Oslo - 1. September 2015 - Wetter: wechselhaft, 17 Grad
Ich bin schon wieder früh wach, ich will ja nicht die Einfahrt in die Schären verpassen. Es gibt noch nicht viel zu sehen, jedoch nach einer Weile tauchen die mit Kiefern bedeckten Inseln und die Hänge mit den bunt bemalten Holzhäusern auf. Als ich später wieder rausschaue, sehe ich, wir werden verfolgt. Ob das legal ist, keine Ahnung.
Die Diva fährt und fährt, ich wundere mich. Eigentlich müsste sie ja abbiegen zur Burg. Da lag unser Schiff voriges Jahr. Bin ziemlich verwirrt und meine beiden Mitreisenden auch. „Kinder, ihr seid euch schon sicher, dass wir in Oslo angekommen sind oder?“ fragt Mutti vorsichtig. Denn an die große Burg oberhalb des Anlegers kann sie sich gut erinnern. Und jetzt ist keine da, komisch. Jetzt sehen wir unten Container im Regen stehen und ganz verschwommen erkenne ich die Burg. „Mutti, alles gut, die Burg liegt dort hinten – Oslo ist erreicht!“ beruhige ich sie. Schauen wir, was da los ist.
Das Wetter ist gerade noch so, dass ich entscheide, los zu ziehen. Also übernehme ich den Part der neuerlichen Erkundung von Oslo. Na, neu wäre für mich auf jeden Fall die Festung Akershus, da hat AIDA schon mal gelegen – aber mangels Zeit konnte ich damals die Festung nicht besuchen. Und ich würde auch gerne das norwegische Nobel-Institut näher anschauen.
„Zieh aber deine Regenjacke an, sonst wirst du
noch krank. Bei dem Wetter kann man sich ja den Tod holen“ ruft mir Mutti nach.
Meine Schwester lacht und meint, sie würde die Kabinenheizung nachher für mich
anschmeißen. Ich sage ich ihr nicht, dass ich stocksauer bin wegen dem
Schittwetter. Der Regen ist echt ätzend und das im Sommer. Gibt es den hier
eigentlich wirklich – ich meine richtig warme Tage und ohne Regen????? Egal,
ärgern bringt jetzt auch nichts. Der
Rest der Familiengruppe bleibt an Bord und gibt sich mit Freude dem Bordleben
hin. Es wird ja auch an Hafentagen genug geboten. Kniffeltreff, Skattreff und
Volleyball – alles nichts für Mutti. Sie wird bestimmt im Marktrestaurant was
zu Mittag essen, ein kleines Schläfchen machen und am Nachmittag gemütlich im
Café Mare einen Kaffee trinken. Dort sitzt man sehr schön und kann auch nach
draußen schauen, ohne, dass man nass wird. Sie nimmt das Wetterthema ziemlich gelassen, denn sie hat große Freude daran gefunden, einfach das Schiff und das Leben an Bord zu genießen. Einmal sagte sie sogar "hier könnte ich doch einziehen, Kinder. Man hat Unterhaltung, muss nicht einkaufen und kochen, kein Abwasch, keine Putzerei, Friseur an Bord und Wäscherei - ein Leben, an das man sich gewöhnen könnte". "Mutti, wir kommen dich dann ab und zu besuchen, wenn du möchtest", prusten wir raus. "Nein, so war das nicht gedacht - ihr müsst ja dabei sein - sonst wäre es doch etwas langweilig" denkt sie laut. "Ach was Mutti, vielleicht findet sich ja noch schmucker Mann für dich und du hast Gesellschaft!!!!" rutscht es mir raus. Sie verdreht die Augen - was das wohl zu bedeuten hat? Ich schnappe meine Camera und weg bin ich.
Den Schirm habe ich dabei und natürlich auch meine
Regenjacke, wie Mutti es mir geraten hat. Gleich als ich loslaufe, fallen die
ersten Tropfen. Das wird was geben mit der Fotografiererei. Niemand hält einen
schützenden Schirm über mich. Alles muss man selber machen, grrr. Ich mach
mich schlau auf dem Stadtplan und beschließe, zur Festung zu laufen und überlege ich weiter. Der Weg
dorthin gestaltet sich doch recht schön.
