18. August 2018 – Santorini
5.30 Uhr – ich suchte nach dem Rezept wach zu werden. Schwierig in der Dunkelheit. Aber ich fand es. Und es gelang mit dem Wachwerden. Schließlich wartete der nächste Höhepunkt dieser Kreuzfahrt auf uns. 30 Minuten später hatte ich in der Außenalster meinen Pott Cappuccino in der Hand und genoss beim Anpirschen an die Insel die sich am Caldera-Rand wie Perlenketten anschmiegenden Lichter. Es wurden mehr und mehr … Noch lag kein weiteres Kreuzfahrtschiff in der Caldera. Während des schnellen Frühstücks kam die Dämmerung und wir konnten die Ortschaften Oía und Firá hoch oben auf dem steil ins Wasser fallenden Kraterrand erkennen. Als wir gegen 7.30 Uhr per Tender in Athinios an Land gebracht wurden, war unser Mein Schiff noch immer der einzige Kreuzfahrtdampfer in der Caldera. Unser Tagesausflug „Santorin an einem Tag“ begann mit einer Busfahrt über eine steil ansteigende Serpentinenstraße. Viel Gegend gab zu sehen – Felder mit dem vorherrschenden Farbton braun. Ab und zu kleinere Häuseransammlungen. Der eine oder andere Blick Richtung Caldera. Leider nicht so toll, wie wir es von den Postkarten kannten. Es war diesig – blauer Himmel und Sonne waren einfach nicht vorhanden. Schließlich erreichten wir unser erstes Tagesziel – die archäologische Ausgrabungsstätte Akrotiri. Das Pompeji oder auch Herculaneum von Santorini.
Versetzen wir uns etwas mehr als 3.500 Jahre zurück. Unterhalb des heutigen Dorfes Akrotiri befand sich ein lebendiger Handwerks- und Handelsstützpunkt. Wie groß der Ort war und wie viele Einwohner er hatte, konnte auf dem Stand der aktuellen Ausgrabungen nicht bestimmt werden. Erdbeben waren die Bewohner gewohnt; Zerstörungen wurden so schnell wie möglich beseitigt. Bis sich vor etwa 3.500 Jahren eine Katastrophe durch ein stärkeres Erdbeben ankündigte. Steinerne Treppenstufen brachen.
Die Bewohner nahmen die Warnung durch das Erdbeben ernst. Sie verluden ihr wertvolles Eigentum, Werkzeuge und wichtige Dinge des Lebens in ihre Boote und verließen die Insel. Zum Glück rechtzeitig, denn der einige Monate später erfolgte starke Vulkanausbruch hätte sie vernichtet. Der Vulkan schleuderte zunächst alles überlagernden Bimsstein über die Insel – Schichten bis zu 7 m Dicke schützten dann die Siedlung vor dem, was anschließend kam – Asche und riesige Lavabrocken. Lange andauernder Starkregen nach dem Vulkanausbruch spülte Schlamm und Asche in die Hohlräume der Siedlung – besser konnte nicht konserviert werden.
Akrotiri wurde vergessen. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts ein für ein Bauunternehmen arbeitender Geologe, der für den Bau des Suezkanals (schon wieder!) Bimsstein und Santorinierde abbauen ließ, auf uralte Mauerreste und Scherben stieß. Das sprach sich in Archäologenkreisen herum und Fachleute interessierten sich für diese Gegend. Allerdings dauerte es weitere 100 Jahre bis sich Altertumsforscher schwerpunktmäßig für die an diesem Ort verschwundene Kykladenkultur interessierten.
Deren Ausgrabungsergebnisse begutachteten wir. Unser Führer informierte uns während des Rundgangs sehr umfassend – für meine Begriffe fast zu ausführlich, aber trotzdem anschaulich - über die Erfolge der Archäologen und zeigte auf, wie fortschrittlich die Akrotiri-Bewohner waren. So waren in den Häusern Toiletten mit Wasserspülung nichts Ungewöhnliches.
Genug gesehen von urgeschichtlicher Kultur. Also weiter mit dem Bus. Eine halbe Stunde Busfahrt lag vor uns. Abwechslungsreich. Ab und zu Meerblick. Typisch santorinische Dörfer. Sich aufgrund der oft herrschenden starken Winde an den Boden schmiegende Weinpflanzen. Kirchen im typischen Blauweiß.
