
18. Mai 2019 Oslo – Liegezeit bis 14 Uhr, Wetter: bewölkt und 13 Grad
Die
offene Gardine hat nicht wirklich was gebracht, der Himmel ist
mausgrau und so haben wir vier heute wirklich ausschlafen können.
Im Bad das übliche Chaos, duschen, schminken, sprühen und so weiter. Etwas mehr Platz ist schon, der jüngste Teil des Kleeblatts ist beim Sport und so kann sich mein Schwesterherz ganz alleine richten, während ich Mutti die Haare vor dem Spiegel schön mache. Auch eine perfekteFrisur von der Bordfriseurin übersteht die Nacht nicht ohne gekrümmtes Haar. Und Mutti ist eitel, nicht nur bei der Wahl der Kleidung, nein, auch die Haare müssen ordentlich aussehen. Manchmal schielt sie auf meine „Zotteln“ wie sie früher immer sagte. Die liegen oft kreuz und quer vom Wind und da nützt auch kein kämmen. Ich bin halt ein Windkind …Die zwei sind gestylt, jetzt noch ich und dann ab in Richtung Fahrtstuhl.
Im Buffalo das gleiche Spiel wie gestern, aber halt, eine kleine Rosinenschnecke hätte sie auch gerne. Alles kein Problem, der junge Mann bringt sie und sogar das Glas Wasser für ihre Pillen. „Also eins muss ich sagen Kinder, aufmerksam sind die schon. Wenn man sich überlegt, wie viele Leute hier ein- und ausgehen“. Sie schenkt ihm ein von Herzen kommendes Lächeln. Tja, das sind Dinge, die gefallen Mutti. Ein wenig verwöhnt werden ist doch schön. Zuhause sitzt sie alleine am Frühstückstisch und hier an Bord schmeckt das Frühstück in Gesellschaft nochmal so gut. Manchmal rutscht ihr raus „es dauert nicht mehr lange, dann muss ich wieder alles selber machen!“ Nicht nur ihr geht so, auch ich genieße es, mal nicht zu kochen und hinterher wieder die Küche zu putzen; kein überlegen was muss ich einkaufen und das Bad wird auch geputzt. Was wir denn noch vorhaben, bis das Schiff ablegt, fragt Mutti uns. Beim studieren der Hafeninfo stellen wir Kinder fest, dass wir noch keine genaue Vorstellung haben, was wir uns heute ansehen wollen. Erst mal von Bord gehen und etwas herum bummeln. Der Schirm kommt auch mit, denn so ganz geheuer ist der graue Himmel nicht.
Wieder in der Kabine, holen wir den Balkonstuhl rein, denn der hat eine hohe Rückenlehne und da kann Mutti entspannter sitzen wie auf dem Bänkchen und bequem nach draußen schauen. Die gelbe Decke aus dem Schrank benutzen wir als Auflage, alles gut und wir schwirren ab. Die Sportlerin wird sich nachher um ihre Oma kümmern und da gibt es bestimmt wieder viel zu erzählen.
Vor dem
Schiff stehen große Pfützen vom nächtlichen Regen.
Der kleine
Park sieht etwas trist aus, so ganz ohne Sonnenschein. Aber auch
dieser Moment hat was … die weißen Blüten der Kastanien stehen
stolz im Astgewirr und es ist total ruhig hier. Obwohl ich schon mal
hier war, dieses Standbild habe ich noch nie gesehen. Und da sind wir
wieder bei dem Thema „Skulpturen in Oslo“. Man findet sie
überall.
Vorbei
an imposanten Gebäuden sind wir unterhalb der Festung Akerhus
angekommen.
Am Rathaus nehmen wir uns Zeit für die Fassade. Auch hier haben Künstler ihre Spuren hinterlassen. Riesige Transparente, die ich leider nicht lesen kann, geben wohl etwas von der Geschichte des Rathauses wieder. Am 15. Mai 1950 fand die Einweihung statt, dies habe ich heraus gerätselt. Meine Schwester mit ihrem „grünen Finger“ schaut sich die Bepflanzung an meint, es würde echt gut aussehen hier.
Nächstes
Ziel ist die Rückfront des Nationaltheaters, von dem ich doch
gestern die Vorderfront schon in der Dunkelheit fotografiert hatte.
Das ganze Gebäude ist ein Kunstwerk und ebenso der Park davor. Man
weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Die reichhaltigen
Verzierungen an den Fensterbögen und über den Türen, sowie der
kunstvoll gestaltete Dachabschluss sind ein Foto wert. Ich bin ein
Fan von solchen Bauwerken und könnte ewig hier stehen bleiben.
Und
gleich gegenüber befindet sich die Universität von Oslo mit den
schlichten Säulen doch wunderschön verzierten Kapitälen. Und weil
ich dem AIDA-Kreuzfahrtlektor Axel C. Brüggemann auf einer Reise gut
zugehört habe, kann ich sagen: Es sind ionische Säulen. Ja, man
kann auf einer Kreuzfahrt noch was dazu lernen. Danke Axel. Heute ist
Samstag und der Platz ist wie leergefegt. Auch eine Uni hat
Wochenende.
