St. Kitts
Es ist wohl der kleinste unabhängige Staat der westl. Halbkugel, dieses St. Kitts und Nevis.
Damals waren wir mit dem Katamaran nach Nevis rübergefahren und daher haben wir von der Stadt Basseterre und der Insel St. Kitts bisher eigentlich noch nichts gesehen. Das muss jetzt geändert werden und da bietet sich die Bahnlinie des alten Zuckerrohrzuges, heute St. Kitts Scenic Railway genannt, an.
KIT01 „Sugar Train“ Mit dem Zuckerrohrzug um die Insel
Aber vor dem Erreichen der Bahnstation, die dann übrigens gar keine ist, hat man gezwungenermaßen eine längere Busfahrt gesetzt.
Und so rollen wir in einem kleinen Bus erstmal über die Straßen statt auf Schienen durch die Landschaft.
Aber die ¾-Stunde ist gar nicht langweilig, denn der Fahrer spielt ein Band mit automatischen deutschsprachigen Erzählungen und Erklärungen ab.
Der kleine Tiger wundert sich und schaut uns fragend an. Wie von Zauberhand erkennt das kleine Männchen in dem Tonbandgerät, wann genau es was, wo und auch immer genau an der richtigen Stelle sagen muss. Doch eh seine Phantasie noch mit ihm durchgeht, verliert zwar nicht der über soviel Naivität mittlerweile feixende Teddy, aber der fürsorgliche Teddy Ty dann doch die die Nerven und rückt grinsend endlich mit der Erklärung für ihn raus. Und so weiß nun selbst der kleine Tiger, dass auch in unserem Navi zu Hause kein kleines Männchen sondern höchstens das GPS wohnt. Aber schon praktisch und gut durchdacht diese Fahrt und der Fahrer agiert durch Handzeichen sozusagen noch interaktiv mit. Zumal wir tatsächlich auch schon jetzt an vielen geschichtsträchtigen Orten vorbeikommen. Obwohl ich ja, wenn ich jetzt so überlege, nicht sooo viel davon behalten werde. Egal, ist aber in dem Moment interessant. Und außerdem schreibe ich das jetzt schnell mal auf.
Jedenfalls kommen wir auch bei Bloody Point vorbei. Den erreicht man, wie auch das Brimstone Hill Fortress, dieses massive Fort und davor auch Old Road Town, diese erste europäische Siedlung seinerzeit, auch nur mit dem Bus, da die Bahnlinie zwar an der Küste lang verläuft, aber kein kompletter Rundkurs ist, dabei also nur etwa ¾ der Insel umrundet.
Nachdem natürlich, wie eigentlich immer hier in der Karibik, erst wieder dieser Kolumbus mal vorbeigeschaut hat, ohne aber wohl großartigen Schaden anzurichten, erledigten dies dann um 1600 und noch was, 130 Jahre später, die Engländer und Franzosen. Die fühlten sich, wie für Besatzer auch schon damals nicht unüblich, sofort wie zu Hause und nahmen das Land für den Tabak- und Zuckerrohranbau in Beschlag, als ob es schon immer ihres gewesen ist.
Der einheimischen Bevölkerung ging dieses herrschaftliche Verhalten ziemlich schnell gegen den Strich und mit Verstärkung von Nachbarinseln versuchte man die dreisten Eindringlinge mit einer Überraschungsaktion zu vertreiben. Wohl auch wegen irgendeiner Petze war der Plan dann aber doch nicht mehr so „geheim“ und die Aktion dann umso weniger überraschend. Und so war es den Besatzern im Ergebnis nicht unrecht, dass man die Aufmüpfigen schon erwarten konnte und mit Hilfe der überlegenen Feuerwaffen innerhalb von 24 Stunden niedermetzelte. 2000 Kariben starben und all dies geschah hier, an dem Bloody Point. Ein Fluss, ab diesem Zeitpunkt dann Bloody River genannt, soll noch 3 Tage nach dem Massaker blutrot gefärbt gewesen sein. Eine Legende, aber das meiste davon wird wohl stimmen.
