21. Oktober 2018 – Souda/Kreta
Tja, als ich vom Oberdeck aus auf Kreta schaute, war von der in die Adern dringende Kraft nicht viel zu spüren. Es war dunkel. Der hinter der Fährhafenstadt Souda aufsteigende Hügel war nur anhand der Lichter am Hang zu erkennen. Mehr nicht. Eine halbe Stunde später verstärkte sich die Kraft – die Sonne kam zögernd heraus und sie wies auf der Backbordseite auf viel Grün, Felsbrocken und dazwischen liegende Häuser. Und auf leicht auf dem Meer schaukelnde Segelschiffe. Das, was wir auf der Steuerbordseite sahen, war nicht so toll. Hafenanlagen, Industrieobjekte und größere Wohnhäuser. Alles vor dem ansteigenden Bergrücken.
So, g.g. = genug geguckt! Auf zum Frühstück und anschließend per Bus nach Chania (Haltstelle Souda direkt vor dem nahen Hafenausgang; Haltestelle Chania an der Markthalle – in etwa am Rande der Altstadt; € 1,70 p.P. und Strecke).
An Kreta und damit auch an Chania „übten“ sich seit Beginn unserer Zeitenrechnung viele Reiche. Zunächst das römische Reich, anschließend nach der Teilung des römischen Reiches Byzanz. Knapp 450 Jahre stand Kreta unter der Fuchtel des Stadtstaates Venedig bis die Osmanen das Zepter übernahmen und vor etwas mehr als 100 Jahren an Griechenland abgaben.
Besonders die venezianische und osmanische Zeit prägten das Stadtbild Chanias. Wir überzeugten uns davon. Doch zunächst wurden wir nach dem Verlassen des Busses vom martialisch aussehenden Freiheitskämpfer Kostaros Boludakis begrüßt. Er wies uns den Weg zu unserer ersten Besichtigungsstation – zu der 1913 eröffneten Markthalle.
Sinn und Zweck des für die damalige Stadtbevölkerung ungewohnten Neubaus war die Konzentration der wichtigsten Geschäfte für die Nahversorgung und für Dienstleistungen wie Friseure unter einem Dach. Vorher fanden Verkauf und Frisieren unter freiem Himmel statt. Auch wenn an diesem Sonntag nicht alle Geschäfte geöffnet hatten, zogen uns die Angebote in ihren Bann. Der Fischstand. Der von uns ein wenig geplünderte Gewürzladen.
An diesen Köstlichkeiten gingen wir ganz schnell vorbei … und befanden uns auf einmal vor einem für die anstehenden Touristenströme geöffneten Restaurant.
Schön bunt – dieses Mal nicht typisch griechisch hellblau. Nicht weit davon standen wir plötzlich auf einem großen Platz und vor uns baute sich die „Kathedrale der drei Märtyrer“ auf.
Die griechisch-orthodoxe Hauptkathedrale Chanias wurde auf den Fundamenten einer Vorgängerkirche errichtet; während der osmanischen Besetzung war in ihr eine Seifenfabrik untergebracht und sie wurde 1860 erneut als Kirche geweiht. Das Kircheninnere zeigte die Merkmale eines orthodoxen Gotteshauses mit der typischen Pracht. Der Kirchenplatz lag am Rande einer sich allmählich belebenden Geschäftsstraße. Laden an Laden, wobei wir nicht immer erkennen konnten, was einzelne Inhaber anzubieten hatten …
Da wir an den Vortagen bereits einige Stadtmauern gewürdigt hatten, wollten wir uns auch in Chania die Reste der Wälle anschauen. Diese Befestigungen wurden angesichts der Osmanengefahr Mitte des 16. Jahrhunderts hochgezogen. Sie schlossen die sich über die den Stadtteil Kastelli umgürtende venezianische Mauer mit ein. Leider war der Zugang auf die Stadtmauer wegen Bauarbeiten nicht erlaubt. Schade, denn von dort oben hätten wir bestimmt einen guten Ausblick auf die gesamte Altstadt gehabt.