Und dann ging es wieder bergauf. Langsam und nicht sehr kurvenreich. Bis wir oben auf dem höchsten Berg der Insel Profitis Ilias ankamen. Nun gut, fast oben … Wir erreichten nicht ganz die „Spitze“ von 568 m, denn sie war mit einer nicht zugänglichen Radarstation belegt. Auch wenn sich das noch ein wenig trübe Wetter nicht von der besten Seite zeigte, war der Rundumblick beeindruckend.
Wir bemerkten, dass unser Mein Schiff 3 nicht mehr der einzige Dampfer in der Caldera war. Die von der Sonne angestrahlte Celebrity Reflection machte sich breit … Oder hatte sie ihre Aufgabe erfüllt, nämlich die Sonne mitgebracht? Wir sollten es später erfahren … Inzwischen war schon einige Zeit nach unserem frühen und schnellen Frühstück vergangen. Das hatten unsere Ausflugsorganisatoren berücksichtigt und einen Stopp bei der Santo Wines Winery oberhalb von Firá eingelegt.
Das, was wir bei unserer Ankunft sahen, beeindruckte sehr. Eine Blumenpracht! Dann der nächste Höhepunkt: Von der Außenterrasse hatten wir einen unbeschreiblich schönen Panoramablick auf die Caldera! Der Postkarten – und Fernsehausblick.
Losreißen und sich dem Zweck der Übung widmen! Wir kosteten drei verschiedene Weine – von trocken bis süß = Dessertwein - und neutralisierten zwischen den Proben den Geschmack mit Käse, Oliven und Brot.
Und schauten natürlich immer wieder nach unten … Was war denn das? Vermehrung der Kreuzfahrtschiffe im Dunst? Tatsächlich – die Celestyal Crystal schickte sich an, ihre Passagiere an Land zu bringen und für eine weitere Übervölkerung der Insel zu sorgen.
Die Teilnehmer unseres Ausflugs waren so nett und machten Platz – Platz für die Massen, die von den beiden anderen Schiffen kommen sollten und auch den außergewöhnlichen Ausblick von der Aussichtsterrasse genießen oder die Wahrheit im Wein suchen wollten. Das nächste Ziel war DER Touristenmagnet Santorinis. Oía wartete auf uns und unübersehbare Mengen von Touristen, die vor und nach uns den Ort betreten durften. Oía – wie spricht man das aus? Ganz einfach – man muss nur Eselslaute imitieren. Iaaaaaaaaaaaaaaa! Übrigens sahen wir bisher nur einen der in früheren Zeiten massenhaft auf der Insel lebenden Grautiere.
Wie Akrotiri litt Oía unter einem Erdbeben. 1956 geschah es und der Ort wurde fast vollständig zerstört; die Vulkane waren immerhin so freundlich, nach den Eruptionen zu ruhen. Nicht lange nach dem schlimmen Ereignis spuckten die Insulaner in die Hände und bauten Oía wieder auf. Und zwar im traditionellen Kykladenstil. Vorwiegend schneeweiße und sich an den Steilhang klammernde Häuser. Im ganzen Häusergewimmel viele auch genauso weiße Kirchen mit blauen Kuppeln – das, was Oía so bekannt und attraktiv machte. Enge Gassen, die an normalen Touristentagen nur ein zentimeterweises Vorwärtskommen ermöglichte. Zumindest auf den hauptsächlich frequentierten Wegen. Wir waren an einem normalen Touristentag in diesem Postkartenort.
Der Bus wurde am Ortrand abgestellt und wir wurden von der Reiseleiterin zu einem schon stark bevölkerten Platz vor der Ekklisia Panagia Platsani geführt.
Wir erhielten Tipps, was man sich auf jeden Fall in der folgenden freien Stunde in Oía anschauen sollte. Und los ging´s … Die Kirche in Rücken und in die Hauptgasse hinein. Die Absicht, so schnell wie möglich die bekanntesten Aussichten der Stadt vor die Linse zu bekommen, ließ sich nicht verwirklichen. Schleichtempo … es war rappelvoll. Dafür konnten wir die wenigen typischen griechischen Andenkenläden genießen; die attraktiv gestaltete Bücherei zog viele Touristen an.
