Sonntag, 22.05.2022
Ort: Stavanger
Wetter: Sonne und ein paar Wolken
Stimmung: Optimistisch
Ich werde von einem Sonnenstrahl durch unser Fenster geweckt, da ist es gerade mal halb sechs.
"Nele!"
"Hmmmmm"
"Nele, die Sonne scheint, ich glaub es klappt heute!"
"Hmmmmmhmmmmm"
Im Gegensatz zu Nele bin ich eher der Fraktion Frühaufsteher zuzuordnen, aber ich kenne sie lang genug um zu wissen, was jetzt meine Aufgabe ist.
Ein Kaffee der Stufe 9 aus unserer Nespresso-Maschine muss her, und zwar schnell.
Während Nele langsam, sehr langsam, ein wenig wacher wird, checke ich die Lage durch unser Fenster schon einmal genauer.
Blauer Himmel, Sonne. Herrlich!
Und mein Knie fühlt sich auch schon wieder viel besser an.
Irgendwann hat es Nele aus dem Bett geschafft und ich schaue sie fragend an.
"Was meinst du? Prekestolen?"
Über Neles Gesicht zieht sich ein Grinsen. "Ja. Prekestolen!"
Wir haben den Ausflug im Vorfeld der Reise über den örtlichen Anbieter "Go Fjords" gebucht, für rund 40 Euro pro Person.
Grund ist, dass der identische Aida-Ausflug zum einen mehr als das dreifache kostet und wir zum anderen bei Go Fjords ohne Angabe von Gründen bis 48 Stunden vorher hätten stornieren können.
Um 7 Uhr frühstücken wir im Belladonna (drinnen, da es uns zu draußen ein wenig zu kalt ist) und schmieren uns ein paar Brote.
Wir wissen nicht, ob es beim Prekestolen einen Kiosk gibt, und bei so einer Wanderung benötigt man natürlich Proviant.
Das finde ich bei Prima und Perla besser gelöst, dort kann man sich am Pier 3 kostenlos Wraps und Brötchen für die Ausflüge mitnehmen.
Hier auf der Sol gibt es diese Möglichkeit nicht. Man hätte zwar im Vorhinein ein sogenanntes "Lunchpaket" ordern können, aber dessen Inhalt hat uns nicht zugesagt.
Daher also heute mal ausnahmsweise ein paar geschmierte Butterbrote zum Mitnehmen.
Unsere Rucksäcke haben wir gestern Abend bereits gepackt und verlassen um kurz nach halb acht das Schiff.
Von unserem Liegeplatz "Skagenkaien" bis zur Haltestelle am Radisson-Blu-Hotel sind es nur ein paar Minuten Fußweg.
Auf dem Weg entdeckt Neles geschultes Auge sofort ein Starbucks-Zeichen und strahlt. Sie ist leidenschaftliche Starbucks-Tassen-Sammlerin und möchte unbedingt eine Tasse aus Stavanger haben.
Der Tag ist also bereits gerettet, egal was kommen mag.
Aber natürlich kaufen wir die Tasse noch nicht jetzt, man muss ja nicht mehr Gepäck auf so einen Berg hinaufschleppen als unbedingt nötig.
Wir steigen in den Transfer-Bus von „Go Fjords“, und Nele erntet einige entgeisterte Blicke.
Das liegt nicht an Nele selbst (schätze ich zumindest, sie ist optisch nicht allzu auffällig), sondern daran, dass sie ihre Krücken dabei hat.
Wie bereits erwähnt, benutzt sie die auf längeren Gehstrecken manchmal zum Ausbalancieren und zur Unterstützung, ein bisschen so, wie andere Leute Wanderstöcke nutzen.
Von außen betrachtet kann das zugegeben ein wenig schräg aussehen, wenn sich jemand mit Krücken auf eine nicht ganz unanspruchsvolle Bergtour aufmacht.
Der Bus ist bequem, alles ist gut organisiert.
Die Fahrt dauert etwa 50 Minuten und dann halten wir auch schon auf einem großen Parkplatz.
