… die Fahrt ging weiter, bei der wir nie lange Kontakt zum Nordmeer verloren. Einfach nur herrlich, die Landschaft. Die auf uns links und rechts der Straße wartenden wunderschönen kleinen Orte. Vor uns leider nur noch einige Kilometer. Vielleicht die schönsten Kilometer der Welt … Sie begannen mit der Bilderbuchkulisse des kleinen Fischerdorfes Hamnøy.
Erneut begeisterten wir uns über die norwegerroten, sich an die Klippen schmiegenden Holzhäuser. Über die Trockenfischgestelle. Norwegen pur. Ein kleines, aber feines Örtchen mit einem ebenso „großen“ Hafen. Die grandiosen Blicke auf die Bergwelt von Moskenesøy.
Dann weiter auf unserem Traumpfad. Über eine Brücke und einen Damm zum nächsten Örtchen, Sakrisøy. In ihm überwiegen gelbbraune Hütten.
Im Hintergrund wachsen die Berge entlang der Wasserkante nahezu senkrecht in den Himmel. Wir konnte alles leider nur während der – wenn auch langsamen – Fahrt durch die Busscheiben genießen. Weit war er nicht mehr – der Höhepunkt unseres Ausflugs. Der Besuch des 300-Seelen-Ortes Reine. Über Brücken und Inselchen – dann lag er vor uns! Links ab und sofort halten! An dem Fleck, von dem aus die Postkartenmotive von Reine geschossen werden! Mist – der von uns vor einigen Jahren aufgesuchte Schotterparkplatz war für Fahrzeuge gesperrt … Und so mussten wir die ersten Reine-Blicke und -Fotos durch die Busfenster werfen bzw. schießen.
Nun gut, die Fotoqualität könnte besser sein. Aber immerhin waren die Busscheiben weitestgehend sauber. Später sollten sich noch genügend andere unvergessliche Fotomotive vor uns aufbauen …
Langsam fuhren wir in das Örtchen. Na ja, so überzeugend war der Ortsmittelpunkt nicht. Holz-/Wohnhäuser, einige Geschäfte und Restaurants, eine Kirche,
die – wie wir später merkten – nicht geöffnet war, auf den Straßen moderater Verkehr. Auf dem großen Parkplatz stürmten wir aus dem Bus. Eine Stunde wurde uns gegönnt, den Ort zu durchforsten. Nach den ersten Eindrücken ließen wir das Ortsinnere außen vor, gingen vielmehr direkt zum Hafen.
Dort sahen wir die Lofoten, wie wir sie uns immer vorgestellt hatten. Unter weiterhin herrlich blauem Himmel das Hafengebiet mit spiegelglattem Wasser, auf dem einige Fischerboote dümpelten. Hinter dem Sund auf dem Hügel klebende weiße Häuser. Mitten im Grünen. Als Hintergrund die grandiose Bergkulisse. Selbst die norwegerroten und grauen Zweckbauten störten nicht wesentlich.
Wir wollten mehr sehen. Und lernen. Nämlich die allerneueste deutsche Rechtschreibung. Hatten wir die letzte Reform verschlafen?
Zurück zum Sehen. Das Lofoten-Klischee. Also quer durch Reine, was nicht lange dauerte. Richtung Leuchtturm. Und dann durch die Trockenfischgestelle an die Wasserlinie geklettert.
Mit Trockenfisch war nichts. Um sie zu sehen hätten wir Monate früher kommen müssen. Für die Lofotenfischer sind die Monate Januar bis März die fünfte Jahreszeit. Sie holen den Dorsch aus dem Nordmeer. Ausgenommen und meist kopflos wird er auf Gestelle gehängt. Wind und damit die salzhaltige Luft führen im Trocknungsprozess dazu, dass der Fisch bis zu 70 % der Körperflüssigkeit verliert und somit nahezu unbegrenzt haltbar wird. Die trockenen, wie Bretter steifen Fischkörper werden Mitte des Jahres „geerntet“, d.h. von den Gestellen geholt; exportiert werden sie vorwiegend nach Südeuropa, wo der Stockfisch als Delikatesse gilt. Auch die sehr proteinhaltigen Fischköpfe werden im trockenen Zustand peu á peu nach Nigeria verschifft und als Ergänzungsnahrung verarbeitet. Übrigens werden kleine Mengen Stockfisch in den Touristenläden verkauft. Schlagt zu – probiert ihn – man kann ihn essen … es ist nicht unbedingt ein kulinarisches Erlebnis. Aber eine Erfahrung. Nur ein Tipp: Öffnet die Packung nicht unbedingt im Bus oder Auto – es könnte zu Protesten führen…
Das über abseits der Wege über Steine Klettern hatte einen Vorteil: Vor uns erschienen Teile der Lofotenumgebung, die von anderen vernachlässigt wurden.
Und schon wieder Trockenfischgestelle mit den Norwegerhütten. In einer Umgebung, die uns sprachlos machte … Warum sollte man sich auch unterhalten – wir ließen das Schöne einfach auf uns wirken. Wie die für Naturfilme eindrucksvolle Szenerie mit Bergen und Meer.
Über die Brücke sind wir vor ca. einer Stunde gefahren; rechts von ihr erkennt man einen Teil von Sakrisøy. Noch einige Meter weiter und wir staunten über das nächste Panorama.