Das Rathaus ist ja gar nicht so weit vom Anleger, vielleicht gehe ich da auch noch hin.
Vorbei geht es an dem schönen Gebäude der Börse, die im Jahre 1819 gegründet wurde. Habe ich vorher noch nie gesehen bei meinen Streifzügen.
Von einem kleinen Park aus habe ich einen guten Blick
auf unser Schiff. Was wohl meine zwei Grazien gerade treiben, überlege ich.
Bei diesem Gebäude kann ich nicht genau ausmachen, was es ist. Es gehen Männer in Uniformen hinein. Ein Museum oder eine Behörde, keine Ahnung. Auf jeden Fall sind die Kanonen am Eingang auch einen Blick wert. Und wie ich so da stehe, geht mir durch den Kopf: eine andere Anlegestelle hat auch einen Vorteil – bei einem Spaziergang gibt es Neuentdeckungen ohne Ende. Und wer schon mal in Berlin war, kann auch zig mal dorthin fahren und kennt dann immer noch nicht die ganze Stadt oder?
Auch ein anderes Gebäude gewinnt meine Aufmerksamkeit.
Hinter den hohen Fenstern leuchten Lüster an den Decken. Und gleich nebenan im Park ist nicht zu übersehen, dass der Herbst naht. Das Laub fliegt im Wind und auf den Bänken sitzt niemand mehr. Zu kalt, beziehungsweise zu nass von oben.
Es ist gut, das niemand in meiner Nähe ist, ich lache
laut auf.
Ein lediges Parkhaus... aber nachdem ich überlege, komme ich drauf: Ledig heißt eventuell auf norwegisch bestimmt FREI- sprich freie Parkplätze. Mensch, was man so alles noch dazu lernt.
Ich höre Stimmen hinter mir. Aha, AIDAgruppe mit einer netten Reiseleiterin. Ich bin gespannt, ob ich die Asiaten von Kopenhagen wieder treffe. Vielleicht fährt deren Schiff ja die gleiche Route. Ich werde es spätestens oben an der Burg wissen. Ansonsten treffe ich nicht viele Menschen auf dem Weg zur Burg. Unterhalb der Burg komme ich zu den Ställen der
Polizeipferde. Die Anlage sieht top aus.
So die Festung Akershus habe ich erreicht. Sie wurde um 1300 erbaut und liegt recht günstig an der Hafeneinfahrt. Die Säle des Schlosses werden heute von der Regierung zur Repräsentation genutzt. Die gesamte Festungsanlage ist ein riesiges Areal und ich bin voller Erwartung, was es innerhalb der Mauern zu entdecken gibt.
Was sehe ich da? Ein Kreuzfahrtschiff liegt genau an dem Platz, an dem voriges Jahr unsere AIDA festgemacht hatte. Oh, das Schiff kenne ich ja aus Kopenhagen ... da fand doch der Drill statt. Und weil die früher da waren, haben die einfach "unseren" Platz belegt. Das erzähle ich nachher Mutti!
Innerhalb der Burganlage liegt auch das Norwegische Widerstandsmuseum (Norges Hjemmefrontmuseum). Sicher einen Besuch wert, aber meine Zeit ist knapp. Und unterwegs gibt es dann noch ein Gedrängel. Jaja, ich habe sie getroffen - die Handys, die Tablets und die Selfystangen, genau an der großen Kanone. Glückliche vermummte Japaner auf Erkundungstour. Ich trödle noch ein wenig rum und mach mich auf den Rückweg.
Ich beeile mich, denn immer wieder pfeift ein kalter
Wind und es macht so gar keinen Spaß unterwegs zu sein. Die Pfütze ist riesig
und wird zu einem Spiegel. Vom Hafen aus habe ich einen super Blick auf
das moderne Operngebäude der Stadt. Vor sieben Jahren wurde die Oper eröffnet und sie hat so ungefähr 500 Millionen Euro gekostet. In dem Gebäude gibt es drei Bühnensäle. Das, was mich am meisten beeindruckt, ist die Außenanlage der Oper. Die schrägen Seiten sind aus weißem italienischen Carara-Marmor und es sieht aus, als würden die Menschen auf einem Gletscher herum laufen. Gigantisch schön! Gleich neben der Oper sieht man dies hier:
Es stellt einen Eisberg darf. Mir gefällt diese
moderne Art der Skulptur.