Heute, 300 Jahre später, als der Teddy hier vorbeikommt, sieht man natürlich sowieso nichts mehr davon. Und außerdem sitzen wir an der falschen Seite und können sowieso nicht fotografieren, ohne anderen auf dem Schoß rumzuturnen.
Was ich jetzt auch nicht sehe als wir anhalten und offenbar am Zielort etwas oberhalb von Sandy Point, im Nordwesten der Insel angekommen sind, das ist eine Bahnstation. Zumindest keine, wie man sie sich üblicherweise vorstellt. Statt auf einem Bahnsteig, stehen wir jetzt auf einer Wiese, aber vor uns sind dann doch wenigstens Gleise verlegt. Kleine Gleise, denn es ist wohl eine Schmalspurbahn. Ein großer Gleiskreis zeigt an, dass hier ein Wendepunkt der Bahn ist. Macht auch Sinn, denn es ist ja kein durchgängiger Rundkurs. Und irgendwann muss sie ja mal wenden, was so praktischerweise ohne Rangieren geht.
Im Hintergrund sehe ich übrigens schon die nächste Karibikinsel. Die hat aber nichts mit St. Kitts zu tun, ist nicht etwa Nevis, sondern die kleine niederländische Insel St. Eustatius und da wollen wir jetzt auch nicht mit dem Zug hin.
Mittlerweile haben sie einige Kleinbusse hier eingefunden und zahlreiche Aida-Gäste warten nun wohl exklusiv auf den Zug, welchen man bei genauem Hinhören auch schon hört. Dampfschwaden sieht man übrigens nicht, er wird von einer Diesellok gezogen. Gezogen werden dabei doppelstöckige Panoramawagen, wo auf dem Oberdeck keine Scheiben oder ähnliches den Ausblick stören. Zumindest nicht bei trockenem Wetter. Sonst gibt es gegen den Tropenregen Plastikplanen als seitlichen Regenschutz. Brauchen wir aber heute wohl nicht.
Genau wie den Schaffner. Der kommt später nur so der Vollständigkeit halber mal vorbei.
Einsteigen und das Oberdeck gestürmt. Mehr als ausreichend Platz für alle auf den seitlich angeordneten Sitzbänken. In jedem Waggon befindet sich an der Kopfseite eine Art Bar. Und direkt geht es los mit der „Bewirtung All in“. Aber erst natürlich rumpelt der Zug los. Und die Frage „geschüttelt oder gerührt“ stellt sich nicht. Na ja, so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Aber die schmale Spurbreite und das Gleisbett sorgen schon für gewisse Unregelmäßigkeiten im Fahrverhalten. Aber wir sitzen ja eh im Rucksack und brauchen uns nicht festzuhalten, als wir jetzt erstmal fast mitten durch die Botanik fahren. Sieht zumindest so aus.
Eigentlich wurde die Zugstrecke ja auch nicht für den Personentransport gebaut, sondern, wie der Name schon sagt, zum Erntetransport von Zuckerrohr.
Alte Originalwagen sehe ich hier und da, neben anderen Schrottfahrzeugen, aber nur noch am Streckenrand. Mehr oder weniger erhalten, verrostet und teils schon von Pflanzen überwuchert. Ebenso wie die Ruinen der alten Gebäude von den Zuckerrohrfeldern. Nur Zuckerrohr sieht man eigentlich nicht mehr. Damit hatte es sich immer mehr erledigt.
Ja, damals war es noch sehr lukrativ, als man afrikanische Sklaven kostengünstig die Arbeit machen lassen konnte. Weite Teile der Insel waren gerodet und von Zuckerfeldern übersäht und der Reichtum der Besatzer war groß. Heute sieht man außer hier und da eine Ruine eigentlich nichts mehr davon und tropische Vegetation hat wieder nach und nach das Regiment über die Natur übernommen. Nach Abschaffung der günstigen Sklavenarbeit hatte man, mit dem großen Nachteil denen Lohn zahlen zu müssen, ersatzweise vorwiegend portugiesische Gastarbeiter hierher geholt, sich mit weniger Gewinn zufrieden geben müssen, konnte aber wohl trotzdem noch immer wenigstens einigermaßen lohnend Handel mit den süßen Stängeln betreiben.
