20. Juni 2024 – Stavanger
Es war recht warm bei meiner ersten Kaffeerunde. Bedeckt. Doch ich lockte sie – die Sonne. Sollte es wieder ein schöner Tag werden? Das wäre nicht schlecht … Wir passierten die ersten, noch im Dunst liegenden Inseln. Viel gaben sie nicht her. Ein Grund, nicht weiter die Gegend zu beobachten sondern das Frühstücksbuffet aufzusuchen. Wenige Minuten, nachdem ich das Oberdeck verlassen hatte, verschwand die Sonne. Woran es wohl lag?
Nach dem ausgedehnten Frühstück wurden die gerade vereinnahmten Kalorien abgebaut. Zumindest zum Teil. Die üblichen Deckrunden. Die an Schären und den Ausläufern des Festlandes
vorbeiführende Anfahrt von Stavanger war nett, aber insgesamt unspektakulär.
Ab ungefähr 10 Uhr tat sich etwas auf dem Pooldeck. Tresen wurden aufgebaut. Etwas später wurden unsere Nasen gefordert – es roch gut.
Appetit war vorhanden, aber noch kein Hunger. Schade – so schauten wir den Hungrigen zu, wie sie der lt. AIDA traditionellen Versuchung „Herrgottsbscheißerle (okeh – sie wurden als Maultaschen bezeichnet …) und Kebab“ frönten. Eine merkwürdige Zusammenstellung. Nun gut – Herrgottsbscheißerle ohne Drumherum ähneln gewissen Arten von Kebab …
Eine Stunde früher als vorgesehen erreichten wir Stavanger. Langsam schob sich die AIDAsol Richtung Anlegestelle am Rande der Stadtmitte.
Auffallend viel Grün. An der Wasserlinie neue und alte, wunderbar renovierte bzw. noch instand zu setzende Bauten aus der Vergangenheit. Altes und Neues nebeneinander, das sich gut ergänzte. So, nun noch einige Meter bis zur endgültigen Anlagestelle unseres Schiffes.
Nicht mehr – wie bisher gewohnt – direkt vor dem Altstadtviertel sondern in der Nähe des neuen Konzerthauses. Aber kein Problem – Gamle Stavanger war nur wenige Minuten von unserem Schiff entfernt. Während des Anlegemanövers versuchten wir zu ergründen, was sich in den letzten Monaten in Stavanger verändert hatte. Nichts – wie wir bei unserem Rundgang auf den oberen Decks feststellten.
Es war noch immer alles vorhanden. Die repräsentativen Bauten am Hafen. Der Hügel mit dem Feuerwachtturm, den wir an diesem Tag noch aufsuchen wollten. Störend war die Farbe des Himmels. Grau … es ging doch besser. Oder etwa nicht? Tatsächlich. Wir erkannten es nach einem schnellen Mittagessen. Das Graue wandelte sich ins Weiße, die Wolken brachen auf und die Sonne brachte uns zum Strahlen. Als wir inmitten der Altstadt standen.
Kleine Entzugserscheinungen traten auf. Normalerweise war bei uns ein Besuch Stavangers mit einer Boorsfahrt in den Lysefjord verbunden. Dieses Mal verzichteten wir darauf und freuten uns bereits jetzt, dass sie bald nachgeholt werden sollte. In einer dann hoffentlich weißen Umgebung. An diesem Tag widmeten wir uns ganz ausgiebig und gemütlich der Stadt.
So, nun aber hinein in Gamle Stavanger! Über die Nedre Strandgate (Untere Strandstraße) zur Øvre Strandgate (Obere Strandstraße), um die sich 173 mehrheitlich weiße Holzhäuser scharten.
Diese Holzhäuser wurden nach einem Großbrand ab Mitte des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet. Nicht alle standen von Anfang an an ihren jetzigen Stellen. Früher war es in Norwegen üblich, dass man bei einem Umzug die Holzhäuser auseinander-, dann mitnahm und am neuen Wohnort aufbaute. Die Häuser waren entsprechend klein, von 27 bis 80 m². Die Mehrzahl dieser Häuser wurden damals von Fischern bewohnt; teilweise teilten sich zwei Familien ein Haus.
