2. Juli 2015 - Reykjavík
Ihr könnt Euch vorstellen, wann ich mit einem Becher Kaffee ganz oben an Deck erschien?! Richtig – wieder vor sieben Uhr! Und sah dann endlich wieder mein Island! Noch erschien alles nicht sehr vertrauenserweckend. Düstere Wolken hingen tief. Keine Sonne, aber auch kein Regen. Mystisch. Also Island!
Wir, d.h. die AIDAluna, fuhren parallel zur Küste. Viel Grün. Felsabbrüche. Berge, nein, zunächst eher Hügel. Mit Schneeflecken. Milkaberge. Noch weit vor uns die Einfahrt in die Faxaflói, die Bucht, an der Reykjavík liegt. Dort, auch noch weit vor uns, versuchte sich die Sonne durch die Wolken zu kämpfen. Vergeblich.
Fast spiegelglatte See. Keine Wale – sie ruhten sich noch für uns aus. Wir näherten uns mehr und mehr der isländischen Hauptstadt. Die Elbphilharmonie Reykjavíks schälte sich aus dem Dunst, später auch die Hallgrímskirkja. Ein Sonnenstrahl fiel auf Perlan, dem Warmwasserspeicher und gleichzeitigen Aussichtsgebäude. Aber nur einer – dann verschwand Perlan mit den anderen Bauten wieder im Dunst.
Frühstück! Aber schnell! Denn beim Anlegen mussten wir wieder oben sein. Schön – es zeigten sich kleine Streifen blauen Himmels. Und die Silhouette Reykjavíks präsentierte sich nunmehr viel, viel positiver. Das Licht machte es …
Die AIDAluna legte an. Sanft wie immer mit Kapitän May. Und uns begrüßte wie bei den Vorreisen das älteste, in seiner ursprünglichen Form erhaltene Gutshaus Viðeyjarstofa sowie die zweitälteste, noch bestehende Kirche Islands Viðeyjarkirkja auf der Insel Viðey. Beeindruckend – mit von Wolken gekrönten Bergen im Hintergrund.
So, das Schiff wurde freigegeben und wir stürmten von Bord. Zum Mietwagenverleih in unmittelbarer Nähe, bei dem uns ein VW Golf und ein Skoda Oktavia anvertraut wurden. Insgesamt Platz genug für den Neunerclan, der in den Autos zügig Reykjavík verließ. Die Wolken lockerten weiter auf und die durchbrechende Sonne ließ die links und rechts der Ringstraße blühenden arktischen Lupinen in vollster Pracht erscheinen. Einfach nur schön – wie alles andere an diesem noch jungen Tag!
Die Häuserzusammenballungen verschwanden. Vor uns wie schon so oft Grün in unterschiedlichen Tönungen. Hügel, Berge. Wir mittendrin. Dann begannen bei Hellisheiði die Lavafelder. Vorwiegend anthrazitgrau, doch vielfach nach Jahrtausenden mit Flechten und Moosen bewachsen.
Auf einmal hörten wir ein lautes Röhren. Was war das? Erdbeben? Vulkanausbruch? Nein – dann bemerkten wir ihn. Den Monsterjeep, der uns verfolgte, unaufhaltsam näher kam und uns mit Getöse überholte.
Bei einem etwas höher gelegenen Aussichtspunkt hielten wir kurz an. Für zwei von uns Zigarettenpause. Und für sie und den Rest ein weiterer positiver Eindruck von Island. Gigantisch, was die Natur geschaffen hatte. Unterschiedliche Farben am Berg.
Auf der Steuerbordseite, pardon, rechts, das Meer. Weit vor uns glitzerten die Gewächshäuser Hveragerðis, in denen durch die natürliche und damit preiswerte Wärme des aus der Erde gepumpten Wassers nicht nur bei uns in Deutschland heimische sondern auch tropische Pflanzen wachsen und Früchte reifen. Das Obst- und Gemüsezentrum Islands.
Nun aber weiter. Auf der Straße mit starkem Gefälle. Kurz vor Selfoss stießen wir ins Landesinnere. Viel änderte sich die Umgebung nicht. Weiter viel Grün. Weiden mit putzigen Islandpferden. Später kamen Wochenendhaussiedlungen in Birkenwäldern dazu. Die wollten wir uns ansehen. Von oben. Und zwar vom Kraterrand des Kerið.
