30. Juli 2019 – Dover
Es war schon wieder nichts mit meiner Anwesenheit beim Anlegen! Obwohl ich eine Stunde vor dem geplanten Anlanden an Deck war, wurde die AIDAaura bereits angetäut. Lag es an der Zeitverschiebung? Ich wusste es nicht und was sollte es auch – also blieb es zunächst bei meinem gewohnten Early-Bird-Coffee und den ersten Fotos. Unter strahlend blauem Himmel begrüßte uns Dover Castle und die Kreidefelsen.
Marco kam und sein erster Gang ganz oben führte ihn zum – wohin wohl? – Kaffeebottich. Auch er wollte endgültig wach werden. Das Frühstück lockte. Wer konnte einem derartigen Locken widerstehen? Wir nicht … aber wir mussten es auf einmal abbrechen. Zum Glück erst als wir fast fertig waren. Der Face-Check der britischen Zollbehörden musste durchstanden werden. Kein Problem – und kurz darauf verließen wir unser Schiff. Das Hafengelände durfte nicht durchwandert werden. Ein kostenloser Shuttle-Bus der Stadt Dover brachte uns zum Marktplatz.
Die Geschichte Dovers ist die Geschichte vieler Kriege. Aufgrund der Nähe zum europäischen Festland wurde die Stadt immer wieder angegriffen bzw. bedroht. So wurde die Bastion 1066 vom Normannen Wilhelm der Eroberer nach der Schlacht von Hastings und vor seiner Krönung zum König von England eingenommen. Heinrich VIII und Elisabeth I ließen die bereits bestehenden Verteidigungsanlagen verstärken. Zu Napoleons Zeiten wurde zusätzlich an den Befestigungen gebaut. Während des 1. Weltkrieges war Dover Zentrum der englischen Kanalverteidigung; im 2. Weltkrieg wurde die Stadt von weit reichenden, in Frankreich stehenden Geschützen beschossen. Die Evakuierung des englischen Heeres wurde von Dover aus geleitet. Heute ist Dover eine Industriestadt und Fährhafen zum Festland; allerdings ist diese Bedeutung seit der Eröffnung des Eurotunnels gesunken.
Das, was wir während der Fahrt sahen, war nicht gerade mitreißend. Ältere Häuser, von denen nicht sehr viele gepflegt aussagen. Zweckgebäude. Aber das interessierte uns nicht weiter. Wir wollten zu den Klippen. Und schon kam eine von uns zunächst zu akzeptierende Fehlinformation: Wir fragten einen Stadtpläne verteilenden Mitarbeiter des Fremdenverkehrsamtes, wo der Shuttle-Bus zum Nationalparkzentrum White Cliffs abfahren würde. Die Antwort: Dort fuhr kein Shuttle hin – die Klippen blieben nach Unglücksfällen mit Todesfolgen bis auf Weiteres gesperrt. Mist! Was nun? Ohne weitere Diskussionen fuhren wir mit dem ebenfalls kostenlosen Shuttle zum Dover Castle. Dort angekommen fiel eine auf Einlass wartende Riesenmenge ins Auge. Das bestärkte unseren bereits vorher gefassten Entschluss, auf eine Besichtigung zu verzichten. Wir wollten Natur und erhielten sie.
Zunächst beim Blériot-Memorial.
An dieser Stelle machte der französische Flugpionier 1909 nach Überquerung des Ärmelkanals eine Bruchlandung. Er war der Erste, dem es gelang. Nicht die Bruchlandung sondern die Überquerung des Ärmelkanals per Flugzeug. Der Crash wurde Blériot mit engl. L 1.000,-- versüßt, das Preisgeld der Daily Mail.
