Neu 7 Der farbige Osten Islands

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Kabinenkategorie
Balkonkabine
Kabinennummer
7.136
Reisedatum von
9. Juni 2024
Reisedatum bis
23. Juni 2024

18. Juni 2024 – Seyðisfjörður


Kurz vor dem Hafenanlauf wachte ich auf. Schon wieder verschlafen und die Fahrt durch den 17 km langen Fjord verpasst. Lag es daran, dass ich mir eine stärkere Erkältung eingefangen hatte, die mit Schlaf auskuriert werden musste? Kann sein, macht aber nix … auch wenn wir im von uns noch nicht angefahrenen Ostteil Islands waren. Immerhin konnte ich die letzten Meter Fahrt durch den Fjord von ganz oben miterleben.



Die dicke Nase wurde ignoriert und die Landschaft begutachtet. Einer der Wenigen, die sich um diese Zeit nach oben wagten. Um uns herum hohe dreifarbige Bergrücken.



Grün, anthrazit, weiß. Auch im Sommer trugen die etwas mehr als 1.000 m hohen, den Fjord begrenzenden Berge Schneereste. Kurze Zeit später legten wir in Seyðisfjörður an.



Wir gönnten uns einen kurzen Überblick vor dem Frühstück und dann machten wir uns auf den Weg. Wohin? Nicht sehr weit. Und viel konnte man nicht unternehmen; es sei denn, man hatte einen Ausflug gebucht. Aber die Touren über AIDA und örtliche Anbieter waren u.E. selbst für nordeuropäische Verhältnisse maßlos überteuert. Irgendwann hört der Spaß auf … so an diesem Tag auch bei uns. Da wir diese Kreuzfahrt relativ spät gebucht hatten, war ein Mietwagen von Deutschland aus nicht buchbar; leider … Also gab es nur einen einfachen Landgang.


Direkt nach dem Verlassen der AIDAsol stießen wir auf den originären Haupterwerbszweig von Seyðisfjörður.



Originär – der Fischfang. Zukünftig: der sich im Aufbau befindliche Tourismus. Schön, wie die „Hilfsmittel“ dieser Erwerbszweige einträchtig gegenüber lagen. Dass das alte Fischerboot marode aussah und zu viel Wasser schlucken musste, heißt nicht, dass die Fischereiindustrie inzwischen brach liegt. Im Gegenteil, die Fischerei ist weiterhin der Haupterwerbsfaktor der Stadt.


Nun einige Worte zu Seyðisfjörður. Auch wenn die Stadt mit 648 Einwohnern recht klein ist, zeigt sie gegenüber anderen Inselorten einige hervorstechende Merkmale:

  • Sie ist der einzige per Autofähre vom europäischen Festland erreichbare Ort der Insel. Die MS Norröna verbindet im Sommer einmal wöchentlich Dänemark mit Island incl. Stopp auf den Färöern. Ihr könnt Euch vorstellen, was am Donnerstagnachmittag los ist, wenn die Fähre mit einer Kapazität von 800 PKWs und ca. 1.400 Passagieren anlegt. Fast ähnlich wie bei Kreuzfahrtanlandungen …
  • Es existiert kein öffentlicher Personennahverkehr (wofür auch?); lediglich ein Shuttle zweimal täglich zum größten Ort Ostislands Egilsstaðir.
  • 1913 wurde am Fluss Fjarðarsel das erste Wasserkraftwerk auf der Insel gebaut.
  • Seyðisfjörður war die erste voll elektrifizierte Stadt Islands.
  • In der Stadt endete das erste Unterwassertelefonkabel nach Island; der Start der Telefonie und Telegraphie auf der Insel.

Für diesen kleinen Ort mehr als genügende Besonderheiten, die wir nicht nachvollziehen wollten. Vielmehr machten wir uns auf, durch die nächste Umgebung und den Ort zu spazieren. Bereits während der Anfahrt fiel uns ein Wasserfall ins Auge. Unser erstes Ziel, nicht weit vom Kai.



Tja, wenn man sich dem Búðareyrarfoss nähern wollte, musste ein bisweilen steiler, aber gut befestigter Schotterpfad bewältigt werden. Kein Problem, nach dem guten Essen der letzten Tage schadete ein Schweiß treibender Spaziergang nicht. Also los mit einigen Pausen, denn die immer wieder anziehend wirkenden Arktislupinen luden zum Verweilen mit Staunen über die Farbenpracht ein. Und wir kamen dem Wasserfall immer näher. Er war nicht so mächtig wie die in den letzten Tagen besuchten Wasserfälle in Südisland, beeindruckte aber doch.



