Antwerpen und das ultimative Sailaway
So, Chinatown schneller als erwartet erledigt und jetzt einfach umdrehen zur anderen Seite vom Astridplein, zur „Kathedrale“.
Nein, nicht schon wieder eine Kirche. Den „Centraal Station“, diesen Prachtbau von Bahnhof, 2007 sogar mal zum viertschönsten Bahnhof der Welt gewählt, nennen die hier auch „Die Eisenbahnkathedrale“. Ist ja auch alles recht groß, hoch und vor allem recht imposant bei dem Bau von 1905.
Da setzen wir uns genau hier mal hin, machen Rast und schauen einfach mal dem Treiben zu.
Draußen könnten wir jetzt nach links in den Zoo gehen, der schöne alte Eingang lockt,
aber sowas hatten wir ja gerade erst in Bremerhaven. Und auch zu dem Viertel hinter dem Bahnhof, dem Diamantenviertel, gehen wir jetzt nicht. Bekannter Weise ist der Teddy Kaufhof ja genügsam und ich will mir bei dem ganzen Bling Bling nicht die Augen verblitzen, wenn ich doch sowieso nichts bekomme.
Ich könnte jetzt noch von der widerlichen Toilette mitten zwischen den Parkplätzen unter dem Bahnhof erzählen, wo uns ein einladendes Schild kurz hinführt, -mache ich aber nicht. Benutzerbeschwerden dahingehend prallen auch an mir ab, habe ich nichts mit zu tun. Teddy Kaufhof hat schon genug mit der strategischen Planung der Besichtigungspunkte zu kämpfen, da kann ich nicht auch noch eine „Toilettenroute“, mit möglichst noch „Best off“ ausarbeiten.
„Wildplassen“ ist jedenfalls verboten.
Raus jetzt hier, wir müssen weiter, oben wartet die Bahn auf uns, diesmal oberirdisch. „Linie 24“ bringt uns zum „Paardenmarkt“, wo allerdings keine Pferde stehen, sondern wir nur möglichst nah an meinem nächsten Hotspot sind. Über die Hauptstraße, zweite oder dritte links in die „Rodestraat“.
Also wenn ich es jetzt nicht genau wüsste, dann könnte ich den zweifelnden Blick vom Ty nicht so selbstsicher ignorieren. Wir sehen einfach an beiden Seiten nur eine Zeile halbwegs alter aneinandergebauter Häuser. Nichts deutet darauf hin, dass… Und Touristen sind auch keine unterwegs. Gerade will der Ty anfangen zu nörgeln und in der Community macht sich eine allgemeine Unruhe breit, als ich links einen fast unscheinbaren Torbogen entdecke. Und ja, da ist er, der Zugang zum Begijnhof.
Ja, das ist ja mal eine Idylle hier, im von außen nicht zu vermutenden weitläufigen Innenhof.
Darf man hier überhaupt rein? Doch die Frau, die da gerade mit Einkaufstüten beladen in einem Hauseingang verschwindet, die sagt nichts. Vielleicht hat die uns ja auch gar nicht als Touristen erkannt, mit den Fotoapparaten und den Teddys im Rucksack…
Ist hier heute ein „normales“ Wohnviertel, früher war das anders. Da war es hinter hohen Mauern eine ziemlich abgeschottete Wohngemeinschaft, die „Manspersonen“(Männer) abends nicht mehr „bezoeken“ durften und Herrenbesuche über Nacht waren schon mal gar nicht gestattet. Darauf weist, damit da keine „Missverständnisse“ aufkommen, ein Schild noch immer ausdrücklich hin. Schwer hatte man es also als „Mansperson“ bei diesen Antwerpener „Beginen“, gläubigen Frauen, die in solcher ordensähnlichen Wohngemeinschaft lebten, ohne aber ein Klostergelübde abgelegt zu haben. Sie verrichteten karitative Tätigkeiten. So eine Art Hilfsnonnen also, die doch noch so ein bisschen im weltlichen Leben bleiben wollten, also eine Art „Kloster light“, gab es wohl auch nicht nur hier in Antwerpen.
Lauter kleine Häuser,
in der Mitte Rasenflächen, Obstbäume, auch mal eine christliche Skulptur
und dazwischen läuft man auf beschaulichen Pflasterwegen.
Ob hier der Gärtner wohnt?
Da hinten steht jedenfalls auch noch die kleine Sint-Catharinakerk.
Die ist so menschenleer und ruhig,
dass ich mich beim Rausgehen aus der Kirche fast zu Tode erschrecke, als plötzlich doch ein Mensch um die Ecke biegt.
„Mal was anderes hier“ meint der Ty und unsere Leute finden es interessant. Bevor wir jetzt die Obsternte einleiten, das Fallobst zeigt, dass sich darum hier wohl keiner kümmert, marschieren wir wieder ins nicht ummauerte Leben zurück.
Am Ossenmarkt entdecke ich noch einen lustigen Trinkwasserspeier, -muss ich natürlich direkt mal draufdrücken-,
aber so richtig Leben erwartet uns erst wieder an der Hauptstraße, wo wir auch direkt an einer Straßenbahnhaltestelle landen.
