
8. Juli 2015 – 5. Seetag und Nordkap
Ausschlafen – oder auch nicht … Deck 11 rief frühzeitig. Oder eher der Frühe-Vogel-Kaffee. Aber unter der Überdachung. Tiefdruckgebiet. Regen.
3° - zum Glück Celsius. Windestärke 8 bis 9. Wellen mit 6 ½ m Höhe. Wir merkten sie ein wenig. Komischer Gang im Gang … Manche Passagiere nutzten die gesamte Breite aus. Und wir die „Freizeit“ an Bord. Mit einem ausgedehnten Frühstück. Mit Schreiben der letzten Ansichtskarten, die am Nordkap mit den begehrten Stempeln versehen werden sollten. Mit Lesen. Nicht mit Shuffleboard – Daggi und Jürgen hatten auf der Vorreise das Deck zur Genüge zerkratzt. Mit Schlafen. Vorbereitung auf die lange Nacht. Mit Mittagessen. Nicht zu viel – echt und ehrlich! Und der Regen verschwand. Aber nicht der Wind. Trotz des Sturms: Ich bereitete mich frühzeitig auf die Nacht vor – ich ruhte mich ein wenig im windgeschützten Strandkorb aus.
Es wurde Nachmittag. Später Nachmittag. Na ja, was ist in diesen Regionen und in dieser Jahreszeit spät. 17 Uhr? 21 Uhr? 1 Uhr? 5 Uhr? Egal, spät ist spät, auch wenn an diesem Tag die Sonne nicht unterging. Für uns nicht … Zurück zum Nachmittag. Ob spät oder auch nicht. Kapitänsfragestunde, die ich zur Hälfte nicht ausließ. Kapitän May leise zu Helli beim Betreten der Bühne: „Ganz schön Schwund heute!“, als er in den noch recht spärlich gefüllten Zuschauerbereich schaute. Zur Begrüßung des Publikums hörte es sich ein wenig anders an: „Ein bisschen Schwund heute …“. Ist in Ordnung. Viele litten unter dem Wellengang oder wollten einfach vorschlafen. Vor dem nächsten großen Ereignis – dem Besuch des Nordkaps!
So, Kapitän May stellte sich und seinen Werdegang vor wie auch den von AIDA Cruises. Interessant – aber mich rief die Pflicht und so musste ich die Fragestunde verlassen. Zu Kaffee und Kuchen. Keine Blasphemie! Der Wohlfühlzustand des Körpers war eben wichtiger! In dieser Zeit – der Kaffeezeit – riss die Wolkendecke auf – blauer Himmel, einige Wolken, Sonne kamen … Und heraus einige andere Passagiere. Auf das Pooldeck. Keine Liegenbesetzer. Treppenbesetzer – ein neues Hobby. Wir ließen das Tiefdruckgebiet hinter uns. Tschüss Wolken …
Das richtige Omen für das Nordkap?! Schnell nach oben. Nach ganz oben. Nach vorne. Direkt hinter die Glasscheibe. Dort konnten wir es bei dem noch immer heftigen Wind gut aushalten. Und schon wurden wir von Schweinswalen begrüßt. Aber nur sehr kurz – zu kurz für ein Foto. Gegen 18 Uhr erschien in der Ferne Land. Das Nordkap? Nein, es schienen die Vesterålen gewesen zu sein. Aber noch ganz, ganz weit weg. Da der ersehnte nächste Höhepunkt unserer Reise noch nicht in Sicht war, nahmen wir den ersten Teil des Abendessens zu uns. Aber nur kurz, denn wir wollten oben am Bug sein, als das Nordkap zu erkennen war. So gegen 19 Uhr. Wie viele andere. Vorne war alles gerammelt voll. Trotzdem – wir konnten eine Lücke ergattern … Wir kamen dem Land, besser der Insel, näher und näher. Der Felsen war schließlich sehr gut unter der gleißenden Sonne zu erkennen. Und auch mit bloßem Auge die Nordkaphalle.
Und kurze Zeit später die Weltkugel.