Im Wind
flattern hier an manchen Stellen diese roten Flaggen und ich habe
mich schlau gemacht – wo für. Also der Abel Prisen wird
herausragenden Mathematikern verliehen – denn bei der Verleihung
des Nobel-Preises gibt es die Sparte Mathematik nicht und warum
sollen solche klugen Köpfe der Welt leer ausgehen? Am 19. Mai wurde
der Gewinner bekannt gegeben und der Preis ging erstmals an eine
Mathematikerin (Jahrgang 1942).
Am Hardrock Café ist wieder Hochbetrieb und wir zwei machen uns auf die Suche nach dem Lokal, in dem wir schon mal waren. Es lag nicht weit weg entfernt. Ein paar Häuser weiter hat eine Burgerkette einen Imbiss eröffnet und an der Fassade des Nachbarhauses hängt ein großes Transparent herunter und als ich nach oben schaue, fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Jaaa, wir haben das Haus gefunden. Ich steige hinter das Gerüst und wische am staubigen Fenster herum. Oh wie traurig, das schöne „Friday's“, innen alles voller Baustaub. Es ist geschlossen und wird wahrscheinlich nicht mehr genutzt. Wie es aussieht, wird es einer Erweiterung des Burger-Dingsbums zum Opfer fallen. Wir können uns gar nicht beruhigen, es war eine Kneipe mit einer so schönen Einrichtung, ein Ort mit Stil und jetzt …. nä. Veränderungen können manchmal weh tun.
Auch vor dem Parlamentsgebäude, das mich mit seiner Front ein wenig an italienische Baukunst erinnert, wehen die roten Fahnen. Schade, wir haben nicht so viel Zeit, sonst würden wir eine kostenlose Führung dort mitmachen können. Die Innenausstattung soll gigantisch sein.
„Oh, es ist schon halb zwölf. Wir müssen jetzt aber einen Zahn zulegen, denn um 13 Uhr sind wir zum Mittagessen verabredet und Mutti mag es nicht, wenn wir unpünktlich sind. Sie hat immer Sorge, es könnte was passiert sein. Du kennst sie ja auch!“ sage ich zu meiner Schwester. „Ja, das stimmt. Also hopppp, wir wollen wenigstens noch auf dem weißen Marmor herumlaufen!!!!“ kommt von ihr als Antwort.
Kurzer
Halt auf dem Blumenmarkt und ich muss noch in die Domkirche schauen,
wenn sie auf dem Weg liegt.
Von außen kann man die Innenausstattung kaum erahnen.
Ich mache schnell ein paar Fotos. Ist wichtig für Mutti, denn: Hier hat am 29. August 1968 König Harald seine Sonja geheiratet. Aber damals war er noch der Kronprinz. Und am 25. August 2001 hat der Sohn der beiden, Haakon seine Mette-Marit zur Frau genommen. Und über die königliche Familie weiß Mutti so allerhand. Sie wird sich sicher freuen, dass ich ein paar Fotos gemacht habe.
Man fährt viel Rad in Oslo und findet an vielen Stellen Mieträder, die auf Radler warten. Aber heute ist irgendwie nicht der Tag dafür. Es gibt eine gute Erklärung, warum auch sonst nicht viel los ist heute. Gestern, am 17. Mai war in Oslo Nationalfeiertag und wir haben viele Menschen in den traditionellen Trachten gesehen, gestern Abend. Die Stadt war in einem Ausnahmezustand. Alle Lokalitäten voll, es gab eine Parade und das Königspaar winkte vom Balkon des Schlosses. Fahnen hängen an den Häusern und die Geschäfte sind auch heute teilweise geschlossen. Auch das müssen wir unbedingt Mutti erzählen. Sicher wird sie meinen „ach, das hätte ich gerne gesehen!“ Doch das wäre wahrscheinlich kein Vergnügen gewesen, bei den vielen Menschen. Im Park vor der Oper liegen noch die Hinterlassenschaften der feiernden Menschen. „Skal“ auf das Land, auf den Nationalfeiertag und natürlich auch auf die königliche Familie.
Letzter
Halt, die Oper und wie verabredet treffen wir unser jüngstes
Mitglied der Familiengruppe. Auch sie wollte sich noch das Gebäude
anschauen und geht die Schräge hoch und winkt uns vom Dach aus zu.
Ich drehe eine Runde, beobachte die zutraulichen Tauben und mach ein
paar Aufnahmen von der Luna.