In der Nähe des Denkmals fragten wir eine Wanderin, ob vom Memorial aus der Weg Richtung Klippen frei wäre. Er war frei – gut, dass Passanten besser Bescheid wussten als Fremdenverkehrszöglinge … Also los, zunächst entlang einer auf und ab führenden Straße bis wir zur Zufahrt des Nationalparkzentrums gelangten. Unterwegs gab es immer wieder tolle Ausblicke auf Dover Castle –
die Mühe des Aufs und Abs hatten sich also gelohnt! Und weiter mit dem Auf und Ab. Leider nicht bei Sonnenschein, denn über uns zog es sich zu. Zum Ausgleich pfiff ein starker Wind um unsere Nasen, der nach einiger Zeit die Wolken aufriss, die die Sonne durchließen. Herrlich – die Anblicke der (fast) weißen, nahezu ins Wasser fallenden Kalkfelsen, die oben mit sattem Grün – Wiesen und Sträucher - bewachsen waren. Auch das Hafenpanorama mit unserer AIDAaura, der Pacific Princess und der Viking Jupiter hatte etwas …
Wir wanderten und wanderten und konnten uns nicht satt sehen.
Den kompletten Weg bis zum Leuchtturm muteten wir uns nicht zu. Aber wir sahen ihn auf einmal in der Ferne
und so beschlossen wir: zurück! Mit leichtem Keuchen, denn dort, wo es zum Langdon Hole hinunter gegangen war, mussten wir wieder hinauf. Aber kein Problem – und es hatte sein Gutes: Kalorienverbrennen als Vorbereitung für die nächsten Mahlzeiten …
Den Weg zurück nahmen wir selbstverständlich nicht über Dover Castle. In diese Richtung hätte uns der nächste Anstieg erwartet … Lieber nur hügelabwärts - war aber nix, denn auf einmal waren wir gezwungen, längere Zeit hügelaufwärts zu gehen.
Ein schmaler, unmittelbar am Abgrund vorbeiführender Pfad. Angst? Nein – wir mussten durch. Und plötzlich setzte die Sonne Dover Castle ins richtige Licht.
Die ersten Häuser Dovers tauchten vor uns auf. Unmittelbar neben der Klippenwand stehend – beeindruckend. Gewaltig.
Die Richtung war vorgegeben – Hafen. Wir konnten ihn über die Hauptverkehrsstraße erreichen oder mit Umwegen über kleine Gassen. Logisch, wir nahmen die Umwege. Gassen mit typisch englischen, mit vielen Kaminen bestückten Reihenhäusern.
Farbenfroh von außen. Ab und zu ein Inn.
Vorbei – weiter … Denn noch war die Inn- und damit Alestunde nicht geschlagen … Und schon befanden wir uns nach dem Bewundern eines attraktiven älteren, zum Verkauf stehenden Hauses
auf der langen Seepromenade.
Ein Schmuckstück, das in Dover angelegt worden war. Neben der Durchgangsstraße ein breiter Fahrradweg, daneben viel Platz zum Flanieren. Direkt entlang des langen Sandstrands. Hinter uns der Fährhafen, in dem der Teufel los war. Ganz natürlich, denn Dover gilt als größter Fährhafen Großbritanniens. Eine einlaufende Fähre löste quasi die auslaufende ab. Der Hafen selbst wurde in den letzten Jahren ausgebaut. Eine weitflächige Marina wurde erstellt; unser Schiff lag an einem erst kürzlich fertig gestellten Kai. Und auf der Landseite? Einige schöne ältere Häuser; einige in Renovierungsstand. Und auch so etwas wie ein lang gesteckter Wohnblock, der an Plattenbauten erinnerte. Aber immerhin war er verklinkert. Doch irgendwie passte er nicht zur Strandnähe … Wir testeten eine parallel zu unserem AIDA-Kai verlaufende Fußgängermole, um einen Blick auf unser Schiff werfen zu können. Lang war sie … aber wir schafften sie nach den vielen Kilometern, die wir an diesem Tag zurückgelegt hatten. Später stellte sich heraus, dass wir insgesamt 14 km bewältigt hatten. Nicht schlecht … Auch der Blick in Richtung der Felsen und der Stadt hatte etwas.