Schon vorher war uns aufgefallen, dass sich sehr viele festlich gekleidete Mitmenschen fernöstlichen Ursprungs unter die Touristenmeute gemischt hatten. Die Damen in weißen oder auch farbigen Brautkleidern, die Herren in meist dunklen Anzügen. Teilnehmer einer Massenhochzeit? Vermutlich … Zwei von ihnen und zwar Weib – und Männlein hielten sich an einem Punkt mit äußerst spektakulärer Aussicht auf. Er fotografierte sie mit seinem Handy. Einmal, zweimal, dreimal, …, x-mal … Hinter mir bildete sich schon eine lange Schlange Fotografierwilliger. Ich schaute mir alles ca. fünf Minuten an und bemerkte sehr höflich in meinem besten erweiterten Schulenglisch, dass noch viele andere das Panorama fotografieren wollten. Keine Reaktion vom Brautpaar. Weitere Fotos. Hinter mir wurde es immer unruhiger. Vor mir nicht … im Gegenteil – man schaute sich in Ruhe die bisherigen Fotos an … Eine Minute, zwei Minuten. Dann waren die Selfies an der Reihe. Herrlich! Eins und noch eins und noch eins … bis zum Höhepunkt: ein Selfie mit den weinrot/goldenen Reisepässen in der Hand. Das brauchte man eben – und mir reichte es. Freundlich lächelnd stellte ich mich neben dem Brautpaar. Ob die Selfieorgie fortgeführt wurde? Keine Ahnung … aber immerhin verschwand das glückliche Brautpaar mit einer Unmenge gleichartiger Fotos belastet und nicht nur ich kam endlich dazu, das Panorama ohne im Bild stehende Personen festzuhalten. Ging doch …
Wir schauten uns weiter um. Mal´ einen Blick zurück … und dann wieder nach vorne …
Es war schwierig zu entscheiden, worauf man sich als nächstes fokussieren sollte. Alles vor, hinter, neben, um uns herum war traumhaft schön! Wir genossen es und erkannten nach einigen Metern, dass sich die Menschenmassen Richtung Ruine des Kastells von Argyri schoben. Die alternative Gasse war relativ leer. Also hinein – und wir bereuten es nicht! Kein Mensch stand im Bild! Und das an diesem Tag im übervölkerten Oía! Eine herrliche Stille. Ein Kirchlein, das auch durch die Ruhe wirkte …
„Hinterhöfe“ ohne Menschengewimmel. Die Eigentümer oder auch Mieter warteten bestimmt darauf, dass sich kein Tourist in diese pittoresken Ecken verirrte. Die Windmühle, die gegen blauen Himmel immer eine Aufnahme wert war.
Die Blütenpracht, die zusätzliche Kontraste zu dem Blauweiß gab.
In diesem beschaulichen Teil Oías hätten wir die Zeit vergessen können. Wir durften es leider nicht, denn wir wollten noch mehr sehen. Also zurück. Zurück in das Getümmel. Und wir wurden belohnt! DAS Oía-Panorama … gab es Schöneres??? Auch das Häusergewimmel auf der anderen Seite war nicht ohne.
Fotos, gemacht von einem Platz, der einen optimalen Blick auf Oía bot. Von den Ruinen des Kastells aus. Noch ein Blick zurück und wir mussten uns in Richtung des Busparkplatzes durch die Menschenmenge quetschen. Eins nahmen wir mit: Oía musste man gesehen haben …
Der Bus fuhr planmäßig ab – alle Mitfahrenden waren pünktlich. Die weiß-blauen Panoramen lagen zunächst hinter uns. Wir freuten uns aber auf unser nächstes Ziel – Firá. Weit war´s nicht. Die Straße verlief in der Nähe des Kraterrands. Der Ausblick auf die Caldera hatte schon einiges. Das wussten auch Investoren, die an hervorragender Stelle Ferienhäuser hochziehen ließen. Ferienhäuser in Form von Windmühlen. Romantik pur … oder auch nicht …
Wie in Oía wurden wir in Firá am Ortsrand aus dem Bus „gescheucht“. Wie in Oía herrschte in Firá Hochbetrieb. Schon vor dem Erreichen des Ortskerns begann das Gedränge. Gerade deshalb war es wichtig, dass wir informiert wurden, wie wir zur Bergstation der Kabinenbahn kommen sollten. So geschah es auch. Wir hatten vor, uns den Ort ausgiebig anzuschauen. Wir begann an der Kathedrale Mitrópoli. Es war eine orthodoxe Kirche, auch wenn sie stark an eine Moschee erinnerte. Ihr Vorgängerbau wurde 1827 nach dem Vorbild der Hagia Sophia errichtet. Eine Spitze gegen die lange in Griechenland herrschenden Türken? Kann sein … Beim 1956er Erdbeben wurde das Gotteshaus stark beschädigt und schnell wieder aufgebaut. Es entstand – innen und außen – ein Prachtbau. Direkt neben der Kathedrale fühlten wir uns beobachtet. Drei stocksteife Gestalten saßen auf einem schneeweißen Haus bzw. auf Donnerbalken.