Als dann aber, wegen der Konkurrenz des europäischen Rübenzuckers, auch noch die Preise verfielen, hatte sich die Sache nach und nach erledigt. Spätestens seit 20 Jahren ist nun Schluss damit und damit hatte auch der Zug ausgedient. Bis man dann auf die Idee kam, statt der süßen Pflanze, für etwa 100 € Touristen zu transportieren und diese dabei mit mehr oder weniger süßen Getränken zu versorgen, um mal beim zuckrigen Thema zu bleiben.
Die ganze Fahrt über ist es wie schon vorher im Bus. In deutscher Sprache werden Geschichten erzählt und auf Sehenswürdigkeiten hingewiesen.
Wer will kann dauerhaft zuhören. Aber zumindest Teddy, Ty und Tiger sind doch öfters mal abgelenkt, weil immer mal wieder einer von uns auch interessante Dinge und Nebensächlichkeiten am Streckenrand entdeckt, die so nicht angesagt werden. Und so gestalten wir uns manchmal auch unser eigenes interaktives Programm.
Das jetzt zwei verkleidete Personen aufs Oberdeck kommen und im freien Mittelbereich des schaukelnden Wagens standsicher zu lokaler Musik Tänze vorführen, davon hatte ich schon vorher gehört.
Aber „Ach ne“, da schaue ich lieber raus. Zumindest so lange, bis meine Leute irgendwas Geheimnisvolles tuscheln, einig nicken und mich nun plötzlich schnappen und der Tänzerin in die Hand drücken. „Wollen die mich verkaufen oder gar verschenken !?“ Jedenfalls hat diese verkleidete Tante Geld in der Hand. Hilfesuchend strecke ich die Pfote aus.
„Tschüss Ty, das wars für mich.“ Vorbei mit dem schönen Touristenleben als Reiseteddy. Das habe ich mir heute aber ganz anders vorgestellt.
Ich kann es nicht glauben und bekomme ganz glasige Augen. Wie erleichtert bin ich, als sich die Sache aufklärt. Dieses Geld ist wohl das bisher eingesammelte Trinkgeld fürs Tanzen, die ganze Aktion nur für ein Foto und die Tante versteht mich auch nicht als Geschenk.
Ähnlich groß wie die Erleichterung ist aber noch immer der Schock und ich kralle mich nach Rückgabe ganz fest in den Rucksack und schließe die Augen.
„Was für ein Missverständnis.“ höre ich den Ty sagen. Und als ich die Augen wieder aufschlage, grinst er mich an und meint: „Da hätte uns allen aber auch echt was gefehlt.“ Und irgendwie hat auch der noch ganz glasige Augen dabei. Aber da will ich jetzt mal nicht drauf rumreiten…
Was ich heute nicht sehe, dass sind Affen. Die gibt es hier aber und zwar angeblich mehr davon als die 40000 Einwohner von St. Kitts. Und davon sehe ich einige.
Trotzdem glaube ich das mit den Affen mal. Es sind grüne Meerkatzen, welche die Franzosen irgendwann eingeschleppt haben. Dass sie keiner von uns jetzt wirklich sieht, wird wohl daran liegen, dass dieser Teil der Bevölkerung auf Bäumen und im Gestrüpp lebt
und sie nicht bei Anblick des Zuges heftig winken. Ja, das ist hier so üblich, machen wirklich fast alle und man soll auch zurückwinken. Machen wir dann auch und beide Seiten haben Spaß.
