Freitag, 10. August 2018
Irgendwann … Gegen 02:00 Uhr … Kein Schaukeln unserer Luna, aber heftiger Wind, der durch die nur einen kleinen Spalt geöffnete Balkontür heult. Also sperre ich die frische Seeluft kurzerhand komplett aus und schließe die Tür.
Es ist so gegen 05:00 Uhr, als ich erneut erwache. Draußen graut der Morgen - im wahrsten Sinne des Wortes. Und mir graut´s auch, denn vor meinem Balkon ist wieder einmal alles - na, was wohl?! Richtig: grau. Doch unsere Luna liegt ruhig im Wasser. Ob es stürmt, kann ich weder hören - die Balkontür ist ja zu - noch sehen, denn von womöglich weißen Schaumkämmen, die ich heute Morgen eigentlich erwartet hätte - keine Spur.
Ein Blick auf die Seekarte zeigt mir, dass wir uns ein ganzes Stück südlich der Südspitze Norwegens befinden. Etwas nordöstlich von uns befindet sich "Kap Lindesnes", der südlichste Zipfel des langgezogenen, zerklüfteten Landes. "My Endless Love" - schon wieder so weit entfernt von mir.
Gegen 07:00 Uhr stehe ich schließlich auf. Ja, ja, ich weiß. Wir haben Seetag. Wer steht da schon freiwillig so früh auf?! Ich, denn ich habe nachher eine Verabredung im Spa - die letzte Wellness-Anwendung meiner Reise wartet.
Der Himmel ist nach wie vor total grau, im Osten ein dürftiger Sonnenaufgang, doch am Horizont überall graue Suppe, aus der Regen fällt.
Da ich nachher unter anderem gleich auch auf dem Bauch liegen werde, gibt´s heute erst einmal nur ein "kleines Frühstück" mit Meerblick - auf die graue Nordsee.
Herrlich, diese Ruhe. Im gesamten Restaurant bin ich nahezu die Einzige zu dieser frühen Seetagszeit.
Kurz vor 8 schwebe ich hinauf in den "Body & Soul Spa" auf Deck 12. Noch einmal genieße ich den mich sofort nach Eintritt in den Wellnesstempel umfangenden angenehmen Duft nach Meer, Vanille, Tiaré und was es sonst noch so an "Düften des Orients" gibt.
Nach einer kurzen Wartezeit entführt mich meine asiatische Therapeutin in den Raum "Shiva". So, so, der "Glückverheißende", einer der Hauptgötter des Hinduismus, wird mich also bei meiner rund 50-minütigen Anwendung "St. Barth Sensation" begleiten.
"Wenigstens einmal St. Barth muss auf jeder Reise sein", sage ich mir immer, wenn ich in der Vorfreude auf meine nächste gebuchte Reise mein Ausflugs- und Wellnessprogramm zusammenstelle. Schon einige der paradiesischen Anwendungen habe ich getestet, so fiel meine Wahl dieses Mal auf "St. Barth Sensation".
Die Tür wird geöffnet und da ist er wieder, der tolle Moment, in dem ich den ersten Blick ins Wellness-Paradies werfe. Ach, wie wunderschön. Das Ambiente … Der Blick aufs Meer … Die tollen und verschiedenfarbigen "Ligne St. Barth"-Produkte …
Hier werde ich mich in der vor mir liegenden knappen Stunde sehr wohl fühlen.
Zuerst bekommt mein Rücken eine ordentliche Massage. Gezeichnet von jahrelanger Computerarbeit nimmt er (und auch ich) diese Pflege dankbar an.
Danach wird mein ganzer Körper mit einer Mischung aus Creme und Öl - herrlich nach Kokosnuss und Avocado - eingerieben. Wahrscheinlich sehe ich dann ein bisschen aus wie eine Mumie, denn ich werde ordentlich in Folie gepackt und in warme Decken gehüllt. Durch die entstehende Wärme öffnen sich die Poren und die duftende Mischung kann gut einziehen.
Meine Augen werden abgedeckt und ich schlummere in den folgenden rund 15 Minuten absoluter Ruhe sogar ein bisschen ein. Leise Musik erklingt, AIDAluna lässt sich sanft von den Wellen wiegen. "Oriana" meldet sich anscheinend so ganz allmählich, denn der Wind hat schon vorhin ganz schön zugelegt.
