13. November, Livorno/Italien – leicht bewölkt 19 Grad
Geschafft, rechtzeitig aufgestanden, schon für das Frühstück zurecht gemacht, stehe ich an Deck und schaue zu, wie die Sol in das Hafenbecken von Livorno einläuft. Das Schiff wird mit Hilfe der starken Seitenruder gedreht und an der Pier festgemacht. Die Sonne kommt hinter der Bergkette hoch und färbt den Himmel rot.
Beim Frühstück entscheide ich mich, für eine ordentliche Grundlage zu sorgen – ich habe zwar keine Vorstellung was die Sternstunde uns bescheren wird; aber wer in die Toscana kommt, wird ganz bestimmt ein Weingut aufsuchen und da gibt es so manchen Wein zu probieren. Soviel nur zur Vermutung.
Wir 20 Gäste finden uns kurz nach 9 Uhr in der AIDAlounge ein. GM Thomas, die fröhliche EM Laura und Reiseberaterin Alisa stehen bereit, uns zu empfangen. Mit von der Partie ist auch ein Bordfotograf. Ein Gläschen zum Empfang und für die diejenigen, die den Tag vitaminreich starten möchte, stehen verschiedene Smoothie's bereit. Keine langen Reden, wir begeben uns zum Ausgang, wo ein Bus bereit steht und los geht es. Ich muss gerade an meine Mutti denken und stoße im Geist mit ihr an, denn einen Teil der Seemeilen habe ich ja auch bekommen, weil ich mit ihr unterwegs war. Ich werde ihr von der Sternstunde berichten, dann dann sehe ich schon ihre Augen funkeln und sie freut sich auf die nächste Reise.
Im Bus sitzt eine Reiseleiterin, die uns einiges über die Toscana zu berichten weiss. Rund 3,6 Millionen Menschen leben dort, in der Hauptstadt Florenz sind es 400.000 und in Livorno, die zweitgrößte Stadt der Toscana hat rund 170.000 Einwohner. Livorno wurde von den Alliierten weitgehend zerstört, doch inzwischen ist so einiges restauriert worden. So hat der größte Seehafen der Toscana auch touristisch was zu bieten. Viele Fähren und Kreuzfahrtschiffe bringen Touristen, die hier verweilen oder weiterreisen und die die berühmten Städte, wie Florenz, Pisa, Luca usw. besuchen. Sicher ist auch einer der kleinen Weinorte dabei, um dort gute Tropfen zu probieren und zu erwerben.
Um für die Sommermonate von Mai bis Oktober hier ein Plätzchen an den Stränden zu bekommen, bucht man bereits im März seinen festen Strandplatz am Meer. Es stehen dann am angemieteten „Liegeplatz“ in einer kleinen Strandhütte auch Liegestühle, Sonnenschirme und ein Tischchen bereit. So kann man den Tag am Meer genießen und allerhand Krimskrams in der Hütte lassen für den nächsten Besuch. So was kenne ich auch von der Bretagne, da gibt es ebenso Seebäder mit den wunderschönen weißen Strandhäuschen.
Unser Bus bringt uns in die Nähe von Pisa – nach Cenaia. Das kleine Dorf lebt von der Landwirtschaft und dem Handwerk. Es gibt eine Kirche, Apotheke und ein paar kleine schmucke Häuser.
Ganz in der Nähe des Ortes durchfahren wir eine Allee mit schönen schlanken Zypressen, die zum Bild der Toscana einfach dazu gehören.
Ein paar Ruinen sind zu sehen und soweit das Auge reicht, bewirtschaftetes Gelände.
Ein weißer Ibis erhebt sich aufgescheucht und fliegt davon. Da muss irgendwo ein Teich sein. Olivenbäume stehen in Reih und Glied und auf einem Feld sind noch ein paar Zucchini zu sehen. Die Tomatenstauden sind abgeerntet und die Weinreben tragen nur noch ihr Herbstlaub.
Auf uns warten zwei Kutschwagen, die von Pferden gezogen werden. Ach wie schön, es gibt eine richtige Kutschfahrt über das große Gelände des Weingutes.
Der Winzer auf dem Kutschbock, ein bärtiger Mann mit fröhlichen Augen, erzählt über das, was hier so gemacht wird. Man lebt vom Gemüseanbau – davon zeugen ja die großen Felder und natürlich auch von der Herstellung von Olivenöl. Die Oliven werden am gleichen Tag der Ernte verarbeitet und das ergibt dann ein Olivenöl mit einem optimalem Säuregehalt.
Als wir an einer Schirmpinie vorbeikommen, zeigt er auf sie. „Da werden die Pinienkerne aus den Zapfen genommen und zum Beispiel für Pesto verwendet!“ Lecker, ich denke gleich an Spaghetti mit einem Basilikumpesto und einem kräftigen Parmesan. Es geht vorbei an einem Stück Land, das vorher mit Weinstöcken bepflanzt war. Die Reben können viele Jahre Trauben tragen, aber irgendwann sind sie zu alt (ca. 30-40 Jahre) und dann wird der Weinberg (obwohl es hier ja flach ist) umgelegt. Nach einer Zeit des Brachliegens werden junge Reben gesetzt und der Kreislauf beginnt von vorne. Wachsen, beschneiden, Traubenlese und so weiter.
Die Rundfahrt ist beendet, wir sind am Ziel angekommen. Ich bin begeistert vom Anblick. Das rote Laub raschelt leise und ein Hauch von Nostalgie hängt in der Luft.
Es ist ein altes Häuschen mit einer Pergola, unter der lange Tische und Bänke stehen. In der offenen Küche sehen wir Weinflaschen, die auf unsere Verkostung warten.
