Tilbury
Gegen 05:00 Uhr am Morgen werde ich wach. Irgendein Brummen und Rauschen holt mich aus den Träumen. Spinnt die Klimaanlage?
Nee, es sind die Strahlruder, wir legen schon an.
Weiterschlafen, wir haben noch Zeit. Wollen ja nicht nach London, unser Ausflug startet erst zu christlicher Zeit.
Dass wir diese "Themse-Passage" jetzt in der Nacht, bei Dunkelheit gefahren sind, das stört mich nicht.
Ein Blick nach draußen bekräftigt mich später nochmal in dieser Meinung. Der Fluss ist auch hier noch so dermaßen breit,
dass es eh kein Vergleich mit dieser idyllischen Seine-Fahrt ist. Und dieses Erlebnis nimmt uns keiner mehr. Ist auch kaum zu toppen.
„London Cruise Terminal“, so heißt das hier. Obwohl wir doch eigentlich in Tilbury sind, noch so ungefähr 40 km von London entfernt.
Haben die sich wohl von den Flughäfen abgeschaut, … nicht nur in London. Aber wir wollen ja heute ohnehin nicht in die Metropole.
Ein strategischer Vorposten von London ist das Städtchen Tilbury mit seiner Lage unterhalb an der Themse aber doch schon. Und historisch gesehen sowieso.
Schon Elizabeth I hatte hier damals ihre Hauptarmee gegen die spanische Armada stationiert, um diese von London abzuhalten. Dafür gab und gibt es hier auch Festungen.
Und die erste davon, wie könnte es anders sein, hat natürlich wieder dieser Heinrich der Achte dort platziert.
Also wandeln wir irgendwie schon wieder auf den Spuren vom Heinrich, sehen die Festungen aber erstmal nicht.
Okay, dann schauen wir uns jetzt erstmal was anderes mit dem Heinrich an, besser gesagt gleich 2 Gebäude, aber außerhalb.
Dafür verlassen wir dieses 12000 Seelen-Städtchen mit dem immerhin drittgrößten Seehafen Englands, welches ansonsten aber wohl nicht allzu viel bieten kann.
Die Attraktion ist jetzt erstmal das altehrwürdige Cruiseterminal.
Das fällt mir dann doch ins Auge, als wir im Rucksack durch die Halle mit den geschwungenen Stahlträgern geschleppt werden.
Vor der Halle, beim Busparkplatz, scheint auch ein Oldtimermuseum zu sein.
Wahrscheinlich zu Reklamezwecken haben die einige der alten Gefährte ins Freie geholt.
Aber außer einem flüchtigen Blick haben wir dafür jetzt keine Zeit. Und die sollten mal besser das Wetter im Auge behalten.
Das zeigt sich heute Morgen nämlich noch ein wenig trübe und wenn`s schlecht läuft,
gibt es gleich den einen oder anderen Wasserfleck auf die Ledersitze vom schmucken Cabrio.
Wir sind jetzt erstmal weg, unterwegs zu
„Leeds Castle und die Kathedrale von Canterbury“ TIL07,
fahren nun also durch die Grafschaft Kent und das Wetter hat mittlerweile eingesehen, dass hier die Fellbande unterwegs ist und die schönes Wetter erwartet.
Nicht erwartet -aber gehofft- hatten wir auch auf einen deutschsprechenden Reiseleiter. Hätte auch geklappt, aber der ist wohl kurzfristig ausgefallen.
Nicht tragisch, denn unsere Träger sind stolz, dass die den jetzt so prima verstehen, denn der spricht für deren reduzierten Sprachhorizont ein ganz klares deutliches Englisch. Und dafür, dass er eigentlich ausgewiesener London-Spezialist ist, wird er uns die Sache hier prima verkaufen.
Leeds Castle liegt in einer großen Parkanlage, in denen sogar Golfer ihres Weges ziehen und ist erst seit 1976 überhaupt öffentlich zugänglich.
Für einen Sonntag übrigens scheint es heute überraschend leer.
Ist jetzt schon noch ein Stück zu laufen, bis zum Castle, dem Wasserschloss, welches sich da hinten schon im Wasser spiegelt. Pflanzen, Skulpturen, kleine Teiche und Wasserläufe lassen es uns auf dem restlichen Weg dorthin aber ohnehin nicht langweilig werden.
Und muss ich es überhaupt noch erwähnen, bekannt ist das Castle vor allem als ein Palast von natürlich Heinrich 8.
Größtenteils ist es heute auch noch so wie er es damals hat umbauen lassen. Hat eine wechselvolle Geschichte, dieses Gemäuer, sowohl vor, als auch nach ihm.
Und nicht alle haben sich immer um den Bau gekümmert. Er aber schon, denn hauptsächlich für seine wechselnden Frauen hat er ihn umgebaut.