Also rechts ab von der Straße, Autos abgestellt, Eintrittsgebühren (€ 2,-- p.P.) bezahlt und los ging´s. Nach oben zum Kraterrand, den wir umrundeten. Der Kerið ist ein rund 5.000 bis 6.000 Jahre alter Krater in einer vulkanisch aktiven Zone, die zu einem größeren Eruptionsgürtel gehört. Ovalrund mit 270 m x 170 m. Der Krater hat eine Tiefe von 55 m; die Wassertiefe schwankt – je nach Grundwasserstand – zwischen 7 m und 14 m. Rings um den Kerið - wie schon erwähnt - jede Menge Wochenendhäuser. Und ganz weit im Hintergrund – der schreckliche Vulkan Hekla, der schon viel Leid über die isländische Bevölkerung gebracht hatte. Und dabei sieht die Hekla so unschuldig aus …
Der Kerið umschließt einen – je nach Sonnenstrahlung die Farbe wechselnden - Kratersee. Der Kerið selbst war teilweise mit Gräsern und blühenden Pflanzen bewachsen – Lichtflecke in der Vulkanerde – die Natur siegte. Auch wenn sie sich lange anstrengen musste.
Wieder weiter – Richtung Geysir. Doch vorher gab es eine Prüfung für unsere Autos. Im Zuge der Straßenerneuerung wurden einige Kilometer Asphaltdecke abgetragen und der darunter gelegene Schotter verstärkt. Es ratterte. Ausgefahrene Spuren. Doch wir schafften es und wurden kurze Zeit später belohnt. Weit vor uns stieg der Strokkur in die Höhe … Nun aber schnell zum Parkplatz und raus zu diesem Naturwunder. Vorbei an einigen kleinen Blubberwassern erreichten wir ihn, den Geysir Strokkur (übersetzt Butterfass), der alle acht bis zehn Minuten eine Wasserfontäne in die Luft schleudert. So auch in diesem Moment, als wir die Kameras noch nicht bereit hatten. Das machte aber nichts. Denn wir hatten nicht den AIDA-Ausflugsbus-Zeitdruck im Nacken. Schon ließ der Strokkur das heiße Wasser gen Himmel steigen und auf die Speicherkarte bannen. Strokkur der Erste – wir sollten noch weitere erleben …
Aber nicht nur von unten sondern von den höher gelegenen Königssteinen aus. Vorbei an Lupinenfeldern stiegen wir hinauf und schon kam er wieder. Der Geysir.
Ein Blick auf die Uhr. Zeit satt, noch höher zu steigen und die Aussicht auf das Tal hinter dem Berg zu genießen.
Einfach herrlich – die gesamte Umgebung! Das Tal Haukaladur, das Habichtstal. Die Blicke in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
Und auf den Strokkur, der sich natürlich nicht lumpen ließ. Wunderschön … aber ein längerer Aufenthalt kam nicht in Frage. Es gab noch mehr zu besuchen.
Also schon wieder vorwärts – nach zehn Minuten erreichten wir den nächsten Höhepunkt des Tages. Den Gullfoss, den Goldenen Wasserfall. Wir stellten unsere Autos auf dem oberen Parkplatz ab und sahen, wie die Hvítá, die aufgrund ihres milchigen Gletscherwassers als „Weißer Fluss“ bekannt ist, vom zweitgrößten isländischen Gletscher Langjökull kommend,
über zwei Wasserfälle ihre Wassermassen in eine bis zu 70 m tiefe und 2,5 km lange Schlucht entließ.
Die Aussichten vom oberen Parkplatz
und nach dem Abstieg vom unteren Parkplatz aus waren einfach grandios. Leider begann es leicht zu regnen, so dass ein möglicher Regenbogen aufgrund des Sonne-/Gischtspiels nicht bewundert werden konnte. Wir wollten noch mehr sehen. Und so gingen wir vom unteren Parkplatz am gut gesicherten Rand der Schlucht vorbei zu den Fallstufen.
Ein Donnern, ein Getöse – wir konnten uns nur schwer von diesen beiden zunächst 11 m, dann 25 m hohen, nahezu im rechten Winkel stehenden Wasserfällen lösen. Aber es musste sein, denn es fehlte noch eine Station. Doch vor der Abfahrt gönnten wir uns von oben noch einige Blicke auf die milchige, donnernde Pracht.
So, nun aber los. Einige Kilometer auf derselben Straße zurück. Leider auch über die Schotterstrecke … und dann durch teils grüne, teils anthrazitfarbige Landschaft Richtung Þingvallavatn, den mit 83 km² größten See Islands. Wir umfuhren ihn nördlich, passierten den Grabenbruch Hrafnagja und damit Europa und hielten schließlich auf einem Parkplatz des zweiten Grabenbruchs Almannagjá.
