Saint Malo
Also nach meiner Erkenntnis wird das ein „Heinrich der Achte freier Tag“. Heute erobern wir St. Malo, die historische Hafen- und Festungsstadt, aber auch heute noch immer einer der wichtigsten Häfen an der bretonischen Nordküste. Anlegen können wir trotzdem nicht, es wird getendert.
Ein Engländer, genauer ein Waliser, bekehrte an dieser Stelle einst eine einsame alte gallisch-römische Siedlung zum Christentum. Ich vermute deshalb einfach mal, dass wir es hier mit dem gallischen Dorf aus den Asterix-Heften zu tun haben!? So im 6. Jahrhundert war das wohl. Und aus diesem walisischen Mönch Machatus machte man den Franzosen Malo. Dafür durfte die Stadt jetzt so heißen wie er, mit seinem neuen Namen. 600 Jahre später aber war wieder Umzug angesagt. Damit man sich gegen die Überfälle der Normannen besser wehren konnte, zog man cleverer weise auf eine an 3 Seiten vom Meer umgebene Halbinsel. Noch eine Wehrmauer drum herum und das dahinter nannten sie dann Saint-Malo.
Im Laufe der Zeit häuften Saint Malos Reeder durch Fischfang und Handelsaktivitäten beachtlichen Reichtum an. Dazu kamen weitere, eher illegale Tätigkeiten wie Schmuggelei und Sklavenhandel. Und da man mit Wohlstand schon immer gerne protzte, ließen Saint-Malos Unternehmer prächtige Bauten für sich im Bereich der Altstadt errichten… Also von der mir bekannten Geschichte her, scheint das heute tatsächlich mal ein Heinrich der 8 freier Tag zu werden.
Erstmal können aber auch wir jetzt nicht diese umschlossene Altstadt einnehmen. Zwar scheitern wir nicht an der Stadtmauer, aber am Ausflugsbus. Der steht bereit, da müssen wir rein und es geht ab zum 50 km entfernten Mont-Saint-Michel.
Vielleicht kann der Teddy die Truppe ja später noch nach dem Ausflug, durchgeschwitzt und müde, hinter diese Mauern treiben und sich was davon ansehen…
Schon im Morgengrauen, eigentlich noch in der Dunkelheit, jedenfalls zu unchristlicher Zeit, wurden die Tenderboote zu Wasser gelassen. Nur der frühe Vogel fängt den Wurm und so können wir hoffen, wenigstens noch halbwegs unbedrängt diese Klosterinsel zu stürmen. Nach Paris ist es die am meisten besuchte Touristenattraktion Frankreichs und genau das macht mir Sorgen. Denn noch dazu feiert der Klosterberg, wohl das älteste Gebäude dort, sein 1000-jähriges Bestehen.
Wir sind nun also in der Bretagne, benannt nach der englischen Vergangenheit von „Britannia“ und fahren über die Fernstraße. Autobahnen gibt es in dieser Region, einer riesigen Halbinsel, einem großen Zipfel ganz im Nordosten Frankreichs, nämlich nicht.
In der Ferne vom Parkplatz aus, und man kann sich kaum vorstellen wie viele es hier davon gibt, sehe ich nun diesen Felsen samt Aufbauten schon zwischen ein paar Bäumen. Wir müssen natürlich, um Klosterfräulein spielen zu können, näher ran und zum Glück wurde ein Shuttleservice eingerichtet. Dieser hält zwischendurch an zwei Stationen. Eine mit Hotels, Restaurants usw. und eine beim über 1000 m entfernten Aussichtspunkt, also kurz vor der Küste. Endstation ist dann auf dem Damm, 200 m vor dem Eingang.
Und genau da sind wir jetzt. Die Reiseleiterin meint, wir sollten jetzt nicht den „Anfängerfehler“ machen und von hier fotografieren. Machen wir aber trotzdem. Denn jetzt ist frei, schönes Wetter, wir behindern niemanden und sind wieselflink.