Ob sich das herrliche Nordkapwetter halten würde? Mitternachtssonne am Nordkap? In vier Stunden? Mal sehen …
Kapitän May ließ Richtung Backbord drehen, um vorbei an der Insel Magerøya unseren nächsten Hafen Honningsvåg zu erreichen. Also noch genügend Zeit, um die nötigen Kalorien für die vor uns liegende lange Nacht, ach nee, für den vor uns liegenden langen Tag einzufahren. Der zweite Teil des Abendessens. Während wir speisten, glitt die MS Aurora an uns vorbei. In Gegenrichtung. Gut, weniger Gewusel auf dem Nordkapplateau. Die AIDAluna fuhr parallel zur Steilküste,
näherte sich Honningsvåg
und legte pünktlich um 23 Uhr am Pier von Honningsvåg an. Kurze Zeit später verließen wir das Schiff und enterten unseren Bus. Wir ließen den Ort schnell hinter uns und wir bekamen einen ersten Eindruck von Magerøya. Die Übersetzung ins Deutsche – magere, karge Insel – bewahrheitete sich zum großen Teil. Zunächst fuhren wir an Felsen und Felsbrocken vorbei. Dann wurde aus grau grün. Keine Bäume, wenig Sträucher, später überhaupt keine Sträucher mehr. Nordmeerstürme hinterließen ihre Daumenabdrucke. Aber den Gräsern und Moosen konnten sie nichts anhaben. Sie setzten sich durch. Viel Wasser – Seen. Gletscherseen. Teilweise romantisch zwischen Bergen gelegen. Natürlich mit den in Norwegen unvermeidlichen Hütten. Na ja, es waren eher bestens ausgestattete Ferienhäuser.
Langsam stieg die Straße mit langgezogenen Kurven an. Irgendwie stimmte die insgesamt öde Landschaft traurig, irgendwie faszinierte sie. Kleine, mit kurzem Gras bewachsene Erdbuckel fielen auf. Frostbeulen … Echt! In der langen Winterperiode hob der Frost die Erde an und formte so die Buckel. Wir ließen die Buckel links und rechts von uns liegen. Plötzlich trat unser Fahrer auf die Bremse … Rentiere meinten, die Straße überqueren zu müssen.
Und sie schafften es. Wir sie auch – auf unsere Speicherkarten. Auf einmal war von weitem die Nordkaphalle zu erkennen. Die aufgrund der fortgeschrittenen Zeit (ca. 23.40 Uhr!) Dösenden waren auf einmal hellwach. Der Bus hielt direkt vor dem Eingang der Halle. Und wir staunten. Staunten über die Unzahl von Bussen, PKWs und Wohnmobilen, die den sehr, sehr großen Parkplatz besetzten.
Ob wir uns zur Weltkugel durchkämpfen konnten? Keine Bange – wir schafften es. Aber erst später. Denn wir schoben uns durch die Besucherscharen und wandten uns nach links. Dorthin, wo wir wieder einen guten Ausblick auf den Parkplatz hatten. Können Parkplätze interessant aussehen? Warum nicht? Dieser Parkplatz war ein Erlebnis. Vor allen Dingen für die Halter, die ihren Wagen an der Pole-Position abstellen konnten. Hinter der Windschutzscheibe sitzend, konnten sie im Warmen – draußen war es lausig kalt! – die Mitternachtssonne genießen. Mitternachtssonne? Ganz so weit war es noch nicht …
Zunächst erwiesen wir dem wahren Nordkap unsere Reverenz. Der Landzunge Knivskjellodden,
die sich unmittelbar neben dem Besuchermagnet Nordkap ins Nordmeer schiebt. Ihre Spitze liegt 1.400 m nördlicher als das offizielle Nordkap, erscheint allerdings weniger spektakulär, da es eine relativ flache und schmale Landzunge ist. Der Nordkapklotz ist mit seinem 307 m hohen, steilen Felsmassiv schon eindrucksvoller!
Dann war es so weit – nur noch wenige Sekunden bis Mitternacht. Und sie schien uns – die Sonne … die Mitternachtssonne um 24.00 Uhr! Oder war es die Morgensonne um 0.00 Uhr? Egal – wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort und uns ging die Sonne nicht unter. Wir Glückspilze! Man sah es unseren Gesichtern an – wir schickten der Sonne unsere Strahlen zurück! Wir konnten uns nicht satt sehen – wie an so vielem an diesem inzwischen frühen Morgen. Doch das Plateau war weit und wir mussten noch andere Hingucker beehren. Vorbei am Denkmal für König Oscar II von Norwegen und Schweden, das anlässlich seines im Jahre 1873 stattgefundenen Besuchs des Nordkaps aufgestellt wurde, strebten wir der Weltkugel zu. Mit einem Stopp beim AIDA-Fotografen, der uns für das Nordkapzertifikat vor der Weltkugel „verewigte“. Dann vorbei am Denkmal, das die genauen Koordinaten bestimmte - 71° 10′ 16″ N, 25° 47′ 1″ O.
