Bergen
Am Morgen schlüpfen wir rein, in den Fjord nach Bergen, winden uns mit dem Schiff vorbei an manchmal ganz kahlen von der Eiszeit rundgeschliffenen Felsatollen, vorbei an teils auf Stelzen ins Wasser ragende kleine Fischerhäuschen, die aber eigentlich Ferienhäuser und Retro sind, meist auch zuvor wohl niemals einen Fischer gesehen haben.
„Viel Schiffsverkehr hier“, meint am Morgen der Kapitän. Och, habe ich gar nicht gesehen, hab bis gerade geschlafen. Und während das Schiff unter dieser Brücke durchfährt, sind unsere Leute beim Frühstück. Also unterschiedliche Ansichten, unterschiedliche Aussichten.
Schon zum 3. Mal werden wir nun in Bergen sein, der mit über einer Viertelmillionen Einwohnern zweitgrößten Stadt Norwegens.
Und die ist schon recht bedeutend, diese Stadt im Byfjord. Noch heute einer der wichtigsten Häfen, als Tor zu den Fjorden. Von hier fahren nicht nur die Linienschiffe in den Norden, sondern es fallen über das Jahr gesehen auch mehr als doppelt so viele Kreuzfahrer wie Einwohner ein. Dem will man Grenzen setzen. Aber nicht heute und nicht mit uns. Wir sind jetzt erstmal da und stürmen gleich von Bord, ehe die sich das hier doch noch anders überlegen.
Mehr noch als Kreuzfahrer hier einfallen, fällt in Bergen aber auch Regen. Und dem kann keiner einen Riegel vorschieben. Hatte eigentlich jeder der bisher besuchten noch so kleinen Orte sich irgendein Superlativ zugelegt, den als regenreichste Stadt finde ich jetzt nicht so prickelnd und werbewirksam.
Und da war ich beim Aufstehen aber mal gespannt. 2/3 des Jahres regnet es hier. Na toll, 2 Mal haben wir es schon mit Sonne geschafft, der Wahrscheinlichkeitsrechnung nach also… eher Ungemach. Und als ich neugierig, genauso vorsichtig wie erwartungsfroh den Vorhang lifte…ist es jedenfalls irgendwie schon mal bewölkt und der Balkon zeigt Spuren einer regnerischen Nacht.
Aber wir wollen doch gleich…. Nicht das wir doch noch auf Plan B, Teddys Alternativprogramm, zurückgreifen müssen.
Was haben wir die anderen beiden Male hier gemacht? Beide Male oben auf dem Floyen gewesen,
beim zweiten Mal durch den Trollwald runtergelaufen.
Das Unesco Weltkulturerbe Bryggen, dieses alte hölzerne Handelskontor der Hanse, 2x abgebrannt und wieder rekonstruiert, kennen wir auch schon.
Und sogar das Lepramuseum haben wir unbeschadet und in ganzen Teilen überstanden.
Was nun? Eben mal was ganz anderes!
7 Hügel gibt es hier, Floyen ist abgehakt, also bietet sich mal ein anderer an. Und da fällt die Wahl leicht. Wir nehmen den mit der Luftseilbahn. Wenn die stehenbleibt, kann man nicht aussteigen… aber sieht das Schiff wenigstens abfahren. (ohne uns…)
Im leichten Regen vorbei an Bryggen, dem alten Handelskontor, quer über den Fischmarkt,
immer wieder den bangen Blick nach oben, muss jetzt, wo wir vor dem Verkaufspavillon hinter dem Fremdenverkehrsamt und in 30 Meter Entfernung zum Sjömannsmonumentet für die bedeutenden norwegischen Seefahrer stehen, eine Entscheidung fallen. Letzter Blick nach oben: Mal sieht man ihn, mal nicht, diesen Berg Ulriken.
Egal, wir wollen das jetzt, haben uns so drauf gefreut. Und wir haben bei dieser Tour bisher so viel „Schwein“ gehabt, da werden wir das Glück einfach noch mal herausfordern und strapazieren. Die Würfel sind gefallen. Ob das gut geht?
