Kochi
Sind wir ja eigentlich schon auf dem Weg von Nagasaki nach Tokio vorbeigefahren, aber die Routenplanung sieht vor, dass wir erst heute hier anlegen. Es ist Kochi, mal was Kleineres, eine Stadt mit etwa 300.000 Einwohnern.
Schon bei der Einfahrt erkennt man auf der linken Seite den Katsurahma Strand und eine kleine weiße Brücke die zu einem Felsen führt, auf welchem das rote Dach eines noch kleineren Schreins/Tempels im frühen Sonnenlicht leuchtet.
Da werden wir gleich auf dem Landweg als Erstes hingekarrt.
Kulturelle Highlights: Tempel und Hügelburg erleben (KCZ03)
(Historische Schätze: Burg Kochi und Chikurin-ji Tempel)
Die Ausflugsbeschreibung verspricht für heute:
„Verbringen Sie einen malerischen Tag mit der Erkundung der Sehenswürdigkeiten in Kochi.“
Na ja, da wollen wir mal sehen, ob dieses Versprechen vor der kritischen Fellbande halbwegs Stand hält.
Noch nicht fertig angelegt, schallt vom Parkplatz her nahezu unablässiges Trillergepfeife vom Einweiser herüber. Komme mir vor wie bei einer verkehrsgeregelten Kreuzung. Alles straff geregelt hier, mit Trillerpfeife und Leuchtstab wie am Flughafen.
Begrüßt werden wir schon beim Einlaufen mit „Verkleidung“ und japanischen Klängen.
Man freut sich offenbar über Teddys Erstanlauf.
Allerdings erhält meine Freude jetzt erstmal einen Dämpfer. Ich glaube, heute haben wir dann wohl nicht so ein großes Glück mit dem Reiseleiter. Ein älterer Japaner, jedenfalls noch gehörig älter als unser Träger. Das an sich ist ja noch nicht besorgniserregend, aber noch ein Unterschied fällt jetzt auf, er spricht noch schlechter Englisch als unser Rucksackträger. Ziemlich unverständlich und so abgehackt und gequält, dass wir uns vom Gesamteindruck her jetzt nicht sicher sind, ob er die Tour durchhält. Warum nur haben wir gerade freiwillig die letzten beiden Plätze in Bus 15 genommen? Sonst würden wir jetzt in der 16 sitzen. Das wird jedenfalls ein hartes Brett heute.
Aber da ist ja zum Glück noch die junge „Scoutin“ von Aida. Die rettet die Sache, ergänzt ihr Wissen sogar noch durch während der Fahrt recherchiertes Wissen und die Rolle vom Original-Reiseleiter beschränkt sich fortan auf das Tragen und Hochhalten des Aida-Paddels. Danke. Und dann ist da ja auch noch der Teddy, der die Wochen vor der Reise nicht nur blöd auf dem Regal gesessen, sondern sich zum Wohle der familiären Zweckgemeinschaft intensiv vorbereitet hat.
Kurze Fahrt zum Katsurahma-Strand. Halbmondförmig und angeblich unter den Top 100 Japans. Eingerahmt von felsigen Kaps und japanischen Kiefern liegt er nun vor uns, bzw. eigentlich unter uns, beschienen von der Morgensonne.
Ein wenig windig ist es heute Morgen, das will ich mal nicht etwa aus Kosmetikgründen unterschlagen. Andererseits hatte „Wetter online“ bis vor 2 Tagen noch Dauerregen angesagt. Insofern, die Sonne scheint und wegen der starken Strömung ist das Schwimmen hier ja ohnehin verboten.
Ansonsten ist es in dieser Region eigentlich sogar immer etwas wärmer als in Tokio. Man steht unter dem Einfluss des warmen „Kurochio-Stroms“, vergleichbar mit unserem Golfstrom. Dem gegenüber kommt von Norden der kalte „Oyachio-Strom“. Deshalb auch diese Unterschiede.
Bevor wir gleich nach unten in die Strandfreiheit entlassen werden, schauen wir uns noch in versammelter Gruppenstärke die Bronzestatue des berühmten und hier hochverehrten Sohnes der Stadt, dem edlen Samurai Sakamoto Ryoma an.
Dieser Sakamoto war einer der Architekten des modernen Japans. Maßgeblich war er an der Aushandlung eines Bündnisses zwischen den Choshu- und Satsuma-Clans beteiligt, das dazu beitrug, das „Feudalzeitalter“ Japans im Jahr 1868 zu beenden. Nur hat er die Früchte seiner Arbeit, die Innere Einigkeit Japans, dann nicht mehr erleben können. Er verstarb recht früh durch Mord. Nicht alle waren offenbar seiner Meinung...
Diese Geschichte abgehakt und nun aber ab in die Freiheit, runter zum Strand, rüber zu diesem kleinen Häuschen oben auf dem Felsen.
