8. Februar 2023 – Lissabon, 11 Grad wechselhaft und Regen angekündigt
„Erinnerst du dich, was der Kapitän gesagt hat?“ frage ich meinen Mann, der gerade die Augen geöffnet hat. „Ja, natürlich, wir sollen die Einfahrt nach Lissabon nicht verpassen und auf jeden Fall die Brücke im Auge behalten!“ „Los, dann lass uns aufstehen und zack zack frühstücken, am besten im East-Restaurant, da kann ich schnell raus springen, wenn es was zu sehen gibt!“ Und so machen wir es dann.
Achtern hängen schwere dunkle Wolken am Himmel und es tröpfelt vor sich hin. Die Stella ist vom Atlantik her auf den Tejo eingebogen und muss ungefähr 15 Kilometer fahren, bis sie in Lissabon anlegen kann. Der Fluss ist der längste der iberischen Halbinsel und wer sich die Landkarte mal angesehen hat, erkennt, dass er viele Nebenflüsse hat. Es bot sich an, dass er auch als Handelsstraße genutzt wurde – sprich Beförderung von Waren aus dem Inland bis nach Lissabon und dann über den Atlantik raus in die große weite Welt.
Gegen halb elf reißt der Himmel auf, es gibt blaue Flecken, der Regen hat sich verzogen und die ersten Anzeichen von Besiedlung sind zu sehen. Die berühmte Brücke des 15. April rückt immer näher. Auf der linken Seite entdecke ich den 35 Meter hohen Torre de Belém. Und schon bin ich mit den Gedanken in Südamerika, da war ich auch in Belem. Nicht weit entfernt vom Wehrturm steht auch das Denkmal der Entdecker. Zu Ehren 33 bekannter Persönlichkeiten des Mittelalters wurde es 1960 errichtet. Mal schauen, vielleicht fahren wir nachher mit dem Tuk-Tuk dort hin. Keine Ahnung, was wir heute bei unserem Ausflug besuchen werden, ich lass mich überraschen.
Ich war zwar noch nie in San Francisco gewesen und kenne die Golden Gate nur von Fotos, die Hängebrücke über den Tejo erinnert mich stark an sie. Eigentlich ist das kein Wunder, denn sie wurde von der gleichen amerikanischen Firma gebaut, 1966 eingeweiht und trug den Namen des damaligen Ministerpräsidenten Salazar. Politische Turbulenzen in Portugal sorgten dafür, dass die Brücke nach der Revolution im Jahr 1974 kurzerhand umbenannt wurde und trägt jetzt den Namen „Brücke des 25. April“.
Vorne am Bug haben sich viele Passagiere versammelt und schauen nach oben, als die Stella drunter durch fährt und ja, es ist so, wie es angekündigt wurde. Der Wind pfeift durch die Konstruktion aus Stahl und das Fahrgeräusch der Autos ergeben einen singenden Ton. Hach, das ist aber interessant.
Einen Augenblick denken wir, das gibt es nicht. Steht auf einem Hügel gleich hinter der Brücke rechts eine riesige Jesus-Statue wie in Rio de Janeiro. Ich habe vorher schnell nachgelesen, Jesus segnet Lissabon mit ausgebreiteten Armen. Die Stadt war vom zweiten Weltkrieg so gut wie verschont geblieben. Initiator für die Errichtung dieses Monuments war der Erzbischof von Lissabon. Er war in Rio gewesen und hat dort die Jesus-Statue bewundert und die Idee war geboren „So eine muss auch in Lissabon stehen“. Er überzeugte die Bischofskonferenz im Jahr 1940, dass, wenn der Fall eintritt und Lissabon unbeschadet den Krieg übersteht, als Dank an Gott eben diese übergroße Jesus-Statue auf einem Sockel errichtet werden soll. Und so kam es dann, 10 Jahre wurde gebaut und im Jahr 1959 eingeweiht. Wäre bestimmt interessant, sie zu besuchen. Der Ausblick auf die Stadt, den Fluss und die Brücke muss bemerkenswert sein.
Langsam nähern wir uns dem Liegeplatz und verlassen das Schiff zwei Stunden später um den Ausflug per Tuk-Tuk zu machen. Draußen ein Gewusel, Busse, Passagiere, auch Tuk-Tuks – doch wo ist unseres und eventuelle Mitfahrer. Ich habe die Telefonnummer des Anbieters und rufe an. Da steht ein paar Meter hinter uns eine junge Frau mit einem Plakat, auf dem unser Name steht. Wir lachen uns an – so kann es gehen, wenn man nicht richtig schaut. Auf die Frage, wo denn die anderen seien, sagt sie „es gibt keine anderen, ihr seid die einzigen und wir fahren mit einem kleinen Tuk-Tuk, das hinten eine Bank für 2 Personen hat!“ Ganz ehrlich, mich hat es gefreut – wir zwei – quasi ein VIP-Ausflug. Besser geht es nun wirklich nicht.