Während der Fahrt haben wir festgestellt, dass unser Lektor, Magister Götz Wagemann, mit dabei ist. Er hat die Tour schon öfter gemacht, wie er uns an einem der letzten Tage im Theatrium während seiner Präsentation verraten hat.
Am Parkplatz machen wir uns fertig und stiefeln los.
Vier Kilometer sind es bis oben, dabei werden ca. 450 hm überwunden.
Und der Weg hat es in sich! Steile Treppenstufen wechseln sich mit Steinen, Holzstegen und noch mehr Steinen ab.
Man muss teilweise ganz schön aufpassen, wo man hintritt.
Nele rockt mit ihren Krücken den Berg, anders kann man das gar nicht sagen.
Immer noch treffen sie zahlreiche verwirrte Blicke, aber das lässt uns weiterhin kalt.
Allerdings, Achtung Disclaimer, ich würde niemandem raten, ihr das nachzumachen.
Wir hätten den Aufstieg bei Nässe oder erwartetem Regen auch nicht gemacht.
Das großartige Wetter trägt dazu bei, dass uns der anstrengende Aufstieg richtig Spaß macht.
Irgendwann kommen wir an einem richtig hübschen Bergsee an und machen ein paar Minuten Pause.
Die Natur ist wunderschön.
Kurz vor dem Gipfel kommt uns unser Lektor entgegen, er ist einer von der schnellen Sorte und war bereits oben.
Er stoppt, wirft einen irritierten Blick auf Neles Krücken, lächelt uns dann zu und macht sich auf den Weg zurück.
Nach insgesamt knapp zwei Stunden Aufstieg haben wir es dann endlich geschafft.
Das letzte Stück müssen wir nochmal ein wenig kraxeln – aber dann sehen wir das berühmte Felsplateau vor uns.
604 hm über dem Meeresspiegel liegt es und fällt steil über dem Lysefjord ab.
Der schlängelt sich malerisch blau unter uns her.
Wow.
Das war’s wert!
Wir machen eine Pause, essen unsere Brote und machen viele, viele Fotos.
Aber allzu nah an die Kante gehen wir nicht heran, das ist uns etwas unheimlich.
Wir wollen ja wieder heil unten ankommen.
Runter brauchen wir ein wenig länger, was an Neles Krücken liegt – das ist teilweise ganz schön kniffelig.
Aber sie meistert es bravourös.
Gegen 13:20 Uhr sind wir wieder am Ausgangspunkt angelangt und haben noch etwas Pause, bevor es um 14 Uhr wieder losgeht.
Wir treffen wieder auf unseren Lektor, der hochachtungsvoll zu Nele gewandt sagt: „Sind Sie die junge Dame, die mit den Krücken auf dem Berg war?“
Der Magister hat nicht nur nette Worte, sondern schenkt ihr auch noch einen Magneten vom Prekestolen, als Anerkennung für das, was sie heute geleistet hat.
Nett!
Ich gehe auch noch in den Shop und kaufe mir zur Erinnerung einen Magneten und ein T-Shirt.
Wir sind jetzt müde, aber glücklich.
Und sehr froh, das Wagnis eingegangen zu sein.
Das war wirklich ein unglaublich schöner Moment, da oben auf dem Plateau.
Wieder in Stavanger angekommen laufen wir noch ein bisschen durch die Stadt.
Natürlich geht es zuerst zu Starbucks, wo Nele zwei Tassen ersteht ("Norwegen" sowie "Stavanger") und ich die letzte Espressotasse mit der Aufschrift "Norwegen" ergattere. Sie wird mich jedes Mal, wenn ich zu Hause einen Espresso trinke, an diesen traumhaften Tag und die Reise erinnern.
Der Hafen von Stavanger und der Ortskern sind sehr hübsch und wir schlendern noch ein wenig dort entlang.
Aber dann spüren wir, dass unsere Beine uns mitteilen, dass wir heute vier Stunden lang gewandert sind, und gehen zurück zum Schiff.
Wir ziehen uns um und nehmen einen Drink an der Oceanbar.
Dann wird geduscht, und pünktlich zum Ablegen um 18 Uhr sind wir wieder oben.
Wir zelebrieren das letzte Auslaufen mit zwei Salitos und erhaschen noch einige Sonnenstrahlen.