Mittlerweile dreist und bezüglich der Peinlichkeit lethargisch geworden, fragt der Träger tatsächlich wieder nach einem Seniorenrabatt.
Den gibt es nicht, aber die Frage bewirkt trotzdem einen freiwilligen 10%-Rabatt, wegen dem unsicheren Wetter. Oh, oh. Wenn die hier unten schon freiwillig…
Schwer lastet die Verantwortung auf mir, dem Entscheidungsträger, der den anderen da gerade ggf. „die mögliche (Nebel)Suppe einbrockt“.
Vom Verkaufsstand bei der Haltestelle aus kann man den Berg sehen, wenn man ihn denn sehen kann. Im Moment finden wir entsprechend alle, dass dieser Rabatt ein feiner Zug, aber wohl auch berechtigt ist…
Etwa 80 Euro konnte ich dem Träger also rauslocken und diese tolle Plastikkarte ist trotzdem nicht kleiner oder etwa dünner geworden, hat sich nicht verändert. Das geht hier schon die ganze Zeit so, dass die immer Geld verlangen, sich dann aber mit so einer wertlosen Plastikkarte zufrieden geben.
Und am Ende steckt er sie sich auch noch selber wieder ein. Komisch, aber tolle Sache.
Mit dem Shuttlebus, der jede halbe Stunde fährt und nur 2 weiteren Wagemutigen fahren wir die etwa 10 Minuten hoch zur Talstation.
Also im Moment kann man sogar den Gipfel sehen. Und wenn man von unten nach oben den Durchblick hat, dann wohl auch umgekehrt. Nichts wie hoch jetzt. Die Fahrt dauert nur 5 Minuten. Das könnten wir schaffen, bis es wieder….
Rein in die Gondel, ab geht es nach oben und wir schauen unterdessen nach unten. Für Ty und Tiger ist es die erste Seilbahnfahrt. Bisher kam für die ja nur eine „halbe“ Standseilbahnfahrt zustande, als diese im März in Neapel schon bei der ersten Station mit Defekt stehengeblieben ist, wir alle aussteigen mussten und die mir dann alle die Schuld dafür in die Schuhe geschoben haben. Was nebenbei bemerkt ja sowieso nicht geht. Habe ja gar keine… Blöder Spruch also. Zwar ist der Ty jetzt im Moment noch begeistert, findet aber trotzdem noch die Zeit dem armen Teddy zu drohen und stellt dabei unmissverständlicher Weise klar, wer die Schuld dafür trägt, wenn es denn wieder…. Da ich keinen Bock auf dieses destruktiv nörgelnde „Na toll Kaufhof“ vom Ty habe, verschweige ich dem mal lieber, dass es bei Defekt und Stillstand unterwegs, heute mit dem einfachen Aussteigen zur Tür raus eher schlecht aussieht.
Nur 5 oder 6 weitere Leute in der Gondel wagen sich jetzt auf die Expedition nach oben. Das gibt mir weiter zu denken, aber jetzt ist es zu spät. Vorteil bei der leeren Gondel: Wir haben einen Fensterplatz. In der Ferne sehen wir das Schiff. Na ja, laufen hätte der Träger bis zur Talstation nicht wollen und können. Außerdem sind wir als Kreuzfahrer zeitlich immer eng getaktet. Da war der Shuttlebus schon eine feine Sache. Zeit ist Geld und das haben wir zur Beschleunigung der Sache gerade bezahlt.
„Jetzt werden die Häuser, Hügel und die Fjordlandschaft immer kleiner und langsam unseren Blicken entschwinden“ – philosophiert der Ty, aber da sind wir auch schon oben. Denn so hoch sind 600m nun auch wieder nicht. Entschwinden wird die Landschaft aber trotzdem, gleich, wenn die Wolkensuppe von da hinten gleich hier ankommt…
Aber noch ist es zu unserer allgemeinen Freude super hier. Nix Nebel, das Tal zwar nicht sonnendurchflutet, aber halbwegs Fernsicht.
