Seetag
Fast 1800 KM Seeweg liegen jetzt vor uns, auf dem Weg zum Nordkap. Und der nette Kapitän hat sich was vorgenommen. Er will am Ende ganze 4 Stunden früher da sein, also schon um 18 Uhr. Damit die Fellbande, -okay, das drückt er etwas allgemeiner aus-, länger vor Ort sein kann. Da könnten wir ja glatt vor dem Nachtausflug zum Kap noch mal kurz den Ort heimsuchen und aufmischen.
Also Leute bleibt wacker, kein Gegenwind, keine defekten Motoren, oder sonst was. Darf nichts zwischenkommen. Dann klappt das schon.
Und da haben wir auch schon den ersten Zwischenfall, einen medizinischen Notfall. Aber fernab von jeder größeren Stadt wird er, bei unterdessen unverminderter Fahrt, mit dem Hubschrauber ausgeflogen. Gute Besserung.
Genauso wie die Tage länger werden, Sonnenaufgang heute um 03:39 Uhr und Untergang so gegen 23:30 Uhr, wird es nun jeden Tag ein bisschen kälter, jeden Tag ein Kleidungsstück mehr, bis es am Nordkap im Skianorak enden wird. Nur der Ty und ich werden dann wohl immer noch in unseren luftigen Strandkleidchen stecken. Danke auch.
Das Wetter ist aber weiterhin prima. Wir baumeln bei jetzt zwar nur noch 10 Grad, aber voller Sonne, relaxed in der Hängematte und ich könnte jetzt blumenreich das seichte Wellenspiel oder sonst was beschreiben. Mache ich aber nicht. Sieht man doch auch so.
Okay, heute Morgen mal, da war plötzlich eine ziemliche Suppe und wir haben uns sicherheitshalber immer mal wieder mit dem Nebelhorn bemerkbar machen müssen, aber jetzt…
Das momentane Wetter am Nordkap hingegen macht uns im Moment noch ein wenig Sorge. Regen und starken Wind zeigt die Karte derzeit bei Wetter.online. Aber just am Freitag, wenn der Weltenbummler Teddy mit seinem Anhang im Schlepp dort auf der Showbühne erscheinen wird, ja da soll Schluss sein mit Wind und die Sonne wird die Fellbande begrüßen. So zumindest das von mir zur allgemeinen Beruhigung in den Raum geworfene Szenario. Warten wir es mal ab…
Seetag
Für etwa 10:00 Uhr angekündigt, überschreiten wir heute den Polarkreis.
Draußen nur noch 7 Grad und es fehlen nicht nur ein paar Grade, sondern auch die Sonne. Selbst das Wasser wirkt jetzt kalt.
Da quälen wir uns nicht bis aufs Pooldeck, um dort symbolisch über eine aufgeklebte Linie zu springen, also der "Polarkreissprung".
Wir hüpfen auf mein Kommando einfach nur aus dem Bett. Das gilt auch.
Und danach dann noch zur Abhärtung in die Hängematte. Unsere Leute hingegen sind Weicheier. Die machen das Gegenteil, gehen jetzt erstmal lecker in die Wellnessoase. Schön warm dort, während der Ty gerade merkt, dass bei allem Plüschfell, ein Strandkleidchen auf dem Weg zum Nordkap wenig geeignet ist…
Also ich merke es jetzt noch nicht so ganz, denn ich verzichte auf solcherart Abhärtungstraining, schmeiß mich heimlich in den Rucksack und schon ist der Eisbär in der warmen Wellness-Oase.
Aufguss in der renovierten Sauna und der Träger merkt: Ja, es wird gespart. Frau kommt rein, nennt ihren Namen, schmeißt 3 tennisballgroße Eisbälle auf den Ofen, ruft „Eukalyptus“ in den Raum und sagt: „Das war`s.“ Frau wieder raus, Tür zu. Ein Anschlag hätte jetzt nicht länger gedauert, als der philippinische Name bei der Vorstellung. Erst einige Minuten später macht sich, wenn man eine empfindliche Nase hat, ein leichter Kräuterduft bemerkbar. Aufguss ist wohl anders, der hier nennt sich aber trotzdem klangvoll „Eisball-Aufguss“.
Auf dem Pooldeck spielt man Eisstockschießen. In gefrorene handballgroße Eisklötze ist eine Schlinge mit eingefroren und die Teile werden nun übers Deck gescherbelt. Hier halten die Spielgeräte lange, bei südlichen Touren könnte man die Gäste nur kurz damit bespaßen. Dann könnte man nach wenigen Punkten schon nur noch das Tau über Schmelzwasser schlittern lassen. Und genau deshalb spielt man dort Shuffleboard.
