21. Juni 2024 – Eidfjord
Ich werde alt … früher wurde ich bei Fjordfahrten immer rechtzeitig ohne Wecker wach. Und aktuell? Immer kurz vor dem Anlegen. So auch am 21. Juni. Der Ort Eidfjord am Eidfjord, der Wurmfortsatz des Hardangerfjords, war in Sichtweite.
Auch wenn die Sonne bereits ihr Bestes gab, war es noch sehr kühl. Noch … Denn Vorhersagen und auch der Eindruck vor Ort ergaben, dass wir einen wunderbaren Tag erleben sollten. Schon jetzt …
Auch den beiden bunten Herrscher des Pooldecks gefiel, was sich rund um unsere AIDAsol aufbaute. Berge mit Schneeresten. Wasserfälle. Man konnte sich einfach nicht satt sehen!
Doch – denn an diesem sich gut entwickelnden Tag lagen noch mehr beeindruckende Erlebnisse vor uns. Nach dem Frühstück enterten wir den Ausflugsbus, der uns den ganzen Tag immer wieder während des Ausflugs „Flåm-Bahn, Bergenbahn und Wasserfälle“ schlucken sollte. Schnell verließen wir den Ord Eidfjord. Entlang des Eidfjords, der sich an der rechten Seite des Busses ausbreitete. Wir saßen links und genossen die Landschaft.
Eine Landwirtschaftsgegend mit den üblichen Merkmalen wie im Allgäu. Frisch gemähte Wiesen, Gehöfte. Nach ca. 15 km überquerten wir auf der Hardangerbrücke den Eidfjord. Oder war er schon der Hardangerfjord? Direkt im Anschluss der Hardangerbrücke nahm uns die Dunkelheit auf. Der Vallaviktunnel, schlappe 7.510 m lang, Tunnel Nr. 1 an diesem Tag. Er verführte zum Dösen. Aber nur für Sekunden, denn auf einmal wurde es hell. Sphärisches blaues Licht.
Unsere Fahrspur und die entgegengesetzte Spur führten an einer blau angestrahlten Felssäule vorbei. Ein Kreisverkehr im Tunnel. Einzigartig? Fast und typisch Norwegen …
Es wurde Licht – der Tunnel lag hinter uns und auf der Backbordseite zeigte der Granvinsvatnet seine Schönheit. Idyllisch gelegen zwischen den Bergen.
Lange konnten wir uns allerdings nicht an der Schönheit der Landschaft erfreuen. Denn schon wieder wurde es dunkel. Unser zweiter Tunnel an diesem Tag. Der 2077 m lange Joberg-Tunnel, den wir schneller durchfuhren als die erste lange Röhre. Danach gab es ein kurzes Lichtintermezzo bis uns der Tunsbergtunnel verschlang; 4.080 m lang. Und weiter, auf dem Hardangervegen durch eine mitunter liebliche,
mitunter wilde Landschaft. Vorbei an landwirtschaftlich genutzten Flächen, steilen Bergen, winzigen und auch größeren Seen, munter vor sich hin plätschernden Bächen und Flüssen, kleinen Wasserfällen bis wir die Zivilisation erreichten. Voss ließen wir am Vormittag schnell hinter uns bis wir an einem echten Hingucker vorbeirauschten. Ja, leider richtig: ohne langsamer zu werden passierten wir den Tvindevossen.
Schade, wir hätten wieder liebend gerne am Fuße dieses Wasserfalls gestanden und die Kraft des Wassers genossen. Denn der Tvindevossen ist als Wasserfall der Jugend bekannt. Warum? Vor ca. 25 Jahren entstand ein Gerücht, dass das Wasser ein Mittel für das Wiedererlangen der Jugend und für die Steigerung der Potenz sein sollte. Hunderttausende – vor allen Dingen aus USA, Russland und Japan – pilgerten zum Tvindefossen und kehrten Wasser in Kanistern schleppend zu ihren Vehikeln zurück. Die Ausflugsanbieter gönnten die uns Wiederbelebung der Kräfte einfach nicht …
Auch bei der schnellen Vorbeifahrt war es beeindruckend, wie sich die Wassermassen auf dem Weg nach unten ausbreiteten und über die Steinblöcke ihren Weg nach unten suchten. 110 m hoch und eingerahmt von saftigem Grün.
Und weiter im und mit dem Bus. Weiter durch die norwegische Voralpenlandschaft.
Einfach nur schööööön …
Den ersten Stopp hatten wir im Örtchen Gudvangen. Es war auch Zeit, dass Beine und Füße Bewegung bekamen. Eine halbe Stunde gab man uns; uns wurde nicht langweilig, denn die Natur faszinierte. Gudvangen war Jahrhunderte lang von der Landwirtschaft geprägt. Die Abwechslung kam, als vor ca. 150 Jahren der Ort per Schifffahrtslinie an Bergen angeschlossen wurde und zunächst zögerlich, später immer mehr Touristen den Ort besuchten. Wie wir. Ein Touristenmagnet ist das Wikingerdorf.