So, zum Schiff zurück kamen wir nur per Shuttle. An dem uns nächsten Hafeneingang gab es leider keine Haltestelle. Also zurück zum Marktplatz, wo sich natürlich gerade kein Shuttle befand. Ein Grund, kurz die Innenstadt Dovers abzuklappern. Eine Fußgängerstraße mit den üblichen Geschäften, die Klamotten, Andenken, Futter anboten. Eine trutzige Kirche, die anglikanische St. Mary´s Church.
Natürlich geschlossen. Aufgrund eines Gottesdienstes. Ansonsten nichts Ansprechendes. Der Shuttle kam. Hinein. Die Kontrollphase begann. Beim Betreten des Busses – übrigens wieder ein Doppeldecker, allerdings nicht im „alten“ Rot – mussten wir unseren Bordkarten präsentieren. Vor dem Befahren der Hafen-Sicherheitszone kamen zwei Sicherheitsmitarbeiter in den Bus und ließen sich die Bordkarten zeigen. Und dann noch einmal – beim Betreten eines provisorischen Check-in-Zeltes wollte man was sehen? Alles klar … wie wird man erst ab 1.11. vorgehen?! Nicht zu vergessen: AIDA-Mitarbeiter waren scharf auf unsere Bordkarten – zwei an zwei verschiedenen Stellen …
Egal – wir schafften den Kontrollmarathon und wir durften auf die AIDAaura.
Kaffee und Kuchen – halt, als Vorspeise Pizzaecken! – hatten wir uns verdient. Und danach ein kurzes Sonnenbad auf dem Oberdeck. Ehrlich – nur kurz! Denn es trübte sich ein und der Wind frischte stark auf. Gut, dass es Innereien im Schiff gab, in denen man sich ausruhen konnte. Bis zum Abendessen. Unser Favorit war Griechenland im Marktrestaurant. Das Knobi-Kartoffelpüree war einsame Klasse. Selbstverständlich auch die dazu gehörenden „Beilagen“.
Logisch, dass wir zum Auslaufen auf Deck 10 standen. Es verzögerte sich. Gründe waren der sich weiter verstärkende Wind und eine Fähre, die Probleme hatte, bei Windstärke von annähernd 10 rückwärts einzuparken. Das schnelle Verlassen des Hafens durch die kurz vor unserem Bug liegende Wellenbrecherlücke konnte man vergessen. Der Landwind – besser Landsturm – hätte die AIDAaura bei der naturgemäß geringen Anfangsgeschwindigkeit gegen die Wellenbrecher drücken können. Also musste unser Schiff drehen und versuchen, durch den östlichen Hafenausgang zu gelangen. Aber auch das ging nicht ohne Hilfe: Zwei Schlepper sorgten mit ihren Bugkontakten, dass die AIDAaura nicht abtreiben konnte. Schlepper? Nein, eher Drücker.
Denn sie drückten das Schiff gegen den Sturm. Und Kapitän Laudan hatte alles im Griff. Ganz langsam schob der Bug Richtung Hafenausgang,
die AIDAaura nahm Geschwindigkeit auf und verließ den Hafen. Das Schiff schaukelte mehr als am Tag zuvor; aber es war gut erträglich. Zumindest für uns.
Das im Dunst liegende Dover lag schnell hinter uns. Wir machten eine Stippvisite beim englischen Essen im Calypso und planten einen Absacker in der Ohschän-Bar. Leider geschlossen. Auch der Außenbereich der Anytime-Bar hatte etwas gegen uns. Nur die Pool-Bar war als Außenbar geöffnet – sie lag im Sturmschatten … Vor der Rückkehr in unsere Kabine stellten wir fest, dass der Rundgang auf Deck 6 auf beiden Seiten geschlossen war. Das tangierte uns lediglich peripher – wir wollten in die Federn!
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