13. Oktober 2018 - Cagliari
Als ich rd. 6.30 Uhr aufwachte, lag Mein Schiff 3 bereits am Kai – es muss ein butterweiches Anlegen gewesen sein …
Bei meiner ersten Deckrunde war es noch dunkel.
Ein typischer südländischer Hafen lag vor uns – nicht gerade prickelnd. Die Dämmerung kam. Und unter der sich langsam verziehenden Bewölkung ragte ein Hügel empor mit der Kathedrale Santa Maria di Castello auf dem höchsten Punkt. Die sich um das Gotteshaus ausgebreitete Altstadt kennzeichnete eine enge Bebauung.
Die Azamara Journey steuerte den Hafen an. Ob es in der Stadt zu voll werden würde? In Sichtweite lag ein älterer Frachter.
Ich bin gespannt, ob er beim nächsten Anlaufen von Cagliari dort noch immer sein Dasein fristen wird …
Wir kümmerten uns um den Ernst des Lebens und strebten dem Anckelmannsplatz entgegen. Halt machten wir an der Backstube,
in der wir die Qual der Wahl hatten. Brötchen unterschiedlicher Art, Croissants, verschiedene Brotsorten. Alles herrlich frisch gebacken duftend. Neben diesem Regal noch ein sich nach unseren Beobachtungen schnell leerender Brotkorb mit dem Artisan-Brot, das nach dem ersten Kennenlernen unser Favorit werden sollte. Knackige Kruste, geschmackvolles und lockeres Inneres. Solltet Ihr zu Hause Sehnsucht nach dieser Brotsorte bekommen, müsst Ihr die Ärmel hochkrempeln und beim Singen von „In der Artisan-Bäckerei“ kneten und kneten und kneten:
https://www.schiffe-und-kreuzfahrten.de/tui-cruises/re…-schiff/143538/
So nebenbei: Wir haben es noch nicht gebacken, werden uns aber irgendwann heranwagen … Irgendwann, denn schließlich nähert sich die Weihnachtszeit mit anderen Prioritäten … und anschließend kam die immer noch bestehenden Abnehmphase ...
Zurück auf Mein Schiff – die Teller füllten sich und auch unsere Bäuche. Die richtige Voraussetzung zum Landgang. Da uns auch in den nächsten Häfen vorwiegend kulturträchtige Ziele erwarteten, hatten wir uns für Cagliari einen Mietwagenausflug in die nähere Umgebung vorgenommen. Also runter vom Schiff, mit dem Shuttle zum Hafenausgang und 10 Minuten zu Fuß zur Mietwagenstation. Nach wenigen Minuten saßen wir in einem Fiat-Panda und schnell verließen wir die Innenstadt von Cagliari. Das, was anfänglich links und rechts an uns vorbeizog, war nicht gerade attraktiv. Industrie, Zweckbauten, lange, ins Meer ragende Piers mit Ölleitungen. Auf einmal ging es nicht weiter auf der von uns ausgesuchten Straße. Das vor vier Tagen Südsardinien heimgesuchte Unwetter sorgte dafür, dass eine Brücke von den herantobenden Fluten weggerissen wurde. Ergebnis: Umleitung über teilweise sehr enge Nebenstraßen. Aber ein Gutes hatte die Umleitung: Wir sahen zum ersten Mal in einer Lagune herumstelzende Flamingos. Einfach nur schööööööööön …
Irgendwann lagen wir wieder im Plan. Wir erreichten wieder die Hauptverkehrsstraße Richtung Westen. Kleinere, sich aneinanderreihende Ortschaften sorgten dafür, dass wir nicht so richtig vorwärts kamen. Tempo 50 km/h. Zwischen den Örtchen maximal 70 km/h. Ich hielt mich daran und es begann meine Karriere als sardisches Verkehrshindernis. Wir wurden laufend überholt … aber auf einmal fuhr jemand vor uns, der noch langsamer war. Bestimmt ein Tourist …
Und so fuhren wir vor uns hin. Viel Grün an beiden Seiten der Straße; ab und zu Häuser und schließlich befanden wir uns in Pula, einem netten kleinen Städtchen mit hübschen Patrizierhäusern, teilweise von einer Blütenpracht umgeben. Pula erlebten wir recht intensiv, denn wir mussten durch die Außenbezirke, um unser erstes Ziel, die vermutlich älteste Stadt Sardiniens zu erreichen. Und schon ging es nicht weiter – wir waren vor Nora angekommen und stellten unseren Panda ab. Direkt vor uns lag der langgeschwungene Sandstrand von Nora,
den wir Richtung Ausgrabungsstätte und Sarazenenturm aus dem 16. Jahrhundert folgten.