Erster Halt ist am „Praca do Comérico“, einer der wichtigsten Plätze der Stadt. Er hat nicht immer so ausgesehen. Das große Erdbeben im Jahr 1755 hat die damaligen Gebäude zerstört und danach wurde er umgestaltet. Ganz schön beeindruckend finde ich. „Ach, ist das gut, dass wir offen fahren. Da kann ich prima fotografieren während der Fahrt und den Fahrtwind, den blende ich einfach aus!“ sage ich zu meinem Mann. Das wendige Gefährt knattert die Straßen rauf und runter und wir kommen an der bunt bemalten Front des Militärmuseums vorbei.
Fahren unter der Brücke durch und auf die Frage, was für eine Firma in dem roten Backsteingebäude ist, bekommen wir zur Antwort „Da ist das Museum für Elektrizität“. Nicole verrät uns, es geht nach Belem. Da gibt es viel zu sehen und eine Köstlichkeit zu probieren. Okay, ich bin gespannt. „Ohhh, das finde ich ja super“, rufe ich aus, als das Fahrzeug hält. Wir steigen aus und gehen zu der Bäckerei, die die köstlichen kleinen Gebäckstücke „Pasteis de Belem“ herstellt.
Ursprünglich wurden diese Blätterteigtörtchen, die mit einer Eiercreme gefüllt sind, im nahen Kloster gebacken und verkauft. „Nein, ein Rezept gibt es nicht, die Herstellung ist geheim. Nun werden sie in der Bäckerei vor der wir stehen gebacken. Es gibt nur ein paar wenige Personen, die wissen, wie sie hergestellt werden. Geht rein und kauft welche, ihr werdet sie mögen“ verrät uns Nicole. Sie sind noch lauwarm, als wir hinein beißen. Welch ein toller Geschmack!
Ein paar Meter weiter stehen wir vor der gewaltigen Front des Klosters, in dem bis 1834 die Hieronymiten lebten. Welch ein Segen, das Gebäude hat das fürchterliche Erdbeben 1755 ohne Schaden überstanden und wurde 1983 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Staunend stehen wir vor der Fassade und betrachten die filigranen Figuren rund um den Eingang und die Zinnen oben am Dach. Es ist unglaublich, was die Baumeister damals geschaffen haben.
Nächster Halt ist in der Nähe des Torre de Belem, wunderschön an einer Promenade gelegen. Nicht zu übersehen ist das Doppeldecker-Flugzeug, das jedoch eine Nachbildung ist. Man muss sich mal überlegen, mit solch einer Maschine sind 2 Männer in Lissabon gestartet und flogen 1922 direkt durch bis nach Rio de Janeiro in Brasilien. Keine Zwischenlandung und ein großer Teil der Strecke ging über den Südatlantik, Ganz schön mutig. Die Unterlagen, die man irgendwann gesichtet hat, wurden 2010 zum „Weltdokumentenerbe“ erklärt – ich wusste gar nicht, dass es so was überhaupt gibt. Der Mensch lernt nicht aus.
Der 35 Meter hohe Turm ist über einen kleinen Steg zu erreichen. Er hatte verschiedene Funktionen – er diente als Wehrturm, als Leuchtturm, als Lagerstätte und als Gefängnis. Was mich traurig machte, ist der Anblick der Wasserlinie vor dem Turm. Angeschwemmter Müll in diversen Größen liegt feucht auf dem Sand. Ich bin versucht, mich zu bücken und das Zeug aufzusammeln – aber ich habe keine Zeit. Es gibt noch so viel zu sehen.
Ein paar Minuten später erreichen wir das Denkmal, das wir vom Schiff aus gesehen haben. „Aus der Nähe ist es ja riesig“ stellt mein Mann fest. Wir müssen uns ganz schön nach hinten beugen, wenn wir die Spitze des 56 Meter hohen Denkmals betrachten wollen. Auch hier bin ich schwer beeindruckt von der bildhauerischen Arbeit. Die Figuren scheinen so lebendig, wie sie aneinandergereiht auf dem Sockel stehen. Ein Blick auf die Uhr, wir müssen zurück zum Tuk-Tuk und ab geht es in die City von Lissabon.
An der Kirche mit dem langen Namen halten wir kurz an – übersetzt heißt sie kurz und bündig Herz-Jesus-Kirche. Eintritt wird nicht verlangt und so können wir einen Blick hineinwerfen. Feststellung: hier in Lissabon ist alles irgendwie riesig.