Gegen Mittag ist durch die leicht diesige Luft Land in Sicht, die erste große und hoch aufragenden Klippe. Die Spitze in eine Wolke gesteckt, sieht das aus wie ein Vulkankegel. Hoffentlich sind die Fotoverhältnisse am Nordkap besser.
Nun tauchen immer mehr Felseninseln auf, werden immer dichter und auch das Schiff kommt dem näher. Ja, das sind die Lofoten und irgendwo da hinten werden wir uns auf dem Rückweg einen Weg um die Inselgruppe suchen. Der Kapitän wird schon wissen wo. Also ich könnte mich jetzt nicht entscheiden. Auch ein Grund warum der Streifen an den Klamotten hat, ich aber Buttons. Bin mehr für das Reisen zuständig, nicht für`s Fahren. Vereinzelte Häuser erkennen wir und sogar ein wenig Grün, angestrahlt vom fahlen Sonnenlicht.
Erst gegen Abend ist der Zauber vorbei, die letzte Lofoteninsel verschwindet.
Aber dann wenig später abgelöst von höheren Bergen mit Schneefeldern – das norwegische Festland. Wir sind am schmalen Heck des Hubschraubers angelangt, denn auf der Landkarte sieht dieses Land tatsächlich wie ein auf dem Kopf stehender Hubschrauber aus.
Immer wieder taucht solcherart Küstenstreifen jetzt zwischen dem Dunst am Horizont auf. Ist ja schließlich hell…
Zwischen die Möwen, welche uns am Heck begleiten, gesellt sich kurz ein Pärchen Puffins. Aber man sollte jetzt kein Flug-Foto erwarten. Es waren jedenfalls welche, kenne ich schließlich von Island.
Manchmal ist es sowieso besser ohne Foto. Damals hatte ich von einem Balkon über uns mitbekommen, wie eine Frau eine vorbeifliegende weiß/schwarze Möwe fotografiert hat und lauthals voller Vorfreude war, dass sie jetzt zu Hause ein Foto von einem Puffin vorzeigen kann. Na die werden sich gefreut haben…
Ganz lustig nun die nautischen Daten. Sonnenaufgang 00:00 Uhr/Sonnenuntergang 00:00 Uhr. Normalerweise, wie schon die letzten Nächte, wieder dieses fahle aber doch helle Licht draußen, heute aber noch gepaart mit leichtem Nebeldunst.
Die Sonne scheint weg zu sein, aber jemand hat vergessen das Licht auszumachen...
½ Seetag zum Nordkap
Bewölkt 8 Grad. Heute werden wir es erreichen, dieses Nordkap.
Letzte Vorbereitungen am Morgen. Da darf jetzt nichts schief gehen. Akkus geladen und ja, auch der Fotochip ist auf Kapazität geprüft. Thermowäsche raus und Stoffschuhe in die Ecke. Die sind jetzt ähnlich unpassend wie unsere Strandkleider…
Die Sonne lacht, fast windstill ist es und bald schon zeigen sich erste Wale. Was für welche, dass weiß ich nicht. Bin ja vieles, aber kein Biologe. Jedenfalls sieht man immer wieder die spitzen Schwanzflossen dieser wohl eher kleinen Wale. Meine Vermutung: Es sind Schweinswale, die „Karnickel der Meere“. Na ja, so viele sind es dann auch wieder nicht.
Gerade kommt uns die AIDA Sol entgegen.
Die haben bereits erlebt, was uns nun noch erst bevorsteht. Aber hatten die auch so ein tolles Wetter in der „Nacht“?
Ich glaube, nicht nur wegen der sich für uns anbahnenden wetterlichen Zugabe sind wir jetzt alle gespannt wie ein Flitzebogen. Ein Gefühl, was man wohl Vorfreude nennt. Und wenn auch zuvor schon hunderttausende, ja Millionen diesen Ort auf meist recht bequeme Weise heimgesucht haben …, man fühlt sich jetzt doch als Entdecker. Sozusagen „the one and only“. Klingt komisch, ist aber so.
Gegen Mittag sollen wir das Kap erreichen. Und ja, in der Ferne erkennt man es schon. Das muss es wohl sein. Schnell ein voreiliges triumphales Foto, wer weiß ob ich noch näher dran komme…
Durch das Fernglas erkennt man auf dem Schieferplateau auch schon „Globo“, den berühmten Globus der dort erst seit den 1970er Jahren steht, dieses Fotomotiv was man eigentlich nie ohne Leute ablichten kann. Und daher erkennt man da oben auf dem Plateau nicht nur „Globo“, sondern auch zahlreiche Reisebusse, Wohnmobile, aufgereiht wie an einer Perlenschnur.