Aber einen Affen haben wir dann doch gesehen. Der wurde uns schon bei der Hinfahrt mit dem Bus förmlich aufgedrängt, weil er bedauerlicherweise in einem kleinen Holzkäfig am Straßenrand eingesperrt war. Der hatte dann auch keinen Spaß und hat auch nicht gewinkt. Der war aber echt, nicht so ein Plüschgedöns wie der hier.
Ja, Ja, da kann man mal wieder sehen wie gut wir es haben und deshalb genießen wir unsere Freiheit und die Fahrt im Panoramawagen.
Über insgesamt 3 stählerne Brücken überqueren wir teils tiefe dicht bewachsene Täler.
Der Gedanke, dass die Brücken wohl so etwa schon 100 Jahre alt sind, stimmt mich nachdenklich. Ob deshalb diese kleine einzelne Lok mutig immer ein Stück vorausfährt und sich notfalls also opfert?
Es ist am Rand der Stadt, beim Flughafen,
wo der Zug nun tatsächlich an einem Bahnsteig anhält und die Fahrt für uns endet. Nachfolger stehen schon bereit, es sind wohl die von der Carnival, welche jetzt die Tour in die andere Richtung machen.
Die Rückfahrt mit dem Bus zum Hafen geht jetzt natürlich schnell und nach einem kurzen Imbiss an Bord geht es nun mal zu Fuß in die Stadt Basseterre, denn die kennen wir ja auch noch nicht.
Heute mal Kultur im Schnelldurchgang, mit dem Plan aus der „Aida Heute“.
Einen kleinen, sehr kleinen Picadilly Circus mit kleinem Glockenturm, der eigentlich ein Denkmal ist, haben die hier gebaut und wir haben ihn jetzt auch mal gesehen.
Weiter zum Unabhängigkeitsplatz, dem Independence Square, wo früher der Sklavenmarkt war.
Den Brunnen hatten die damals natürlich noch nicht. Der ist erst später dazugekommen, zur Erinnerung an die zentrale Frischwasserversorgung, welche 100 Jahre nach dem Sklavenmarkt an genau diesem Platz stattfand.
Jetzt noch direkt daneben ein Kirchgang
und fertig ist der Stadtrundgang.
Die Geschäftsdichte steigt, wir nähern uns dem Anleger „Port Zante“
Ja die Amis und die Engländer die haben hier Spaß. Ob es am Alkohol liegt? Nun, wenn ich mir das Treiben an der Bar vor dem Hafen so anschaue, dürfte er keine zu unterschätzende Rolle dabei spielen, dass die Sache nun in einer internationalen Polonaise endet.
Ich bin mir nicht sicher, ob es einige von denen bei ihrem Landgang überhaupt über diesen Punkt von Basseterre geschafft haben, aber sicher bin ich mir, dass manche es wohl auch gar nicht schaffen wollten. Die Interessenlage bei einer Kreuzfahrt kann doch sehr unterschiedlich sein. Ist jetzt für den Augenblick ganz lustig, aber für die erlebnishungrige Fellbande ist das nichts. Bei den hiesigen Geschäftsleuten aber dürften solcherart, teils mit gefüllten Einkaufstüten behangene Kreuzfahrer, in der Beliebtheitsskale sicher nicht am unteren Ende rangieren.
Jeder wie er mag und mit diesem Gedanken geht es nun wieder ab an Bord. Ein Ort von dem ich noch eben, für diesen kurzen schrecklichen Augenblick im Zug glaubte, ihn nie mehr wiederzusehen.
Doch nun geht es doch weiter, mein Kreuzfahrerleben, morgen auf St. Maarten…
- Fortsetzung folgt -
Im 4.Teil sind wir auf St. Maarten, erleben Philipsburg und geraten auf dem Wassertaxi in eine Verkaufsveranstaltung.
Am Strand erinnert sich der Teddy daran, dass bei feuchtem Sand und gelber Flüssigkeit trotz dem nahen Meer nicht immer ein Zusammenhang besteht und stattdessen eine gewisse Skepsis angebracht ist...
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