Er kommt vom 1.010 m hohen Berg Strandartindur als Fluss Búðará und strebt über mehrere Kaskaden dem Fjord zu. Von der unteren Fallstufe stürzt der Fluss ca. 60 m nach unten. Von der über die Búðará führende Brücke gab es eine herrliche Aussicht auf Seyðisfjörður und natürlich auch auf unsere AIDAsol.



Nun wieder nach unten. Nach der Begutachtung der Natur war der Ort an der Reihe. Schon vom Schiff und vom Wasserfall aus erkannten wir, dass der Ort übersichtlich (kein Wunder bei der für unsere Verhältnisse geringen Einwohnerzahl) und nicht eintönig sondern mit verschiedenfarbigen Häusern versehen war. Zwei von ihnen begegneten wir kurz nach unserem „Abstieg“.



Sauber, gediegen, nicht langweilig, gepflegte Gärten. Manche der Holzhäuser haben mehr als 100 Jahre unter ihrem Kamin. Sie wurden von norwegischen Kaufleuten als Bausatz mitgebracht und in dem damaligen Handelszentrum aufgestellt. Gute norwegische Wertarbeit, da sie die nordische Witterung gut überstanden hatten. Wie auch in anderen Städten des höhen Nordens war die Farbgebung ein Rezept gegen die Eintönigkeit des Winters. Wenn es schon lange dunkel war, sollte die farbige Umgebung aufmuntern. Auch aus diesem Grunde waren aus eigenem Antrieb auch in Seyðisfjörður Kunstwerkstätten entstanden. Das Motto war vorwiegend: Farbe, Farbe, Farbe,



die auch vom Meer losgelassene Produkte wie Holz oder Bojen verschönerten. Dieses Atelier ist nicht das einzige im Ort. Die Künstler machten sich vor allen Dingen in den alten Holzhäusern breit; die Verschönerung ihres Lebens- und Arbeitsumfeldes war für sie eine Selbstverständlichkeit, die auch ihren Mitbürgern nutzten. Kunst und Kultur bereichern das Leben. Besonders in einer Gegend abseits von größeren Städten mit der für sie üblichen Infrastruktur. Kein Wunder, dass auch die Jugend hungrig nach entsprechender Abwechslung war. So erweckten im Jahr 2000 eine Fünfzehnjährige und ihre Freunde das Festival „LungA“ mit dem Ziel, der Jugend das zu vermitteln, was in kleinen Ortschaften schwierig ist: Kunst- und Kulturaktivitäten.


Ach ja, beinahe hätte ich vergessen, Euch einen bemerkenswerten Spruch nahe zu bringen, der mich sehr beeindruckt hatte; er war auf der Mauer des Ateliers verewigt:



Unser nächstes Ziel lag auf der anderen Seite der sich an den Fjord anschließenden Lagune. Auf dem Weg dorthin überquerten wir den die Lagune speisenden Fluss, der von einem Wanderweg zu verschiedenen Wasserfällen begleitet wurde.



Gerne hätten wir sie besucht – aber aufgrund meiner dicken Nase hielten wir uns zurück.


Stattdessen umrundeten wir die Lagune, schauten zurück



und wurden anschließend über einen Regenbogen zur Blauen Kirche geführt.



Vor einigen Jahren machten sich die Kunstschaffenden im Ort Gedanken, wo und wie sie den Einwohnern und Besuchern Offenheit, Akzeptanz und Vielfalt näherbringen könnten. Meine Wertung: ausgezeichnet gelungen.


Logisch, dass wir auch die Kirche von innen besichtigten.



Wie im Norden gewohnt: schlicht und einfach, sachlich, natürlich nicht ohne Farbe, ansprechend. In der Kirche finden nicht nur Gottesdienste statt; auch sie wird beim kulturellen Leben des Ortes mit einbezogen – in ihr und um sie herum werden Konzerte, Ausstellungen und Festivals abgehalten.


Eins davon ist das im Februar veranstaltete Festival List í Ljósi (übersetzt Kunst im Licht). Zu dem Zeitpunkt, zu dem nach vier Monaten Abstinenz Sonnenstrahlen die Stadt erreichen. Die üblichen Lichter werden ausgeschaltet und nationale sowie internationale Kunstschaffende bringen die Sehenswürdigkeiten mit einer außergewöhnlicher Illumination noch mehr zum Strahlen. Natürlich finden dabei auch vielfältige, die Gemeinschaft einigende Veranstaltungen statt.