Auf einmal wurden wir schneller – ein kräftiger Regenguss zwang uns dazu. Wir stellten uns im Eingangsgebäude zur Ausgrabungsstätte unter und erfuhren dort, dass eine Besichtigung nur im Rahmen einer Führung möglich war. Aber erst nach Regenende … Ein Blick auf die Uhr – allein die Anfahrt mit den andauernden Tempobeschränkungen kostete eine nicht zuvor eingeplante Zeit und aus diesem Grunde verzichteten wir auf den Besuch von Nora. So plötzlich wie der Regen begann verschwand er wieder. Wir auch – vom Rande des Ausgrabungsgeländes wagten wir uns Richtung Chiesa di Sant'Efisio. Nicht schlecht, dieses Kirchlein unter dem Regenbogen.
Wagten? Zunächst ja, denn wir wollten es uns auch von innen anschauen. Dann aber nein – wir wagten es nicht,
denn vor dem Kirchenportal traf sich eine Hochzeitsgesellschaft. Ganz schön schnieke angezogen. Männlein und Weiblein. Vor allen Dingen Männlein. Irgendwie erinnerten sie an Mitglieder der ehrenwerten Gesellschaft. Also schnell das Foto gemacht und Leine gezogen. Und wieder so nebenbei: Wir haben keine Vorurteile …
Und ganz schnell zurück auf die Hauptstraße 195. Nun gut, so schnell ging es nicht, denn wir mussten uns noch einmal durch Pula „quälen“. Aber dann … mit rasenden 50 km/h bzw. 70 km/h strebten wir voran Richtung Santa Margherita. Auf der linken Seite ahnten wir das Meer, denn zwischen den Kiefernwäldern führte ein Zugang nach dem anderen Richtung Ferienanlagen.
Abstecher zu einem der langen Sandstrände verkniffen wir uns leider, denn die bisherige Fahrt hatte zu viel Zeit gekostet und bei unserer Rundfahrt lagen noch einige Kilometer vor uns. Kurz vor Domus de Maria verließen wir das flachere Land. Bis Teulada ging es stetig auf der kurvenreichen Straße nach oben. Wir hätten nicht gedacht, dass Sardinien so grün ist. Leider gab es bei spektakulären Aussichten keine Haltemöglichkeiten; dort, wo es möglich war, war der Blick auf die Berge nicht gerade großartig.
Auf einer Passhöhe zeigte ein vermutlich ehemaliges Rasthaus, dass die guten alten Zeiten vorbei waren. Auf der anderen Seite der Straße konnten unsere Blicke weiter schweifen.
Von hier aus ging es bergab. Eine Serpentine nach der anderen – natürlich direkt hinter einem voll beladenen Lastwagen - bis wir wieder eine langgezogene, links vom Meer und rechts von den Bergen begrenzte Ebene erreichten. Hinter Giba bogen wir ins Landesinnere ab und es begann wieder eine Hügel- und Gebirgsfahrt. Die Straße war recht neu und gut ausgebaut. Fast immer in Sichtweite dieser neuen Straße sahen wir die alte Trasse, an der alle paar Kilometer Häuserruinen standen. Mit Sicherheit stellten sie in der guten alten Zeit Raststätten dar. Damals gab es noch nicht die Straßenflitzer – eher von Esel und Pferd gezogene Karren - und man war froh, wenn man im Schatten dieser Häuser Halt machen und die staubigen Kehlen spülen konnte. Damit war es lange vorbei – der Fortschritt kannte keine Gnade …
Leider gab es auch in dieser Bergwildnis keine Parkplätze; nur ab und zu am Straßenrand steinige Abstellmöglichkeiten, an deren Rändern es mehr oder weniger steil nach unten ging. Dass an diesen wenigen Plätzen oft gehalten wurde, erkannten wir an den Wohlstandshinterlassenschaften – Müll ohne Ende … Auch wir hielten an einer derartigen Stelle, nahmen aber unsere minimalen Abfälle mit. Nicht weit von unserem Standort überquerte eine Brücke, die Ponte Ferroviario, eine Schlucht.