Das besonders Flair zeigte sich auch im Straßenbelag, Nicht der heute übliche Asphalt sondern Kopfsteinpflaster. Worauf wir in diesem Viertel hin- und her schlenderten.
Im Jahre 1948 planten die Stadtoberen, die Holzhäuser abzureißen und an deren Stelle ein Industrieterrain anzulegen. Zum Glück scheiterte diese Absicht am massiven Widerstand der Bewohner und auch an sonstigen verantwortlichen Bürgern wie dem Architekt Einar Hedén, die das Bewahren dieses trotz der vorherrschenden Farbe Weiß pittoresken Viertels anstrebten. So geschah es auch und einige der Häuser stehen unter besonderem Denkmalschutz. Auch zur Freude der Besucher. Denn es macht immer wieder Spaß, durch diese nicht sterilen Gassen zu spazieren.
Die wenigsten Häuser hatten Vorgärten. Na und? Dann wurde eben anderweitig Farbe ins Bild gesetzt.
Blumen wachsen auch in Töpfen! Oder in einer ausrangierten Zinkwanne. Etwas Neues? Nein, grins … Bei einigen Häusern setzten die Bewohner besondere farbliche Akzente. Türen wurden kontrastreich gestrichen.
Weiter – und die Bewegung tat uns gut. Auch, wenn es mäßig hügelaufwärts ging. Das hatte vor allen Dingen einen Vorteil: Von einem Platz – ein Treffpunkt für Jung und Alt –
gab es einen sehr schönen Blick auf die andere Seite des Hafenbeckens und unser nächstes Ziel, den Feuerwachtturm. Doch noch schlenderten wir durch die pittoresken Gassen.
Bis zum nicht bitteren Ende dieses Viertels. Dort ging es hügelabwärts über ausgetretene Steinstufen. Bis wir das Hafenbecken erreichten.
Herrlich, die älteren, sorgfältig renovierten Holzhäuser auf der gegenüber liegenden Hafenfront. In den guten alten Zeiten fungierten sie als Speicherhäuser. Wir erkannten es an den Ladeöffnungen im Giebel. Die Zeit des Ladens und des Lagerns ist vorbei – wie auch in anderen Hafengegenden lassen sich in diesen zu Restaurants umfunktionierten Gebäuden die Besucher verwöhnen. Diese Häuserzeile suchten wir auf. Aber nur kurz, denn wir wollten einen weiteren Überblick über Stavanger erhalten. Unser Ziel war der Valberget, ein fast 27 m hoher Wachturm.
Die Aussicht von oben über die ganze Stadt hatte einen Sinn. Zum einen in Kriegszeiten, um rechtzeitig den Feind zu erspähen und die Bewohner der Stadt zu warnen; zum anderen achteten die Wächter auf mögliche Feuerausbrüche. Aktuell ist im Turm ein Stadtwächtermuseum untergebracht. Wer eine noch bessere Aussicht über Stavanger haben will, kann ihn besteigen. Und ob wir das konnten!
Die „Investition“ von € 3,-- lohnte sich …
Da die Füße müde, aber noch nicht zu müde waren, kam kein Gedanke auf, zum Schiff zurückzukehren. Vor allen Dingen, weil es nunmehr hügelabwärts ging. Vorbei an vielen weiteren Holzhäusern. 8.000 stehen noch in verschiedenen Stilrichtungen in dieser Stadt. In diesem Viertel unterhalb des Valberget sind Geschäfte, Boutiquen, Restaurants, … untergebracht. Im Gegensatz zu dem von uns zuerst besuchten Holzhausviertel sehr farbenfroh. Und zwar in allen möglichen Farbtönen. Zahlreiche Blumenampeln trugen zusätzlich zur weiteren Farbgestaltung bei.