Bedrängt von über 1.000 m hohen Bergen floss der lediglich 12 km lange Lachsfluss Nærøydalselvi in den Nærøyfjord. Eine Fußgängerbrücke führte zu einem idyllisch am Fjord gelegenen Hotel
und zum Fähranleger.
Ein hölzerner Wikinger überwachte die Ankunft der Fähre. Sie hatte eine mit Sicherheit wunderschöne Fahrt durch das Weltnaturerbe Nærøyfjord hinter sich. Wir nicht – vor uns lag der vierte Tunnel. Der von uns zu unserem nächsten Zwischenziel Flåm zu bezwingende Gudvangatunnelen. 11,4 km lang – Zeit für ein Nickerchen … Und nach einigen Minuten Zeit zum Wachwerden. Nur nicht für längere Zeit. Tunnel Nr. 5 erwartete uns: der Flenjatunnelen, den wir nach relativ kurzer Zeit wieder verließen. Kein Wunder – er hatte eine Länge von lediglich 5.053 m … Nach seinem Ende wurden wir ganz schnell wach: Wir sahen das Ende des nächsten Weltnaturerbes, des Aurlandsfjords. Unter uns erstreckte sich unser nächstes Zwischenziel, der 276 Seelen Ort Flåm, den wir umrundeten und schließlich in ihn hinabstießen. Zum Bahnhof der Flåmbahn. Drei Busse hielten vor ihm, Menschenmassen stürzten aus den Bussen und die Reiseleiter hatten jede Mühe, die Ausflügler beisammen zu halten und in die richtigen, bereits auf uns wartenden Waggons zu schleusen. Sie schafften es – alle Achtung. Wir hatten das Glück, Fensterplätze zu ergattern. Gut, dass sich der obere Teil des Fensters öffnen ließ. Schon war das erste Foto im Kasten!
Na, sieht die Eisenbahn nicht äußerst nostalgisch aus? Nun gut, sehen wir über die E-Lok hinweg. Sie ist eben umweltfreundlicher als die ausgemusterten Dampfloks. Im „Großraumabteil“ fühlten wir uns pudelwohl. Ledersitze, Holztäfelung, Monitore, … ach nee, die entstammen nicht gerade aus der guten alten Zeit …
Der althergebrachte Komfort war nettes Beiwerk. Was zeichnet die Fahrt mit der Flåmbahn aus? Sie führt durch eine der schönsten und wildesten Gegenden Norwegens. Eine Stunde Fahrt von Flåm nach Myrdal. Eine Stunde, die unvergesslich bleibt. Schließlich gehört die lediglich 20 km lange Strecke zu den attraktivsten der Welt.
Unser Zug setzte sich langsam in Bewegung. Vom Flachen in Meereshöhe bewältigte er in einer Stunde 866 Höhenmeter bis Myrdal. Zunächst durch die Kulturlandschaft des Flåmtals. Und schon gab´s den ersten Hingucker – den Brekkefossen, ein ca. 100 m hoher Wasserfall. Er lag zu schnell hinter uns und zunächst ging es auf der einspurigen Strecke nur gelinde bergauf.
Aber dann … Der Begriff „spektakulär“ beschreibt was vor uns lag. Die Strecke ist die steilste Eisenbahnstrecke der Welt. 80 % weisen eine Steigung von 5,5 % auf. Fast wie im Schneckentempo ging es voran und aufwärts. Entlang und durch Berghänge – atemberaubend, was man uns bot. Die Flåmbahn schraubte sich höher und höher und auf einmal hielt sie auf einem recht geraden Streckenabschnitt. Und zwar an der Bahnstation Berekvam. Neben uns eine zweite Schienenspur. Wir wurden informiert, dass es einige Minuten dauern könnte bis der entgegenkommende Zug an uns vorbeiziehen würde. Ja, dann ging es weiter. Die Landschaft wurde immer rauer je höher wir stiegen. Grandios, was man uns links und rechts der Strecke bot. Und immer wieder wurde es dunkel – für diese Strecke wurden 20 Tunnel in den Fels geschlagen, davon 18 von Hand.
Kurze Tunnel, lange Tunnel – der längste maß 1.342 m. Jedes Mal, wenn wir einen verließen, wurden uns immer wieder neue Ausblicke geboten. Grüne Berghänge mit unzähligen Wasserfällen.
Felswände, die fast senkrecht gen Himmel gingen. Neben uns sehr oft die Flåmselvi, mitunter schmal und immer wieder wild über Felsbrocken oder daran vorbei tobend.