Ob da jetzt besonders viele Spiegel drin sind oder sonst was? Jedenfalls sagt man, er hat es „frauengerecht“ umgebaut, was auch immer das heißen mag.
Ja, der Typ konnte zwischendurch auch mal gut sein, solange jedenfalls, wie die Ehe nach seinem Plan lief. Sonst wurde halt die Bewohnerin ausgetauscht.
Im Ergebnis hat Leeds Castle den Ruf als „Weiberschloss“.
Dann marschieren wir jetzt mal rein, scheint ja genau das Richtige für die Teddymädchen zu sein und durchstreifen die Räumlichkeiten.
Zunächst mal werden uns in einem Filmchen noch die erste Ehefrau Katharina von Aragon und die „Auswechselspielerinnen“ vorgestellt.
Die Räume sind heute größtenteils mit -wie der Teddy findet- unmodernem Kram, im Stil der 1920/1930er Jahre eingerichtet. So, wie es die letzte private Besitzerin,
die 1974 verstorbene Lady Baillie gestaltet und hier als Wochenendbewohnerin für wilde Partys mit standesgerechten Gästen genutzt hat.
In einem kleinen Innenhof hängen künstliche bunte Vögel rum, vielleicht gab es die hier früher auch mal in echt, aber das kitschige (Blüten)Zebra hier lässt mich daran zweifeln.
Aber die Fellbande hat ja für so unechten Kram, nachgebauten künstlichen Tieren, natürlich ohnehin eher weniger Verständnis, -sieht keinen Sinn darin…
Ein alter Film „Adel verpflichtet“ wurde hier auch mal gedreht. Kenne ich jetzt nicht, aber das Ambiente dürfte passen.
Ganz anderes Ambiente, ganz anderen Flair, dürften die hier auch schon mal untergebrachten Häftlinge damals verbreitet haben.
Und auch in seiner Lazarett-Zeit im 2.Weltkrieg ging es weniger adlig zu.
Ende jetzt mit den muffigen ollen Möbeln, die Besichtigung ist am Ende. Ein bisschen Zeit aber haben wir noch.
Wie man in der Ausflugsbeschreibung aber darauf kommt, dass man sich nun mit der Bimmelbahn über das Gelände kutschieren lassen kann, bleibt mir rätselhaft. Das dauert doch!
Hat sich aber eh erledigt, denn schon auf dem Hinweg habe ich mitbekommen, dass der Fahrer der Bimmelbahn heute mal einfach nicht zur Arbeit gekommen ist. Und wenn wir jetzt Interesse an dem immerhin einzigen Halsbandmuseum der Welt gehabt hätten, dann wäre das auch nicht gegangen, denn das liegt auf dem Gelände etwas weiter weg, bei dem Restaurant und den Spielplätzen.
War ganz nett hier an dieser historischen Stätte, aber das nächste Ziel wird sicher besser, die Kathedrale von Canterbury.
Die liegt mitten in der Altstadt von Canterbury und deshalb halten wir schon am öffentlichen Bushalteplatz und der Rest wird gelaufen, eine kurze Wallfahrt dorthin.
Der Reiseleiter klärt uns auf, dass im Weltkrieg mal eine Fliegerbombe ganze Arbeit geleistet hat und deshalb hier erstmal alles recht neu ist.
Aber irgendwann, in der Fußgängerzone, sinnigerweise direkt nach Mc Donalds, hört der damalige Explosionsradius auf und man steht in der „richtigen“ Altstadt.
Ist ganz abrupt und deutlich sichtbar dieser Wechsel, von einem Gebäude zum anderen.
Und dann ist der Weg nicht weit und wir stehen vor dem Eingangsportal zum Gelände vom Weltkulturerbe,
der Kathedrale von Canterbury (The Cathedral of Christ Church).
Durch das Tor und dann baut sie sich vor uns auf.
So dermaßen riesig, dass man sie nicht auf ein Foto bekommt. Und natürlich ist sie eingerüstet. Zum Glück aber nur der vordere Teil.
Dann wollen wir mal reingehen, wird ja dauern bei der Größe.
„Schau mal, die sieht ja aus wie Elisabeth!“ meint eine Frau mit verwunderter Stimme, als sie beim Reingehen auf ein Steinrelief oberhalb des Eingangsportals deutet.
Der Ehemann klärt trocken auf: „Das ist ja auch Elisabeth (die Zweite)!“ Teddy wundert das jetzt nicht. Wir sind in England, das war die Queen und seit Heinrich dem Achten werden hier die Könige gekrönt, wie jüngst auch König Charles, vom Erzbischof von Canterbury. Denn letzterer ist seither das Oberhaupt dieser „Anglikaner“.
