31. März 2022, Seetag nach Marseille – 17 Grad, wechselhaft
Heute liegt ein strammes Programm vor uns und deshalb wird schon mal nach dem Augen öffnen nicht lange herum getrödelt. „Das Frühstück darf ruhig etwas schmaler ausfallen wie gewohnt“, rufe ich meinem Mann zu, als er im Bad sich schön macht. „Ja, ja, ich weiss!“ brummt er zurück. Also ich verrate es jetzt warum: 1. in Marseille gehen wir um die Mittagszeit was essen, weil man das in Frankreich IMMER so braucht. 2. Es warten heute Abend noch 6 Gänge auf uns. Nein, keine Gänge zum Büfett, sondern fein angerichtet im Rossini.
Ich schaue noch kurz ins Tagesprogramm, was während unserer Abwesenheit bis 16 Uhr an Bord geboten wird. „Waschtag auf AIDAstella“ steht in großen Lettern auf dem Titelblatt. Erster Gedanke, es gibt Rabatt für die Nutzung der Maschinen im Waschsalon. Ich liege weit daneben mit meiner Vermutung. Die Stella wird gewaschen! Und zwar Backbords incl. der Balkone und die Vorderseite des Schiffes werden geputzt. „Hoffentlich lesen das alle Passagiere, sonst könnte manche ganz schnell erfrischt werden“ sage ich zu meinem Mann. Bei mir läuft gerade Kopfkino und ich lache vor mich hin. Nein, das brauche ich nicht – aber mir kann eh nichts passieren, wir haben eine Innenkabine.
Wir schnappen den kleinen Rucksack und los geht es. Ein Shuttlebus bringt uns zum Hafenausgang und dann laufen wir einfach los. Gegenüber wehen die Fahnen über dem Eingang der Deutschen Botschaft und ein Hinweisschild zeigt an, in welcher Richtung wir den alten Hafen finden, „Vieux Port“ sagen die Franzosen.
Die Bäume tragen Blüten und es fühlt sich richtig wie Frühling an. Ich kann nicht anders und fange einen Schandfleck ein. Meine Güte, die Achtlosigkeit der Menschen kennt keine Grenzen. Verpackungen jeder Art werden einfach fallen gelassen, oder wie in diesem Fall einfach ins Blumenbeet geworfen. Schlimm!
Besonders angetan bin ich von der Bronzeskulptur, die nah am Hafen zu sehen ist. Bruno Catalano ist der Künstler und die Figur, bei der Teile fehlen, würdigt die Arbeiter des Hafens von Marseille. Seit dem 29. November 2018 steht sie an diesem Ort und so gut wie jeder, der an ihr vorbei läuft bleibt stehen und bestaunt sie.
Heute nehmen wir uns die Zeit und steigen hoch zur Kathedrale von Marseille. Sie ist nicht zu übersehen, oberhalb des Quai de la Jolitte prägt sie, im neoromanisch-byzantinischem Stil errichtet, das Stadtbild. Ihr wirklicher Name lautet „Cathedrale de la Major“, die Franzosen nennen sie einfach nur Kathedrale. Im Jahr 1893 wurde sie eingeweiht und zählt zu den größten, die nach dem Mittelalter errichtet wurden. Die Größe wäre vergleichbar mit Petersdom, den ich schon mal besucht habe. Interessant ist die Gestaltung der Mauern, bei der sich helle und dunkle Steine abwechseln. Der Platz davor ist riesig und man hat einen schönen Blick über den alten Hafen, bis hin zum modernen Museum mit der Fußgängerbrücke, über die wir später noch gehen werden.
Ein Blick auf zwei Gebäude in unmittelbarer Nähe lohnt sich auf jeden Fall. Genau dahinter gekommen bin ich noch nicht, aber es war ein Gesundheitskontrollpunkt, wahrscheinlich eine Art Gesundheitsamt.
