31. August 2023 – Leknes/Lofoten
An diesem Morgen kam ich ein wenig später aus der Koje. Ganz oben angekommen, empfing mich Petrus mit Sonnenschein, blauem Himmel, Windstärke 4 und erfrischenden 11°. Unser Schiff befand sich auf der Höhe von Bodø. Die gewaltigen Berge auf dem Festland waren gerade noch zu erkennen;
sie lagen im Dunst. Wie schon so oft an den Vortagen: mystisches Norwegen … Ihnen mit meinen Augen folgend saß ich mit meinem unvermeidlichen Morgenkaffee auf der Außenterrasse und erinnerte mich daran, was wir vor Jahren in dieser Gegend erlebt hatten. War das schön! Und heute? Bestimmt wieder! Abwarten – sechs Stunden später sollte unser Ausflug beginnen.
Frühstückszeit – und nach der Stärkung schnell wieder an die frische Luft. Auf der Backbordseite erkannten wir ganz, ganz weit weg die Ausläufer der Lofoten. Mit bloßem Auge zu erkennen. Und nach einer gewissen Zeit erhob sie sich in der Ferne. Die Wand – die Lofotenwand!
Schroffe Berge. Schiefe Bergspitzen. Schneereste. Eine erste kleine Ortschaft – sich an die steil erhebenden, vereinzelt über 1.200 m hohen Berge schmiegend. Es war das mit immerhin rd. 100 Einwohnern und 30 Häusern riesige – na ja, die Bezeichnung stimmt! – Museumsdorf mit dem prosaischen Namen Å. Am Ende der Welt. Oder genauer: am Ende der E10. Von deren Endpunkt zweigen zwar noch einige Straßen ab, die allerdings nicht länger als ca. 1 km sind.
Aufgrund der Höhe der Berge mehr graue als grüne Farben. Und der Himmel! Weiterhin herrlich blau. Nun gut, ein wenig entfernt über der Lofotenwand weiße Wolkenstreifen. Sie wurden vernachlässigt im Hochschwang der Gefühle. So, wie es Louis Armstrong vor ungefähr 55 Jahren seinen Fans näherbrachte: What a wonderful world … die ca. 80 mit unzähligen Fjorden und Buchten versehenen Inseln der Lofoten.
Die unbeschreiblich schöne lange erste Insel faszinierte uns. Wir konnten uns nicht von ihr trennen. Zunächst nicht – aber dann kam so etwas wie eine Pflichtveranstaltung auf uns zu. Die Polarkreistaufe, die wir in den Vorjahren auf verschiedenen AIDAs gerne angenommen hatten. Wie würde es an diesem letzten Augusttag sein? Ähnlich … denn Neptun kam mit Getöse und seinem Gefolge auf das Lidodeck, wo ihm die Gewalt vom Kapitän übergeben wurde und viele Taufaspiranten warteten.
Nun gut, die Täuflinge mussten auch auf der Vasco da Gama äußerst harte Tests mit Erfolg durchlaufen. Zunächst der Kuss auf einem grauenvoll aussehenden glitschigen Fisch. Nun ja, ein Hauch von einem Kuss … schließlich konnte Neptun keine hygienischen Verhältnisse garantieren. Dann wurden die Wangen der Täuflinge mit wohlriechendem Rasierschaum bestrichen – wohlgemerkt die Wangen … Zu guter Letzt wurde es brutal. Brutaler, wie man es nicht steigern konnte. Der Rote-Kreuz-Abgeordnete aus der Unterwasserwelt stand mit einer überdimensionalen Spritze bereit … Mund auf und ein Schwall einer zunächst undefinierbaren Flüssigkeit wurde in den Schlund gespritzt. Ich weiß bis heute nicht, ob es Aquavit oder Gin war … Es schmeckte … mir jedenfalls, meiner besseren Hälfte nicht, die so gut wie keinen Alkohol, auf keinen Fall hochprozentigen, zu sich nimmt. Ich hatte zu spät reagiert – ansonsten hätte ich mich für ihren Schwall geopfert … So, die Prüfungen waren mit Erfolg absolviert und wir durften – von Neptun als vollwertige Unterwasserweltenmitglieder akzeptiert – uns wieder frei auf dem Schiff bewegen. Die Polarkreistaufenurkunden erhielten wir später und uns wurde attestiert:
„Ich, Neptun, Herrscher über alle Meere, Seen, Flüsse, Tümpel und Badewannen, geruhe hiermit kundzutun, dass (joachimmeertal) mit dem Schiff Vasco da Gama den Polarkreis der nördlichen Hemisphäre überquerte.“
Nach diesem Taufintermezzo wieder an die frische Luft. Unser Ziel Leknes sollte nicht mehr allzu weit entfernt sein, denn das Lotsenboot näherte sich. Mit dem nötigen Schwung …
Mit dem Lotsen an Bord näherten wir uns mehr und mehr den Inseln. Zerklüftetes Gestade, Schären, weiterhin steil aufragende Gebirgswelt. Direkt am Wasser gelegene kleine Orte.
Im Schutz der Berge Aquakulturen, die für den Lachsnachwuchs sorgten. Und das für die Zuchtbegutachtung und -bewachung unvermeidliche Versorgungsschiff.