Herzlich Willkommen, Amerika! Europa? Amerika? Ja, so war und ist es. Aber nur geologisch. Denn an diesem „Flecken“ Þingvellir driften tief unten in der Erde die auf der Magma schwimmenden nordamerikanische und eurasische Erdplatten langsam, aber stetig auseinander. Island wird Jahr für Jahr größer. Und zwar 2,5 cm p.a. So, zurück zu unserer Besichtigung von Þingvellir. Zunächst wandten wir uns auf gut ausgebauten Wegen dem Öxarárfoss zu. Links und rechts des Weges eine sehr üppige Vegetation. Blumen und vor allen Dingen Ackerschachtelhalm. Grün und saftig – ein Paradies für gewisse Nagetiere.
Der vor nicht ganz 1.100 Jahren künstlich durch Umleitung des Flusses Öxará angelegte 20 m hohe Wasserfall reicht keineswegs an den zuvor besuchten Gullfoss heran. Doch auch er imponierte, wie er das erkenntlich glasklare Wasser auf den Weg schickte.
Wir gingen zurück – Richtung Thingplatz. Durch die Almannagjá, die Allmännerschlucht.
An diesem Ort entstand auf Betreiben des Goden (geistlicher und weltlicher Führer) Grímur Geitskór 930 das erste Parlament der Welt, der Althing. Es trafen sich jährlich die 13 regionalen Goden mit Gefolge, wobei in der Spitze bis zu 5.000 Menschen eintrafen. Recht wurde gesprochen, Streitigkeiten geschlichtet, sportliche Wettkämpfe ausgetragen und mit Bekannten sowie Verwandten gefeiert. Wir spazierten durch die Allmännerschlucht, vorbei am Nedrifoss, dem unteren Wasserfall der Öxará, und stießen auf die bereits von weitem sichtbare isländische Flagge. Sie steht auf dem Lögberg, dem Gesetzesfelsen. Von diesem Felsen aus trug zu Godenzeiten der für drei Jahre gewählte Vorsitzende des Althing, der Gesetzessprecher, bis zum Jahre 1118 dem Althing jeweils ein Drittel aller isländischen Gesetze auswendig vor. Ab 1118 entfiel diese anstrengende Pflicht, nachdem die Gesetze schriftlich niedergelegt worden waren. Þingvellir und damit auch der Gesetzesfelsen gilt den Isländern als nationales Heiligtum. An diesem Ort fanden 1874 die 1.000-Jahr-Feier der Landnahme, 1930 die 1.000-Jahr-Feier zur Gründung des Althing, 1944 der Ausruf der Republik Island, 1974 mit 60.000 Isländern die 1.100-Jahr-Feier der Landnahme und 1994 die 50-Jahr-Feier der Republikgründung statt. Und nicht zu vergessen – am 2. Juli 2015 huldigte der Neunerclan an dieser herausragenden Stelle sämtlichen wichtigen isländischen Ereignissen …
Hier, nicht weit vom Lögberg, kam das Kind bei uns Erwachsenen durch … wir sahen einen Felsbrocken, der sehr gut in eine Felslücke passte. Hatten wir das nicht prima hinbekommen?!
Vom Lögberg aus schlenderten wir zur in etwa höchsten Stelle des Grabenbruchs. Dorthin, wo ein Aussichtplatz eingerichtet worden war; dorthin, von wo aus wir einen ausgezeichneten Blick auf die Þingvallakirkja und auf die fünf daneben stehenden weißen Holzhäuser hatten – eins der schönsten Fotomotive Islands. Grabenbruch, das Gebäudeensemble, die Öxará, der Þingvallavatn
und die unheimliche Weite des Landes. Im Hintergrund die schneebedeckten Berge. Einfach nur schön …
Die Kirche wurde im Jahre 1860 wahrscheinlich auf dem Platz errichtet, auf dem die erste christliche Kirche Islands nach Annahme des Christentums im Jahre 1000 stand.
So, nun war es allmählich Zeit, uns wieder zum Auto zu begeben und zurück nach Reykjavík und damit Richtung Schiff zu fahren.
Dank MarcoPolos GPS-Geräts hatten wir keine Probleme, die Autovermietung zu finden. Unterwegs genossen wir nochmals die Teppiche arktischer Lupinen – die Zeit verging wie immer zu schnell. Nach einem recht schnellen Abendessen war es Bordzeit – sail-away um 20.00 Uhr bei bedecktem Himmel und sehr tief liegenden Wolken.
So konnten wir beim Verlassen der Faxaflói-Bucht so gut wie nichts von den Uferbergen und den majestätischen Gletschern sehen. Schade … und so verzogen wir uns nach einem Kurzbesuch der Ohschän-Bar früh in die Koje.
Kommentare 2