8. Juli 2023 – Portsmouth
Portsmouth ist mit rd. 215.000 Einwohnern eine am zum Ärmelkanal führenden Meeresarm Solent gelegene Großstadt und seit ca. 500 Jahren voll dem Militär zugewandt. In diesem Zeitraum entwickelte sich die Stadt zum größten Stützpunkt der Royal Navy; aktuell liegen in diesem Marinestützpunkt 50 % der britischen Flotte. 1944 begann von Portsmouth aus die Invasion in die Normandie. Was bietet die Stadt außer dem Militär? Jede Menge Denkmäler – die meisten zumindest militärisch angehaucht. Eine wunderschöne Meerespromenade mit vielen Hinguckern wie die Seebrücke oder ein in ein Museum umfunktioniertes Fort. Und selbstverständlich auch die weniger schöne Seite: Aufgrund der Lage ist die Stadt ein bevorzugter Standort der Schwerindustrie.
Vom frühen Anlegen hatten wir nichts mitbekommen. Der Kapitän brachte sein Schiff vermutlich wieder butterweich an die Anlegestelle. So wurde ich für meine Verhältnisse erst spät gegen 7 Uhr wach. Dann aber rauf nach oben – Morgenkaffee! Und die Orientierung, wo wir uns befanden. Zunächst unter dem teils blauem Himmel. Dann die Erkenntnis, dass wir uns mitten im Marine- und Fährhafen befanden. Auf der Steuerbordseite sahen wir im Hintergrund unser gebuchtes Hauptziel Portsmouths, den Spinnaker Tower.
Im Vordergrund den in verlängerter Betriebsbereitschaft liegenden Schnellflottentanker RFA Wave Knight. Er war anscheinend nicht das einzige nicht aktive Marineschiff im Hafen von Portsmouth.
Auf der Backbordseite schluckte die Normandie, ein Schiff der Britany Ferries, Fahrzeuge und Passagiere.
Kalt war es nicht – 24°. Also gut auszuhalten. Aber die Flecken blauen Himmels verschwanden nach und nach; es trübte sich ein. Während unseres Frühstücks erlebten wir – zum Glück im Trockenen – die Steigerung: Regen, der nicht aufhörte. Mist … Trotz des unfreundlichen Wetters hatten wir vor, unser vorgesehenes Programm abzuspulen. Also zunächst zum Spinnaker Tower, für den wir uns von zu Hause Eintrittskarten per Internet besorgt hatten. Aber einfach war es nicht, den Hafen zu verlassen … Zunächst per Bus zum im Hafengelände liegenden Abfertigungsgebäude. Weiter mit dem nächsten Bus in die Stadt (In Großbritannien ist es Passagieren untersagt, zu Fuß durch das Hafengelände zu gehen. Deshalb steht immer ein kostenloser Shuttle zur Verfügung.). Und diese Bustour war zunächst sehr touristenfreundlich. Der Bus fuhr eine Rundtour mit vier Haltepunkten: Southsea, Zentrum, Gunwharf Quays, Hafen.
Gut, wir saßen im Bus und freuten uns darüber. Der Regen wurde immer stärker. Passagiere, die am Haltepunkt Southsea ausstiegen, taten uns leid … Wir fuhren weiter bis zum Haltepunkt Nr. 3.: Gunwharf Quays, ein riesiges Einkaufszentrum, in dem wir Schutz vor dem Regen finden könnten. Zu unserem Glück war es nicht mehr nötig – der Regen ließ nach, wir durchstießen den Konsumtempel und standen nach kurzer Zeit vor dem Spinnaker Tower.
Mit 170 m ganz schön hoch … und futuristisch geschwungen. Eigentlich sollte er Millenium Tower genannt werden. Unstimmigkeiten führten dazu, dass er nicht zur Jahrtausendwende der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte – erst 2005. Und schon musste man überlegen, welche Bezeichnung er zukünftig tragen sollte. Das Ergebnis stimmte: Aufgrund der Ähnlichkeit mit einem Spinnaker = Vorsegel kam eine treffende Umbenennung zustande. Und damit gab´s wieder eine Anlehnung an das maritime Erbe der Stadt, zumal die Eröffnung während der Feierlichkeiten des 200. Jahrestages der Schlacht von Trafalgar mit dem Anfang vom Ende Napoleons erfolgte. Übrigens konnten Einwohner von Portsmouth und auch Besucher an diesem Tag die seit Gedenken größte Flottenparade bewundern: vor Portsmouth kamen sich 167 Schiffe aus 36 Nationen, darunter 74 Kriegsschiffe der britischen Marine, ohne Ausfälle in die Quere.