Da baut sie sich vor uns auf, die felsige Insel im Wattenmeer. 92 m hoch, 800 Meter Umfang und oben thront die Abtei Mont Saint Michel mit ihrer wechselvollen Geschichte, die ganze Sache natürlich „Unesco Weltkulturerbe“. Im Moment liegt die Insel ziemlich auf dem „Trockenen“. Umgeben von Sand, Schlick und dazwischen Prilen. In dieser Gegend der Bretagne herrscht ein Tidenhub von teilweise 12 m bis 14 m.
Früher war sie auch nur bei Ebbe erreichbar. Irgendwann hat man dann diesen Damm gebaut, war aber auch nicht die beste Lösung. Denn nun versandete die ganze Sache. Der Umfluss fehlte, welcher immer wieder Sand wegspülte. Das hat man dann mit einer Kombi aus Brücke und Damm gelöst. Wenigstens an etwa 50 Tagen im Jahr wird die Insel nun wieder ganz umspült.
Im Moment aber nicht.
Jetzt aber rein zum Eingang. Unten ist erstmal das sogenannte Dorf. Heute aber sind diese historischen Gebäude eher von Klimbimbuden und Restaurants bevölkert. Richtige Einwohner gibt es hier tatsächlich nur noch etwa 30.
Wir quälen uns aber nicht durchs Dorf, sondern einen steilen Nebenweg nach oben. Das Dorf kommt erst auf dem Rückweg dran.
Jeder Pflasterer hat hier sein eigenes Zeichen auf das Kopfsteinpflaster gebracht.
Wahrscheinlich Akkordarbeiter, ein Arbeitsnachweis zur Abrechnung. Oder ein Qualitätssiegel. Eine Haftung daraus ableiten, dürfte nach 1000 Jahren aber eher schwierig werden.
Erzählt wird uns nun die Story vom Erzengel Michael und dem Typen dem er erschienen ist. Dabei hat Engel Michael den Wunsch geäußert, dass der Träumer ihm eine Kapelle auf diesem Felsberg bauen soll. Der war sofort einverstanden und schon stand da eine Kirche. Der Rest folgte dann so nach und nach und irgendwann war alles fertig und sah schon so ähnlich aus wie heute.
Ty scheint jetzt von der Story mit dem Michael nicht so ganz überzeugt, vermutet gewisse Hinzufügungen, ich suche den Fehler, aber der Tiger staunt. Jedenfalls thront oben auf der Spitze der heilige Erzengel Michael.
Und nun sind auch wir hier, die Fellbande. Genauso wie kürzlich der Biden und der Macron. Auch wenn es jetzt erstmal nur wegen der Aussicht ist.
Zwischendurch gibt es immer wieder schöne Blicke auf die Polderlandschaft in der man auch bis zu 3-stündige Wattwanderungen machen kann. Und wer den Anspruch hat, auch lebend wieder raus zu kommen, dann möglichst mit Führer. Sind gerade einige Truppen unterwegs.
Ich weiß nicht durch wie viele Räume wir jetzt geschleppt werden, aber soll sich schließlich auch lohnen, der Aufstieg.
Aber draußen auch ein Kreuzgang
und immer wieder dieser heldenhafte Erzengel Michael, der wohl auch noch eine gewisse Affinität zu Drachen, bzw. was gegen Drachen hatte…,
namentlich sein Schwert.
Früher war wohl alles schön bunt hier, also mit Wandmalereien und so, aber die Revolutionäre haben das ziemlich restlos zerstört und wohl sogar Blattgold abgekratzt. Heute ist es daher nüchtern grau, aber wenigstens alt.
Sowieso hatten vorher auch die Wikinger mal ein Auge drauf geworfen. Ist ja auch schwer zu übersehen dieser Felsen.