Im Gegenlicht nun erste Fotos. Ja, weiter nördlich kommen wir jetzt nicht mehr. Wir sind schon am höchsten Punkt unserer Reise angekommen, die noch nicht mal zur Hälfte rum ist.
Auf den Außendecks wird die Vorbeifahrt vom Lektor kommentiert, auf dem Balkon muss die Fellbande sich unterdessen damit begnügen, meine fachkundigen Kommentare aus der Hängematte zu ertragen. Gut vorbereitet und sicher kaum weniger fundiert… Behaupte ich jetzt mal ganz bescheiden.
Diesen berühmten Zacken dort, diese charakteristische Nase an der Ostseite, von der ich aber nicht den Namen weiß , darauf kann ich jedenfalls hinweisen.
Am Nordkap vorbei, Kurs auf Hooninsvag, Teddy schlägt Alarm. „Wal, da bläst er!“ Und da, und dort und auf der anderen Seite auch. Plötzlich, weit draußen, überall Fontänen. Bestimmt 50 Stück erkenne ich in der Summe, allein in den paar Minuten nun. Und auch die dunklen Körper sieht man. Und durch das Fernglas aber auch mehrere abtauchende Schwanzflossen. Es sind wohl Pottwale. Was für eine Begrüßung!
Extra beeilt hat sich der Kapitän und nun, kurz vor dem Ziel, stoppt die Fahrt. Pech gehabt, zu früh. Der Liegeplatz ist noch besetzt. Na ja, wir sind aber auch sehr früh dran. 18 Uhr jedenfalls ist es noch lange nicht.
Eine Weile dümpeln wir nun irgendwo zwischen Nordkap und Honningsvag rum, genießen die Aussicht auf die sonnenbeschienenen bizarren Berg- und Felsformationen
und dabei richten wir den Blick vor allem auch weiter angestrengt auf das Meer. Vielleicht zeigt sich ja doch noch mal ein Wal, oder vielleicht sogar ganz viele.
Es bleibt aber bei einer, dennoch nicht ganz unwesentlichen Sichtung. Hurtigruten schippert an uns vorbei.
Dann scheint der Weg jetzt frei. Das Basislager ist geräumt.
Und gegen 18:30 Uhr dann haben wir die Pier erreicht. Nebenan die Norwegian Star,
da wo später die Luna festmachen wird. Wie auch oben auf dem Schiff, scheinen da unten an Land „Liege“-plätze knapp und ständig besetzt.
So richtig festmachen können wir jetzt erstmal nicht. Irgendwie klappt das nicht, kleiner Defekt wohl an einer hinteren Winsch. Ein Schlepper sucht und findet schließlich eine Festmachmöglichkeit. Dann endlich liegen wir fest an der Pier, aber wohl so ungewöhnlich vertäut, dass der Kapitän später zu berichten weiß, dass es schon ungewöhnlich und auch für ihn neu war, dass wir trotzdem noch den Bug- und Heckanker ausbringen mussten. Obwohl es nahezu windstill ist.
Mittlerweile ist es 19:15 Uhr, als die ersten von Bord gehen können. Wir sind in Honningsvag (spricht sich wohl „Onningsfogg“).
Nordkap
Die 2800 Einwohner von Honningsvag bekommen heute, in der Saison auch für sie kaum überraschend, Zuwachs. Allein über 3000 Passagiere von Aida Luna und unserer Bella. Aber damit nicht genug, wollen die auch noch alle über Nacht bleiben…
Über Nacht bleiben wir zwar, aber nur wenige Gäste werden jetzt erstmal schlafen oder den ganzen Tag, welcher eigentlich eine Nacht ist, hier im Ort bleiben. Denn Honningsvag auf der Insel Mageroya ist „nur“ die Basis, das Tor zum Nordkap.
Hoch im Norden sind wir jetzt, so weit wie wir niemals zuvor waren. Und das ziemlich genau zur Sommersonnenwende. Aber nicht nur wegen der „Mitternachtssonne“ und weil es nicht dunkel wird, die Sonne nicht richtig verschwindet, ist diese „Nacht“ heute nicht zum Schlafen da…
Und da wollen wir jetzt eigentlich nicht nur zum Nordkap.