Nun aber ganz schnell nach oben. In 30 Sekunden brachte uns der Lift zur ersten Aussichtsplattform. Nichts für uns – was sollten wir im Restaurant? Also weiter per pedes zur zweiten Plattform. Dort waren wir vom 320°-Ausblick auf Portsmouth überrascht! Hätte nur noch die Sonne geschienen … Aber auch wenn die Regentropfen noch an den Scheiben hafteten, waren wir begeistert.
Die Portsmouth gegenüberliegende Stadt Gosport mit den Segelhäfen.
Portsmouth von oben mit dem Einkaufszentrum Gunwharf Quays. Fast nur neue, teilweise futuristisch anmutende Bauten. Die strategisch wichtige Stadt wurde im zweiten Weltkrieg stark zerstört, so dass man nur noch wenige Viertel mit Altbauten findet.
Der Flugzeugträger HMS Queen Elizabeth und als alter Gegenpol das HMS Warrior. Dieser Dreimaster war das erste Panzerschiff, das aus Eisen gebaut wurde. 1860 in Dienst gestellt, kann es heute als Museumsschiff besucht werden.
Inzwischen war erkennbar, dass sich der Regen verzogen hatte. Auch ein Grund, wieder auf die Mutter Erde zurückzukehren und durch den Hafen zu bummeln. Doch zunächst mussten wir unbedingt Wagemutige beobachten,
die sich ab der Höhe von 100 m vom Turm abseilten. Kein gerade preiswertes Vergnügen; Kosten ab engl. L 110.
Nun aber zum Hafenspaziergang. Vor der alten Einfahrt zum Meerwasserbecken der Gunwharf Quays lag ein altes Segelschiff. Vermutlich eine aufgemotzte Privatyacht.
Das Meerwasserbecken sah recht interessant aus. Ein Grund, dass wir uns in diese Richtung wagten.
Im Vordergrund wurden Elektroboote für Kinder aufbereitet, mit denen sie sich auf engem Raum im Slalomfahren üben durften. Im Hintergrund ein „antiker“ Hafenkran, der in der Vergangenheit seine Pflicht getan hatte.
Auf der anderen Seite des Meerwasserbeckens am Millenium Walkway das „The Spice Island Inn“, in dem seit Anfang des 18. Jahrhunderts Durstige die Kehlen benetzen und Hungrige die Mägen füllen konnten.
An dieser Stelle des Hafens befand sich in den damaligen Zeiten der Hauptumschlagsplatz für Gewürze – Namensgeber dieser Lokalität.
Nach einigen Meter standen wir vor dem ersten von mehreren Denkmälern.
Es ist dem HMS Sirius gewidmet. Der Kohletransporter Berwich, der für seine neue Aufgabe, nämlich Überführung von Sträflingen nach Australien, umgebaut, umbenannt wurde und als erstes Siedlerschiff am 13.5.1787 seine lange Fahrt begann.
Nur wenige Meter weiter erhob sich aus dem Wasser das Vernon Monument.
Eine Seemine mit zwei Tauchern, die die Mine bargen. Das Denkmal ist allen gewidmet, die rund um Minen beschäftigt waren; also Planern von Minengürteln, Minenlegern und -entschärfern. Der Namen des Monuments leitet sich ab vom HMS Vernon, auf dem Torpedo- und Minenausbildung betrieben wurde.
Unsere Zeit rum um die Gunwharf Quays neigte sich dem Ende zu. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde auf diesem großen Gelände für die britische Marine eine „Waffenwerft“ errichtet; zunächst auch als Lager für Kanonen, Handfeuerwaffen, usw; zwei Jahrhunderte später spezialisierte man sich auf Torpedos und Minen. Aktuell – bis auf die Denkmäler – überhaupt nicht mehr kriegerisch nach Umwidmung der Fläche in ein riesiges, internationales Einkaufszentrum. Da mussten wir (leider) durch … zu meinem Glück nur kurz. Das Ergebnis: Nach dem Verlassen des Zentrums war keine Verminderung des Bargeldbestandes festzustellen, ebenso wenig eine Erhöhung des Saldos auf dem Kreditkartenkonto mit der Folge, dass der Rucksack nicht schwerer wurde. Hurra!
Wir beschlossen, die Stadt hinter uns zu lassen und die Natur aufzusuchen. Dazu bot sich eine Shuttlefahrt zum Haltepunkt Southsea an. Da der Bus planmäßig eine Rundtour fuhr, nahmen wir an, dass wir mit ihm ohne Schwierigkeiten unser Ziel – zwei Haltepunkte weiter – erreichen konnten. Damit hatten wir jedoch nicht die Rechnung mit den Engländern gemacht. So etwas von kompliziert … Da der für uns nach dem Einstieg bei den Gunwharf Quays nächste Haltepunkt der Hafen war, mussten wir dort den Bus verlassen, den Zoll passieren und mit einem weiteren Bus zur Security vor dem Schiff fahren. Dort geschah dasselbe – nur in umgekehrter Reichenfolge. Wir saßen letztendlich glücklich im Bus und stiegen im Stadtteil Southsea aus. Nicht weit vom Strand und unmittelbar vor dem Southsea Castle. Begrüßt wurden wir von einem Mahnmal.
