Fortsetzung DA NANG
Diese Asientour hat bisher ja schon mal die Erkenntnis gebracht, dass unsere Leute daheim weiterhin nicht freiwillig „japanisch“ essen gehen werden, doch „taiwanesisch“ und jetzt auch „vietnamesisch“, das könnten sie sich nun vorstellen.
Jetzt aber schrecken wir hoch, es kommt Unruhe auf, die Leute steigen nach und nach in den Bus, es scheint weiter zu gehen. Heute Morgen hatten wir ja bei unserem Kaffeefahrtstop die Möglichkeit, Kunstwerke aus Marmor zu erwerben. Jetzt geht es tatsächlich zu den Marmorbergen. Zwar gibt es auch dort Läden, aber Marmor wird dort schon lange nicht mehr abgebaut, der kommt mittlerweile aus Nordvietnam. Mal gut so, denn sonst könnten wir da jetzt nicht hin fahren, wären wohl keine Berge mehr da, das hat man zum Glück rechtzeitig erkannt.
Die Ausflugsbeschreibung hört sich ja schon fast mystisch an:
„Die fantastischen Höhlen und Tempel der Marble Mountains, der Marmorberge, in der Landessprache nennt man sie „Non Nuoc“. Diese fünf bewaldeten Marmor- und Kalksteinfelsen überragen die Ebene mit dem Dorf der Marmorschnitzer.“
Na ja, da bin ich ja nun doch ein wenig skeptisch bezüglich solcher „Katalogbeschreibungen“, nachdem in Hoi An ja schon die versprochene und dann nicht so richtig vorhandene japanische Brücke so galant umschrieben war. Von wegen „überdacht“ und so…
Diese „Berge der fünf Elemente“ sind aber wenigstens schon mal da. Wie aus dem Nichts tauchen sie gerade vor uns auf. 5 bewaldete Felskegel mit wohl viel Marmor ragen bis zu 100 m hoch aus der Landschaft empor.
Dann viel Spaß beim Latschen, wir wollen da jedenfalls hoch.
Doch die Entscheidung wird unseren Leuten leicht gemacht. Der Reiseleiter fragt ab, wer denn wohl mit dem Aufzug fahren will. Halbrechts vor uns zeigen 2 Leute auf und natürlich unsere lauffaulen Träger mit dem schweren Marschgepäck, dem übergewichtigen Ty und dem federleichten Teddy. Glück gehabt, der „Aufstieg“ ist machbar und scheint auch für die Träger bequem zu werden. Und nachdem erst keiner so richtig „Ja“ zu dieser angebotenen Komfortleistung sagen wollte, ist der Bann jetzt gebrochen und man schmeißt im Bus nun reihenweise Ego, Stolz, Ehre und Sportlichkeit in die Tonne. Jedenfalls wird es nicht an dem 1 Dollar gelegen haben den der Spaß nur kostet. Dieses „Fahrgeld“ sammelt der Reiseleiter nun vorab von der am Ende doch halben Busbesatzung der „ehrlosen Weicheier“ ein.
Ruckzuck sind wir gleich oben, wenn wir auf dem Weg zum Aufzug die Stände mit dem Marmorgedöns und die Lockrufe der Verkäufer schadlos überstehen. Klappt alles, man muss halt nur stark sein. Und irgendwie haben wir jetzt auch eine „Priority Line“, ziehen an verdutzten Wartenden vorbei, werden mehr oder weniger durchgewunken.
Oben, auf dem Weg zum Treffpunkt mit den Treppenläufern, kommt lautes Gequake aus einem kleinen Tümpelbecken. Und wo ist jetzt dieser verdammte vietnamesische Frosch dazu? Den Urheber des Gequake will ich sehen, so viel Zeit muss sein. Und dann entdeckt ihn ausgerechnet der kleine Tiger und nicht ich. Aufgeregt deutet er unter einen Felsen. Da sitzt er und bläht immer wieder seinen Kehlsack auf, was natürlich nicht auf dem ohnehin nur halbwegs scharfen Foto drauf ist.
Der Träger redet sich diesbezüglich mit einem Zeitproblem raus. Stimmt eigentlich auch, denn mittlerweile sind wir schon ans Ende der Truppe zurückgefallen und den späteren Treffpunkt sollten wir besser mitbekommen und nicht schon ab hier planlos und verloren herumirren. Das kommt sicher erst noch… Außerdem haben wir genug Frösche daheim bei unserem Gartenhaus. Komisch, da gehen die mir nachts manchmal dermaßen auf die Nerven das ich die Fassung verliere. Und hier verlieren wir wegen einem Frosch fast die Truppe. Doch so ein echter vietnamesischer Brüllfrosch ist natürlich ganz was anderes. Er benimmt sich aber offenbar genauso unflätig laut, bleibt also hier.