Ja, dank meiner Planung läuft das hier.
Und jetzt wird es „tricky“. Ein letztes Ziel steht auf der Agenda und das ist jetzt weit entfernt, ganz oben links auf der Karte. Zum Abschluss soll es zum MAS, dem Museum aan de Stroom gehen. Aber „gehen“ ist eben nicht, ist zu weit und eine direkte Bahnverbindung konnte ich nicht ausmachen. Und das mit den Buslinien ist mir zu kompliziert. Also erstmal mit „Linie 1“ nach unten bis zur „Nationalbank“ und dann mit dem kleinen schmalen antiquierten Bähnchen von der „Linie 7“ quer durch Antwerpen in das Hafenviertel oberhalb unseres Liegeplatzes rumpeln.
Ist auch mal ganz nett. Man sieht was. Und wofür haben wir schließlich die Tageskarte? Wobei ich immer noch nicht weiß, ob man die noch hätte irgendwie aktivieren müssen? Zum Anfang hatten wir mal jemanden gefragt, aber die Frau wusste das auch nicht genau.
Zwei Drittel der Strecke haben wir jetzt geschafft, die ganzen lärmenden Schüler sind gerade ausgestiegen, als die Bahn nicht mehr weiterfährt, an der Haltestelle stehenbleibt. Ty hat gerade ein „Deja Vu“. Oh nein, nicht schon wieder wie neulich mit der Standseilbahn in Neapel! Da mussten wir schließlich aussteigen und standen verlassen im Nirgendwo. „Und das jetzt zum Abschluss alles nur, weil der Kaufhof unbedingt noch in so ein schei… Museum will.“ poltert es auch schon aus dem Ty heraus. Doch das Schicksal meint es nun gut mit mir. Der Fahrer kommt rausgelaufen, rennt ans Ende der Bahn, läuft fluchend wieder nach vorn und kommt mit wenig begeisterter Mine, aber mit irgendeinem Spezialschlüssel zurück. Es liegt wohl an der Tür da hinten, die geht nicht mehr zu. Mein Verdacht richtet sich jetzt durchaus gegen die eben noch ausgestiegenen feixenden Schüler. Da könnte ich mir einen gewissen Zusammenhang durchaus vorstellen. Wie dem auch sei, die Tür mechanisch verschlossen und die restlichen zwei oder drei Stationen schaffen wir nun doch fahrenderweise.
Und da ist er ja auch dieser halbgläserne Bau aus rotbraunem Sandstein.
An der Fassade hängen jede Menge Hände aus Aluminium. Sollen wohl ein Symbol der Legende um den Helden Brabo und den Riesen Antigoon sein. Tiger erinnert sich, das war die Sache von heute Morgen am Brabobrunnen, die Sache mit den abgeschlagenen Händen und dem „armen“ Riesen. Andererseits kann man für eine Spende von wenigstens 1.000 Euro hier auch „seine eigene Hand“ an der Außenwand des Museums platzieren lassen. Also jetzt mal ohne „Abschlagen“, sondern in Aluminiumausführung. Schon über 1.000 Hände hängen an der Außenwand und ich finde die Idee gut. Wenn sie von mir gewesen wäre, hätte ich jetzt schon über 1 Millionen Taler in meiner Bauchtasche. Und an der Wand würden die Leute sich über eine einzelne „Pfote“ zwischen den ganzen Händen wundern…
Noch über ein Hafenbecken laufen und dann rein. Die Eintrittskasse ignorieren wir mal. Denn jetzt löse ich auf, was mich tatsächlich in dieses Stadtviertel Eilandje getrieben hat. Natürlich will ich die Truppe zum Abschluss nicht noch mit einem Museumsbesuch vergraulen, zu dem ich wahrscheinlich von allen am wenigsten Bock habe. Hier kann man stattdessen bis nach oben in die 10. Etage hochfahren und hat dann aus 60m Höhe einen tollen Ausblick. Das soll der tolle Abschluss sein, wenn wir erkennen können, wo wir die letzten 6 Stunden so überall gewesen sind, -zu Fuß und mit zeitweise freundlicher Unterstützung des „Daytickets“.
Für lau fahren wir jetzt jede Etage einzeln und immer an einer anderen Seite mit der Rolltreppe hoch bis zur 9. Etage. Zur letzten Etage muss man dann laufen und steht schließlich auf dem Panoramadach. In der 7. Etage, oder war es schon die sechste, steht zur Begrüßung die Figurengruppe des „Salutierenden Admiralspaars“. Die darf man nicht verpassen. Die stehen draußen hinter der Glasscheibe auf einem Vordach.
Oben sind jetzt alle begeistert. Voller Erfolg! Und Sparfuchs Teddy findet, dass es umso schöner ist, desto weniger man dafür bezahlen muss. Also ist der Blick in alle Richtungen hier sogar toll bis supertoll, denn wir haben nichts dafür bezahlt...