Nun war geplant, ein wenig Kultur zu schnuppern. Wir wollten die trutzige, ab 1272 im romanischen Stil erbaute Stavanger Domkirke von innen und außen besichtigen. War aber nix … eine einzige riesige Baustelle, die den Zugang zur Kirche verwehrte. Da kannste nix machen und so zogen wir weiter. Zum Stadtsee Breiavatnet. Der Überlieferung nach werden neu geborene Babys aus ihm gefischt, denn in Norwegen werden sie nicht vom Storch gebracht, da es ihm hier zu kalt ist!
Der Blick auf den See war eine Pause wert. Wir sahen eine freie, von unschuldigen Wasservögeln bewachte Bank.
Wir beschlossen, sie in Angriff zu nehmen. Nicht die Wasservögel – die Bank. Und schon bewachten die Schwäne nicht nur die Bank sondern auch uns. So nahe – ca. 1 m – sind wir noch nie an Schwänen herangekommen. So etwas Zutrauliches … Streicheln verkniffen wir uns allerdings … Aber nicht das Beobachten des Breiavatnet. Wir saßen und saßen und saßen … und schauten und schauten und schauten … aber kein Baby kam. Oder sollten die Schwäne die Störche ersetzen? An diesem Nachmittag ein nicht gerade optimaler Ersatz …
Irgendwann schoben wir uns so weit wie möglich an den Schwänen vorbei und machten uns auf in die Fußgängerzone und danach Richtung Wasserlinie mit der Bybru oder auf gut deutsch Stadtbrücke im Blick.
Die Brücke, die Insel Grasholmen mit den für uns unerreichbaren Häuschen und dem Yachthafen, die unter der Brücke den Hafen ansteuernde Fähre, der Zweimaster … alles nur schön …
Weit war es nicht mehr bis zum nächsten Hingucker der Stadt, zum Erdölmuseum.
Futuristisch. So, wie es am Rande des Hafens liegt, sieht es bei entsprechender Phantasie wie eine Ölplattform aus. Wer Fragen rund um das Erdöl hat, findet im Museum mit Sicherheit Antworten. Antworten zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – z.B. zur Klimafrage in einem gesonderten Ausstellungsteil. In diesen Räumen erfährt man auch, dass Stavangers Entwicklung nicht nur in den letzten Jahrzehnten vom Öl abhing. Zunächst vom Olivenöl, das nach Sterilisieren Sprotten in Konservendosen haltbar machte. Vor dem zweiten Weltkrieg gab es fast 70 Konservenfabriken in Stavanger, die letzte wurde 2002 geschlossen. Und damit ging es nahtlos zur nächsten Ölgeschichte über: 1969 wurde Ekofisk, Europas größtes Ölfeld, entdeckt und erschlossen. Kein Wunder, dass die Ölmultis in Stavanger ihre Paläste bauten … Aber keine Angst: Stavanger ist – wie wir an diesem Tag mitbekommen hatten - nicht potthässlich! Diese Erkenntnis wurde während unseres durch die Fußgängerzone, über den Fischmarkt und vorbei an Gamle Stavanger führenden Rückweg verstärkt. Die Füße qualmten – sie ruhten sich während des Sonnenbadens aus. Anschließend gönnten wir uns eine kleine Stärkung:
Im Brauhaus ein kleines Schnitzel mit mehr Panade als Fleisch für meine bessere Hälfte, ich suchte mir den Brotzeitteller aus; die bessere Wahl.
Die Kalorienzufuhr wurde teilweise an der frischen Luft neutralisiert. Auf der einen Seite machte sich die Sonne auf,
langsam, aber sicher zu verschwinden. Bilder, wie wir sie lieben. Und es dauerte nicht mehr lange bis unsere AIDAsol bei optimalem Wetter ablegte.
Wir verabschiedeten uns von der interessanten Stadt und wir murmelten vor uns hin: Tschüss bis in 181 Tagen – wir freuen uns auf ein Wiedersehen!
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