Zurück an Bord treffe ich Mutti und Schwester im Café
Mare und wir drei genießen es, einfach noch eine Weile zusammen so da zu
sitzen. Ich zeige ihnen meine eingesammelten Eindrücke und draußen regnet es so vor sich hin.
Faul sein ist auch etwas, was man in der heutigen hektischen Welt lernen muss. Immer aktiv sein ist ja schön, aber auch mal alle Fünfe gerade sein lassen, ist auch gut!
Das Schiff ist wie leer gefegt und so gelingen mir ein paar Schnappschüsse ohne viel Publikum auf dem Foto. Die sind bestimmt alle noch unterwegs, zu Fuß oder mit dem Bus. Zum Beispiel oben am Holmenkollen oder in dem sehenswerten Vigeland-Park. Oder einfach Schloss gucken – wir haben das alles schon erkundet und deshalb ist für uns diese Reise so entspannt. Wir verpassen rein gar nichts – hihiiiii. Ein Stück Kuchen zur Kaffeezeit liegt noch drin bevor die Leinen gelöst werden. Mutti meinte vorhin "Den Sonnenhut habe ich wieder in den Koffer gepackt, den brauche ich ja wohl nicht mehr. Wir hätten besser einer Seemanns-Schittwetterhut mitnehmen sollten, wenn wir einen hätten" Lieber Himmel, sie nun wieder mit ihren Sprüchen. Die Runde hat herzhaft gelacht.
Von unserem Balkon aus verfolgen wir später die Durchfahrt
der Fähren und machen uns für das Abendessen schick.
Anschließend werden wir
uns im Theatrium einfinden. Mutti möchte die Show „Can you feel it“ sehen und
wir begleiten sie gerne.
Musik der 70er Jahre, die kennt sie und hat sichtlich Freude an der Show. Danach ist Zapfenstreich für sie und wir Mädchen gehen brav in die AIDAbar. "Meine Täubchen, aber nicht übertreiben" sagt Mutti, als wir gehen.
Dort wird das Programm getauscht weil es regnet. Das Alpenglühn findet in der Bar statt. Holdrioooo, Nageleinschlagen, Brezeln, Bier und Polka, da geht die Post ab. Als ich die Polka höre, habe ich ein deja vu. AIDA im April - ratsch, da war sie ab, die Achillessehne. Nach der Operation ist sie wieder gut in Form.
Wir zwei amüsieren uns köstlich und landen später wieder auf unserem Balkon zu nachtschlafender Zeit – Mutti fragt kurz nach: „ … und wie war es?“ Meine Schwester und ich schauen uns an und sagen gleichzeitig „toll, wir hatten Mordsgaudi".
Ein Glück, morgen haben wir einen Seetag bis Hamburg, ausschlafen ist angesagt. Es sei denn, die es gibt einen schönen Sonnenaufgang. Schauen wir mal. Und weil ich nach der Reise wieder zurück nach Frankreich fahre, überlebe ich im Bett, ob ich nicht schon morgen die nächste Reise buche für uns Frauen. Die Suiten sind schnell ausgebucht - ich brauche ihnen das ja nicht unbedingt auf die Nase binden. Das kann ich später, so im Winter auch noch ausposaunen. Mutti wird bestimmt vor Freude singen... "sail away" und meine Schwester auch. Mal abwarten, was sich im Katalog findet und was die freundliche Dame im Reisecounter sagt. Die Tour darf ja nicht so lang sein und sollte unbedingt eine unkomplizierte Anreise haben. Also viel kommt da nicht in Frage, aber es gibt ja im Norden noch andere Ziele wie Oslo und Kopenhagen. Ich lache leise vor mich hin. Gute Nacht!