Dass nicht nur die Osmanen einstmals sakrale Bauten anderweitig genutzt hatten, zeigte sich an einem Gebäude in einer Nebenstraße.
Auch auf Kreta widmeten die Griechen nach ihrer Unabhängigkeit im Zuge des Bevölkerungsaustausches zwischen Griechenland und Türkei Moscheen um.
Uns drängte es Richtung Wasser. Und zwar zum venezianischen Hafen. Auf dem Weg dorthin wurde bestätigt, dass Chania vom Tourismus profitierte. Wir kamen an vielen kleinen lauschigen Stellen mit Wohlfühl-Restaurants vorbei.
An diesem Tag kamen mit Sicherheit viele Besucher. Z.B. von der auf Reede liegenden Azamara Pursuit.
Die Tenderboote fuhren pausenlos hin und her … und spuckten die Passagiere aus. Viele von ihnen spazierten auf der Hafenpromenade und schauten sich wie wir die Hassan-Pascha-Moschee an. Wir zunächst allerdings aus der Ferne.
Sie wurde kurz nach der Eroberung Chanias auf Veranlassung des ersten osmanischen Garnisonsführers, Küçük Hasan Pascha, gebaut. Nach dem Bevölkerungsaustausch wurde ziemlich schnell das dazu gehörende Minarett abgerissen; anschließend wurden die Räumlichkeiten als Lagerhaus, Museum und Informationsbüro des Fremdenverkehrsvereins. Irgendwann erkannte man, dass die Osmanen auch zur Geschichte Kretas und damit auch Chanias beigetragen hatten; das Gebäude wurde restauriert und für Ausstellungen genutzt. Bis wir vor der ehemaligen Moschee standen, dauerte es noch ein wenig. Wir schauten uns zunächst die andere Seite des Hafenbeckens an. Die Promenade wurde von Restaurants gesäumt. Eins neben dem anderen.
Endlich das griechische Hellblau!
Bevor wir eine Ecke der alten venezianischen Stadtmauer erreicht hatten und faule Hunde umrunden mussten, fassten wir beim Anblick des Leuchtturms einen Entschluss – dort mussten wir hin! Auch wenn nicht nur wenige Meter bis dorthin vor uns lagen … Machte nix, denn wir hatten nicht nur Urlaub sondern auch Zeit und konnten uns auf dem Weg dorthin immer wieder ausruhen. Gelegenheit gab es genug wie auch Bänke am Hafenrand. Eine Bank gehörte uns und auf ihr in Ruhe sitzend hatten wir einen guten Rundumblick. So auf die sich auf der Mole befindlichen Reste der alten Kommandantur St. Nikolaus von der Mole. Oder hinter uns auf ein Restaurant, bei dem niemand Angst vor Nachkommen von Frankenstein zu haben brauchte … Knobi en masse …
Rechts von uns fristeten seit 1497 von den Venezianern errichtete Arsenale ihr Dasein, in denen Schiffe gebaut und Kriegsmaterials gelagert wurden und im Winter Galeeren Schutz suchten.
So, genug ausgeruht! Weiter! Aber nicht zu weit, denn wir mussten einen Atlas-Nachfolger bewundern, der ohne Mühe die ganze Welt in seinen Händen hielt!
Im Bereich der Fischerboote hatten bevorzugt Touristen die Möglichkeit, Schwämme frisch vom Boot zu erwerben. Oder auch einen natürlichen Bilderrahmen …
Nun war es so weit – die Mole auf dem langen Weg zum Leuchtturm musste bewältigt werden.
Anfang mühelos über einen ebenen Weg. Später wurde er allerdings holprig. Wir durften nicht nur darauf achten, was sich vor, hinter oder auf der anderen Seite des Hafens befand. Nein, wir mussten auf den Weg achten, der eine Stolperfalle nach der anderen bot. Schließlich wollten wir keine Bekanntschaft mit dem Wasser machen! So geschah es auch und es war nur noch eine kurze Strecke bis zum Leuchtturm zurückzulegen. Logisch – wir schafften es. Wir gingen oben auf der Mauer; das Gedränge fand punktuell auf dem unteren Weg statt. Was nicht so prickelnd war, dass wir wieder zurück mussten. Aber auch das brachten wir hinter uns und beschlossen, die nicht so sehr von Touristen bevölkerten Teile der Altstadt zu besuchen. Und schon standen wir am Rande einer Eckbastion der Stadtmauer.