Und da sind jetzt auch die anderen, die „156-steile-Stufen-Leute“. Und die haben schon mal was verpasst, den fetten Frosch. Was es ab jetzt zu sehen gibt ist jedenfalls weniger lebendig.
Treffpunkt also Großer weißer Buddha, ab jetzt auf eigene Faust. Los Träger laufe, hier muss jede Minute ausgekostet werden! Aber wohin geht man jetzt eigentlich? Überall hier auf dem Berg scheinen Pagoden,
Tempel,
Höhlen mit Tunnelverbindungen und vor allem auch Treppen zu sein. Gut, das wir bisher Kraft gespart haben. Aber der Plan einer geordneten Besichtigung zerfällt, wir laufen einfach los. Ist ja auch egal was jetzt was ist, bzw. wie es heißt, Hauptsache interessant. Gibt ja hier genug davon, auf dem Wasserberg.
Bei den ganzen Religionen blickt doch eh keiner mehr durch.
Nach der klassischen orientalischen Philosophie ist hier jeder der Berge (Son) nach einem der fünf Elemente benannt: Kim Son (Kim: Metall), Moc Son (Mộc: Holz), Thuy Son (Thủy: Wasser), Hoa Son (Hỏa: Feuer) und Tho Son (Thổ: Erde). Klingt logisch, scheint gar nicht so schwer zu sein dieses Vietnamesisch. Auf diesen Bergen werden bis heute hinduistische, taoistische und vor allem buddhistische Gottheiten, bzw. Buddhas verehrt. Für Vietnamesen ist es ein bekannter Wallfahrtsort, für die Touristen eine Attraktion.
Ein Wallfahrtsort, obwohl sich die große Mehrheit der Vietnamesen zu keinem Glauben bekennt. Etwa 80 Prozent der Vietnamesen sind nämlich „Atheisten“. 20 Millionen sind Buddhisten. Daneben gibt es hier auch Katholiken, Islam und weitere Religionen. Doch im Religionsverständnis der Vietnamesen gibt es ohnehin keine strikte Trennung verschiedener Konfessionen. Das nehmen die nicht so genau. Sehr verbreitet sind auch Geisterglaube, Schamanen und vor allem die Ahnenverehrung.
Thuy Son, der Wasserfelsen, auf dem wir gerade herumirren, ist mit 106 Metern der höchste der fünf Berge.
Das erste was wir dank „nicht hochlatschen“ gesehen haben, das ist wohl die Xa Loi Pagode direkt beim Aufzug,
aber jetzt spare ich mir die Namen von Göttern, Skulpturen, Höhlen und Sonst was. Was weiß ich, wo wir waren oder nicht.
Während des Vietnamkriegs lag nahe der Marmorberge auch die Grenze zwischen dem kommunistischen Norden und den amerikanischen Truppen im Süden. Unten am Strand sonnten sich die Soldaten, während der Feind in der Nähe ein geheimes Lazarett in der Huyen-Khong-Höhle unterhielt. Von dort schossen die Vietkong auch mal gerne feindliche Flugzeuge ab.
Und hier ungefähr ist auch die „Wetterscheide“ zwischen den Tropen und der gemäßigten Region, der Wolkenpass. Direkt hier scheint der jedenfalls nicht zu sein, es ist immer noch brüllend heiß.
Oder wir sind halt auf der falschen Seite.
Vietnam ist zu drei Vierteln von Bergen und Hochebenen überzogen.
Die Folgen, die Zerstörung an Natur und Bevölkerung, welche der kriegerische Einsatz von 45 Millionen Litern Umweltgiften verursacht haben, davon sieht man auf der Reise übrigens nichts, sind aber leider immer noch da. Die Hälfte der Mangrovensümpfe ist zerstört, entlaubte Hänge im Landesinneren können nach wie vor nicht aufgeforstet werden. Nur sehr widerstandsfähige Gräser halten sich, brennen aber während der Trockenzeit oftmals wie Zunder. Ohne erfolgreiche Aufforstung kommt es in diesen Regionen in der Regenzeit zu extrem starker Erosion. Und noch immer führt geschädigtes Erbgut zu extrem erhöhten Zahlen an Fehl-, Tot- und Missgeburten. Und nach wie vor werden jedes Jahr Bauern und Altmetallsucher von explodierender Munition getötet oder verletzt.
Diese besonders gruselige Höhle in der wohl Mord- oder Opferszenen dargestellt werden sollen haben wir hier oben übrigens nicht gefunden, oder wir waren unbemerkt doch drin, aber die war dann nicht gruselig genug, als das sie die hartgesottene Fellbande hätte beeindrucken können. Die hier ist es wohl nicht.