Während der gesamten Fahrt kamen von den Verbindungen zwischen den einzelnen Waggons komische Geräusche. Es knarzte, es krächzte, es ächzte, es stöhnte, es röhrte, … halt, das war´s! Meine mir gegenübersitzende bessere Hälfte schaute mich irritiert an, als ich anfing laut zu lachen. Und auch andere Mitreisende! Ich bekam mich nicht mehr ein … und prustete los: „ein Elch, ein Elch! Wo ist er?“ Konsterniertes Staunen der Passagiere. „Ja, hört mal! Irgendwo muss ein Elch sein! Erkennt Ihr nicht den Brunftschrei der Elche???“ Allgemeines Gelächter, das immer wieder aufloderte, wenn die Verbindungen die elchähnlichen Geräusche von sich gaben … Mal sehen, ob der Elch in 182 Tagen wieder an Bord sein wird, wenn wir dann durch die schneebedeckte Landschaft fahren werden.
Kurz vor der Ankunft in Myrdal stoppte unser Zug. Direkt neben dem Wasserfall Kjosfossen.
Der Zug war blitzschnell leer. Logisch, alle wollten den sagenumwobenen, 93 m hohen Wasserfall bestaunen. Und auch den Naturgeist Huldra, eine wunderschöne Waldfee mit langen blonden Haaren.
Schade, auf meinem Foto kann man sie nur ansatzweise erkennen – ihren Arm, den sie beim Tanz ausstreckte. Sie tanzte nicht nur – sie sang auch. Denn Huldras betören Männer mit ihrem Gesang und bringen sie vom Weg ab. Wohl auch aus diesem Grunde passten unsere Reisebegleiter und die Zug-Crew akribisch auf, dass sich nach der Weiterfahrt keine einzige Person bei dem Haltepunkt befand.
In der vergangenen Stunde folgte ein Höhepunkt dem anderen. Einer wartete noch auf uns vor der Ankunft in Myrdal: der Bergsee Reinungavatnet, aus dem der Fluss Flåmselvi gespeist wird quasi als Quelle des Kjosfossen-Wasserfalls.
Nach kurzer Zeit kam leider die überwältigende Fahrt durch die wilde Bergwelt Norwegens zum Ende. Die Fahrt rund um die 20. Die Strecke der Flåmbahn ist 20 km lang, auf dem Weg zwischen Flåm und Myrdal werden 20 Tunnel durchfahren, der Streckenbau dauerte 20 Jahre und die ungefähren Kosten bis zur Fertigstellung betrugen 20 Mio. NOK.
Wir verließen die nostalgischen Passagierwagen und besetzten einige Abteile der auf uns wartenden Bergen-Bahn. Eine vollkommen andere Welt. Komfort der heutigen Zeit. Im Vergleich zu den alten Wagen eher steril. Aber egal, vor uns lagen weitere Erfahrungen mit Norwegens Bergwelt.
Und von nun an ging´s bergab. Von 866 in Myrdal bis zu 57 Höhenmetern in Voss. Eine einstündige Zugfahrt über 50 km. Durch 34 Tunnel, deren mit 5.311 m längster, der Gravhals-Tunnel, uns direkt nach Verlassen des Bahnhofs von Myrdal erwartete. Die Fahrt mit der Bergenbahn war nicht so spektakulär wie die mit der Flåmbahn. Parallel zu unserem „Abstieg“ verlagerte sich die wilde Landschaft mehr und mehr in eine eher liebliche Gegend. Weniger tosende Bergbäche und Wasserfälle. Weniger steile Felswände. Mehr Grün mit einzelnen kleinen Schneefeldern.
Mehr Fotos kann ich nicht bieten. Die Fenster konnten nicht geöffnet werden; die Spiegelungen durch die Fenster waren zu stark.
Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn wir zunächst mit der Bergenbahn, dann mit der Flåmbahn gefahren wären. Die Steigerung von „lieblich“ zu „wild“ hätte uns mehr beeindruckt. Aber auch so waren wir zufrieden, als wir in Voss den Zug verlassen hatten und im Pulk zum mitten in der Stadt gelegenen Park-Hotel schlenderten. Das Mittagessen wartete auf uns. Ich war einer der Wenigen, die mit den Vorspeisen begann; die meisten Mitreisenden stürzten sich auf die Hauptspeisen, während ich Krabben, kalt geräucherten Lachs, Heringstipp in verschiedenen Variationen genoss. Da man nicht auf einem Bein stehen kann, holte ich mir einen Nachschlag von den Vorspeisen, der Hauptgang fiel aus und ein wenig Süßes musste auch noch daran glauben.
Kalorien rein – war erfolgt. Kalorien runter – das erledigten wir zunächst mit einem Spaziergang auf der Promenade des beschaulichen Vangsvatnet.
Eine knappe Stunde Zeit gönnte man uns, die Kleinstadt Voss (16.500 Einwohner) anzuschauen. Der Spaziergang am See nahm den Hauptteil der Freizeit ein. Nicht weit davon entfernt stand die rd. 750 Jahre alte trutzige Vangs-Kirche.
Wir umrundeten sie, wollten hinein – aber wie so oft war das Gotteshaus geschlossen. Damit endete unsere Stadtbesichtigung und alle Ausflügler fanden sich pünktlich am Bus ein und die Rückfahrt begann.
... Fortsetzung folgt ...
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