Irgendwann meldet sich meine asiatische Therapeutin ganz leise zurück, um mich nicht zu erschrecken und ganz sanft aus "Abrahams Schoß" zurückzuholen. Ich bekomme noch eine Ganzkörpermassage, um die restliche, auf der Haut verbliebene Öl-Creme-Mischung noch ein bisschen einzureiben. Oh, wie war das schön.
Meinen Wellness-Tee genieße ich anschließend wieder im Ruhe-Bereich neben einer Palme, deren verbliebene und vollkommen vertrocknete zweieinhalb Wedel eigentlich nur noch nach Gnade in Form der endgültigen Zuführung in den "Pflanzenhimmel" schreien … Kein schöner Anblick, da hätte sich wirklich schon mal jemand erbarmen und sie entsorgen können, wenn sich anscheinend schon niemand irgendwann mal erbarmt hat, sie zu gießen …
Gegen 09:00 Uhr bin ich zurück auf meiner Kabine. Der Wind scheint immer mehr zuzunehmen, der Seegang nunmehr auch.
Die ersten Ausläufer von Sturmtief "Oriana" sehe ich mir von Deck 5 aus an, um "näher an den Wellen zu sein" … Es schaukelt mehr, dennoch ist es nach meinem Empfinden ein erträgliches Schaukeln, das mir nichts auszumachen scheint.
Das wär´s ja auch noch … Seekrankheit ist echt das Allerletzte, was ich heute brauche. Nicht, dass ich nachher zur "Inside Tour" mit Übelkeit durch den Schiffsbauch schleiche und Kapitän Tidow auf der Brücke womöglich mit grünem Gesicht gegenübertrete. Was wäre das peinlich!
Eigentlich mag ich Seegang und Sturm eher wenig. Dennoch muss ich sagen, dass ich dem Ganzen eine gewisse Faszination nicht absprechen kann. Der Sturm, wie er über die noch kleinen Wellen peitscht, den Schaum ihrer Kämme beim Brechen sofort wieder verweht und den Wellen somit einen kleinen Schleier verpasst. Das Rauschen, die Farben des Meeres - von schneeweiß bis schwarz - die unbändige Kraft von See und Wind …
Und dennoch sind wir Menschen ein Nichts, denn die Kraft und die Macht der Wellen sind so unbändig und wir sind nur ein "Spielball" des Ganzen.
Unglaublich, wie schnell sich der Sturm in der kurzen Zeit entwickelt. Kein Wunder, dass einige Zugänge zu den Außenbereichen von Deck 5 bereits gesperrt wurden.
Irgendwann tönt inmitten des stürmischen Rauschens die Stimme von Kapitän Tidow über die Bordlautsprecher: die "Morgenansage des Kapitäns an sein ´Volk´" Nunmehr - okay, es ließe sich auch nicht mehr "leugnen" - ist natürlich auch das Thema "Sturmtief" spruchreif. Wir werden es wohl sehr gut "abwettern", auch wenn die (O-Ton unseres Kapitäns) "aufwendigen Hochsteckfrisuren heute wohl kein langes Leben haben werden". Spitze, dieser Humor ... Und zum Glück gehöre ich nicht zu den Hochsteckfrisuren-Trägerinnen … Jedenfalls bin ich gleich etwas beruhigt, wenn ich was von "gut abwettern" höre. Was doch so ein eigentlich einfacher Satz bewirken kann … Gegen 13:30 Uhr werden wir Kap Skagen - die Nordspitze von Dänemark - passieren, dann wird es ruhiger. Okeeeeh, sind ja nur noch rund dreieinhalb Stunden … Die gehen auch noch vorbei …
Für mich wird es ohnehin Zeit … Zeit für einen ganz besonderen Termin an Bord … Ein Termin, auf den ich mich - auch wenn er an unserem letzten Tag an Bord stattfindet - schon die ganze Zeit sehr freue: die "Inside Tour". Eine Tour, die uns in die Tiefen von AIDAlunas Bauch führen wird - dorthin, wo kein Tageslicht mehr hinkommt. Und sie wird uns in luftige Höhen führen - und zum "Ersten Mann an Bord", denn wir werden Kapitän Tidow an seinem Arbeitsplatz auf der Brücke für kurze Zeit mal "über die Schulter gucken". Und das auf schwankenden Schiffsplanken hoch über der wogenden Nordsee … Mit Panoramablick auf die Weite der Wellen … Hach, was freue ich mich schon auf den "Ausflug am Seetag".