An dem kleinen Aquarium vorbei, welches mit einer im sichtbaren Außenbecken paddelnden Wasserschildkröte zum Eintritt lockt, geht es geschwind über die kleine weiße Brücke und dann erstürmen wir den Felsen, allerdings ziemlich bequem über Stufen. Am Ende dann durch so ein „Schreintor“ mit dem dafür typischen weißen Band aus Reisstroh
und dann stehen wir links um die Ecke vor dem auf dem Felsen thronenden Häuschen.
Gläubige schmeißen Geld durch Schlitze in einen Holzkasten, bimmeln danach ein Glöckchen und die Touristen klicken dazu einträchtig mit den Fotoapparaten. Etwas weiter oben steht dann noch so was aus Stein.
Aber genug dieser Idylle, wir müssen schließlich noch zum Bus zurück.
Ein kultureller Abstinenzler wird es am Abend vom Nachbartisch her sehr vereinfacht in eine Beschwerde zusammenfassen. „2 Balken mit einem Seil dazwischen. Und das soll ein Schrein sein?“
Na ja, „und Du hast wirklich die Augen aufgemacht und bist sicher, auch nur irgendwas hier verstanden zu haben?“
Wäre der mal nicht beim Schrein“tor“ stehengeblieben und 10 Meter weiter gegangen, dann hätte er auch den dazugehörigen kleinen „Schrein“ zur Aufbewahrung der Heiligtümer etc. gesehen!
Unten am Strand, mittendrin in der Halbmondform, steht noch ein kleinerer Felsen.
Aber das Fotogene hat leider auch schon so ein vermutlicher „Insta-Typ“ für einzig sich entdeckt, hat ihn erklommen und posiert seit gefühlten Stunden nun in allen Lagen auf seiner Eroberung und verschandelt mit seiner Anwesenheit den restlichen 300 Leuten die Bilder. Einzig seine Freundin fotografiert unablässig. Na ja, so toll ist der Fels in der Brandung nun auch wieder nicht und daher endgültig ab zum Bus.
Weiterfahrt zur Hügelburg von Kochi, einer von nur noch zwölf existierenden japanischen Burgen mit hölzernem Hauptbau. Die liegt mitten in der Stadt
und war seit 1601 Sitz des „Yamanouchi-Clans“. Zunächst wollten die auf dem 42 m hohen „Berg Ōtakaki-yama“ eine Burg und darunter eine Burgstadt anlegen. Aber da die Gegend zu sumpfig war, baute man erst woanders. Später sah ein neuer Besitzer dies anders, baute doch auf dem Berg und das erwies sich schon bald als günstig. Denn als 1610 durch Regenfälle in der Stadt unterhalb der Burg Wasserschäden zu beklagen waren, wurde der verschont gebliebene Burgberg Otakaki-yama – und damit auch der ganz Ort entsprechend – in „Kōchi“ bzw. „Kochiyama“ umbenannt.
Groß war sie, die Burg, mit einer Ausdehnung von etwa 300 m. Obere Bereiche durch Steinwälle, der äußere Bereich durch einen umlaufenden Wassergraben und Erdwälle geschützt.
Doch was soll ich hier aufzählen wie es früher war, heute ist alles anders, eher vergleichsweise wenig übriggeblieben, wenn ich mir da so ein Modell von damals anschaue. Hat aber auch einiges mitgemacht, dieses Teil. 1727 nahezu abgebrannt, denn Brände aus der Unterstadt erreichten die Burg. Erstmal wieder aufgebaut und dann wieder weitgehend abgerissen. Die Zeit der Burgen war vorbei, nun wurde das Gelände ein öffentlicher Park, bekannt für seine Kirschblüte. Sehen wir noch nichts von, sind wir zu früh dran.
Vor hundert Jahren dann wieder Kehrtwende, Korrektur, so ein bisschen Burg wieder hinzuzufügen hielt man nun doch wieder für wichtig, so als geschichtliches Kulturdenkmal. Also bastelte man sich diese „Weißt du noch Stätte“ wieder halbwegs zusammen. Im Ergebnis aber steht nicht mehr allzu viel von früher da und „Original“ ist es schon mal gar nicht. Lediglich ein paar alte Einzelteile werden wir später im Turm entdecken, in Vitrinen.
Die meisten Gebäude der Burg also verschwunden. Steinmauern und Erdwälle gibt es noch teilweise und es sind Gedenksteine und Skulpturen zu sehen, darunter auch das berühmte Pferd des Erbauers.
Angeblich soll der Begriff „steinreich“ übrigens aus solch früher Zeit kommen. Mengen von Steinen dienten der Verteidigung, zeigen aber auch, dass man es sich erlauben konnte, diese zu horten. Das Auto als Protzobjekt war damals eben noch nicht erfunden. Und so sind gerade in Japan die Privatgärten oft mit vielen Steinen versehen. Ist nicht unbedingt also nur Deko, sondern Statussymbol. Günstigere Lösung jedenfalls, als die fette Protzkarre vor der Tür.
