29. August 2023 - Geiranger
Ist das schön, wenn man auf einem Schiff aufwacht. Ein leichtes Brummgeräusch, ein Plätschern, ein Blick aus dem Fenster. Das Ufer sehr nahe. Ein Zeichen, dass sich das Schiff in einem Fjord fortbewegt. Und ob … wir befanden uns im Herzen des Fjordlandes! Also schnellstens nach oben. Wir fuhren auf dem Storfjord, in etwa auf der Höhe von Stordal. Von oben kamen Grüße von Petrus. Erfreulicherweise nur noch wenige Tropfen. Und dabei sollte es an diesem Tag bleiben! Die Sonne wagte sich zögerlich durch die Wolken. Und dann kurzfristig mit aller Macht. Sie ließ die immer höher werdenden Begrenzungen des Fjords strahlen. Mit Wasserfällen, von denen wir noch einige erwarten durften.
Kurz hinter Stranda verzweigte sich der Storfjord in den Sunnylvs- und dem Norddalsfjord. Unser Schiff fuhr weiter auf dem Sunnylvsfjord; er zeigte sich mit einer weitgehend unberührten Schönheit; mit der Zeit wurden die uns links und rechts begleitenden Berge höher und schroffer und die Durchfahrt enger. Die immer zahlreicher werdenden Mitreisenden an Deck wurden tief beeindruckt stiller und genossen die überwältigenden Ausblicke. Ab und zu tauchten oberhalb der Fjordufer Ortschaften auf.
Es fiel schwer, sich von den phantastischen Ausblicken zu lösen. Aber der Magen knurrte. Wir hatten das Glück, im Restaurant einen Fensterplatz direkt am Heck zu ergattern. Frühstücksfernsehen, wie es schöner und entspannter nicht sein konnte! Rechtzeitig um ca. 9.30 Uhr waren wir zur Einfahrt in den Geirangerfjord wieder ganz oben.
Die Vasco da Gama wurde immer langsamer. Eine regelrechte Schleichfahrt begann, so dass wir in Ruhe die uns überwältigenden, immer noch hohen Berge und die Natur genießen konnten. Ab und zu sahen wir am Berg oder am Steilhang klebende einsame Bauernhäuser,
die entweder langwierig nur mit Booten oder mühselig zu Fuß über die Berge zu erreichen waren. Logisch, dass diese Häuser nach und nach aufgegeben wurden. Der Kampf für und um das tägliche Leben war zu hart und zu schwer. Die Bewohner zogen weit weg, teilweise nach Amerika. Die letzten Höfe wurden Mitte des letzten Jahrhunderts verlassen und zerfielen nach und nach. Das wollten geschichtsbewusste und die Natur liebende Norweger nicht auf sich beruhen lassen. Ab 1975 kaufte der private Verein Storfjordensvender (Freunde des Storfjords) einige Höfe auf und restaurierte sie. Sie können besichtigt werden; in einigen großen Scheunen darf man übernachten. Museum live – Geschichte des Landes in Urform.
Die nächste Kehre lag vor uns.
Sie wurde langsam passiert und noch etwas entfernt tauchte ein berühmter Wasserfall auf.
Die Sieben Schwestern. Je näher wir kamen, desto mehr erkannten wir, dass es an diesem Tage nur fünf, mit Wohlwollen sechs schwächelnde Schwestern waren. Wassermangel? Eher nicht – bei den unzähligen Wasserfällen, an denen wir an diesem Tag vorbeifuhren. Sie – die fünf oder sechs oder auch Sieben Schwestern – werden sich bestimmt erholen und bald wieder vereint sein. Der sich gegenüber in den Fjord stürzende Freier war noch ganz der Alte
– viel Wasser wurde aus dem Flaschenhals entlassen.
Warum Sieben Schwestern? Warum Freier? In einer norwegischen Sage ist zu lesen, dass vor vielen, vielen Jahren der Freier eine der sieben bildschönen Schwestern heiraten wollte. Eine nach der anderen ließ ihn abblitzen – es blieb nur eine Schwester übrig. Nachdem sie ihn immer weiter hingehalten hatte und auch letztendlich „nein“ gesagt hatte, ergab sich der Freier dem Alkohol. Seit dieser Zeit stehen sich im Geirangerfjord Schwestern und der Freier gegenüber. Schaut man sich den Freier genau an, erkennt man in der Form des Wasserfalls die Form einer Flasche.
So, die Wasserfälle lagen hinter uns
und wir näherten uns langsam unserem Ziel. Und schon wurden wir von der großartigen Natur abgelenkt. Hinter dem Felsen schob sich ein Ungetüm heran. Ein schwimmendes Hochhaus.
Die taufrische MSC Eusebia. „Fassungsvermögen“ ca. 6.300 Passagiere. Unbeeindruckt davon näherte sich unser Zwerg Vasco da Gama seinem Liegeplatz, warf in Höhe des Grandefjord Hotels Anker und wurde zusätzlich an einer voluminösen Schwimmboje angetäut.
Einige Minuten später wurde es dunkel. Das schwimmende Hochhaus glitt an unserem Schiff vorbei und nahm uns die Sonne …
Aber nur kurz … und wir richteten unseren Blick auf unseren Zielort Geiranger mit dem alles überragenden Berg Dalsnibba.