Auf der Kabine ist Mutti startklar und so machen wir uns auf den Weg ins Weite Welt Restaurant. Lecker, was da wieder alles angeboten wird. Ich schau kurz runter ins Marktrestaurant und dann sehe ich ihn, „meinen“ Koch Georgi. Mir geht das Herz auf, auch er hat mich gleich erkannt und winkt mir zu. Er hat mir schon so manches Gericht auf einer anderen Reise gezaubert. Die Wiedersehensfreude liegt auf beiden Seiten und sofort kommt von ihm „Vanille oder Mango“. Ich nicke und sage Mango und schon ist er fort und kommt mit dem laktosfreien Mangoeis zurück. „Dankeschön, ich komme gerne wieder und ich hoffe, du gewinnst wieder den „Lächelmoment“ der Reise!!!“ Er lacht und wendet sich wieder seiner Arbeit zu, an der Diätecke (sprich Allergikerkost) gibt es immer was zu tun.
Nach dem
Mittagessen trinken wir im Cafe Mare noch ein Tässchen Cappuccino und
ich einen Espresso und dann heißt es Platz nehmen in der Kabine zum
Auslaufen aus dem Hafen von Oslo. Meine Schwester hat wieder ihre
Lautsprecherbox aufgestellt und wir summen „Sail away“ zum Regen.
Nun sind es 515 Kilometer bis nach Kopenhagen und dort soll die Sonne
scheinen. Hoffentlich!!!!!!!!!!!!!
Ich stehle mich hinweg und besuche die Reiseberater auf Deck 9, gleich am Theatrium. Ihr ahnt schon weshalb oder? Genau, gestern haben wir mal so im Katalog geblättert, aber so, dass Mutti davon nichts mitbekam und wir 3 entschieden uns für eine gemeinsame Reise im Mai 2020. Wieder eine Kurztour – nein, nicht nach Eidfjord, sondern auch wieder in eine Metropole, in der eine königliche Familie zu Hause ist und von der Mutti begeistert erzählen kann. Es geht zum zweiten Mal nach Stockholm und Gotland. Die Schärengärten voriges Jahr haben ihr auch gefallen und für mich wird es wieder neues Fotomaterial für ihr Reisebuch geben. Die gewünschte Kabine ist noch frei, Unterschrift – Reise ist gebucht. Für Mutti bekomme ich Pralinen geschenkt und für uns drei Mitreisenden gibt es jeweils einen kleinen Schlüsselanhänger. Ich mache mich auf den Rückweg und überreiche ihr die Dose mit den feinen Pralinen. „Mutti, schönen Gruß von der Reiseberaterin und sie freut sich, dass du wieder eine Kreuzfahrt machen wirst!“ „Waaaaaaaaaaaaaaas, wie, wohin und wann?“ kommt es von ihr als Antwort und dann lassen wir die Katze aus dem Sack und werden nachher auf die Buchung beim Abendessen anstoßen. „Kinder, ihr seid schon verrückt oder?“ „Ja, da könntest du Recht haben – liegt in der Familie, Mutti. Du bist dann 90 Jahre und kannst der Reise gelassen entgegen sehen. Alles wird wieder organisiert und vorbereitet und du kannst die Tage an Bord unbeschwert genießen. Das hast du verdient!“ Die anderen beiden nicken zustimmend und Mutti strahlt über das ganze Gesicht. Nun kann sie sich wieder ein Jahr auf eine Reise freuen, das tut ihr gut. „Und hoffentlich hast du Sonnenschein mit dazu gebucht“, ist ihr abschließender Kommentar zu der Überraschung.
Beim Abendessen stoßen wir auf die Reise an und dann geht Mutti mit der Enkeltochter zusammen zum Bingo. Die Enkeltochter ist in guten Händen, denn im Seniorenkreis hat Mutti schon oft Bingo gespielt und hat so manche nette Sachen gewonnen. Meine Schwester und schauen nochmal in der Shoppingwelt rein und als wir in die AIDA-Bar kommen, werden gerade die Gewinner bekannt gegeben. Juhuuuu, die Enkeltochter hat beim Bingo nicht nur Sekt gewonnen, sondern auch noch einen Geldbetrag, den sie gleich im Fotoshop verbrät, so sagt man es doch? Mit der neuen Sofort-Bildkamera macht die Fotografin das erste Bild von uns dreien und das ist doch ein super Erinnerungfoto für Mutti, das wir ihr gleich in der gemütlichen Luna-Bar überreichen. Sie sitzt gerne dort in den schönen ledernen Drehstühlen und hat von dort aus ein wenig dem Schlager-Event „Ich finde Schlager toll“ mit AIDAStars zugeschaut.
Nach so viel action ist jetzt erst mal Pause angesagt. Wir gehen gemeinsam auf die Kabine und besprechen, was wir morgen machen werden. Vormittag wird der Koffer gepackt, leider und wenn das Schiff in Kopenhagen ankommt, ist Landgang angesagt. Mutti hat es sich bequem gemacht und den Fernseher angeschaltet und wir? Wir gehen noch ein wenig in die AIDA Bar, dort spielt die Band „Soul Machine“ zum letzten mal auf dieser Reise. Ab morgen ist eine neue Band an Bord. Wir tanzen etwas, trinken einen kleinen Absacker und dann heißt es auch bald Licht aus und Gute Nacht.
Dieses Bild wird mir in Erinnerung bleiben ... "Mutter und Kinder"
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