Wir achteten nicht nur auf historische Bauwerke – auch die Flora interessierte uns. Die rote Flaschenbürste zog uns in ihren Bann. Oder der noch nicht geerntete Granatapfel. Zu hoch zum Klauen! Aber halt, so etwas machte man doch nicht … kleinlaut und (nicht) mit schlechtem Gewissen schlichen wir weiter. Vorbei an einem Außenrestaurant auf dem Platz vor der Sankt-Nikolaus-Kirche. Merkwürdig! Kirchturm und Minarett? Kirche oder Moschee? Oder beides? Beides – aber nicht zugleich. Die alte Geschichte … dieses Gotteshaus machte alles mit … 1320 fing die Geschichte an – eine dem Dominikanerkloster zugeordnete Kirche wurde mit zwei Glockentürmen gebaut. Zunächst für die damals herrschenden Venezianer. Also römisch-katholisch. Dann kamen die Osmanen. Aus der Kirche wurde die Ibrahim-Moschee. Eine Moschee benötigte ein Minarett. Ganz einfach – einer der beiden Kirchtürme wurde geknickt und an seiner Stelle das Minarett hochgezogen. Ursprünglich 40 m … Vor fast genau 100 Jahren war die Osmanenzeit vorbei – aus der Moschee wurde ein griechisch-orthodoxes Gotteshaus. Das Minarett blieb – hatte man es vergessen abzureißen? Wohl nicht … und das ist auch gut so. Warum sollten Kirchturm und Minarett nicht einträchtig nebeneinander stehen?!
Eine Besichtigung der Kirche ließen wir aus. Es fand gerade ein Gottesdienst statt. Direkt vor dem Portal stand eins der überall in Griechenland stehenden Votivkirchlein.
Vorbei an der Kirche St. Rocco, das während der osmanischen Besatzungszeit als Militärgefängnis diente, kamen wir zu Resten der byzantinischen Stadtmauer.
Sie umschloss das auf dem Hügel Kastelli (entspricht i.W. dem heutigen Stadtteil Kastelli) liegende „Ur“-Chania. Auch im Zuge der Ausweitung des Ortes über die ursprünglichen Grenzen hinaus wurden im Laufe der Zeit Wohnhäuser in die Mauer integriert.
Für uns war es Zeit, zur Bushaltestelle zurückzugehen. Leider sahen wir in dieser historischen Stadt dieselben Wandschmierereien, die wir auch in unseren Heimatstädten finden. Ansonsten gefiel uns die Stadt – sie war den Besuch wert.
Nach kurzer Zeit standen wir vor unserem Schiff
und es dauerte nicht lange bis wir in der Backstube eine Kleinigkeit zu uns nahmen. Echt – nur eine Kleinigkeit! Griebenschmalz auf Artisanbrot und Laugenstange sowie Knoblauchbrot.
Danach gaben wir unseren Waden Zeit zum Ausruhen, damit wir ungebremst zu Kaffee und Kuchen übergehen konnten. Lediglich eine Stärkung für die nächste Pflichtübung: Kofferfüllen! Gut, dass die Koffer an den vergangenen Tagen nicht so zugenommen hatten wie wir …
Noch stand die Sonne am Himmel. Nicht übel …
doch wie sie sich zeigte, würde es kein toller Sonnenuntergang werden. Schade, denn ein optimaler Sonnenuntergang zum Abschluss der Reise wäre nicht zu verachten gewesen …
Angekündigt von mehrfachen Typhonklängen legte unser Schiff ab. Pünktlich. Ganz langsam. Begleitet von „Die große Freiheit“ – für diese Reise das letzte Mal. Unser Schiff glitt aus dem Hafen und schlich nahe an der Küste Kretas Richtung Heraklion.
