7. Juli 2015 – Longyearbyen
Urlaubszeit. Ausruhzeit. Ausschlafzeit. Aber nicht an Bord einer AIDA im Nordmeer. Also auch nicht für uns! Kurz nach 6 Uhr kamen wir nach dem notwendigen Morgenprocedere wieder ganz nach oben. Ein freier Platz vorne am Bug? Fehlanzeige! Ein freier Platz an der Backbordreling? Fehlanzeige! Warum nur? Ganz einfach! Wir befanden uns bereits im Isfjord. Spitzbergen. Das, was wir sahen, war phänomenal. Unter blauem Himmel eine lang gestreckte Gebirgskette. Nicht allzu hoch, aber wirkungsvoll.
Immer wieder in den Himmel stechende, mit viel Schnee bedeckte Spitzen. Mehrfach unterbrochen von teilweise bis in den Fjord hineinreichenden Gletschern. Ein traumhafter Anblick – ein Anblick zum Träumen. Nein, doch nicht. Zum Träumen war keine Zeit. Wir mussten genießen. Das, was wir passierten. Auf der Steuerbordseite bauten sich gigantische Berge auf. Nicht so imposant wie die Berge auf der anderen Seite. Mehr Felsen, Grün, viel weniger Schnee. Aber mit interessanten Felsformationen.
Ein Schiffsrundgang. Um zu sehen, was man von anderen Stellen des Schiffes aus sehen konnte. Merkwürdig, eine ansonsten recht stark frequentierte Stätte am Heck wurde gemieden … Na ja, das sollte sich im Laufe der Zeit ändern ...
Vor uns tauchte Longyearbyen auf.
Auf Reede liegend ein „alter“ Bekannter von uns – das polnische Forschungsschiff „Oceanic“, das auch vor zwei Jahren in diesem Fjord ankerte.
Direkt am Fjord Tank- und Industrieanlagen. Dahinter öffentliche Gebäude wie Universität, Krankenhaus und Inselverwaltung. Und bunte Häuser. Notwendige Farbtupfer an diesem doch insgesamt so trostlosen Fleck. Das Kohlekraftwerk. Ein Schandfleck? Vielleicht, aber notwendig für die Energieversorgung im wahrlich hohen Norden. An den Hängen Relikte der vorwiegend eingestellten Bergbautätigkeit. Mit Stahlseilen verbundene Holzstützen. An den Seilen hängend verrostete Loren zum seinerzeitigen Transport der Kohle zum Hafen. Aus ist es damit – unwirtschaftlich.
Die AIDAluna rüstete sich zum Anlegen. Das mussten wir beobachten. Wie mit dem knatschgelben Entchenboot die Tauschlingen zum Poller an Land gebracht wurde. Direkt am Pier rüstete man sich für die Ausflügler. Die ersten Busse standen bereit. Und auch das Kleidungsmagazin. Dicke, unförmige Overalls für die Mitfahrenden, auf die die Speedboat-Fahrt zukam.
Es wurde Zeit hinabzusteigen. Von Deck 14 ins Restaurant. Frühstück. Wir ließen uns Zeit, denn die zweistündige Fahrt mit dem via Internet vorab gebuchten Maxitaxi begann erst um 10 Uhr. Und zwar pünktlich – alle waren rechtzeitig an Bord. Des Maxitaxis. Fin, unser Fahrer brachte uns zunächst – vorbei an einigen Husky-Stationen - an den Rand eines Trinkwassersees. Dorthin, wohin alle „organisierten“ Longyearbyen-Ausflügler gebracht wurden und werden. Wie AIDA-Ausflügler – einige Busse standen schon in unmittelbarer Umgebung; weitere kamen an. Wie auch ein Pulk von AIDA-Fahrradausflüglern. Warum dieser „Auflauf“? Vor dem Trinkwassersee steht das Eisbärenwarnschild, das als Foto mit nach Hause genommen werden musste.
Auch wir beteiligten uns … wir machten unsere Fotos vom Schild und von der uns fesselnden Umgebung. Unmittelbar hinter der Straße begann ein Brutgebiet der Seevögel, es schloss sich der Isfjord an und weit weg, im Hintergrund, die Spitzbergengipfel und –gletscher. Unheimlich schön … Wir setzten unsere Fahrt fort. Zunächst vorbei am alten, vorsintflutlichen Flughafengebäude stoppten wir kurz, um Huskygespanne auf unsere Speicherkarten zu bannen. Sie hielten am Straßenrand neben Wasserlöchern. Die Hunde hatten Durst. Und bei ihnen ist es so wie bei den Menschen … die Getränke wurden ihnen vorgesetzt. Nicht als Cocktail in einem Glas sondern Wasser in einem Napf. Ihnen schien es zu schmecken … aber es gab auch nichts anderes …
Dann ging es bergauf. Wie zuvor auf einer Schotterpiste. Wir passierten eine weitere, ein wenig unter uns liegende Husky-Station. An der frischen kühlen Luft hingen an einem Gerüst einige Seehundkadaver. So hoch, dass Eisbären sie nicht erreichen konnten. Huskyfutter.
