhe. Anschließend folgte der Verdauungsspaziergang bei 16° unter stark bedecktem Himmel und bei kräftigem Wind. Die Koffer wurden gepackt; dann ging´s wieder nach ganz oben. Ach ja, der Fragebogen wurde ausgefüllt und abgegeben wie auch der Umschlag mit Trinkgeld. Und wieder lockte die frische Seeluft. Nach dem Abschied vom Schiff sollten wir sie 18 Tage lang vermissen bis zu unserem nächsten Urlaub auf Rügen.
Doch zurück zum Schiff. Während des Mittagessens – wieder im Gosch – begann es zu regnen. Zunächst leicht, dann immer stärker. Bis es längere Zeit richtig goss. Nach unseren Beobachtungen hielten die Wetterunbilden einige Abgehärtete nicht ab, im Pool ihre Runden zu drehen. Na ja, nasser konnten sie nicht werden …
Der Nachmittag plätscherte so vor sich hin. Drinnen mit uns und draußen mit Grüßen von Petrus. Schade, gerade am letzten Tag einer Kreuzfahrt hätten wir uns Liegestuhlwetter mit Sonne gewünscht. Aber wie schon erwähnt: Wir konnten nicht alles haben. So verlebten wir einen ruhigen Nachmittag und einen ereignislosen Abend, der uns früh im Bett sah.
9. September 2022 – Bremerhaven
Am frühen Morgen ein Blick nach draußen: Wir fuhren noch. Irgendwo im Bereich der Wesermündung. Ein Grund, sich mit der Morgentoilette zu beeilen, zumal der Morgenkaffee lockte. Oben angekommen, musste der Kaffee zurückstehen. Der Grund:
Konnten Industrieobjekte besser ins Bild gesetzt werden? Nach der Aufnahme schnell zum Kaffee. Aber ein neues Fotoobjekt lockte. Das Leuchtfeuer Langlütjen, an diesem Morgen im Watt liegend.
Das bedeutete, dass das Kreuzfahrtterminal nicht mehr weit sein konnte. Also runter in die Kabine, die bessere Hälfte in den Arm genommen und auf zum letzten gemütlichen Frühstück auf Mein Schiff 3. Unsere Kabine verließen wir pünktlich um 9 Uhr, kurze Zeit später Mein Schiff 3 mit dem Gedanken: Wir freuten uns auf ein Wiedersehen in 86 Tagen! Heute auch noch – noch 33 Tage, obwohl wir uns ein nicht sehr angenehmes Andenken von der Kreuzfahrt mitgebracht hatten. Damit waren wir bestimmt nicht allein. Und wir hoffen, dass bei den anderen erkrankten die Symptome nicht schwerer waren als bei uns. Sie waren erträglich.
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