Das Traumziel vieler Nordlandfans. Besonders von Kreuzfahrtenliebhaber. An diesem Tag kamen lediglich zwei Dampfer zu Besuch. In den Vorjahren waren es oftmals mehr. So wurde Geiranger 2019 von 222 Anläufen heimgesucht (2021: 25; 2018: 187; 2022: 140; 2023: geplant 160; geplant 2024:163). Gegenüber dem Beginn der Kreuzfahrten ein Aufschwung, wenn man bedenkt, dass 1869 das erste Kreuzfahrtschiff aus England in den Fjord kam. Im Folgejahr waren es immerhin schon sechs Schiffe; 1920 stolze 112. Nur im Sommer ist an diesem Fjordende richtig etwas los. Dann steigt die Einwohnerzahl um 500 Kräfte zur Bedienung des Tourismus´ auf stattliche ca. 800. Und im Winter? Tote Hose …
Zurück zu unseren Erlebnissen. Wir machten uns auf Richtung Hollywood´s. Wie am Tag zuvor wurden Gruppen eingeteilt, die nach und nach per Tender nach Geiranger gebracht wurden. Und schon saßen wir in unserem Bus und unser Ausflug „Berg Dalsnibba und Djupvasshytta Lodge“ startete. Ganz, ganz langsam ließ unser Fahrer Geiranger hinter sich und wurde dann noch langsamer. Auf der nationalen Touristenstraße Geirangervegen. Vorbei an der weißen Holzkirche und dem Union Hotel schraubte sich die Straße immer weiter in die Höhe. Im wahrsten Sinne des Wortes: sie schraubte sich … zeitweise eine Serpentine nach der anderen. Auf der einen Straßenseite ging´s hoch, auf der anderen runter. Vorbei an vielen Wasserfällen. Beeindruckend – die Aussicht. Bei herrlichem Wetter. Okay – jedem das Seine …
Unser Bus steuerte einen Rastplatz an. Einen der bevorzugt für Norwegenfotos ausgesuchten Flecken - den Flydalsjuvet.
Imposant, atemberaubend, … welche Attribute könnte man diesen Ausblicken noch zuweisen … Kein Wunder, dass Werbefotos mit dem stahlblauen, von Bergen eingezwängten Fjord, den Adlerkehren, Kreuzfahrtschiffen, Fähren immer wieder Sehnsüchte wecken …
An diesem Aussichtspunkt hatte man vor einigen Jahren einen Skywalk geschaffen, um den Touristenherden Herr zu werden. Bei unserem Besuch war es noch sehr übersichtlich – die Eusebia hatte mit Sicherheit noch nicht ihre Massen ausgespuckt …
Dass wir inzwischen einige Höhenmeter bewältigt hatten, erkennt man an diesem Foto:
Steil nach unten fallende Felswände. Grün in vielen Schattierungen. Das Flüsschen Maråkelva mit seinen Stromschnellen, das letztendlich den Wasserfall Storfossen im unteren Bereich speist.
Die Straße schlängelte sich mit uns weiter nach oben; die Baumgrenze war noch immer nicht erreicht. Immer wieder fielen am Berg stehende Hütten ins Auge.
Vor vielen Jahren waren es bestimmt Sennhütten; aktuell werden sie mit Sicherheit als Wochenend- oder Ferienhäuser genutzt. Norweger lieben die Natur und bewegen sich gerne in ihr, auch wenn ihr abendliches Zuhause nicht sehr komfortabel ist.
Je höher wir kamen desto felsiger wurde die Umgebung. Die steilen Anstiege waren vorbei, sollten aber wieder kommen. Wir erreichten den Ausläufer eines Gletschersees, den Djupvatnet. Von dort aus wurde es noch spektakulärer. Auf dem Nibbevegen, eine mautpflichtige Straße, die mit zig Spitzkurven ca. 440 Höhenmeter bezwingt und auf den höchsten Punkt Norwegens führt, der über eine Autostraße erreichbar ist. Knapp 100 Jahre ist der Nibbevegen alt; anfangs eine einfache Schotterstrecke, die vor mehr als einem Jahrzehnt asphaltiert wurde. Und schon waren wir oben nach einer atemberaubenden Fahrt. Oben auf dem 1.446 m hohen Dalsnibba. Und raus aus dem Bus und über den großen Parkplatz hin zum Skywalk. Ein Aussichtspunkt mit Gittern als Boden. Als weiteren Schutz Glasgeländer. Man meinte, über Berg- und Fjordwelt zu schweben. Wahnsinn … das, was man von oben genießen konnte …
Die Berglandschaft, der sich windende Geirangervegen, ganz weit hinten und unten der Geirangerfjord mit den beiden Kreuzfahrtschiffen im Spielzeugformat …
Es wurden uns leider nur 20 Minuten auf dem zügigen Hochplateau zugestanden und wir nutzten sie voll aus. Die Felslandschaft und über allem immer wieder der Geirangerfjord.
Die kargen Felswände und -buckel. Der Geirangervegen – welche Mühe hatte man, Ende des letzten Viertels des 19. Jahrhunderts diesen Verbindungsweg ohne heutige Mittel zu erbauen …
Die weit weg erscheinenden kleinen Gletscherfelder …
Die Steinmännchen, die zeigten: Meine „Erbauer“ waren hier … und immer wieder im Bild Teile der spektakulären Straße …
Fortsetzung folgt!
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