Weiter über die Schotterpiste. Bis wir die Sattelitenstation EISCAT radar (European Incoherent Scatter Scientific Association; auf Deutsch: Europäische Vereinigung für Forschung mit inkohärentem Streuradar – alles klar?!) erreichten.
Mit dieser und ähnlichen Anlagen sollen Erkenntnisse über Interaktionen zwischen Sonne und Erde gewonnen werden, die sich in Störungen der Magneto- und Ionasphäre darstellen. Nochmals: alles klar? Um es verständlicher zu machen: Es wird alles, was sich um die Polarlichter dreht, untersucht. Wir beteiligten uns nicht an den Untersuchungen. Wir blieben außerhalb der Anlagen und hatten tolle Ausblicke auf Tal, Ende des Isfjords und die gegenüber liegenden Berge. Schon wieder unvergesslich – bei weiter herrlichem Wetter!
Unser Taxi fuhr uns zurück. Dieselbe Strecke wie auf der Hinfahrt. Bis wir den Außenbezirk von Longyearbyen erreichten. Wir passierten den alten Friedhof, das erste Postamt der Stadt in der Nähe der Svalbard Kirke
und dann ging es wieder bergauf. Zwischendurch setzte sich unsere AIDAluna gut in Pose. Schließlich erreichten wir unser nächstes Ziel. Die Samenbank. Nein, nicht die! Sondern die „Globalt sikkerhetshvelv for frø på Svalbard“. Beeindruckt? Okay, machen wir es einfacher. Das Svalbard Global Seed Vault oder noch verständlicher: Weltweiter Saatgut-Tresor auf Spitzbergen. Die Materie ist so interessant, dass ich auch nicht nur kurz darauf eingehen will sondern auf wikipedia verweise:
https://de.wikipedia.org/wiki/Svalbard_Global_Seed_Vault
So, vor dem Eingang hielten wir uns ein wenig länger auf. Schneefelder, ein extra für uns herbei gelocktes Rentier
und wieder prima Ausblicke auf Flughafen, Fjord und Berge. Und auf die Speedboats, die mit unseren Mitreisenden den Isfjord unsicher machten. Nun aber zurück. An unserer AIDAluna verließen uns einige Mitfahrer, den Rest der Truppe entließ Fin im Ortszentrum. Wir spazierten über die Prachtstraße Longyearbyens. Einmal hin, einmal her. Okay, es dauerte nicht sehr lange … Das zentrale, den Minenarbeitern gewidmete Denkmal musste fotografiert werden. Vor dem Postamt gaben wir Gewehre und Pistolen ab,
kauften Ansichtskarten und Eisbärenbriefmarken, verstauten die mit Zahlen und Buchstaben versehenen Karten im Briefkasten und vergaßen anschließend nicht, unsere Gewehre und Pistolen wieder einzusammeln. Nun trennten sich die Wege des Neunerclans. MarcoPolo und ich wollten die Svalbard-Kirke besuchen, der Rest der Truppe Longyearbyen unsicher machen. MarcoPolo und ich stiefelten hoch zur Kirche – querfeldein. Nein, nicht ganz. Ein Feld war nicht vorhanden. Eher Steine und Geröll. Na, dann hätten wir´s – doch ein Feld … das Geröllfeld! Und welch ein Wunder … in dieser unwirtlichen Einöde kämpften sich im kurzen Sommer Pflanzen und sogar Blumen hervor! Und schon wieder einer meiner Lieblingssprüche: Die Natur siegte erneut! Übrigens gab es vom Vorplatz der Kirche einen ansprechenden Blick über die Stadt.
Natürlich betraten wir das Gotteshaus. Wir befanden uns in der nördlichsten Kirche der Welt. Sie steht sämtlichen Christen Spitzbergens zur Verfügung. Katholiken, Protestanten, Russisch-Orthodoxen. Ökumene in reinster Form. So, wie es sein muss. Wir waren von der Schlichtheit der Kirche sehr angetan. Und vom ausgestopften Eisbären im Innenraum …
Wir hatten noch ziemlich viel Zeit bis „Alle Personen an Bord“ und beschlossen, an den Kohletransportseilen vorbei und oberhalb der Küstenstraße einen Schotterweg zu nehmen. Logisch – er ging bergauf und wir kamen ein wenig ins Schwitzen. Und das auf Spitzbergen … Doch wir wurden belohnt! Wir begegneten alte, inzwischen stillgelegte Zweckbauten, die unter Denkmalschutz stehen. Und lange Zeit der Witterung getrotzt hatten.
An dem rotbraunen Haus hing ein Schild. Ein hüpfendes Känguru auf knallgelbem Hintergrund. Eigentlich war es bislang eher auf der anderen Seite des Erdballs zu finden …
Immer wieder gab es sehr schöne Ausblicke auf Stadt, Fjord, Berge, Gletscher und unsere AIDAluna.
Wir wären gerne noch ein wenig in dieser Gegend geblieben – doch die Pflicht holte uns irgendwann ein: zurück! Angenehm bergab Richtung Stadt. Schnell kamen wir nicht voran. Immer wieder musste die Gegend auf der Speicherkarte verewigt werden.