Und wider Erwarten ist es gar nicht so windig hier oben, denn unten hat es schon ganz schön geweht, wohl auch, weil die Sonne mittlerweile weitgehend Feierabend gemacht hat. Nun, das mit dem wenigen Wind liegt jetzt natürlich an der Verglasung, welche aber sicher auch einen Schutz dagegen bieten soll, dass Leute beim Abstieg die Rolltreppe meiden… (die direkte Abkürzung ohne die Rolltreppe nehmen)
Da unten erkennen wir auch, wo wir gleich noch vorbeigehen müssen. Es sind die großen Figuren an der Wand und auf dem Dach von einem Haus, die Antwerpener Flüsterer.
Und da hinten rechts, gar nicht mal so weit weg, erkennen wir auf der Schelde unser Schiff. Dann können wir ja das letzte Stück laufen und brauchen nicht mehr in die Straßenbahn, die dort ja eh nicht vorbeifährt.
Genug geschaut. Abfahrt und eine Treppe und 9 Rolltreppen weiter sind wir wieder unten.
Und jetzt mögen manche Leute meinen, dass es albern ist, aber sicher zur Belohnung für unser geduldiges Sitzen im Rucksack, nutzt der Träger nach kurzem Zögern (und irgendwie schaut er sich vorher verstohlen in alle Richtungen um…) die Gelegenheit und setzt uns tatsächlich nacheinander hier unten auf eine Rutsche. Und nicht nur zum Foto.
Stolz können wir sein, denn trotz einer gewissen Hüftsteifheit nach der ganzen Rucksacksitzerei, schaffen wir es tatsächlich „sitzend“ und ohne Sturz unten anzukommen. Das wollen wir dann besser mal nicht wiederholen, denn wer weiß…
An der Fassade eines renovierten Speicherhauses hat sie ein Künstler montiert, „Den Antwerpener Flüsterer“, eigentlich aber eine ganze Figurengruppe.
Auf dem Dach steht der „Flüsterer“ und flüstert einer Figur unten am Boden wohl was zu. Neugierig klettern andere Figuren die Fassade hoch. Aber ich nehme es mal vorweg: Weder die noch wir können was davon verstehen, geschweige denn überhaupt etwas hören. Aber nett gemacht, auch ohne Ton. Na ja, die Wegbeschreibung zum Schiff wird es nicht gewesen sein, das finden wir jetzt auch so.
Vor der Burg Het Steen noch an De lange Wapper vorbei, eine Statue die einen Riesen darstellen soll.
Ist aber nicht der ohne Hand, scheint wohl ein anderes Märchen zu sein. Offenbar sehr phantasievoll die Antwerpener, „wohl schon früher zu viel Fernsehen geschaut“, meint der Tiger ganz altklug.
Heute gehen unsere ausgelaugten Träger schon früh essen, denn es ist ja gleich die letzte Ausfahrt. Und wenn es auch dunkel sein wird, wollen wir doch noch gemeinsam was von der Schelde sehen. Und eine Sache hat der Teddy da noch im Köcher, das Havenhuis, so ein neueres Architekten-Gebäude weiter oben in Antwerpen, wo wir gleich vorbeifahren und welches im Dunkeln beleuchtet sein soll. Bei der Routenplanung mir angepriesen als „architektonische Perle, einen Diamanten“ und von der irakischen Stararchitektin und Designerin Zaha Hadid entworfen.
Erstmal aber noch vor dem Ablegen eine Überraschung: Da stehen doch tatsächlich 2 Leute mit einem beschrifteten Bettlaken „Auravoir“ am Kai
und auch eine 2- oder 3-Mann-Combo spielt zum Abschied.
Ja, es ist die letzte Ausfahrt und wenn wir das nächste Mal von Bord gehen, dann sind wir in Bremerhaven und „Reiseende“ bedeutet dann ein wenig mehr als sonst. Da hilft erstmal nur eins, ich winke.
Und schon verschwindet der Kai im Dunkeln und etwas Erhelltes taucht auf, das beleuchtete Havenhuis, tatsächlich wie ein seltsamer Diamant mit eigenwilligem Schliff. Und noch seltsamer wirkt es mit einem unscharfen Foto.
So, dann haben wir das auch erledigt. Und nicht etwa, dass es jetzt dunkler würde, eher im Gegenteil.
Kilometerlang jetzt Industriekulisse, wohl überwiegend Raffinerien, mit hohen Flammenwerfern säumen das Ufer, bis in die Niederlande hinein. Genau weiß ich das ja nicht, steht ja kein Schlagbaum oder sonst was. So ein bisschen aber verfolgen wir unsere Position auf Google Maps. Irgendwann übrigens ist Schluss mit dem lustigen draußen sitzen. Die Schelde ist kein gerader Kanal und nach einer kleinen Drehung schlägt der starke Wind auch in unser Freiluftidyll ein.
Wayne Morris spielt dann auch, wie gestern schon vermutet, nicht auf dem Pooldeck, sondern im Theater.
Die Bässe spielen aber auch bei uns im Zimmer…
-- Letzter Teil folgt --
Und darin blicken wir uns nochmal auf der Aura um,
schleichen ein letztes Mal um Ecken die es woanders nicht gibt,
denken zurück, klären auf,
nehmen Abschied im Theater, gehen ohne viel Theater von Bord.
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