Direkt vor der Kirche fallen zwei weitere Gebäude ins Auge.



Vom Äußeren absolut nicht alltäglich und typisch für diesen Ort, der sich facettenreich von anderen isländischen Orten hervorhebt. Liebe Leser, auch wenn Ihr vielleicht nicht mehr den Begriff „Kultur“ lesen möchtet – wir sind noch nicht am Ende! Eigentlich doch – am Ende unserer ersten Stadtbesichtigung. Schon beim Verlassen des Schiffes stutzten wir, als wir das auf Land stehende Steuerhaus eines Fischkutters sahen.



Das KIOSK 108. Das Ergebnis der Überlegungen und Arbeit einer tschechischen Künstlerin, die sich in der abgeschotteten Coronazeit verwirklichte und für die Gemeinschaft kunstbezogene Anregungen schaffen wollte. In und um das Steuerhaus herum treffen sich Gleichgesinnte zu ortsbezogenen Events und Happenings. Nur nicht an diesem Tag – wir schwärmten vermutlich zu früh im Jahr um den Kiosk, in dem man normalerweise auch Imbisse incl. Getränke zu sich nehmen kann. Angesichts des Hinweises „NO PANIC“ war die Frage angebracht: Wo blieb Udo Lindenberg?


Nun aber hinauf auf das Schiff, ein karges Mittagessen und ein kurzes Gesundheitsschläfchen. Anschließend drehten wir eine weitere Runde durch den Ort – in entgegengesetzter Richtung. Komisch, es gab keine neuen Erkenntnisse.


Keine Frage – das Auslaufen erlebten wir wie üblich von einem der oberen Decks. Da alle – Ausflügler und Stadtgänger – pünktlich an Bord waren, erklang das Typhon „fahrplanmäßig“ um 18 Uhr



und wir sagten Seyðisfjörður, dem Búðareyrarfoss und leider auch Island Sjáumst! Ob wir wirklich bald wieder unsere Füße auf isländischen Boden setzen würden, wussten wir nicht. Es wäre nicht schlecht …


Da es mit immerhin plus 3,2° nicht gerade warm war, suchten wir einen Fleck mit Windschatten auf und ließen die Fjordlandschaften auf uns wirken.



Eine magische Einsamkeit …


Nach dem Abendessen setzten wir uns mit unseren ehemaligen Arbeitskollegen etwas abseits vom Theatrium zusammen und klönten über unsere Islanderlebnisse. Im Theatrium war es uns eindeutig zu laut. Nun gut … alte Leute …



19. Juni 2024 – Seetag 3


Seetage sind Ausschlaftage. Nun gut – ich gönnte mir 30 Minuten mehr Schlaf, um so schnell wie möglich nach oben zu kommen. Es war sehr frisch. Windstärke 7; 8° Lufttemperatur – immerhin wieder höher als die Wassertemperatur. Ich machte mich fit für das Frühstück und drehte meine üblichen Runden auf Deck 12. Das sollte die letzte Bewegung an diesem Tag an der frischen Luft sein. Aufkommender Regen bei noch stärkerem Wind machten die Außenbereiche ungemütlich. Ein echter Gammeltag … Unser Lektor Matthias Palm sprach sehr interessant über „Norwegen – Land und Leute“. Was lag noch an außer den Pflichtveranstaltungen „Mittagessen fassen“? Fotobearbeitung, Augenpflege. Der Abend begann in der Sushi Bar.



Mit Misosuppe, kalten und warmen Maki, Gemüse-Tempura, Nigiri, Sashimi und zum Schluss mit Sweet Maki Rolls wurden wir sehr verwöhnt. Eigentlich wäre nach dem Essen viel Bewegung an Deck angesagt. Das Wetter hatte leider noch immer etwas dagegen. Als Alternative näherten wir uns dem Theatrium. Miss Chantal war mit „Wahre Lügen“ an der Reihe. Wieder vor vollem Haus … Schon eine längere Zeit vor dem Showbeginn war alles besetzt incl. gefühlt 1/3 reservierter Plätze. Bevor wir uns den Abend mit fruchtlosen Diskussionen verdarben, suchten wir und fanden am Rande des Theatriums in der Time Out Bar freie Plätze und konnten dort über die Mattscheide Miss Chantals Spökchens gut verfolgen; laut genug war sie … Zum Schluss kündigte sie eine Autogrammstunde neben der Bühne an.



Nicht wenige Fans waren echt scharf darauf, sich mit ihr ablichten zu lassen …