Und irgendwo in so einer Höhle war auch ein schmaler Aufstieg irgendwo hin, aber da kamen so viele Touristen runter, dass wir nicht so lange warten konnten, um das unbekannte Loch zu erforschen. Schade eigentlich, denn wenn da so ein Betrieb ist, dann wird es so schlecht nicht sein.
Die ganzen Höhlen und Pagoden hier sind alle ziemlich alt, wurden schon seit Beginn des 17. Jhdt. geformt und ausgebaut.
Während wir nun dieses „hier noch hin und da noch hin“ und „die paar Stufen schaffen wir auch noch“ langsam aufgeben müssen und wenigstens mal wieder in die Nähe des Treffpunktes kraxeln müssen,
sehe ich einige, manchmal auch in die Steine gekloppte Bodhisattva-Statuen, dem Begriff für einen zukünftigen Buddha,
was mich dazu bringt, ehe etwa zu viel Harmonie und Langeweile zwischen uns aufkommt, den Ty mal wieder mit seiner Figur zu ärgern. Ich spreche ihn einfach mal mit „Bodhisattva“ an und verweise feixend auf die figürliche Ähnlichkeit. Klar ist der jetzt sauer, aber kontert unverhofft. „Ja, Teddy Klugscheißerin, hast aber noch was Entscheidendes über die Bedeutung des Wortes vergessen: „Zukünftig und auf dem Weg zur Erleuchtung und sich für die Erlösung des Leids anderer Wesen einsetzt.“ Da warten wir bei dir ja seit jeher vergeblich drauf!“
Mit dieser Unverschämtheit von dem belesenen Chinesenmädchen kann ich hier oben nicht länger auf Erleuchtung warten und es geht abwärts. Diesmal zu Fuß, an den Drachen vorbei,
die 156 Stufen herunter.
So schlimm ist das doch gar nicht. Da hättet ihr die 2 Dollar für bergauf doch auch sparen und dem Teddy für die Aussteuer geben können.
Getreu dem Ausflugsmotto „Lernen Sie Landschaft und Kultur kennen“ geht es wieder quer durch die erwartungsfrohe Meute der Souvenirhändler, lassen wir enttäuschte Gesichter zurück und steigen in den Bus. War eine tolle Sache da oben, aber eben zu kurz. Doch auch individuell hätte man nur ein bestimmtes Zeitfenster und muss sich entscheiden. Ich behaupte mal, dass wir „Fast Lane“ heute sogar schneller oben waren und da oben ja auch keinen Gruppenzwang hatten. Auf Grund der Hitze war der Wollpullover tragende Tiger um jede noch so finstere Höhle dankbar, sehnte sich nach der Klimaanlage und der vermeintliche „Buddha“ Ty blickt noch mal zum Berg und beendet die Sache selbstironisch mit einem zufriedenen „Ommmmh“. Und zack ist der Burgfriede (Rucksackfriede) wieder hergestellt.
Jetzt geht es zurück nach Da Nang und ganz geschäftstüchtig rät der Reiseleiter jetzt erstmal vom individuellen Taxifahren ab. Denn auch die örtlichen Taxifahrer sind wie alle hier geschäftstüchtig und fleißig. Da kann es dem unbedarften Touristen schon mal passieren, dass man von A nach B über C, D und E fährt und unfreiwillig „Sightseeing“ macht. Natürlich kann man das auch verhindern, aber das sagt er natürlich nicht.
Zwar nicht für den Taxifahrer, aber hier gibt es, wenn man es übertreibt, immer noch die Todesstrafe. U. a. auch für „Korruption“ und auch beim Drogenhandel hört der Spaß auf.
Vietnam ist, wie er lächelnd verkündet, aber keinesfalls etwa nur ein unfreies Land. Durchaus gibt es hier „gewisse Freiheiten“. So sind, wie er sagt, z. B. Strafen im Verkehr durchaus „frei“ verhandelbar. Man darf sich aber nicht wundern, dass man dann nach Zahlung kein unterschriebenes Protokoll bekommt. So viel also zum Thema Korruption.
Es gibt halt immer Gründe für Ausnahmen. Das „Land der Ausnahmen“ nennt er es. So auch bei der Pünktlichkeit. Bauernkinder kommen erst in die Schule wenn die Sonne aufgeht. Gewohnheitsmäßig beginnt erst dann die Arbeit. Das wird als Ausnahme so wohl auch akzeptiert. Genauso akzeptiert wie auch die Kampagne, dass man mehr Wert auf Umwelt und Sauberkeit legt. Okay, scheint auch hier Ausnahmen zu geben, zumal wir gerade im Vorbeifahren sehen, wie jemand vor einer Werkstatt einen halben Motorblock im Rinnstein ausspült...
Nun sind wir wieder im Zentrum und da sehen wir auch diese geschwungene Drachenbrücke im Gegenlicht. Auch als wir dann noch darüber fahren gelingt kein vernünftiges Foto, da sind wir viel zu nah. Was soll`s, wir haben sie gesehen, auf der internen Festplatte abgespeichert, fertig.