Mit der kleinen Bimmelbahn kann man bequem hoch zur Basilica „Notre Dame de la Garde“ fahren. Unsere Besichtigung war vor einiger Zeit mit einer Bustour verbunden und weitaus bequemer, als den Berg dort hoch zulaufen.
Vor dem Rathaus sieht es heute so aus, wie ich es von meinen vielen Besuchen in Frankreich kenne: Man streikt! Es hätte mich schon interessiert wofür oder wo gegen, aber ich wollte nicht unbedingt stören. Immerhin ist es bis jetzt friedlich und es brennen weder Strohballen, noch ist die Hafenpromenade blockiert. „Kannst du dich noch erinnern, als einmal die Autobahn gesperrt war und wir einem fremden Franzosen hinterher gefahren sind? Da haben wir doch wirklich schöne schmale Landstraßen und verträumte Dörfer kennen gelernt“, erinnere ich meinen Mann. „Ja, das war ein schönes kleines Abenteuer und wir haben einen Tag länger gebraucht um nach Hause zu kommen!“
Es ist 12 Uhr Mittags und wir haben großes Glück, finden noch ein Plätzchen in dem uns bekannten Restaurant, direkt am alten Hafen. Es kommen Franzosen, die gerade Mittagspause haben und zu ihnen gesellen sich Touristen wie wir. Es gibt eine „Plat du Jour“, also Tagesgerichte und natürlich auch alles andere von der Karte. Was für mich einfach dazu gehört, ist ein „kleiner Gelber“. Das ist ein Pastis – Anislikör – der mit Wasser verdünnt wird und dann kommt noch ein Eiswürfel hinein und schon ist aus dem Likör ein milchig trübes Getränk im Glas. Den trinkt man aber IMMER VOR dem Essen oder am frühen Abend als Aperitif. Macht nicht den Fehler und bestellt den als Verdauungsgetränk, das ist ein absolutes NO GO in Frankreich.
Für den kleinen Hunger nehmen wir ein überbackenes Brot, genießen die Sonne und freuen uns, einfach hier zu sitzen.
Da ich meiner Tochter versprochen hatte, eine ganz besondere Sorte von Pralinen mitzubringen, machen wir uns auf die Suche nach einem Supermarkt. Das ist nicht so einfach, denn die Supermärkte sind alle etwas außerhalb der Stadt. Direkt im Zentrum gibt es kleine vollgestopfte Filialen der großen Ketten – aber leider haben sie die Pralinen nicht. Und es kommt, wie es kommen muß, ich kaufe für uns ein paar „Kleinigkeiten“ und der Rucksack hat sich etwas gefüllt. Ich gebe zu, ich liebe Frankreich und das Angebot in den Läden.
Das Hotel Dieu ist schon was besonderes. Ein Luxushotel in einem repräsentativen Gebäude aus dem 18. Jahrhundert und ich denke mal mit seinen 5 Sternen dürfte es nobel sein, dort zu nächtigen und zu speisen.
Und nicht alle Gebäude, auf denen das Wort Hotel steht, sind auch ein Hotel. Zum Beispiel das „Hotel de Ville“ ist das Rathaus und das Hotel de la Police ist einfach die Polizeizentrale.
In einem ehemaligen Observatorium befand sich später eine Mädchenschule und wie man am bröckelnden Putz sieht, ist das Gebäude sehr betagt. Wie es heute genutzt wird: keine Ahnung.
Ich mag dieses Viertel, es hat viele kleine Läden und überdimensionale Graffiti auf den Mauern.
Die Bürgersteige in den Straßen dort sind schmal und werden oft als kleiner Garten genutzt. Man hat dort keine Balkone und so können die Blumentöpfe auch ruhig mal draußen vor dem Haus stehen.
Wir streifen noch eine Kirche und dann geht es rüber zur Festung mit dem modernen Museum. Ein kleiner Bummel und wir haben fantastische Sicht auf die Umgebung bei einem Espresso.