Ein Haus am Meer … mit Aussicht. Nein, in Wirklichkeit waren es mehrere Hütten. Typische Nachbauten von norwegischen Rorbuers, ehemals saisonal genutzte Fischerhütten, die in den letzten Jahrzehnten zum großen Teil luxuriös ausgestattet wurden für gut betuchte Urlauber.
Die Zeit drängte – zurück zum Bus nach einem letzten Blick auf die unvergessliche Umgebung.
Eine wunderschöne Rückfahrt. Vorbei an kleinen bunten Orten. Am Straßenrand unzählige Stockfischgestelle. Erneut weitere Buchten. Das Meer funkelte – wie konnte es auch anders sein …
Nach einer absolut nicht langweiligen Fahrt verließen wir die E10 und steuerten das abseits der Hauptroute gelegene Örtchen Sund an. Auch am Meer gelegen.
Die Häuser des Örtchens stehen auf zwei Halbinselchen und bieten Unterkunft für rd. 100 Personen. Was macht Sund so interessant, außer dass es wohl als das älteste Fischerdorf der Lofoten gilt? Dort ist eine Rarität beheimatet – ein privat betriebenes Fischereimuseum, das von nahezu allen Touristikanbietern angefahren wird. Ein Museum in einigen nicht sehr geräumigen, dafür vollgestopften, alten restaurierten Hütten und Werkstätten. Zu besichtigen waren traditionelle und fast antike Dinge des täglichen Lebens, Motoren, Funkgeräte, antiquierte Werkzeuge, Wohnungseinrichtungen. Eben alles, was in den guten alten Zeiten das Leben angenehmer gemacht hatte. Die Sammlung war hochinteressant. In erster Linie für Technikliebhaber. Außerdem ist das Örtchen bekannt durch die alte Schmiede, in dem handgeschmiedete Komorane – kleine und größere, billigere und teurere -, angeboten werden.
Da wir bereits zweimal das Vergnügen mit dem Schwarzschmied und dem Museum hatten, machten wir Platz für alle Interessierten und trieben uns rund um das Museum herum. Wir schauten lieber zu, wie ein altes, mit Sicherheit bald dem im Hintergrund zu erkennenden Museum einzuverleibendes altes Fischerboot restauriert wurde.
Ansonsten gab´s nicht viel und nicht nur wir waren nicht traurig, als der Startschuss zum Aufbruch gegeben wurde. Und los … links das Meer, rechts die hoch ragenden Berge. Wir konnten uns nicht satt sehen … Und als wir am riesigen, halbmondförmigen Strand von Ramberg vorbeifuhren, wurde ein leises, enttäuschtes Murren laut. Das nahm die Reiseleitung zum Anlass, für den nächsten Strand einen biologischen und Fotostopp vorzuschlagen.
Der Vorschlag wurde ohne Gegenstimmen angenommen und schon standen wir auf dem Sand. Herrlich – auch die Berge im Hintergrund. In dieser nördlichen Gegend der Lofoten folgt übrigens ein Sandstrand dem anderen. Schneeweißer Sand, glasklares Wasser. Fast wie in der Karibik. Nur nicht so warm … und der Rum floss nicht in Strömen … grins …
Hätten wir doch an diesem Strand so viel Zeit wir in Sund gehabt …
Los – rein in den Bus – aber nur für eine sehr, sehr kurze Zeit. Ein Punkt stand noch auf dem Programm. Der Besuch der Kirche von Flakstadt, an der wir schon am frühen Nachmittag vorbeigefahren waren.
Klein, aber für diese Gegend groß genug. Aus rotbraunem Holz mit ein wenig Weiß. Die Lage – traumhaft! Von Wiesen umringt vor gigantischer Kulisse. Diese Kreuzkirche wurde im Jahr 1780 erbaut und 1938 restauriert. Abweichend von den üblichen Kirchen sahen wir weder an den Wänden noch am Altar ein Kreuz. Man verzichtete darauf, da die Kirchengrundform kreuzförmig ist. Das reichte und reicht heute noch. Die Altartafel stammt aus dem Jahre 1765. Unter der Decke hängt das für norwegische Kirchen übliche Schiff. Es ist das Symbol für den Lebensweg.
Nachdem wir die Kirche besichtigt hatten, erkannten wir, dass sich das beste Lofoten-Wetter sehr schnell von Wetterunbilden ablösen lassen könnte.
Egal – wir mussten in die andere Richtung. Es dauerte nicht lange und wir stiegen vor dem Kai aus dem Bus. Wir hatten noch genügend Zeit, uns ein wenig umzusehen. Ein sich direkt am kleinen Sandstrand ergebender Hügel bot sich an. Einfach nur schön, was zu unseren Füßen lag …
Auf dem Weg zur Vasco da Gama wollte ein Exportprodukt des hohen Nordens nach uns schnappen.
Oder lachte es uns nur an?
Nach dem Entern des Schiffs war Abendessenszeit. Lotte bzw. Steak mit allem Drumherum schmeckten wie immer sehr gut. Übrigens, das Essen war ein guter Zeitvertreib bis zum Ablegen, das wir selbstverständlich wieder von ganz oben erlebten. Es dämmerte, als sich unser Schiff mehr und mehr von Leknes entfernte. Die, die sich an der frischen Luft von den Lofoten verabschieden wollten, wurden belohnt. Belohnt mit einem Himmelsfarbenspiel, wie wir es bisher selten erlebt hatten …
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