Wieder ein Teil der alten Trasse. Inzwischen mit einem neuen Belag versehen – die Natur übernahm mit aller Macht die Gewalt …
Unsere Straße folgte weitgehend der Schlucht. Oben. Bis wir einen größeren freien Platz erreichten, von dem aus wieder eine Brücke über die Schlucht mit dem Rio Gutturu führte. Wir befanden uns im Naturpark Gutturu Mannu. Ein Wanderparadies mit einer eindrucksvollen Vegetation.
Gegenüber der Brücke befand sich eine Ruine.
Ein ehemaliges Straßenwärterhaus, das seit zig Jahren nicht mehr benötigt wurde. Mit Botschaften von Separatisten: Unabhängigkeit – Sardinien ist nicht Italien. Ob die Separatisten Erfolg haben werden, steht in den Sternen … Und wir schauten von diesem Standort aus nach oben.
Am 1215 erstmals urkundlich erwähnten Castillo di Acquafredda hatte der Zahn der Zeit genagt. Nur noch Reste blieben übrig – aber von unten sahen sie schon beeindruckend aus. Gerne hätten wir die Ruinen auf dem 256 m hohen Berg besucht … die u.E. knappe Zeit ließ es leider nicht zu. Also weiter – zurück nach Cagliari. Gegen 15 Uhr stellten wir unseren Panda vor der Autovermietung ab. Es war aber nichts mit der Rückgabe, denn das Büro wurde erst um 16 Uhr geöffnet. Die Zeit nutzten wir, um die Altstadt zu besuchen. Vorbei am imposanten Bahnhof von Cagliari und dem monumentalen Rathaus
strebten wir nach oben. Unser Ziel war das von einer mittelalterlichen Mauer umgürtete Castello-Viertel mit der auf dem höchsten Punkt thronenden Kathedrale. Zunächst war´s ganz gemütlich … Durch verschiedene Nebenstraßen und dann durch eine Haupteinkaufsstraße bewegten wir uns im Schatten und sahen auf einmal direkt vor uns die Stadtmauer. Uiiii – dort mussten wir hoch … Na, dann man los … nicht endende Treppen. Vorbei an alten, hohen Häusern mit dem Charme des nicht abänderbaren Verfalls, allerdings auch vielen attraktiven Lichtblicken gab es wiederholt die Chance, Blicke über Teile der Stadt zu werfen. Immerhin waren wir schon auf einer Höhe mit der Kuppel der imposanten Barockkirche Chiesa Sant´ Anna Cagliari. Aber mit längerem Ausruhen war nichts – denn bis zum „Alle Mann an Bord“ um 16.30 Uhr wollten wir noch einige interessante Stellen in Cagliari besuchen, den Panda abgeben und zurück zum Schiff eilen. Also weiter – weiter über steile Gassen und Treppen bis wir die Via Università erreichten. Dort musste es interessant sein – wir sahen nicht nur eine Menschentraube um ein Mein-Schiff-Schild … Unsere Mitpassagiere wurden von den Reiseführern informiert, dass sie vor einem Teil einer der ältesten italienischen Universitäten standen. Und zwar vor der Universitätsbibliothek. Gut – die Richtung stimmte und wir kamen am Ende der Straße auf einen riesigen Platz.