Vorbei am Denkmal für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen norwegischen Soldaten erreichten wir das Weihnachtspostamt mit dem riesigen Briefkasten, in dem nur Weihnachtswunschkarten eingeworfen werden sollten. Realität? Eher nein …
Der Briefeinwurfschlitz befand sich übrigens nicht im oberen Teil des Briefkastens … Von der Universität strömten viele Mitreisende in unsere Richtung. Auch sie kamen am Strahlebär vorbei … ein wenig steif, aber voller Glanz.
Immer wieder machten wir Abstecher Richtung Isfjord, um die weit entfernten, schneebedeckten Berge und Gletscher zu bewundern.
Letztendlich erreichten wir unser Schiff. Aber wir mussten noch unbedingt ein zweites Eisbären- und das Ortseingangsschild von Longyearbyen fotografieren - keine fünf Minuten von der Anlegestelle entfernt. Und noch einmal unsere AIDAluna am Pier von Longyearbyen.
Dann aber rauf aufs Schiff. Deck 10. Kaffee und Kuchen – wir hatten es uns verdient! Auf dem Pooldeck begann das Gletscherfest. Aber nicht für uns. Denn es wurde 16 Uhr. Pünktlich hieß es „Leinen los!“ Wir wollten von ganz oben miterleben, wie sich die AIDAluna langsam in den Isfjord schob. Vorbei an den mächtigen Bergen. Vorbei an den ehemaligen Bergarbeitersiedlungen.
Wie klein waren doch die Häuser vor den aufragenden Bergen! Besonders dann, wenn man das gesamte Panorama betrachtete! Noch ein Blick zurück auf Longyearbyen. Eine Stadt inmitten der weitgehend unberührten Natur. Eine Stadt der Lebenskünstler, die lange, sehr dunkle Winter durchhalten müssen.
Lange beobachteten wir von ganz oben, wie wir uns Richtung Meer bewegten. Bis es uns zu kalt wurde … zu windig … so verzogen wir uns auf Deck 5. Natürlich in den Außenbereich, denn die Berge und Gletscher auf beiden Seiten unseres Schiffes zogen uns noch immer in ihren Bann.
Von ihnen mussten wir uns verabschieden. Wie heißt es so schön: Wiedersehen macht Freude! Warum auch nicht … Wir wissen, wer mit an Bord sein würde! So einfach sagte der Isfjord nicht Lebewohl. Man mochte uns … zumindest der Papageientaucher, der uns kurze Zeit begleitete. Zugegeben, den die AIDAluna aufgescheucht hatte. Aber wir fanden es toll, dass dieser Clown des Nordmeers einige Meter neben uns flog. Und sich anschließend, vom Schreck erholt, auf dem Wasser schaukelte … Dann hoben sich wieder unsere Blicke. Auf die uns noch immer faszinierenden, uns weiter begleitenden Berge und Gletscher.
Wir ahnten vor einigen Minuten nicht, dass in Urzeiten auf Spitzbergen Krokodile lebten. Riesige Krokodile. Eins von ihnen musste urplötzlich vom Schnee und vom Gletscher überfallen worden sein. Und im Laufe der Jahrtausende versteinert …
Zwischendurch mussten wir uns aufwärmen. Wie? Mai Tai? Oder Glühwein? Nein, nicht vor dem Abendessen! Wir bewegten uns. Zu Fuß von Deck 5 bis ganz nach oben. Dort erneut mit tollen Aussichten, die wir mit nicht vielen teilten.
Das Abendprogramm begann mit Jens Heinrich Claassen (ach ja, eben merkte ich es: mit aa …). Lachsalven wie immer auf seine Sprüche und seine Spitzen gegen Deck 4-Passagiere … Lehrreich, seine 45-Minuten-Show! So erfuhren wir, dass Deck 4 tatsächlich existiert … kaum zu glauben. An dieser Stelle muss ich ein wenig vorgreifen: Zu später Stunde suchten wir Deck 4 und fanden es tatsächlich. Und staunten – dort war ´was los! Stimmung am Grill. Nur mit dem Biernachschub klappte es nicht so richtig …
Beim Verlassen des Theatriums schauten wir kurz nach draußen. Land war noch immer gut zu sehen. Das Nordmeer war wie zuvor sehr ruhig – Ententeich. Gut, dann auf ins Marktrestaurant. Natürlich wieder zu neunt. Und nach dem Füllen unserer Bäuche verlagerten wir uns in die AIDA-Bar. Haifischbar für alle. Wirklich für alle … proppenvoll … zu voll, so dass wir uns zur Halbzeit verzogen. Aber auch hier nur eine Verlagerung, denn ein Absacker ließ sich nicht vermeiden. Er schmeckte doppelt so gut, da wir noch immer von Bergen und Gletschern Svalbards begleitet wurden.
Nachdem wir den Schutz der Inselgruppe verlassen hatten, wurde es ein wenig lebhafter. Windstärke 8 – und unser Schiff rollte uns in den Schlaf … und ließ uns vom Wiedersehen träumen …
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