Zunächst einmal hatte der Teddy da was bei „Meine Landausflüge“ gebucht. VIP-Tour im kleinen Kreis, aber eben mit unbekannter Mindestteilnehmerzahl. Und als der 3 Wochen vor Beginn wohl deshalb drohte zu platzen, musste schnell eine Alternative her. Den Aida-Ausflug noch in der Hinterhand, hatte der Teddy im Wasserurlaub.forum vom Veranstalter Blue Puffin gelesen. Der bietet eigentlich das Gleiche wie „Meine Landausflüge“ an, aber halt mit einer größeren Gruppe. Egal, spätestens am Nordkap werden wir wohl ohnehin nicht alleine sein. Zum Glück habe ich noch Restplätze für unsere Träger und die Gratis-Schnorrer der Fellträgerfraktion bekommen und waren augenblicklich wieder beruhigt. Mehr versprochen wird uns, als der reine Transfer wie beim Aida-Ausflug, für einen nur etwas höheren Preis. Alles jetzt in trockenen Tüchern wird der Aida-Ausflug im Vorfeld storniert. Zwei andere werden sich freuen, denn mittlerweile sind da alle Zeiten ausgebucht. Teddy ist halt ein Gönner und verzichtet…
Irgendwann am Nachmittag, Höhe Nordkap, bekommt der Träger eine Nachricht von Sebastian, vom Veranstalterbüro. Man hat wohl Lunte von unserem früheren Ankommen gerochen und fragt nun alle Teilnehmer ab, ob man statt der geplanten 23 Uhr, nicht schon um 19:30 Uhr starten kann. Schon viele hätten sich einverstanden erklärt. Obwohl wir doch eigentlich gegen Mitternacht zur „Mitternachtssonne“ da oben sein wollten, erliege ich zweifelnd dem Gruppenzwang und stimmt zu. Wenig später die Bestätigung. Start um 19:30 Uhr.
Hätte der Teddy das mit einem „Nein“ noch alles platzen lassen können…?
19:30 Uhr wird es aufgrund des verzögerten Anlegens nun zwar nicht, aber kurz nach 20:00 Uhr setzt sich der voll besetzte Bus dann in Bewegung.
Es geht auf Nordkaptour.
Vorher noch kommt Sebastian in den Bus, begrüßt uns, kündigt an was uns erwartet und spricht den salbungsvollen Satz: „Nathan“ entscheidet über die Reihenfolge der Ziele. „Das liegt in seiner Hand“. Oh wie mystisch, diesen nordischen Gott kenne ich gar nicht. Ist aber auch gar kein Gott kommt dann die Aufklärung, so heißt der Reiseleiter, ein Holländer. Okay, kleines Missverständnis, bin wohl schon zu lange in diesem geschichtsträchtigen Norden.
Noch bleiben die Aida-Busse zurück, -wir starten jetzt.
Und der „Nichtgott“ Nathan entscheidet, dass es zunächst zu einem Fischerdorf geht.
Vorher noch ein Halt an einem Aussichtspunkt über den Tufjorden, ein Hotspot für die Sichtung von Polarlichtern und auch immer wieder ganzen Trupps von Walen.
Steht hier sogar extra auf einer Tafel drauf. Aber natürlich gibt es keine Polarlichter zum Mittsommer und für die Wale fehlt mir das Fernglas. Vielleicht ist aber ohnehin gerade keiner zu Hause. Die waren ja gerade noch alle auf dem Meer zwischen Nordkap und Honningsvag…
Einsteigen also und wenig später sind wir da, im Fischerdorf Kamoyvaer
Ist wie ausgestorben hier, keine Menschenseele sehe ich, außer Nathan mit seiner Truppe.
Wohl alle in den Häusern verschwunden. Ty liefert die wenig charmante Erklärung: „Hat sich wohl rumgesprochen dein Kommen, Kaufhof. Ein geschwätziger Eisbär im Ort.“
Na das kann man aber auch netter ausdrücken…
Nathan ist nur Teilzeit-Reiseleiter und ansonsten ein richtiger Fischer. Ein Holländer also am Nordkap. Das hat jetzt den Vorteil, dass er uns an dem verlassenen Fischereistützpunkt ein wenig über die Netze und Krabben-Fangkörbe erzählen kann.
-- Fortsetzung folgt --
Im nächsten Teil geht die Expedition weiter. Wir nähern uns dem Nordkap.
Unterwegs Rentiere in Vorgärten, Königskrabben, das nördlichste Fischerdorf der Welt und dann sind wir da,
am Ziel der Träume.
Wir stehen am Nordkap...
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