„Na siehste“ schmeiße ich unterdessen vor Selbstzufriedenheit über diesen gelungenen Husarenstreich in die staunende Runde. „Oben sind wir schon mal.
Und übrigens Ty, das ist mehr als Du alter Zweifler erwartet und der Sache zugetraut hast.“
Und setze noch zuversichtlich die abgedroschene Phrase „Runter kommt man immer, egal wie!“ hinterher.
„Ja, das wird dann praktisch zum Selbst“läufer…“ stöhnt der Träger.
Wir sind auf 600 m, der richtige Gipfel dieses „643er“ liegt 43 m höher, etwas nach hinten versetzt. Trotzdem doppelt so hoch, erkennen wir 300 Höhenmeter rechts weiter unter uns die belebte Aussichtsplattform des Floyen.
Von Euphorie getragen raunt der Ty im offenbaren Höhenrausch, Blick nach dort unten gerichtet, selbstherrlich ein triumphierendes spöttisches „Anfänger da unten“! in den Raum und fühlt sich hier oben augenblicklich wie Edmund Hillary.
Der Rucksackträger aber in diesem Zusammenhang eher wie einer der Packesel …mit Seilbahnticket in der Hand.
Gerade überlege ich, mich wegen dem ganzen Dusel bei dieser Reise „Hans im Glück“ zu nennen, als mir erste Tropfen die Plüschfrisur zu ruinieren drohen.
Aber auch hier die schnelle Lösung. Erstmal einen Kaffee im Panoramarestaurant. Hätte eh auf dem Plan gestanden. Die Sache wird jetzt im Trockenen ausgesessen. Und kaum ausgetrunken, ist es schon wieder trocken und klar.
Sie scheinen sportlich auszusehen, nehmen die Träger mit Genugtuung zur Kenntnis, als sie von den Leuten die mit uns hier hochgefahren sind beim Aufstehen gefragt werden, ob sie jetzt wandern gehen. Ne Bergtour also trauen die ihnen zu. Beruhigt euch Träger, ist nur der Rucksack der euch aufwertet und an Wandersport glauben lässt.
So die Seele gestreichelt, geht es jetzt auf zur "Hicking-Tour". Also mich persönlich hält jetzt nur das Zeitproblem von der 5-stündigen Wanderung rüber zum Floyen ab. Die Träger sehen das aber gänzlich anders und bringen ein gewichtiges anderes Gegenargument. Wir haben schon die Rückfahrkarte gekauft und die gilt nur hier.
Nun wird aber wenigstens der Minimalkonsens umgesetzt. Das Wetter lädt zu einer kernigen Bergtour ein. Die Wege jetzt nicht so…
Eigentlich kraxelt man, zumindest hier, auch auf dem Wander-„Weg“, nur auf Felsen und Geröll rum. Natur pur.
Hätten die doch wenigstens mal asphaltieren können…
Und die Tante unten am Fahrkartenverkauf hatte uns noch diesen Minimalkonsens so schmackhaft gemacht, als wir besorgt gefragt haben, ob es denn sehr steil wäre. Aber wenn die schon die Begriffe „Hicking“ und „easy“ zusammen verwendet…. Da hätte man stutzig werden müssen.
Abwärts nun und nach 15 Minuten erreichen wir diesen kleinen Schmelzwassersee.
Zwischendurch weitere Hindernisse. Überall Schafschei…., für die schuhlose Fellbande im Rucksack jetzt weniger von Belang und die Übeltäter stehen jetzt um uns rum.
Aber wirklich schön hier in diesem zumindest von der Struktur her “hochalpinen“ Gebiet.
Ziel erreicht und Rückweg. Ende mit dem Schnupperkurs Bergwandern. Denke auch nicht, dass die Wegstruktur sich im weiteren Verlauf dauerhaft ändert und so erklärt sich, warum für die 13,9 km-Tour zum Floyen satte 5 bis 6 Stunden angezeigt werden.