Große Häuser hier, nichts Altes zu sehen, wir halten am Strand. Und da schauen wir uns mal um.
Gerade versucht ein Wachmann einen Motorradfahrer von der Nutzung der Strandpromenade abzuhalten, läuft ihm schimpfend hinterher, wird ignoriert, muss dann wohl doch wieder mal eine „Ausnahme“ machen. Nur Geld kriegt er dafür nicht, ist halt nicht die Polizei.
Reich werden können die meisten Vietnamesen eh nicht. Sogar chinesische Unternehmen haben aufgrund der niedrigeren Lohnkosten Teile ihrer Produktion nach Vietnam verlagert.
Ist schon ein Herzchen, dieser pfiffige Reiseleiter. Damit das zum Abschluss mit dem Trinkgeld auch ordnungsgemäß klappt, lobpreist und huldigt er den Busfahrer, sich selbst erwähnt er jetzt nicht ausdrücklich und geht dann zur direkten persönlichen Sammlung über. Durch die Reihen geht er und das ist ökonomisch sicher bewährt und sinnvoll. Kann sich keiner ohne Peinlichkeit entziehen, so holt man den Maximalbetrag raus. Mag man dreist finden, wir finden es lustig und beide haben es sich verdient. Alles gut gelaufen vor Ort, immer präsent, immer bemüht, tolle Randinfos und wir hatten die Dollar eh schon in der Hand.
„US-Dollar“, weil wir für das Ziel Vietnam als einziges keine einheimische Währung getauscht haben. Der Dollar wird hier gern genommen. Inoffiziell ist der „Vietnamesische Dong“ sogar an den US-Dollar gekoppelt. Bei diesen „Dong“ hätte man sonst auch direkt immer dicke Bündel dabei. Ist ja dann auch irgendwie Papierverschwendung, gibt der Teddy sich mal ganz umweltbewusst. Zwar ist die Inflation der 1980er-Jahre mittlerweile einigermaßen unter Kontrolle, aber als Erinnerung sind die Preise mit den vielen Nullen geblieben. Selbst der größte Schein von 500.000 Dong ist gerade mal 20 € wert. Ob die deshalb auf den Märkten so viele große Reisetaschen anbieten?
Und während der Busfahrer und der cleverer Reiseleiter beim Wegfahren mit greller Diskobeleuchtung auch unter dem Bus, ihre Zufriedenheit über die Trinkgeldausbeute signalisieren, steigen wir unterdessen die Hühnerleiter zum Schiff hinauf. Was bei einem Herrn vor uns leider nicht so gut klappt. Der stürzt und zerdrückt den frisch erworbenen vietnamesischen Hut. Anders als der Hut scheint er selbst es aber relativ unversehrt überlebt zu haben. Und das ist ja das Wichtigste. Wir sind gewarnt. „Watch your step!“
Ein wenig durchgeschwitzt wäre nach dem heutigen tollen Tag untertrieben.
Ruhigen Gewissens können unsere braven Träger nun den Duschwasserverbrauch steigern. Doch auch hier gibt es Ausnahmen, ganze 3 Stück sogar, nämlich die Fellbande. Die bleibt verstaubt und verschwitzt. Lohnt sich ja eh nicht. Geht ja morgen wieder los. Und kälter wird es wohl nicht mehr werden, da unten im Süden von Vietnam.
Die Luftfeuchtigkeit ist mittlerweile so hoch, dass es an einigen Stellen der Außendecks so glitschig ist, dass tatsächlich schon Rutschgefahr besteht. Doch wir sind nicht in Gefahr, hocken auf der Kabine, während unsere Leute sich ins feuchtfröhliche Nachtleben stürzen.
Da ist heute eine Sängerin im Theatrium, die auch schon bei der letzten Aura-Fahrt in dem geschlossenen Theater aufgetreten ist und damals unter Tränen bewehklagte, dass ihr die diesbezügliche ruhige Atmosphäre künftig fehlen wird. Nun, da muss sie heute durch. Ist wohl ein guter Auftritt und auch nicht dröhnend. Und so stelle ich mir gerade vor, was denn gerade die Sängerin denkt, wenn sich oben auf Deck 10 einer deutlich sichtbar mit beiden Händen permanent die Ohren zu hält.
--- Fortsetzung folgt --
Da bekommen wir beim Ausflug in Phu My Besuch vom Lektor,
werden von Schlammspringern begrüßt,
suchen den alten Kahn von Mr. Tran,
entdecken und übersetzen einen blöden Spruch,
besuchen einen Tempel mit einem reichen heiligen Wal,
denn der hat jede Menge Geldscheine zwischen den Knochen,
und wir stellen fest, dass auch das Leben einer Schildkröte endlich ist...