
29. März 2018 – Seetag 3, Tromsø
Marco hatte es wieder geschafft – er war von den Fünf Freunden als erster an Deck. So richtig dick eingepackt. Das musste bei den Temperaturen auch sein … Nur wenige Minuten später wurde klar, warum es Marco nicht länger in der Koje hielt: Das Lotsenboot näherte sich.
Ungefähr zu dieser Zeit schaffte ich es tatsächlich, meine Augen zu öffnen. Beim Blick aus dem Fenster trat der alte Klassiker auf: Dichter Nebel. Nun gut – dann musste ich mich nicht beeilen. Als ich Deck 11 betrat, begrüßte er mich auf der einen Seite des Schiffes. Aber: Die Sonne kämpfte … und schaffte es auf der anderen Seite. Schon wieder einfach nur schön. Auf beiden Seiten unseres Schiffes zogen schneebedeckte Berge an uns vorbei, an deren Flanken sich vermehrt Wälder befanden. Und was sahen wir auf dem Pooldeck?
Wenig Mitpassagiere. Eis und Schnee. Die fleißige Besatzung hatte bereits Salz gestreut, um die Verletzungsgefahr so gering wie möglich zu halten. Eine Barstation war schon vorbereitet, um ab 8 Uhr anlässlich der für 9 Uhr vorgesehenen Brückendurchfahrt Heißgetränke anzubieten. Glühwein mit oder ohne Schuss, Kakao mit oder ohne Schuss, Grog … wer trank denn so etwas um diese Zeit? Ob mit oder ohne Frühstück … Es zeigt sich, dass sich der Barkeeper mit Dauerlauf auf der Stelle seine Füße warm hielt. Der Umsatz war nicht gerade berauschend …
Dafür berauschten wir uns mit nüchternem Magen an dem, was um uns herum geschah. Geschah? Na ja, weniger an dem sich langsam füllenden Deck. Mehr an dem, was sich links und rechts von der AIDAcara zeigte.
Zunächst das Wetter. Es konnte sich nicht entscheiden, ob es Sonne, tief liegende Wolken oder auch Schnee bringen sollte. Wir sahen innerhalb kurzer Zeit blauen Himmel, dann wieder eine dicke Suppe, die Unerfreuliches erahnen ließ. Wir blieben aber optimistisch! Dann die Inseln, die uns den richtigen Rahmen dieser Kreuzfahrt brachten. Schnee, viel Schnee. Vereinzelt Ortschaften und Ferienhaussiedlungen. Nicht nur wir, auch die sich vermehrt auf Deck sammelnden Mitpassagiere waren beeindruckt. Eine Ruhe, wie wir sie selten auf einem Schiff erlebt hatten. Dann kam sie, die versprochene Brückendurchfahrt.
Und damit hatten wir ein wenig mehr als die Hälfte der Luftlinie Bodø – Tromsø zurückgelegt. Aber was heißt rein zeitlich bei der Fahrt durch die Inselwelt die Hälfte der Luftlinie? Wenig …
Wir befanden uns im 50 km langen Tjedlsund, der die Inseln Hinnøya und Tjeldøya bzw. die Insel Hinnøya vom Festland trennte, und vor der Letzteres verbindenden Tjeldsundbrücke. 1.007 m war sie lang; die Unterseite lag in der Mitte 41 m über der Wasserlinie. Viele fragten sich: Reichte das aus? Platz genug zwischen Schiff und Brücke? Ja, Platz satt! Wenn man 1 m als satt bezeichnen durfte. Dass die Finger am Auslöser bei fast allen sich auf dem Oberdeck befindlichen Passagieren Schwerstarbeit leisteten, muss nicht erwähnt werden …
Dann lag die Tjeldsundbrücke hinter uns.
Vor uns das Frühstück … Wir fanden zum Glück noch einen Tisch mit Aussicht – Frühstücksfernsehen, wie es nicht schöner sein konnte. Nach dem Frühstück hielt es uns nicht länger in den Schiffsinnereien. Wir benötigten frische Luft und unverfälschte Blicke auf die nordische Inselwelt.