Nun geht es zügig weiter, immer bergauf durch wirklich enge Gassen. Ich muss manchmal meine Augen zuhalten, wenn ich sehe, wie die berühmten Wagen der Straßenbahn sich durch die Straßen quetschen. Manchmal denke ich, gleich kracht es. Nicole lacht, als sie meinen ängstlichen Blick sieht, „keine Angst, die Leute kennen das und es passt immer!“
Einen Moment lang fühle ich mich nach Visby versetzt. Dort gibt es einige Kirchenruinen zu sehen, fast so wie die, vor der wir stehen. Ein Teil des ehemaligen Klosters wurde nach dem schweren Erdbeben restauriert und der andere Teil zeugt von dem Unglück, dass sich damals ereignete. 5.000 Bücher der Bibliothek fielen der Katastrophe zum Opfer.
Unweit befindet sich der Ausstieg des bekannten Aufzugs. Unten im Tal sah ich Menschen anstehen, die ihn benutzen wollten.
Die Fahrt nach oben ist kurz und erspart das mühsame steigen über Treppen und schmale Straßen. Rings um die Bergstation gibt es eine Art Balkon und die Aussicht in jede Himmelrichtung ist fantastisch.
Hier oben gibt es auch eine Bahn, die runter ins Tal fährt. Es ist eine Standseilbahn. Meine Güte, wie steil es abwärts geht. Ich habe Kopfkino, was passiert, wenn die Bremsen versagen???
Auch der Blick auf den größten Park, der Parque Eduardo VII de Inglaterra, von Lissabon steht auf dem Programm. Der Wind pfeift uns ordentlich um die Ohren, als wir dort oben stehen. Fein säuberlich geschnitten sind die Hecken und ganz am Ende können wir die Statue von erkennen, auf der eine Persönlichkeit Lissabons steht.
Eine kleine Pause liegt noch drin. Wir finden Platz vor einem Lokal. Ein Glück, es stehen kleine Gasöfen draußen und wir können uns kurz aufwärmen. Es ist schon irre, wieviel es in der Stadt zu sehen gibt und wir sind froh, dass wir morgen noch ein paar Stunden Zeit haben, um zu Fuß unterwegs zu sein.
In der Stadt gibt es auch eine Ausgrabungsstätte, wo Überreste eines romanischen Theaters zu sehen sind. Und kurze Zeit später halten wir und haben einen tollen Blick auf die Stadt und sogar unsere Stella ist zu erkennen.
Unser Ausflug neigt sich dem Ende zu und noch einmal hält das Tuk-Tuk an, vor der riesigen Barrockkirche Santa Engarcia. Es ist nicht nur eine Kirche, sondern auch ein Pantheon. Der bekannte Fußballspieler Eusebio, an den ich mich noch erinnern kann, hat dort ebenso wie die Fadosängerin Amalia Rodriges, die letzte Ruhestätte gefunden. Wir hören, dass der Fußballspieler Ronaldo dort auch beigesetzt werden möchte.
Nach viereinhalb Stunden erreichen wir den Hafen wieder und verabschieden uns von der wunderbaren Reiseleiterin und ihrem wendigen Fahrzeug. Zur Erinnerung durften wir unsere Namen auf dem Tuk-Tuk verewigen. Es war eine interessante Stadtführung und für den ersten Tag haben wir jede Menge gesehen.
Nun aber schnell auf die Kabine, kurz eine heiße Dusche nehmen und etwas aufwärmen. „Wir waren echt standhaft, dass wir die Seitenteile des Tuk-Tuks nicht geschlossen haben!“ sage ich zu meinem Mann. „Ja, das war schon anders, wie im warmen Indien. Aber immerhin, wir konnten uns mit Decken etwas wärmen“
Im Bella Donna treffen wir unsere Freunde, sie waren zu Fuß unterwegs und haben auch viel zu berichten. Der Abend endet, wie die Tage vorher in der Stella Bar. Draußen auf dem Pooldeck ist es einfach zu kalt. Im Theatrium sind die Plätze gut belegt, es gibt ein „Wohnzimmerkonzert“ mit der Liveband Audiosparks. Kann man gut aushalten, dezente Musik – gefällt mir.
Bevor wir auf Deck 4 verschwinden, machen wir noch eine Deckrunde und sind beeindruckt von dem erleuchteten Panorama der Stadt. Auf dem Rückweg bleiben wir noch im Theatrium hängen. Es laufen Proben für ein musikalisches Event – die AIDAstars singen und der Pianist Ladislav begleitet sie. „Mensch, die müssen ganz schön viel tun, damit die Shows reibungslos klappen“ flüstere ich leise. „Ja, ohne Fleiß keinen Preis“ kommt es leise zurück. Da hat mein Mann nun auch wieder recht.
So, das war jetzt der erste Teil über Lissabon – morgen werden wir sportlich laufen. Gute Nacht.
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