Und schon geht´s auch los. Wir entfernen uns von unserer Luna, an deren Kussmund zwei Arbeiter von einem kleinen Boot aus den Lippenstift nachziehen.
Wenige Meter weiter passieren wir die mächtige blaue "Nase" der "Zenith", bevor mich der Anblick des futuristisch anmutenden Ölmuseums einmal mehr fasziniert. Die Stadt ganz im Süden dieses langgezogenen Landes ist das Zentrum der norwegischen Ölindustrie. Das "schwarze Gold" machte Norwegen zu einem der reichsten Länder der Erde und Stavanger nicht nur zur fünftteuersten Stadt der Welt, sondern auch zu einem "teuren Pflaster" innerhalb Norwegens. Darüber hinaus hat der Öl- und Gaskonzern "Equinor" (vielen sicher noch unter dem Namen "Statoil" bekannt) hier seinen Sitz.
Das Museum habe ich noch nicht besucht. Gäste erzählten mir aber, es sei sehr sehenswert. Eines Tages werde ich nach Stavanger zurückkehren und diesem einer Raumstation ähnelnden Objekt garantiert auch mal einen Besuch abstatten.
Der Kurs stimmt. Wie ich vorhin bereits schrieb, passieren alle in Richtung Lysefjord fahrenden Schiffe die Schrägseilbrücke "Stavanger bybru", so wie auch wir in wenigen Minuten. Gemächlich gleiten wir durch den Strømsteinsund in Richtung Høgsfjord. Noch … Wobei die Betonung auf "gemächlich" liegt. Wer bisher dachte, der Lysefjord befindet sich quasi gleich nebenan, der irrt. Etliche Kilometer müssen bis dahin zurückgelegt werden. Und so fahren auch wir in Richtung des hellen Himmels und der Sonne - dem "Fjord des Lichts" entgegen.
Rückblick auf Stavanger, das Ölmuseum und die "Zenith", wobei gerade die imposanten Wolkenformationen den Anblick der Stadtkulisse einfach nur grandios machen:
Gleich passieren wir die 1.067 Meter lange "Stavanger bybru", was man ganz einfach mit "Stadtbrücke von Stavanger" übersetzen kann. In einer lichten Höhe von 26 Metern quert sie den Strømsteinsund. Die Spannweite der Schrägseile beträgt 85 Meter. Aus dem Stadtzentrum heraus führt sie über die zu unserer linken Seite befindlichen Insel Grasholmen hinüber zur Insel Sølyst.
… Nun ist er frei - unser Weg durch den Høgs- und Boknafjord zum "Fjord des Lichts" - dramatische Wolkenformationen in allen Farben von schneeweiß bis anthrazit begleiten uns.
Was für ein Schauspiel!
Und was das bedeutet, "freie Fahrt" zu haben, merkt auch der letzte Passagier ganz schnell: "Full Speed". Und wenn ich "full" schreibe, dann meine ich wirklich "full". Der Kapitän legt den Hebel garantiert komplett um. Und spätestens jetzt ist den Passagieren, die mich vorhin dabei beobachtet haben, wie ich mir meine mehreren wärmenden Kleidungsschichten angelegt habe, sicher klar, warum ich das getan habe. Denn mit der hohen Geschwindigkeit unseres Bootes nimmt auch der hier auf dem offenen Wasser ziemlich kalte Wind extrem zu. Es heißt nun, alles gut festhalten: Rucksäcke, Kopfbedeckungen und natürlich sich selbst.
Ich glaube, so mancher Gast auf dem stürmischen Deck ist dann doch ziemlich überrascht, was jetzt vor sich geht, was man an der teils sehr sommerlichen Kleidung sehen kann. Man sollte sich keinesfalls täuschen lassen: Egal, wie warm es in Stavanger ist, hier draußen auf dem Wasser und durch den pfeifenden Fahrtwind kann es sehr frisch werden. Fjorde haben ihr "eigenes Wetter".
Ich stehe ganz vorn, vor lauter Sturm verschlägt es mir sprichwörtlich beinahe den Atem. Meine Augen tränen vom vielen Wind, und das trotz Sonnenbrille, denn die brauche ich beim sich nun immer mehr zwischen den immer größer werdenden Wolkenlücken zeigenden hell leuchtenden Himmelskörper. Zwar kann ich mich kaum auf den Beinen halten vor lauter stürmischem Wind. Darüber hinaus ist es nahezu unmöglich, nicht verwackelte Fotos zu machen, doch es ist das Gefühl totaler Freiheit, das mich nicht von meinem exponierten Standort mit Traumblick über das glitzernde Wasser des Boknafjords, den wir mittlerweile befahren, weichen lässt. Nur wenige Passagiere tummeln sich hier vorn, so dass ich bei der besten Sicht auch keinem einen Platz wegnehmen würde. Viele sitzen unter Deck und diejenigen, die das Freiluftdeck gewählt haben, versuchen, irgendwo wenigstens ein wenig Windschatten zu finden.
Mehrmals verlangsamen wir unsere wilde Fahrt jedoch zwischendurch, dann sind auch gute Fotos möglich. Immer wieder passieren wir kleine, der Ölmetropole vorgelagerte Inseln mit hübschen Häuschen. In dieser Idylle besitzen viele Einwohner von Stavanger ein Wochenend-Domizil.
Hier ein kleiner Leuchtturm …
… dort sattgrüne Einsamkeit mit wunderschönen, von der Natur geschaffenen "Stein"-Gärten.
Nach Momenten des "Durchatmens" nimmt unser Boot wieder rasante Fahrt auf bis zur nächsten "Verschnaufpause", als wir an der Steuerbordseite eine Lachsfarm passieren.
Bevor wir wieder volle Geschwindigkeit erreichen, verlagere ich meinen Standort zum Heck. Dorthin, wo das Fjordwasser ordentlich verquirlt, mit weißen Schaumkämmen versehen wird und die davonwehende Gischt Regenbögen im Miniformat bildet, während die Flagge der norwegischen Post fröhlich im pfeifenden Wind weht.
Segeln unter skandinavischer Sommersonne …
Forsand kommt in Sicht, ein kleiner Ort mit knapp 1.200 Einwohnern, gelegen auf einer nasenförmigen, mit einer "Warze" versehenen Landzunge, deren etwas eigenwillige Form sich jedoch erst aus der Luft offenbart.
Hier, zwischen Forsand und dem genau gegenüber am anderen Ufer des Høgsfjords gelegenen Oanes, zweigt ein "Arm des Meeres" ab: Nun liegt ER vor uns - der Lysefjord.
Der "Fjord des Lichts" oder auch der "Helle Fjord" ist rund 40 Kilometer lang und der südlichste Fjord Norwegens. 500 Meter beträgt seine tiefste Stelle. Das Gestein hier ist ein besonders helles, es gab dem Lysefjord einst seinen Namen. Bekannteste Sehenswürdigkeiten sind der Preikestolen sowie der Kjerag mit seinem Wahrzeichen "Kjeragbolten" - eine große, in einer Spalte eingeklemmte Steinkugel, die ganz Schwindelfreie mit einem kühnen Sprung betreten.
Die einzige den Lysefjord überquerende Brücke befindet sich direkt an seinem "Eingang" - die "Lysefjordbrua", eine 639 Meter lange und erst in der Mitte der 1990er Jahre gebaute Hängebrücke.
Nun geht es los: Wir befahren den südlichsten Fjord Norwegens. Geheimnisvoll wirkt er … Schroff und sehr steil …
Fortsetzung folgt …
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