Und nach der Revolution sollte die ganze Sache, inklusive Felsen, dann sogar abgerissen werden, bzw. als Steinbruch dienen und wie viele andere Klöster auch als Baumaterial Verwendung finden. Und da kam es dem Kloster zu Gute, dass man von der Revolution noch so viele Gefangene übrig hatte und dringend Gefängnisplätze brauchte. Man baute prima hölzerne Zwischendecken ein, hatte riesig Platz gewonnen und so wurde aus dem Kloster paradoxerweise erstmal für lange, lange Jahre ein Gefängnis, die „Bastille des Meeres“. Die Gefangenen ließ man Strohhüte flechten und die hatten solch einen Spaß an der Arbeit, dass sie direkt mal ein bisschen zündelten. Und auch durch einen Erdrutsch wurde die Sache gebäudemäßig mal etwas verkleinert. Steht aber noch genug da und wir waren in der letzten Stunde zwar nicht gefangen, werden aber jetzt entlassen. Führung beendet, eigenständiger Rückmarsch und Treffen am Parkplatz.
Von nun an geht`s bergab, am Klostergarten vorbei
und dann quer durch das Dorf.
So viel Zeit haben wir jetzt nicht, denn dieser eigenständige Rückweg beinhaltet auch die Shuttlefahrt. Und da kann es zu nicht unerheblichen Wartezeiten kommen.
Und zaubern können wir nicht…
Man sollte schon allein für den Weg vom Ausgang bis zum Parkplatz 45 bis 60 Minuten einrechnen. Aber unsere Leute steigen elfenartig, bzw. wie die Bergziegen bergab, liegen gut in der Zeit und so ist sogar noch ein Fototermin mit den stolzen Bezwingern, der versammelten Fellbande vor dem Felsen drin.
Ja, er ist seit jeher ein Pilgerort, aber zwischenzeitlich war er in der Beliebtheitsskala stark abgesunken. Die Sache mit dem Gefängnis hatte den Felsen ziemlich entzaubert, für die gläubigen Pilger war er durch diese Phase erstmal irgendwie entweiht. Nach und nach hat man sich dann wohl doch mit dem Gedanken arrangiert. Vor allem die Jakobspilger machen auf ihrem Weg gerne mal einen Abstecher hierhin.
Gelernt haben wir obendrein auch noch was. Damit man zu den angeordneten Schweigezeiten beim z. B. Essen nicht nur stur die Suppe löffeln musste, verständigten und unterhielten sich einige nicht ganz so fundamentale Mönche munter und vermutlich angeregt mit Zeichen. Teddy reimt sich dann mal zusammen, dass die Mönche die Zeichensprache erfunden und entwickelt haben. Man postete auf Sicht. What`s App war damals noch nicht so weit…
Wieder auf der Brücke jetzt doch noch mal ein Blick zurück. Das war schon toll hier mit diesen verwinkelten Bauten, von denen wir natürlich längst nicht alle gesehen haben. Und als bequemes Fortbewegungsmittel zum Pilgern haben sich Bus und Shuttle durchaus bewährt.
Mit diesen ganzen Eindrücken und Gedanken dürfen wir auf der Brücke jetzt aber nicht dösig sein und in den falschen Shuttle einsteigen. So mahnt der Teddy den Träger nicht grundlos eindringlich davor, nicht wie vor ein paar Tagen bei der Hinfahrt nach Bremerhaven, in den falschen Zug einzusteigen. Es gibt hier nämlich 2 Haltestellen! Bei der ersten stehen zwar verlockend wenig Leute an, von dort fährt man dann allerdings direkt zum Bahnhof, nicht zum Parkplatz. Steht da auch auf einem Schild, aber wenn gerade einer davorsteht…
Dank meiner Umsicht haben wir dann aber alles richtig gemacht und landen tatsächlich am Busparkplatz.
Und genau an dieser Stelle und das ist wörtlich zu sehen, mal ein Tipp vom Teddy: Man hört sie nicht, man sieht sie kaum, aber hier schwirren einige beißfreudige Mücken rum. Keine Schwärme, sondern aggressive Einzelkämpfer. Und ungemein erfolgreich… Viskose scheinen sie aber nicht zu mögen, wir haben nichts.
Tatsächlich gelingt es mir nun, zurück in St. Malo, unsere Truppe noch hinter die Mauern zu locken, d. h. erstmal auf die Mauer. Wir betrachten die „Malouiner“ - so heißen die Original-Einwohner - von oben, sehen aber wahrscheinlich nur Touristen. Die „Malouiner“ haben die Stadt geräumt und spielen draußen vor der Mauer diesen typischen französischen Sport, sie werfen Boulekugeln. Fehlen nur noch Baguette und Rotwein, dann wäre es schon fast so kitschig wie im Fernsehen.