Welch ein Gegensatz zu der trutzigen Festung im Hintergrund und den zuletzt besuchten Denkmälern! Im Vordergrund steht der dreisprachige Wunsch nach Frieden, der nicht vergessen werden sollte. Mit dem Hinweis auf die englischen und deutschen Blumen der Erinnerung, auf den Mohn. Damit hatte der achte Heinrich nichts im Sinn.
Er beschäftigte sich neben seiner Heiratswut mit Ideen, die er in die Tat umsetzte. Dazu gehörte die Verselbständigung seiner Kirche von Rom, da der Papst nicht nach seiner Pfeife tanzte; nebenbei sackte der kluge Heinrich klösterliches Reichtum ein. Nach dem Abfall von Rom befürchtete Heinrich allerdings, dass die katholischen Mächte wie Spanien und Frankreich damit nicht einverstanden waren und ihm einen auf den Deckel geben würden. Dagegen musste etwas getan werden und er ließ mehrere Küstenbefestigungen bauen. Und das in einer Rekordzeit - Southsea Castle war nach sechs Monaten fertiggestellt!
Fast 500 Jahre später stand ich in der Festung, die aktuell nicht mehr der Abschreckung sondern als Museum dient (Eintritt frei). Was gab es im Außengelände zu sehen? Kanonen …
So wie dieses Prachtstück. 12 to schwer mit entsprechender Wirkung. Und nicht ganz so alt, aber auch nicht mehr zeitgemäß. Etwas zum Angucken und Anfassen – mehr nicht.
Die Aussicht vom Southsea Castle war nicht ohne. Zunächst ein Blick über das Wasser. Mittendrin stand ein runder Betonklotz.
Spitbank Fort, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Schutz des Kriegshafens ins Wasser gestellt wurde. Eins von insgesamt vier Forts im Solent. Gut verteilt, so dass ein Feind Mühe hatte, daran vorbei zu kommen, falls das überhaupt möglich war. Aus dieser Zeit stammt übrigens das damals schießende, 12 to schwere Prachtstück. Heute wird nicht mehr vom Fort aus geschossen; es wurde zum Hotel umgebaut.
Ein wenig weiter entfernt ragte die South Parade Pier ins Wasser.
Dort erbaut, wo der achte Heinrich erleben musste, wie sein Lieblings- und Flaggschiff Mary Rose ohne Feindberührung (und der war in Sichtweite) unverschämterweise sank. Der arme Heinrich … Im zweiten Weltkrieg diente die Seebrücke der Einschiffung von Teilen der Invasionsflotte.
Zwischen der Seebrücke und dem Castle waren alte Ägypter am Werk.
Das Pyramids Centre wurde gerade renoviert; egal - wir hätten es sowieso nicht besucht. Was sollten wir bei dem inzwischen optimalen Wetter in einem Veranstaltungs-/Freizeitkomplex mit Hüpfburgen, Softplayanlagen, Abenteuerwelten, …?! Bewegung an der frischen Luft war uns auch angesichts der auf uns zukommenden Restaurantbesuche lieber …
Weiter in die andere Richtung. Schon von weitem war ein riesiges Monument auf einer weitläufigen Rasenfläche zu erkennen.
Beeindruckend, das Portsmouth Naval Memorial. Dort mussten wir hin. Quer über den Rasen, anderen Besuchern folgend. Den Blick nicht nur auf die Gehrichtung, um Tretminen aus dem Wege gehen zu können. Aber oh Wunder: In einem glich der Southsea Common (Park) dem heiligen Rasen von Wimbledon. Er war frei von Hunderkacke. Lag es an den hohen Strafen in Großbritannien, wenn jemand erwischt wird, dessen Hund sein Bedürfnis erfüllt und Frauchen/Herrchen die Hinterlassenschaften nicht beseitigt (Strafen um engl. L 80,--). Oder lag es an der Disziplin der englischen Hundehalter?
Das Marinedenkmal mit einer recht schlanken, hohen Stele lässt ca. 25.000 Commonwealth-Seeleute unvergessen, die in beiden Weltkriegen ihr Leben lassen mussten.
Mit dem Denkmal verbunden ist eine Mauer, an der auf Bronzetafeln die Namen der gefallenen Marineangehörigen verewigt wurden.
Fortsetzung folgt
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