Und schon standen wir vor der Weltkugel. Ein Traumziel vieler. Und ein entsprechendes Gewusel. Kein Gedanke daran, dass wie vor zwei Jahren ein Foto ohne zusätzliche Zweibeiner möglich war … Geschweige denn ein Foto der Weltkugel ohne Mitmenschen. Wahrscheinlich – oder auch nicht – Stunden später, nachdem der letzte AIDA-Bus das Nordkap verlassen hätte. Zu spät für uns … also machten wir Weltkugelfotos mit bunter Untermalung. Die Kameras klickten unaufhörlich – auch die von uns und unseren Freunden. Und hielten immer wieder die Kugel vor der für uns nicht verschwindenden Sonne fest.
Die Erdkugel war nicht das einzig Interessante. Wir wandten uns nach rechts – am Ende des Sicherheitszauns vorbei. Runter ging´s – missachten!
Und auf der anderen Seite ging es ganz, ganz leicht rauf. Ohne Probleme geschafft – und wir hatten den besten Überblick auf das weite Plateau. Menschengeknubbel an der Weltkugel.
Nicht viel weniger vor der Nordkaphalle. Ein wenig am Friedensdenkmal. Prima, denn die meisten Besucher schwärmten nicht so aus wie wir. Und so konnten die vereinzelt in Blüte stehenden Pflanzen die für sie vorbestimmte kurze Zeit überleben. Weil es gerade passte: Wir achteten darauf, dass wir keine Pflanzen zertraten!
Nun war das Friedensdenkmal „Kinder der Welt“ an der Reihe. Zeit hatten wir noch. Und wir benötigten sie, um die Denkmalfolge ohne Mitmenschen auf die Platte zu bannen. Immer wieder stand jemand zwischen Linse und Denkmal. Wer war es wohl??? Aber wir schafften es …
… auch wenn es ein wenig länger dauerte. Also zurück – zunächst in die Nordkaphalle. Auf dem Weg dorthin machten wir noch Selbstbildnisse.
Oder heißt es ein Selbstbildnis? Bleiben wir beim Plural – schließlich waren wir zu dritt.
In der Nordkaphalle besuchten wir zunächst die St. Johannes-Kapelle, die nördlichste ökumenische Kapelle der Welt. Sphärenhafte Musik, schlicht und einfach, ein sympathischer ruhiger Raum für ein kurzes Insichgehen. Einen krassen Gegensatz fanden wir im Thai-Pavillon. Er erinnert an den Siam-König Chulalongkorn, der 1907 das Nordkap aufsuchte. Bunt, viel Zierrat – so, wie es in Südostasien eben üblich ist.
Viel zu schnell vergingen die 1 ¾ auf dem vermeintlich nördlichsten Punkt Europas – immerhin 15 Minuten länger als üblicherweise vorgesehen. Dann rein in den Bus und zurück auf derselben Straße. Wir sahen dabei viel Neues, denn wir saßen auf derselben Seite des Busses wie während der Hinfahrt. Die Landschaft zog an uns vorbei.
Trotz der späten Stunde – nee, der superfrühen Stunde – war an Schlaf nicht zu denken. So fesselnd und damit wach haltend war die in der Sonne liegende Landschaft.
Auch diese Transferfahrt verging zu schnell – schon kamen wir am Parkplatz vor dem Schiff an. Die obligatorischen Fotos von Nordkaphund und –trollen wurden geschossen.
Wie auch für die Nachwelt Fotos von unserer AIDAluna. Es war 2.11 Uhr …
Willkommen zu Hause … und das am frühen Morgen … und ganz schnell rauf auf das Pooldeck. Gulaschsuppe gab es dort - € 2,-- pro Kaffeebecher. Vor zwei Jahren wurden zwei Eintöpfe auf der AIDAcara kostenlos bereitgestellt. Na ja, das Geld hatten wir noch und der leichte Hunger wurde gestillt. Wie auch der Durst – der Gegensatz zur heißen Suppe hieß Gerstenkaltschale. Auch sie schmeckte. Anschließend wurde der Weg ins Bett gesucht und ohne Probleme gefunden. Eine kurze Nacht lag vor uns. Nacht? Nur von der Uhrzeit her – draußen war es weiterhin taghell bei herrlichstem Sonnenschein …
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