Nicht alle Gassen scheinen hier touristisch erschlossen. Wir sehen auch welche ganz ohne diese typische touristische Infrastruktur mit Klimbim und Lokalen. Überhaupt sieht vieles hier, wenn sowas fehlt, ziemlich einheitlich aus.
Die beschriebene bauliche Herrlichkeit nahm zwar erst spät, dann aber doch ein jähes Ende, als im 2. WK Deutschland die Stadt besetzt hatte und sie auch nach Landung der Alliierten nicht herausgeben wollte. Vorher niemals von See her erobert worden, waren die Waffen nun andere als ein paar hundert Jahre zuvor und so zerstörten Bomber der Alliierten 85 Prozent der hinter den Mauern gelegenen Bauten. Hier aber wurde, anders als z. B. in Le Havre, danach wieder alles möglichst detailgetreu nachgebaut. Also hält man sich gar nicht richtig in einer von Grund auf historischen Altstadt auf, mit der Nutzung der Gebäude wie früher, sondern es ist alles eher Retro.
Was keiner zuvor geschafft hatte, der 2. WK hatte es geschafft. Nicht nur die Normannen hatten sie damals angegriffen, sondern man hatte Angriffe auch dadurch provoziert, dass man mit Piraterie, mit hoheitlicher Genehmigung nannte man sich aber beschönigend und stolz „Korsaren“, die Weltmeere unsicher machte. Das war eine lukrative win/win Geschichte. zumindest zwischen König und Korsaren. Die Opfer rächten sich mit Angriffen auf die Stadt, welche darauf mit weiteren großen kilometerlangen Festungsmauern, den „Remparts“ um die gesamte historische Altstadt reagierte. Was drinnen lag, nannte und nennt man „Intra Muros“. So steht es auch auf den Schildern.
Also runter von der Mauer und rein in die Ecke bei der Burg, dem Chateaubriand-Platz.
Aber der Kapitän hat uns bei der Wettervorhersage irgendwie angeschwindelt und untertrieben. Fast schon heiß ist es heute und meine Truppe müder Wandersleute daher schnell durch. Ich auch, gebe es aber nicht zu und warte die Meuterei ab. Vermeintlich enttäuscht billige ich den Rückzug, wir marschieren durch ein anderes Stadttor bei der Burg
zur Shuttle-Stelle, das Boot ist voll und ruckzuck blicken wir wieder vom Balkon aus auf die von hier etwas entfernten Mauern. Hinter uns rechts dürfte wohl die Einmündung vom Fluss Rance und das Gezeitenkraftwerk sein. Denn mindestens seit dem 19. Jahrhundert nutzt man die hohen Gezeitenunterschiede zum Antrieb von Mechanik und heute zur Stromerzeugung. Rankommendes Wasser rein in ein Becken, später ablassen und alles öko.
Bei der Ausfahrt fahren wir mal mehr, mal weniger nah an einigen vorgelagerten Inseln und herausragenden Felsen vorbei. 4 davon nutzte man damals zum Bau vorgelagerter Forts. Nicht alle sehen wir jetzt, manches erahnen wir halt nur.
War schon eine wilde Zeit damals, aber heute gleiten wir mit dem Lotsen unbehelligt vorbei und verlassen das südlichste Ziel unserer Reise in Richtung „Normandie“
-- Fortsetzung folgt --
Der nächste Teil unserer Reise ist die Seinepassage nach Rouen.
Und als wir nach der Nebelwand dann auch noch die Ufer sehen können, sind wir für den Rest des Tages begeistert
und kommen gar nicht mehr freiwillig vom Balkon runter.
Lieber schauen wir den Leuten von oben durch die Fenster auf den Frühstückstisch...
Aber die sind sowieso so begeistert, dass die eh zu essen und arbeiten aufhören, als wir an deren Fenster vorbeigleiten...
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