Zu Abend essen wir im Marktrestaurant und schauen uns im Theatrium die Prime-Time an, in der für „Arbeiten auf Aida“ geworben wird.
Wenn ich jung und ungebunden wäre, ich glaube, das würde ich mir glatt überlegen.
Im Moment herrscht Personalmangel, man hat auch als Quereinsteiger gute Chancen.
Um halb zehn sind wir richtig müde und läuten langsam den Abend ein.
War ein langer und ereignisreicher Tag – aber auch ein Highlight unserer Reise.
Montag, 23.05.2022
Ort: See
Wetter: viele Wolken und nur ein wenig Sonne
Stimmung: Relaxed
Heute geht mal kein Wecker, wir stehen erst gegen halb acht auf und machen uns gaaaanz langsam fertig. Draußen ist es windig und kühl, deshalb frühstücken wir drinnen im Belladonna.
Heute haben wir nicht viel vor, Seetag halt.
Nele verbringt ihn weitestgehend an Deck (am Bug ist es recht windgeschützt und am Mittag kommt sogar die Sonne raus), während ich die Wellness-Oase entere. Hier gefällt es mir richtig gut, ich mache zwei Saunagänge mit Blick aufs Meer und lasse mich mit einer Pediküre verwöhnen.
Von 12-16 Uhr ist mein Slot, und den nutze ich auch aus.
Dann gehen wir zur Sol-Bar und ordern Kaffee und Kuchen, zum ersten Mal auf unserer Reise.
Der Kellner bringt uns direkt vier Stücke Kuchen – na, dann guten Appetit!
Danach startet Nele ihre Pack-Orgie (sie braucht immer ewig dafür), derweil lese ich gemütlich in der Kuschelmuschel auf Deck 11.
Abendessen gibt es im Belladonna – zuvor werden natürlich die Abschiedstorte und die kreativen Eistiere fotografiert – das sehr voll ist.
Nach dem Abendessen packe ich meinen Koffer und um 20:30 Uhr ist die letzte PrimeTime unserer Reise.
Dennie ist wie immer aufgedreht ohne Ende und trägt einen Anzug, der aussieht, als hätte sich Thomas Gottschalk mit einem Blumenbeet gepaart.
Viele Gäste finden ihn total super, uns ist er ein wenig zu "drüber".
Aber das ist ja Geschmackssache.
Der „Aida-Smiling-Star“ wird gekürt (der Barkeeper von der Oceanbar) und dann sagt Käpt'n Moritz Pankau noch ein paar Worte. Wie immer macht er das richtig gut, mit trockenem Humor und informativ. Ich habe einmal zufällig eine Ansage von ihm an die Crew mitbekommen, als ich an einem Crew-Treppenhaus vorbeigekommen bin. Auch dort hat er sehr wertschätzende Worte gefunden, was mir imponiert hat.
Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, dass man recht einfach herausfinden kann, wie ein Mensch in Wirklichkeit ist.
Man muss ihn lediglich unbemerkt dabei beobachten, wie er mit Menschen umgeht, die ihm objektiv unterlegen sind.
Geht der Chef höflich mit dem Praktikanten um, grüßt die Abteilungsleiterin auf dem Flur freundlich die Putzfrau, hat die Professorin Verständnis für ihre Studierenden?
Unser Kapitän hat den Test auf jeden Fall bestanden.
Nach der Verabschiedung lässt es sich Dennie nicht nehmen, zu einem Song aus der „Eiskönigin“ zu performen.
Okay, singen kann er richtig gut, Respekt.
Danach spielen noch die 10 Aida-Stars – natürlich ist der Krawattennadelmann aus Italien auch mit dabei – eine Farewell-Abba-Show, die so richtig die Bude rockt.
Zum Abschluss kommen viele Crewleute auf die Bühne, stellen sich um das Ensemble herum, das „thank you for the music“ singt und leuchten mit den Handys im Takt.
Gänsehaut!
Das war für mich ein richtig schöner runder Abschluss einer tollen Kreuzfahrt.
Die nun tatsächlich schon vorbei ist.
Na dann – bis zum nächsten Mal!
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