Also wieder dieser Heinrich der hier was ins Rollen gebracht, was verändert hat. Im Zuge des Zoffs mit dem Papst, der ja seinen Weiberwechsel nicht so toll fand und absegnen wollte, hatte er ja als heilige Alternative die anglikanische Kirche ins Leben gerufen und seither läuft halt hier die Krönungsshow.
Die Kompass-Rose auf dem Boden, als Symbol der anglikanischen Kirche, haben wir übrigens nicht gefunden. Stand wahrscheinlich gerade eine Touri-Truppe drauf.
Schon viel früher stand hier eine Kathedrale, aber davon hat man irgendwann mal nur noch Reste im Keller gefunden. Ich übrigens auch.
Diese „neue“ Kathedrale wurde immer wieder erweitert, hinten hat es zwischendurch mal ordentlich gebrannt, und das Baumaterial ist auch unterschiedlich. Erst waren es Steine aus Frankreich, dann aus Südengland. Verschiedene Baustile, verschiedene Färbungen. So ist das, wenn man Jahrhunderte rumwerkelt.
Und irgendwie haben die es nicht geschafft, die Riesengebäude gerade aneinanderzusetzen. Vom Eingangsportal aus durch das „Langschiff“ und natürlich auch umgekehrt, kann man zwar jeweils bis ans andere Ende sehen, erkennt aber deutlich, dass da ein Knick drin ist. Das Mittelschiff, der Chorraum
ist schräg angesetzt.
Ansonsten gibt es zig Nebenräume, Kapellen, die Abtei mit Kreuzgang
und weitere Räume, die an Wänden und Decken komplett verziert sind, Geschichten erzählen und wohl wichtig sind, aber ich nicht mehr weiß wie die heißen.
Habe die aber gesehen, zumindest einige davon.
Auch den Hinrichtungsplatz, von Thomas Becket, das „Martyrium“ zeigt man uns jetzt.
Der war mal ein guter Freund von Heinrich dem II. Also auch ein Heinrich, aber ausnahmsweise mal nicht der Achte. Den gab es da noch nicht, kommt aber natürlich später noch ins Spiel.
Guter Freund, Berater, Erzieher der Kinder vom Heinrich, so auch von Richard Löwenherz. Und dann gab es aber, spätestens als Becket Erzbischof von Canterbury wurde, gewisse Meinungsverschiedenheiten, insbesondere über Zuständigkeiten, Macht und dem Verhältnis Kirche zum Staat. Um es auf „Teddy Einfach“ abzukürzen: Heinrich II schickte ihm dann mal Besuch von 4 Rittern, die ihm in der Kathedrale den Schädel einschlugen.
Riesenaufruhr damals, die Kirche sprach Becket schnell heilig und auch weil komischerweise genau seitdem hier immer wieder vermeintliche Wunder geschehen sind, ist das Gotteshaus seither Wallfahrtsort. Und Heinrich II hat das damals nicht unbedingt beliebter gemacht.
Der Reiseleiter berichtet, dass selbst die Kinder von Charles hier am Ort des Geschehens schon in der Jugendzeit reumütig „Oh Thomas…“ gejammert und um Verzeihung für die Krone gebeten haben. Ein Mord der also geprägt und damit fast 1000 Jahre überdauert hat.
Letztlich hat man einen großen Schrein mit den Gebeinen in die Kirche gestellt. Auf Knien haben sich die Verehrer dem Schrein genähert und sind auf diese Weise drum herum gerutscht. So viele Leute, so viele hundert Jahre, dass man heute angeblich die Spuren abgewetzten Steins sehen kann. Erkenne ich jetzt zwar nicht,
aber wird schon stimmen.
Was jedenfalls genauso wie die Sache mit dem hier beim Blick durch die Halle zu erkennenden ungeraden Bau stimmt, dass ist die Tatsache, dass da heute kein Schrein mehr steht. Der wurde 400 Jahre später zerstört und die Gebeine und Reliquien zerstreut. Und wer hat`s gemacht?
Ja, da kommt er wieder ins Spiel, Heinrich der Achte. Denn der hatte damals auch Ärger mit einer ähnlichen Figur wie Becket und bekanntlich ja ohnehin mit der katholischen Kirche. Und da war es ihm natürlich mal gar nicht recht, dass da die Leute auf Knien vor dem Schrein eines gegenüber dem König „Unloyalen“ aus einer vergangenen Kirchenzeit rumrutschten, statt vor ihm.
Gibt hier aber auch sonst noch einige Gräber in der Kirche. Wie schon in Rouen, auch hier Steinsärge mit Abbildern von den Verstorbenen und wohl auch unter dem Boden liegen noch welche.
An einer sargfreien Stelle marschieren wir abwärts in den Keller und durchstreifen gediegenen Schrittes die „Krypta“. Hier müssen wir sehr ruhig sein,
kein Geschwätz darf aus dem Rucksack kommen, denn hier ist es besonders heilig. Merkt man auch schon am fahlen Licht.