Wir ins Anckelmannsplatz, wo wir die für uns schmackhaftesten Leckereien aussuchten. Das Käsebuffet war ein Gedicht mit mehreren Strophen …
Für 21.15 Uhr war die Abschiedsparty angesetzt. Nach den Erfahrungen der letzten Poolpartys waren wir rd. 21 Uhr oben, um einen freien Platz zu bekommen. Kein Problem – der Besucherandrang zur Abschiedsvorstellung war recht mau.
Da nicht nur auf dem ersten Blick der Aufbau eines Sektbuffets zu erkennen war, orderten wir Strawberry Kiss und – was wohl? – den unvermeidlichen Mai Tai. Diese Köstlichkeiten schlürfend, schauten wir uns die Abschiedsvorstellung des MeinSchiff – Starensembles an. Na ja, die Choreographie war annehmbar. Aber die Stimmen … teilweise eine Verunstaltung der Darbietungen … Kapitän Jonas Lyddby und Kreuzfahrtdirektor Anton Halbmayr verabschiedeten sich offiziell; anschließend wurden Delegationen der Crew vorgestellt, die mit „Die große Freiheit“
ihr „Auf Wiedersehen“ sang – der beste Teil der Abendveranstaltung! Auch wir verabschiedeten uns …
22. Oktober 2018 – Heraklion und …
Schon wieder weckte uns nicht das frühe Anlegen. Butterweich und ohne störende Geräusche. Die restlichen Stunden auf Mein Schiff 3 verliefen entspannt. Kein Stress, kein Massenauflauf im Restaurant – alles ruhig. Mein Standardfrühstück.
Entspannt auch auf Deck 5, wo wir die letzten Minuten bis zum Verlassen des Schiffs auf Liegestühlen verbrachten.
Dann war es so weit. Vom Schiff wurden wir durch das Gepäckaufbewahrungszelt zum Bus geleitet. Vorbildlich! Der Shuttle-Bus startete mit kurzer Verspätung, da der Check-in – Schalter nicht frühzeitig geöffnete wurde. In Ordnung: Besser im Bus sitzen als sich in der – wie wir es später zu unserem Leidwesen doch noch erlebten – überfüllten Abflugshalle die Beine in den Bauch stehen. Genau dort begann das große Chaos. Ich erspare mir Einzelheiten. Wer von Heraklion abgeflogen war, weiß, warum ich das schreibe. Immerhin erfolgte der Start mit einer nur 35-minütigen Verspätung. Eine Maschine der smartwings, einer tschechischen Charterfluglinie, flog uns nach Hause. Sie schien erst kürzlich von einer anderen Gesellschaft übernommen worden zu sein, denn das Flugzeug zeigte (noch) keine Embleme der neuen Fluggesellschaft. Wieder eine uns vor Erhalt der Buchungsbestätigung unbekannte Fluggesellschaft; Service wie bei vergleichbaren Billigfluggesellschaften. Na ja, wir kamen gut an unserem Heimatflughafen an.
Es war unsere erste Kreuzfahrt mit Mein Schiff nach mehreren Seereisen mit diversen AIDAs. Unsere Eindrücke geben wir mit diesen Worten wieder: Wir waren bestimmt nicht das letzte Mal auf einem Mein Schiff – Dampfer! Stärken und Schwächen gegenüber AIDA haben wir in unseren Reiseberichten erwähnt; deshalb werden wir sie nicht zusammenfassen. Bei unseren zukünftigen Entscheidungen für die eine oder die andere Gesellschaft werden wir uns von Route und Schiff leiten lassen; so werden wir voraussichtlich nicht mit den neuesten Riesenpötten von AIDA fahren. Auch der Preis wird ein Argument sein. Ein starkes Argument, denn zwischen TUI und AIDA gibt es im normalpreisigen Bereich teilweise große Unterschiede.
Früher schlossen wir mit den Worten: Nach AIDA ist vor AIDA. Wir müssen uns noch etwas einfallen lassen … Okeh: Nach der Kreuzfahrt ist vor der Kreuzfahrt … Per Hochladen des Berichtes nur noch wenige Tage bis zur nächsten Kreuzfahrt …
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