Es lässt sich gut sitzen dort oben. Ich sehe, es ist schon 15 Uhr, so langsam wird es Zeit für den Rückweg und wir sind um 16 Uhr an Bord.
Rucksack mit dem kostbaren Einkauf in der Kabine deponiert, schnell umgezogen und wir stehen pünktlich in der Anytime zum „Rossini einmal anders“. Mit einem Gläschen perlenden Inhalts in der Hand und sehr leckeren Canapés vor uns, warten wir auf das Sail away.
Auf dem Pooldeck findet gleichzeitig das Battle-Shaken statt, bei dem das Team des Hotel Direktors gegen das Team des F&B Direktors antritt. Ich bin schnell mal rüber gehuscht und sehe, die Sache läuft gut. Die Cocktails werden gemixt und warten auf durstige Kehlen. Nun aber zurück zu unserer Veranstaltung. Ladislav Farkas unterhält uns mit dezentem Gesang und Klavierspiel. So lass ich mir den Moment des Abschieds von Marseille gefallen. Die kleinen Häppchen sind fast zu schade zum vertilgen. Die Crew des Rossinis hat sich wirklich was einfallen lassen, bravo und Dankeschön.Gegen 18 Uhr wechseln wir runter ins Rossini. Dort erwarten uns hübsch gedeckte Tische und wir nehmen Platz. Die Menüfolge ist ansprechend und tatsächlich, ich schaffe alle 6 Gänge.
Bei der Käseauswahl habe ich etwas geschwächelt und mein lieber Mann freute sich über die liebenswürdige Zuschiebung. Bei den Trüffeln zum abschließenden Espresso konnte ich dann wiederum nicht nein sagen. Wir waren uns zum Schluss einig, es war wieder ein schönes Event mit vielen kleinen Leckereien. „Das machen wir bei der nächsten Reise wieder“ flüsterte mein Mann mir zu. Ich antwortete mit Kopfnicken, was heißt, auf jeden Fall. Mal sehen, wo das sein wird.
Nach dem Essen war dann aber noch geschwind eine Runde angesagt. Bewegung schadet nie und auch ein satter Bauch muss bewegt werden. Im Programm ist irgendwie der Wurm drin, meine Lieblingsband ist nicht mehr aufgetreten – komisch und heute Abend sollten die AIDAstars eigentlich auf der Bühne stehen. Sie waren nicht da, dafür spielte Ladislaw auf seinem Flügel und sang wunderschöne Lieder für das Publikum. So ist es manchmal …
Aufstehen mochten wir nicht und blieben noch eine Weile im Theatrium sitzen. Dann erschien plötzlich in großen Schrift das Wort PROBEN auf der Leinwand und wir erlebten die Sängerinnen und Sänger, wie sie für die Queen-Show probten. Das hatte sich jetzt aber echt gelohnt. Tolle Songs und fast ein kleines Sonderprogramm für uns paar Zuschauer. Wir belohnten die Stars mit Applaus und dann ging es schwungvoll ab in unsere Kabine.
Ui, bevor wir uns hinlegen konnten, war erst mal aufräumen angesagt. Lachend verstauen wir die Sachen im Kleiderschrank, ich hänge mein Handy ans Stromnetz, mein Mann packt den Rucksack, denn morgen früh kommen wir in Barcelona an. Dort werden wir dann wieder zeigen, wie flott wir unterwegs sein können – zu Fuß natürlich und … was wir alles anschauen wollen, ist schon eine Herausforderung. Beim letzten Besuch von Barcelona war ich alleine unterwegs gewesen, mein Mann ist von einem Virus aus dem Verkehr gezogen worden. Er hat es überstanden, denn ein Männerschnupfen ist ja bekanntlich schlimmer. Er muss lachen, als er das hier gelesen hat. „Na, da warst du ja mal wieder echt charmant!“ kommt es von ihm.
Gute Nacht und über Barcelona werde ich im letzten Teil berichten.