Wir standen auf der Panoramaterrasse Umberto I. Begrenzt wurde sie von den Stadtmauern und mehreren Prunkgebäuden. Ganz links erkannten wir den Torre Dell'Aquila, der Anfang des 14. Jahrhunderts als Teil der Befestigungsanlage errichtet, aber nie als solcher fertig gestellt wurde. Mitte des vorletzten Jahrhunderts wurde er in das im neoklassizistischen Stil erbaute Herrenhaus Palazzo Boyl integriert, das einst im Eigentum einer der reichsten Familien Cagliaris stand. An der Stirn der Piazza di Saint Remy gab es in guten Zeiten die Möglichkeit, durch ein Tor der Saint Remy Bastion über eine Freitreppe in die Unterstadt zu gelangen. Wir hatten die schlechte Zeit, denn aufgrund der Renovierungsarbeiten an diesem Teil der Bastion war das Tor gesperrt. Schade – oder auch nicht, denn wir wollten noch höher hinaus. Doch zunächst genossen wir den Ausblick auf Cagliari. Neben den üblichen neueren Wohnhäusern sahen wir im Vordergrund den unmittelbar an der Stadtmauer vor etwas mehr als 100 Jahren hochgezogenen Palazzo Veldes. Keine Zeit verschwenden! Der Dom, die Bischofskathedrale Santa Maria di Castello, wartete noch auf uns. Ein Stilmix, wie wir ihn selten sahen. Romanik, Barock und das, was gerade zu den Zeiten der Renovierung bzw. Erweiterung gefragt war. Die 1933 fertig gestellte Vorderfront und Säulenfassade erinnerten an den Dom von Pisa. Kein Wunder, denn Pisa beherrschte einige Jahre bis zum 14. Jahrhundert Sardinien. Ein Andenken an die Vergangenheit? Gerne hätten wir uns die – so sagt man – pompösen Innenräume angeschaut. Aber der Autovermieter und unser Schiff warteten (noch immer). Also wandten wir uns von der hellen und sauberen Fassade ab, begannen den Abstieg und nach wenigen Metern erkannten wir den krassen Gegensatz.
Am Rande des blitzsauberen Piazza Carlo Alberto mit der Statue des Franz von Assisi ein einstmals repräsentativer Palazzo. Einstmals … aber – so, wie es aussah – noch immer bewohnt. Nun aber bergab – durch eine äußerst schmale Gasse. Gut, dass es keinen Gegenverkehr gab … Gegenverkehr? Richtig – wir wurden von einem langsam fahrenden Auto passiert … Eins erkannten wir: Auf Sardinien war am Samstag Waschtag! Und noch eins: Es gab nicht wenige ehemals ansehnliche Bauten, die nicht nur Farbe benötigten …
Nur ein kleines Stück weiter änderte sich das Bild: Ein Turm strebte in den blauen Himmel. Der Torre dell`Elefante als Teil der ehemaligen, in den letzten Jahren hervorragend restaurierten Stadtbefestigung aus den guten alten Pisaner Zeiten. Öffentliche Gelder führten zum Glück dazu, dass diese Zeugen der Vergangenheit erhalten blieben.
Die Zeit drängte – keine Müdigkeit vorgeschützt! Wir erkannten, dass wir noch lange nicht auf dem Hafenniveau angekommen waren. Die Chiesa Sant´ Anna Cagliari, die wir bereits während des Schweiß treibenden Hochkletterns gesehen hatten, lag vor uns. Und wir schafften es: Kurz vor 16 Uhr erreichten wir die Mietwagenstation und erledigten die Formalitäten. Per Shuttle wurden wir zum Schiff gebracht. Zum Glück stand das Kuchenbuffet noch bereit – nach der Stärkung genossen wir ein Sonnenbad. Rechtzeitig vor dem Ablegen wurden wir zu Relingbesetzern.
Eine Unart? Nein – wir hinterließen keine Handtücher, die signalisieren sollten: Das ist unser Reich! Nein, wir erwarteten das sail-away. Zunächst bewunderten wir allerdings die sympathisch geschmückte Fähre.
Sylvester, Tweety, Tyz und Bugs Bunny beobachteten, wie unser Schiff zum Auslaufen bereit gemacht wurde. Plötzlich erkannten wir Bewegung im Wasser. Eine Delphinschule führte ihre Kunststücke vor!
Einmalig – im Vordergrund die Delphine, im Hintergrund die von der Sonne beschienene Hauptstadt Sardiniens!
Es wurde Zeit zum Verlassen des Hafens.
Langsam löste sich Mein Schiff 3 vom Kai, schob sich rückwärts in den geräumigen Hafen und dann … dann tauchten nochmals Delphine auf! Sie erfreuten uns mit ihren Tandemsprüngen und erleichterten den Abschied von Sardinien. Himmel und Sonne zeigten sich von der besten Seite, als wir langsam den Hafen verließen.
Wir folgten lange der nach und nach im Dunst verschwindenden sardischen Küste. Hunger kam auf – wir stillten ihn im Gosch. Die 3-Gänge-Menues waren sehr schmackhaft. Eine Wiederholung sahen wir als selbstverständlich an. Zwischen Gosch und „Licht aus“ gönnten wir uns Cocktails; langsam gewöhnten wir uns daran …
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