Der Tisch im Hof ist mit bunten Kürbissen herbstlich dekoriert und auf einem weiteren Tisch erblicke ich kleine feine Leckereien.
Zuerst gibt es eine klare Ansage vom Winzer: „Alle gehen jetzt bitte Hände waschen! Aber alle ...“ so marschieren wir brav zum Toilettenhäuschen und befolgen den Auftrag. Kaum zurück, bekommt jeder eine Schürze umgebunden und dann wird Hand angelegt. Neee, nicht schon arbeiten – erst mal gibt es einen Wein zur Begrüßung. Er hat die Farbe eines leicht gelbgrünlichen Olivenöls und der Geschmack … einfach gut. Ein wenig Süße, ein wenig Säure, ein Hauch von Salz vom Wind des Meeres. Ideal als Aperitif finde ich.
Der Winzer krempelt die Ärmel hoch, lauwarmes Wasser in einer großen Schüssel, Salz, Mehl und Olivenöl stehen bereit und schon wird der Teig für Focaccia vorbereitet. Er rührt und knetet und sagt einer Mitfahrerin „mehr, mehr“ als sie zögerlich das Mehl in die Schüssel gibt.
Dann wandert der Teig in den kleinen Raum mit dem Steinofen, damit er aufgehen kann. Dauert ca. 3 Stunden, aber so lange warten wir natürlich nicht. Er hat schon am frühen Morgen einen Teig für uns vorbereitet und ihn bis jetzt gehen lassen. Die kleinen Kugeln wirft er lachend durch die Luft und sie landen Mehl aufwirbelnd auf der Tischplatte. Jetzt heißt es für uns kneten, in Form bringen, mit den Fingern kleine Mulden hinein drücken, Kräuter drüber streuen, ein paar Scheiben Tomaten dazu, etwas Olivenöl drauf träufeln und dann rein in den seit Stunden mit Holz vorgeheizten Backofen.
Bei 300 Grad sind die Fladen schnell kross gebacken. Ui, wie das duftet und herzhaft greifen wir zu. Dazu probieren wir diverse Weine und stehen um den langen Arbeitstisch herum und genießen den Imbiss, das Ambiente und die Gespräche. Natürlich gibt es ein Erinnerungsfoto von dem Überraschungsausflug. Ach ja, die „Streifenhörchen und Sterneträger" waren bei dieser Tour ohne Uniform dabei … wie würden die nachher aussehen, so mit etwas Mehl bestäubt? In der Zwischenzeit haben wir Salami, Käse, Zwiebeln, Tomaten in Scheiben geschnitten und Knoblauch gewürfelt. Der Winzer hat saftigen Schinken von der Keule geschnitten... molto bene Maestro!
Teilweise landen die Beilagen auf den Teigfladen, teilweise werden sie einfach vervespert. Das ist was, was ich mag. Einfache regionale Zutaten, unverfälscht und wenn man die Augen schließt, tauchen Bilder und Erinnerungen an Urlaubserlebnisse auf.
Ja, einen Nachtisch gibt es auch. Aus vielen Eiern und diversen Zutaten wird der Teig für die duftenden Cantuccini von Hand gerührt.
Im Steinofen goldbraun gebacken und anschließend in schmale Streifen geschnitten, konnten wir sie zu einem extrem süffigen Dessertwein verzehren. „Der heilige Wein“, so erklärt der Winzer, wird 6 Jahre gelagert, dann nochmal 3 Jahre und nochmal ½ Jahr – insgesamt fast 10 Jahre. Aus 45 Liter Wein bleiben zum Schluss 18 Liter übrig. Man kann sich dann vorstellen, was dabei herauskommt. Ein Wein, so verführerisch im Geschmack … und in der Kombination mit den Cantucchini-stückchen einfach ein toller Abschluss dieses Ausflugs. Dieser Wein wird hauptsächlich zu Festtagen oder festlichen Anlässen getrunken, der Preis einer Flasche ist auch dementsprechend. Für die Sternstunde war der Anlass doch gegeben oder? Schnell lassen wir uns noch fotografieren zur Erinnerung... mit Schürze natürlich.
Zum Schluss besuchen wir noch den Shop und sehen auf dem Weg dort hin die Weintanks stehen.
Natürlich kaufe ich auch etwas, eine Trüffelcreme mit zarten Schinkenstücken landet in meiner Tasche. Gibt es später zu Hause mit gerösteten Brotstücken und einem Wein aus der Toscana … Im Laden entdecke ich, dass hier auch Bier gebraut wird. Hmmmm, ein Biertasting mit verschiedenen Sorten wäre sicher auch mal interessant. Die Bierflaschen haben eine wunderschöne bauchige Form und stilvolle Etiketten. Für so was bin ich immer zu haben, da kommt meine künstlerische Ader durch. Ich nutze den Moment, um das große Gehöft noch anzuschauen.
Hier ist wirklich die Zeit stehen geblieben, doch die Moderne ist im Arbeitsbereich eingezogen. Der kleine Park mit dem Herbstlaub hat mich total verzaubert. Ich genieße noch einen ruhigen Augenblick, dann geht es mit dem Bus zurück nach Livorno. Kompliment an AIDA, das war nun mal eine Sternstunde, die ich persönlich wirklich schön fand. Wir haben was gesehen, was getan, was gegessen, was getrunken, was gekauft und hatten viel Spaß mit dem General Manager und den Offizieren, die dabei waren. Ja, und das Winzerehepaar waren sehr sympathische Leute. Grazie mille für den Ausflug.
Die Sol läuft erst um 20 Uhr aus und so nutzen wir den Nachmittag, um die Stadt zu erkunden. Davon erzähle ich dann im nächsten Teil.