"Ausflugsticket" eingesteckt, dazu ein paar kleine Notizzettelchen + Stift für die wichtigsten "Eckdaten" unserer "Seetags-Tour" (das dicke Notizbuch hat jetzt mal Pause) und die kleine Kamera für ein paar "Inside-Eindrücke". Bereits bei der Buchung dieser Tour hatte ich angefragt, ob es möglich ist - außer auf der Brücke natürlich - ein paar Fotos zu machen. Ja, es sei möglich und die Kamera dürfe mit, teilte die nette und hilfsbereite Mitarbeiterin am Ausflugscounter mit.
Und schon ist es auch gleich 10:30 Uhr - eine regelrecht "magische" Uhrzeit an diesem Tag. Bedeutet sie doch, dass nun unsere "Inside Tour" beginnt. Pünktlich finde ich mich also an der "Pier 3 Bar" auf Deck 3 ein, wo sich schon einige erwartungsvolle Mitpassagiere rings um Tabletts mit lecker aussenden Appetithäppchen - "neudeutsch" auch Canapés genannt -
… sowie Gläsern, die gerade mit spritzigem Inhalt in Form von Champagner gefüllt werden, tummeln.
Hier bin ich richtig, hier fühle ich mich auf Anhieb wohl.
Rund 32 interessierte Gäste haben sich eingefunden, was mir zeigt, dass es also möglich ist, bei mehr Anmeldungen als der vorgegebenen maximalen Teilnehmerzahl von 15 Passagieren allen die Chance zu geben, an dieser Tour teilzunehmen. Bei prickelnden Getränken, Käse, Lachs- und Serrano-Häppchen (toll, der von mir im Bericht über eine frühere Reise titulierte, überall in den verschiedenen Restaurants perfekt in Szene gesetzte "Deko-Serrano" findet also direkt mal Anwendung …) kommen wir schnell ins Gespräch.
Bevor es losgeht, gibt´s erstmal noch ein bisschen "Bürokram": Jeder von uns muss eine Erklärung unterschreiben, dass er sich nicht von der Gruppe entfernt, nicht auf irgendwelche Knöpfe drückt und so weiter und so fort. Mit jeder Menge wichtiger Verhaltensregeln "berieselt", starten wir ins Inside-Abenteuer. Aufgrund der vielen Teilnehmer werden wir in drei Gruppen á 10 - 12 Personen aufgeteilt und folgen unseren Scouts.
Der Zufall will es, dass ich mich bei der Gruppe einreihe, deren Führung zunächst tief im Bauch unserer AIDAluna beginnt, bevor wir das Ende unserer Tour mit einem Besuch bei Kapitän Tidow auf der Brücke krönen. Sehr gut! Wie heißt es immer so schön?! "Das Beste kommt zum Schluss." Es ist also die "klassische" Reihenfolge einer "Inside Tour": Wir arbeiten uns von unten nach oben durch: Provision -> Wäscherei -> Brücke. Auf unserer Erkundung sind wir von Deck 1 bis Deck 11 unterwegs.
Okay, drei verschiedene "Stationen" also. Ich kann mich noch an eine "Inside Tour" vor einigen Jahren erinnern, damals noch zu Zeiten des legendären "Captain Out", als wir außerdem noch die Bühne des Theatriums "auf Herz und Nieren" prüften, die Garderobe besichtigten sowie die Main Galley. Damals … Als die Tour noch um Einiges günstiger war, eine Stunde länger dauerte, doppelt so viele "Stationen" beinhaltete und auch noch das Gruppenfoto mit dem Kapitän auf der Brücke. Das müssen wir heutzutage bei Interesse extra bezahlen.
Nun ja … Dennoch interessiert mich der Blick "hinter die Kulissen", also nehme ich die 89,95 € in Kauf, denke nicht weiter über die Preissteigerung bei reduzierter Leistung nach, freue mich stattdessen auf die vor mir liegenden zwei Stunden.
Zu Fuß und über viele Treppen sowie viele Decks (bequeme Schuhe sind übrigens bei diesem "Seetags-Ausflug" unerlässlich) geht es hinunter … Tief hinunter … In AIDAlunas "Bauchraum". Dorthin, wo niemals auch nur der geringste Sonnenstrahl den Weg durch das Gewirre aus Gängen und jeder Menge Stahl findet.