Immer wieder galt unser kritischer Blick dem Wetter. Es war mal so und mal so. Über uns sahen wir blauen Himmel - bugwärts schon wieder das Gemisch aus Dunst und Schneewolken.
Dann wieder auf Steuerbordseite die dicke Suppe, die nichts Gutes erahnen ließ.
Nur nicht Bange machen! Und vor allen Dingen die - trotz aller auftauchenden Widrigkeiten - Landschaft genießen! Wir hatten noch mehr als acht Stunden Zeit bis zum Beginn unserer Nordlichterjagd! Wir nutzten sie voll aus – fast die ganze Zeit auf den Außendecks. Wir sahen wieder Hütten, die die Sehnsucht hervorriefen.
Einsamkeit und Ruhe. Am Rande des Waldes. Direkt am Wasser. Mit Bootshaus für das einzige Fortbewegungsmittel, mit dem die Hütte zu erreichen ist.
Die nächste Brücke kam in Sicht. Die Dyrøysundbrua, die die Insel Dyrøya mit dem Festland verbindet.
Die 1994 ihrer Bestimmung übergebene Brücke ist 570 m lang; deren Hauptbogen mit der Schiffsdurchfahrt ist 220 m breit und hat eine lichte Höhe von 18 m. Also nichts für unsere AIDAcara … wir mussten sie auch nicht unterqueren! Brücken sind für die zerklüftete Landschaft Norwegens eminent wichtig. Auf welchem anderen Wege könnte man ansonsten die vielen natürlichen Hindernisse überwinden … Auf ca. 230 Einwohner kommt übrigens eine Brücke …
Während wir uns draußen von der Natur berauschen ließen, tobte im Schiffsinneren der „Kampf“ – in der Lambada Bar und der AIDA Bar wurden die Prüfungen für die Polarkreistaufe abgenommen. Ohne uns – denn wir tauschten lieber das dort zu verzeichnende Gedränge mit Platz satt an der frischen Luft.
Von der Taufe auf dem Pooldeck bekamen wir so gut wie nichts mit. Nur dass zwei schwimmbereifte Sektpullen im Pool schwammen.
Wir hörten, dass sie als Preisgeld für die Täuflinge vorgesehen waren, die später bereit waren, beim Finale der Taufe in nahezu voller Montur in den Pool zu springen. Es gab sie, die Wahnsinnigen …
Wir wandten uns lieber der Poolaktion „Norwegische Stockfischpfanne“ zu.
Nur eine Kleinigkeit als gerne in Anspruch genommene Pflicht, denn später rief noch die Kür im Restaurant … So weit war es allerdings nicht – zum einen waren die Restaurants nicht geöffnet, zum anderen konnten wir uns nicht von der an uns vorbei ziehenden Landschaft lösen. Auf einmal kam Bewegung auf dem Wasser. Die Marjata, ein Aufklärungsschiff des norwegischen Nachrichtendienstes, setzte an, uns zu überholen.
Eine kurze Ablenkung, denn wir schauten lieber, was vor uns zu sehen war. Zunächst ein bisschen blauer Himmel über einen recht engen Sund. Dort, bei Gibostad, mussten wir durch.
Wir schafften es wie immer! Vor dem nächsten Wetterwechsel …
Faszinierend, diese ununterbrochen auf uns zukommenden Wetteränderungen! Wir konnten dankbar sein, dass die Feuchtigkeit oben blieb!
Auf dem Pooldeck drängten sich nicht zu viele Mitreisende um die Reste der Stockfischpfanne. Sie bekamen nicht mit, wie auf einem langgestreckten Inselchen ein Eisbär herumlief!
Nach dem Mittagsessen eilten wir wieder nach oben. Die Sonne gewann endgültig
und wir erfreuten uns an der immer spektakulärer werdenden Nordlandfahrt.
So ging es die ganze Zeit weiter. Wir konnten uns nicht satt sehen!
Gegen 14.30 Uhr sahen wir noch ganz, ganz weit entfernt die Eismeerkathedrale und die Tromsøbrua – unser nächstes Ziel lag vor uns.
Auch wenn die Inseln auf der Backbordseite noch in der Sonne lagen, braute sich etwas zusammen.
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