Den Gipfel erklimmen wir über Steinstufen und dort steht der Turm, der einer Pagode ähnlich ist.
Wenigstens darf man da jetzt gegen Gebühr rein und hoch. Endlich hat der Original-Reiseleiter mal wieder einen Einsatz, ist wichtig und besorgt die inkludierten Karten. Die Ritterspiele können beginnen. Aber viel schlimmer kann es damals bei den Erstürmungen nicht zugegangen sein. Nur ist die heutige Clan-Horde nicht mit Schwertern, sondern Fotoapparaten bewaffnet und trägt statt Wappen, das Zeichen des Aida-Clans voran, die Bordkarte. Nicht zu ändern, wollen ja alle was sehen. Und hier sind gerade mehrere durchnummerierte „Divisionen mit Paddelstandarte“ eingefallen.
Die Schuhe trägt man im Plastikbeutel dabei und auf Socken geht es innen, teilweise etwas fußkalt, halsbrecherisch steil nach oben, inklusive Gegenverkehr. Egal, die Fellbande will jetzt nach oben.
Und von dort schauen wir nun, ohne unterwegs auf nennenswerten Widerstand getroffen zu sein, nach unten.
Eher stehen sich die Eroberer hier zeitweise selbst im Weg. Widerstandslos eingenommen also, muss die Eroberung, noch bevor ich mal triumphierend die Glocke zur Warnung schlagen kann,
dann auch schon wieder aufgegeben werden, es geht direkt wieder nach unten, die Zeit drängt.
Das war jetzt ganz nett hier, aber bei uns kam irgendwie so gar keine historisch nostalgische Stimmung auf, fühlten uns nicht so recht in die damalige Zeit versetzt. Wenige Gebäude, leere Plätze und immer die Gedanken, dass vieles vor noch gar nicht so langer Zeit hier nur „auf alt gemacht“ wieder hingestellt wurde. Unter diesem Aspekt gehört schon einiges an Vorstellungskraft dazu, sich hier vor Ort gedanklich in das Damals zu versetzen. Aber der Lauf der Dinge, Brände, Abriss, hat es halt so gewollt. Dem Tiger jedenfalls scheint es trotzdem gefallen zu haben. Der lümmelt sich lasziv zum Abschiedsfoto.
Kleines Detail am Rande: In dem Turm stehen überall gefüllte Wassereimer für den Fall der Fälle. Und wenn der Träger mal kurz stehengeblieben wäre, hätten wir das Foto auch in „scharf“.
Jetzt noch ein kurzer Toilettengang, wegen starkem Andrang wird die Behindertentoilette in die „Geschäfte“ einbezogen. Und die ist so modern, dass sie so viele blinkende Knöpfe hat, dass man eine Beschulung braucht, um darunter denjenigen für die Wasserspülung zu finden. Und ohne diese Kenntnisse erwischt man dann eben auch mal den Alarmknopf. Egal, interessiert offenbar eh keinen.
Ist überhaupt komisch hier in Japan. So hilfsbereit die hier überall sind, aber andererseits steht hier an den Sehenswürdigkeiten, den Tempeln und sonst wo, niemand zur Bewachung rum. In China war ich mir ja nie so ganz sicher, ob das um mich rum tatsächlich alles Touristen waren, aber hier? So diskret geht das doch gar nicht.
Nächstes Ziel ist eine von vornherein neuzeitliche Verpflegungsstation und die „Division Aida“ läuft zu Fuß dort hin. Es ist der Hirome Market, eine lange überdachte Einkaufsmeile. (Zusätzliche) lateinische Schrift an den Läden ist für Japaner übrigens das Zeichen für was Besonderes. Das lockt Kunden an, die vermuten dann was faszinierend Fremdes, was Gehobenes, ein Hauch von Exklusivität. Machen die Geschäftsinhaber also nicht etwa, damit die Japaner das nicht lesen können.
Für uns gibt die Meile jetzt aber echt nicht viel her, insbesondere keine Klimbimläden für die Mission fernöstlicher Windsack für`s Gartenhaus. Eine Einkaufsmeile für den normalen Hausgebrauch, gibt auch Schuluniformen,
toll für die Einheimischen und sonstigen Interessierten, aber nicht für die konsumignorante Fellbande.
Doch am Ende der Passage gelingt es uns wenigstens noch ein Foto von der nostalgischen Straßenbahn zu erhaschen.
---Fortsetzung folgt---
Und in diesem zweiten des Ausflugs finden wir endlich diese „Küche Kochis“,
der verfressene Ty ist sauer, weil er nun keine Zeit mehr dafür hat,
beruhigt sich aber bei der tollen Tempelanlage,
die wir dann aber fluchtartig verlassen müssen,
weil der Träger die Uhr nicht richtig lesen kann...
Wir sehen einen praktischen Friedhof am Straßenrand
und im Terminal erledigen wir noch eine Geldwäscheaktion
und uns gelingt ein erster Handelserfolg...