Tief unten befinden wir uns. AIDAlunas leichtes Schwanken ist hier kaum noch zu merken. Tief unten und dennoch in einer Art "Herzstück" jedes Kussmundschiffes befinden wir uns nun: auf der legendären "Hauptstraße", von der ein auf uns wirkendes regelrechtes Labyrinth aus Gängen, Ecken, Knicken nach steuer- und backbord abzweigt.
Jede "Hauptstraße" trägt den Namen des Ortes, in welchem das Schiff gebaut wurde - in unserem war es die "Meyer Werft", in der AIDAluna das "Licht der Welt" erblickte. Also wurde die Hauptstraße in "Papenburg Road" benannt.
Die abzweigenden "Nebenstraßen" tragen alle Namen bekannter großer Städte auf der ganzen Welt.
Am Eingang zu einem äußerst wichtigen "Reich" an Bord werden wir bereits vom Zweiten Proviantmeister erwartet: Gäbe es keine gut gefüllten Lagerräume, müssten wir alle auf unserer Reise hungern und dursten. Fangen wir mal ganz gesund an: mit Obst und Gemüse, bevor wir zum Flüssigen wechseln: Bier und Wein. Meine Güte, in riesigen Edelstahlfässern werden die alkoholischen Flüssigkeiten gelagert, so wie hier: 1.500 Liter passen hier hinein.
Ein etwas chaotisch wirkendes, aber perfekt ausgeklügeltes System aus Kabeln, Schläuchen, Digitaldisplays, Pumpen und Touchpads sorgt dafür, dass der Inhalt dieser riesigen Fässer innerhalb von kürzester Zeit in den Zapfstationen der einzelnen Restaurants ankommt.
Nach dem ganzen Alkohol wird´s kalt, denn wir erreichen das Kühllager. Fisch, Fleisch, Eis, Gemüse und Brötchen werden hier - fein säuberlich sortiert und getrennt - aufbewahrt. Schnell ein Foto, bevor die Linse meiner kleinen Kamera beschlägt:
Und plötzlich ist die so ferne Heimat ganz nah: "Grüße" aus meinem Nachbar-Bundesland
… auch wenn ich persönlich "Filet" mit nur einem "L" schreiben würde … (Tschuldigung, ist wohl eine "Berufskrankheit", das mir so etwas im wahrsten Sinne des Wortes immer gleich "ins Auge sticht".)
Ein Extra-Milchproduktelager gibt es auch an Bord. Schlagsahne, Vollmilch, entrahmte Milch, Butter und und und … Die Kartons stapeln sich bis unter die Decke.
Pro Reise werden übrigens zwischen 25.000 und 30.000 Eier verbraucht. Deshalb hat jedes Kussmundschiff einen eigenen Hühnerstall. Nein, das stimmt natürlich nicht. Die armen Hennen kämen ja mit dem Legen gar nicht nach. Also werden die ovalen weißen und braunen Produkte in ganz vielen Stiegen gelagert.
Das Getränkelager befindet sich auf Deck 2. Es erfreut sich großen Interesses und ungeteilter Aufmerksamkeit aller Mitglieder unserer Gruppe. Zwischen besten Weinen aus aller Welt, Prosecco und Champagner lauschen wir den Ausführungen des Zweiten Proviantmeisters.
Was jetzt noch fehlt zum Glück, ist eine Weinprobe. Da wären wir alle sofort dabei.
Wer sich auf dem Schiff mal vollkommen verausgaben und die angefutterten Pfunde abtrainieren möchte, der sollte fragen, ob er hier mal ein paar Säcke schleppen darf: Reis, Mehl oder Nudeln - abgepackt zu je 25 Kilogramm.
Auf zur nächsten Station, wo im wahrsten Sinne des Wortes "jede Menge schmutzige Wäsche gewaschen wird": die Wäscherei auf Deck 1. Nun sind wir wirklich "ganz unten" gelandet. Unter der Wasseroberfläche und fernab unseres entspannten Bordlebens. Hier wird richtig hart geschuftet - in großer Wärme und in langen Schichten, und das 24 Stunden pro Tag und sieben Tage pro Woche - das "Reich" der vielen fleißigen sichtbaren und unsichtbaren "Heinzelmännchen" des Housekeepings.
Fortsetzung folgt …
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