Wir mussten kein schlechtes Gewissen haben und schlenderten gemütlich weiter. Aber nicht lange, denn am rechten Gassenrand begann eine Menschenschlange. Eine sehr, sehr lange Menschenschlange. Misstrauisch fragten wir: „Stehen Sie für die Kabinenbahn Richtung alter Hafen an?“ Die Antwort konnten wir uns vorher denken … Und reihten uns ein. Mit einer längeren Besichtigung Firás war also nix … Langsam, sehr, sehr langsam bewegten wir uns vorwärts. Zentimeterweise. Immerhin lernten wir Mitreisende näher kennen und wir tauschten uns über unsere bisherigen Kreuzfahrten aus. Und über aktuelle Erfolgserlebnisse – die Schlange hinter uns wurde immer länger … grins … Einen Vorteil hatte das Anstehen: Wir konnten uns in Ruhe die Umgebung anschauen. Umgebung? Eher von schönen, klarlinigen Portalen unterbrochenen Mauern. Nach einigen Minuten erreichten wir den Zugang zum Eselspfad. Sollten wir uns wagen, der Schlange ein Schnippchen zu schlagen und mit den Eseln um die Wette auf dem Serpentinenweg Odós Spyridon Marinátos mit läppischen 587 Stufen nach unten zu „stiefeln“? Nee, wir waren zu faul. Und wir wollten nicht in die natürlichen, von den Eseln produzierten Tretminen tapsen …
Also weiter Fußbreit um Fußbreit nach vorne schleichen. Und sehnsuchtsvoll von fern die Catholic Cathedral Church of Saint John The Baptist anschmachten. Wir wussten, dass es vom Zugang zur Kirche nicht mehr weit bis zur Bergstation war … Es war einfach nicht zu glauben – nach weiteren 45 Minuten erreichten wir den Zugang zur Seilbahn. Herrlich … wie auch der Blick nach unten. Ein weiterer Dampfer. Die Norwegian Star sorgte für zusätzliche Verstärkung. Das vierte Schiff in der Caldera. Kein Wunder, dass in den Touristenorten ein derartiges Gewusel herrschte … Worauf wir so lange warteten, war nach wenigen Minuten erledigt. Wir standen unten an der Talstation und schauten nach oben. Auf dem Treppenweg war einiges los … Warum auch nicht …
Wir wandten uns dem alten Hafen zu und schritten richtig motiviert voran. Mit einem Grinsen vorbei an der laaaaaaaaaaaaangen Schlange vor der Talstation der Seilbahn …
Am Kai schaukelten einige Ausflugsboote vor sich hin. Nicht für uns. Wir brauchten Bewegung! Im alten Fischerhafen ruhten sich die Boote vor der nächsten Ausfahrt aus. Malerisch … Irgendwann ging es nicht weiter. Also zurück Richtung Tenderboot, das uns zügig auf unser Schiff brachte. Und uns damit eine kleine Mahlzeit. Mit einem Eis zum Nachtisch …
Dass wir weiter das Naturkino genießen wollten, versteht sich von selbst. Der steil emporragende vulkanische Fels. Tender- und Ausflugsboote.
Die immer noch bestehende Menschenschlange vor der Seilbahnstation. Das fünfte (!) in die Caldera eingelaufene Kreuzfahrtschiff Celestyal Olympia. Die sich für den Untergang bereit machende Sonne, die die Berghänge besetzenden und übergangslos sich verschachtelnden Orte Firá, Firostefáni und Imerovígli anstrahlte. Die Sonne gab wahrhaftig ihr Bestes! Bis sie verschwand und die Dämmerung kam. Mit einer sich nach und nach entfaltenden Lichterwelt am Kraterrand. Und wenn ich es wiederhole: Es war wuuuuuuuuuuuuuuunderschön! Auch die Kreuzfahrtschiffe in der Caldera …
Ein wenig später als vorgesehen ließ Kapitän Lyddby kurz nach 19 Uhr Unser vom Mond beschienenes Schiff 3 aus der Caldera gleiten. Wir fuhren an den drei Hauptorten vorbei und auch das beleuchtete Juwel Oía grüßte uns zum Abschied. Zeit zum Abendessen. Wieder im Anckelmannsplatz mit einem zusätzlichen kleinen, aber ausgezeichneten Fischbuffet. Nach einigen Runden an der frischen Seeluft blieben wir in der Außenalster hängen. Aber an diesem lauschigen Abend nicht zu lange …
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