Wir sind jedenfalls stolz auf unsere Leute, dass sie den Unbilden der Natur getrotzt und uns hier durch die wilde Natur geschleppt haben. Es hat nicht wieder geregnet, aber der Träger ist trotzdem etwas feucht auf der Stirn. Und gute Entscheidung mit dem Rückweg, da hinten am Himmel wird es irgendwie so undurchsichtig. Nichtsdestotrotz wagen sich nun mehrere Leute auf den Trail. Als die uns entgegenkommen und in Hörweite sind, strunze ich extra laut,
„dass die 3 Stunden vom Floyen rüber so herrlich waren und ich gar nicht verstehe, warum die angeben, dass man 5 Stunden braucht.“
Und wenn die jetzt auf die Stirn vom Träger schauen bin ich überzeugt: Dann nehmen die uns das auch ab.
Oben kurz die Spuren der Wanderung korrigiert, welche sich aber mangels Sturz auf die Schuhe konzentrieren, denn bezüglich der Schafsch… hat man dann doch einige Treffer gelandet.
Es ist gut, dass wir nun wieder oben sind, denn ich hatte das Unheil ja gerade schon kommen sehen. Jetzt ist es da. Und unten ist jetzt nichts mehr da.
Ach Gott denke ich, die armen Wanderer die jetzt erst losgegangen sind und versuchen, in 3 Stunden rüber zum Floyen zu laufen. Die sehen nun eher wenig und müssen sich an den Stangen orientieren, welche hier und da mal die Strecke markieren. Hoffentlich übersehen die da keine. An einem auf dem Boden klar erkennbaren Weg können die sich jedenfalls nicht orientieren.
Auf der Plattform oben kommen unterdessen, frisch aus der Gondel gestiegen, 3 Leute an, schauen runter, sehen nichts von dem was wir schon im Kasten haben, ziehen eine enttäuschte Schnute, glauben nicht an eine Wetterwende, ignorieren das Café und fahren von Ungeduld getrieben nun direkt wieder runter, mit der wohl gleichen Gondel. Na das hat sich gelohnt...
Auf der Hälfte der Talfahrt, die zur Freude vom Zweifler Ty und zu meinem Glück wieder reibungslos verläuft, durchfahren wir den Nebel des Grauens und sehen das, nur eben von etwas tiefer, was wir schon von oben gesehen haben.
Wir ja, die 3 Ungeduldigen neben uns nicht...
Unser Stolz auf die Bezwingung des „643er“ mit der anschließenden Hicking-Tour wird nun etwas geschmälert, als der Typ in der kurzen Hose, der gerade noch mit uns runter gefahren ist, nun nicht zur Haltestelle vom Shuttlebus, sondern links hoch zu dem aus 1400 von Sherpas gebauten Treppenstufen bestehenden Fußweg geht. Im Joggingtempo berghoch entschwindet er dann aus unserem Sichtfeld.
„Ach, das macht der bestimmt nicht freiwillig. Der hat da oben was vergessen und kein Geld mehr für das Ticket. Genau so wird das sein.“ sage ich den anderen.
Alles in allem eine herrliche Tour und zeitmäßig ein Punktlandung. Wenn ich da so gerade nach oben schaue. Aber den Schlechtwetterrabatt zahlen wir trotzdem nicht zurück.
Denn „Schönwetter“ hätte so ausgesehen, wie damals vom „kleinen“ Floyen aus …
So ist das halt: Mal gewinnt man, mal verliert man. „Ach“ meint da der grinsende Ty „wann haben wir auf dieser Tour denn zuletzt verloren…?“
Und dann macht er etwas, was mich überrascht. Er klopft mir mit seiner Pranke kameradschaftlich auf die Schulter.
Voller Stolz werte ich es mal so, dass dieser Gefühlsausbruch seine Art ist mir zu sagen: „Alles richtig gemacht, Teddy!“ Wow!
-- Fortsetzung folgt --
Runter vom Berg sind wir im nächsten Teil und da hat der Teddy noch einen Termin in der "Magic Ice Bar" gebucht.
Und wer dort nicht zahlt, der kriegt auch keine Schutzkleidung. Und dann friert selbst ein Eisbär...
Aber bis dahin ist es toll...
Und Riesenüberraschung am Seetag. Große Freude im Hause "Fellbande"...
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