Dafür, dass die Kirche mehrfach geplündert wurde, steht hier oben wie unten trotzdem noch allerhand Pomp rum.
Es gibt, auch in den Nebenräumen, jede Menge Buntglasfenster mit biblischen Szenen und nach kurzer Suche finde ich auch eines mit natürlich Heinrich 8.
Und das wird wohl nicht das einzige hier sein. Wohl durch Druckwellen bei Bombenexplosionen ist aber auch einiges zu Bruch gegangen.
Nicht alles ist schon wieder hergestellt. Fachpersonalmangel gibt es auch im Bereich der alten Buntglasmeister.
Und wenn sowas dann heutzutage wiederhergestellt wird, dann kommt sowas dabei raus: „Political Correctness“ bei den biblischen Darstellungen.
Darauf weist der Reiseleiter jetzt extra hin. Ein multikulturelles Fenster mit einem dunkelhäutigen Jesus. Zu seinen Füßen Kinder aus aller Welt.
So erkennt man zur Freude vom Ty, dem Chinesenbär, u. a. auch eine kleine Chinesin.
Diese Kathedrale von Canterbury hat im Verlauf der letzten 1000 Jahre schon große Geschichte geschrieben und ist daher nicht nur vom Bauwerk her imposant.
Ein Besuch der sich gelohnt hat.
Aber auch jüngste Geschichte wird erlebt. Einen Moment lang habe ich mich sogar wie "King Charles" gefühlt. Wohl weil ich den erst neulich im Fernsehen gesehen habe, wie er bei der Krönung diesen langen Weg von vorne bis hinten so langgeschritten ist… und jetzt eben der Teddy Kaufhof (im Rucksack).
Ty aber meint, dass diese Verbundenheit wohl nicht von Flair und Ambiente kommt, sondern eher an meinen Ohren liegt… Verstehe ich nicht. Was meint der?
Jedenfalls aber verstehe ich jetzt wie ungünstig es ist, wenn man bei so einem Ereignis in dem krummen Riesenbau ganz hinten sitzt…
Personellen Flair und Ambiente könnte ich natürlich mit diesem heiligen Outfit verbreiten und würde mir damit bestimmt auch einen Platz ganz vorne erschleichen.
Ach ne, dann lass mal. Zurück in das wahre Leben.
Ein wenig noch durch die Altstadt von Canterbury und dann wieder ab in den Bus.
Warum der Freeway aber „Freeway“ heißt, dass frage ich mich schon, als wir auf dem Rückweg gerade mal wieder im Stau stehen…
Am Hafenterminal sind diese Oldtimer mittlerweile wieder versteckt in der Halle, also nix mehr mit kostenlosem Museum. Hier gibt es nichts mehr zu sehen und daher beeilen wir uns jetzt mal zur Kontrolle zu kommen, denn da rollen gerade reich gefüllte Ausflugsbusse auf das Gelände. Das verspricht eine lange Warteschlange.
Aber dann eben nicht für uns.
Auslaufen im Dunkeln,
aber die Sache hier, diese Themsefahrt ist eh nicht zu vergleichen mit der Seine. Ist einfach zu breit hier, wohl schon 700m. Macht schon Sinn mit der Nachtfahrt. Braucht man sich nicht drüber ärgern. Trotzdem halte ich aber noch Ausschau nach diesen Castles, den alten Festungen von damals. Aber schnell gebe ich auf.
Denn wohl auch auf der anderen Seite, der Träger ist extra auf den bei der Aura umlaufenden Außengang von Deck 6 runtergerannt, ist nix zu sehen.
Ty grinst: „Ist doch klar. Die kann man doch gar nicht sehen. Die hatten doch damals noch kein elektrisches Licht.“
Der Tiger nickt zustimmend und ich kann mich kaum noch halten. Also dieser Ty, manchmal hat der aber auch einen richtig trockenen englischen Humor…
Der Kapitän wohl nicht, der klaut uns ganz trocken wieder die England-Stunde von vorgestern. Also schnell ins Bett jetzt.
-- Fortsetzung folgt --
Und in dieser Fortsetzung geht es über den Kanal, rüber nach Belgien.
Durch die Schelde rein nach Antwerpen. Und als wir morgens aufwachen sind wir schon fast da.
Kann losgehen mit der Stadterkundung. Aber Antwerpen wird zunächst noch von der Vereinnahmung durch die Fellbande verschont,
- erstmal erstmal geht es ins Landesinnere, nach Brüssel.
Heute Abend erst mischen wir Antwerpen auf.
Die gehetzten Kreuzfahrer haben nämlich endlich mal Zeit, -heute bleiben wir mal über Nacht...
Und mein ausgeklügelter Plan steht - braucht nur noch eingehalten werden...
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