Fast unmerklich hatten wir in den vergangenen beiden Stunden die größeren Inseln Moskenesøya und Flakstadøya passiert und wir befanden uns auf der Höhe der nächsten großen Insel Vestvågøya. Ebenso schroff wie die beiden anderen Inseln. Die Vasco da Gama steuerte die Gravdalsbukta an, an deren Ende der Verwaltungsort der Insel, Leknes, lag. Zunächst fuhren wir am Nebenort Gravdal
mit der idyllischen norwegerrot-weißen Buknes-Kirche vorbei. Während wir die recht enge Einfahrt in die Bucht begutachteten, glitt unser Schiff langsam auf die Pier zu.
Und wir waren erfreut, dass keine Regenwolken in Sicht waren. Dann aber schnell ins Buffetrestaurant – vor unserem anstehenden Ausflug wollten wir uns verständlicherweise stärken.
Kurze Zeit später verließen wir das Schiff und standen endlich auf dem Boden der einer Lofoten-Insel.
Ungefähr 1.900 km bis zur Heimat – 100 bis 200 km nördlich des Polarkreises – die Lofoten - Inselgruppe mit rd. 25.000 Einwohnern. Für Norwegen (15 Einwohner/km²) mit ca. 20 Einwohner/km² enorm bevölkert …
Mehr als 1 Mio. Touristen fallen jährlich auf die Insel ein; aufgrund der Schönheit der Inseln natürlich mit wachsender Tendenz. Kein Wunder, dass der Tourismus vor dem Fischgeschäft der profitabelste Wirtschaftsfaktor auf den Inseln geworden ist und dass National Graphic Traveller die Eilande vor einigen Jahren als eins der drei schönsten Inselziele bewertete: spektakuläre Felsstürze direkt ins Meer, kotweiße Vogelfelsen, schneeweiße Strände, fast karibisch.
Am frühen Nachmittag bestiegen wir den Ausflugsbus für den 4-stündigen Ausflug „Entdeckungstour auf den Lofoten“. Ein kurzweiliger Nachmittag lag vor uns mit dem, was wir wollten. Mit viel, viel Landschaft.
Und mit viel, viel Sonne und vielen Wolken. Die Landschaft beeindruckte dabei. Wie üblich jede Menge Grün in allen Nuancen. Eingezwängt von mehr oder weniger hohen Bergen. Sie symbolisieren die Lofoten.
Nach kurzer Zeit verließen wir die Insel Vestvågøy und kamen auf die Insel Flakstadøya. Nicht wie sonst in Norwegen gewohnt über eine Brücke sondern durch den die Inseln verbindenden Nappstraumentunnel. 1,8 km lang, 8 % Gefälle bzw. Steigung, bis zu 55 m unter dem Wasser – ein modernes Kunstwerk. Am Ende des Tunnels wurde es wieder hell. Die Fahrt über die einzigartige Flakstadøya fing richtig schön an. Buchten und auch Fjorde schnitten tief in das Inselland hinein. Sie mussten umfahren werden.
Wir konnten uns einfach nicht satt sehen. Innerhalb kürzester Zeit kamen unendlich viele landschaftliche Eindrücke auf uns zu, an die wir lange denken würden.
Es harmonierte alles. Berge. Täler. Strände. Glasklares Wasser. Am Rande der Straße geduckte Gebäude.
Endlos – die reizvolle Landschaft nahm kein Ende.
Und das war auch gut so. Reine, gesunde Natur. Natur, die zum Wiederkommen aufforderte. Aber wann?
Auf der anderen Seite des Vareidsundet ein Bergmassiv. Am Fuße der Berge die Straße, auf der wir wenige Minuten zuvor gefahren waren.
Am Rande des Sunds immer wieder Häuser und Hütten, die bisher den Winterstürmen getrotzt hatten. Aber nicht alle so richtig …
Eine weite Wiesenebene lag vor uns. Mittendrin und ein Stück von der E10 entfernt die Kirche von Flakstad, die gerade von Touristen überfallen wurden.
Wir sollten Sie auf dem Rückweg unseres Ausflugs heimsuchen. Einige Minuten später der erste an die Karibik erinnernde Strand. Der von Ramberg. Leider ohne Aufenthalt … Aber Ablenkung kam: der dann folgende Ausblick auf die Westseite des Torsfjords … steil aufragende Felswände, teilweise von einer Wolkenwand verhüllt.
Nur die Spitze des Torsfjordtingen schaute neugierig hervor. Und dann weiter … Schlag auf Schlag … Die Brückenzufahrt auf die Halbinsel jenseits des Torsfjords.
Im Vordergrund die Ansammlung von Trockenfischgestellen von Skjelholmen. Leer – die Stockfische waren abgeerntet und hatten ihren Weg zu den Verbrauchern gefunden.
Aus der Nähe sahen die Brücken noch faszinierender aus.
Eine der 50.000 üblicherweise elegant geschwungenen norwegischen Brücken. Das bedeutet, dass in Norwegen jeweils rd. 100 Einwohner eine Brücke besitzen … grins …
Fortsetzung folgt …
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