Es ist schon ein sehr imposanter Anblick, der sich mir hinter der Parade der kleinen Segelboote bietet, als ich in die Flaniermeile "Kiellinie" einbiege:
Selbst aus dieser Entfernung wirkt auch die drüben im Ostuferhafen und damit ziemlich abseits des Geschehens liegende "MSC Preziosa" riesig. Mit ihren 333 Metern ist sie heute eindeutig der "Gigant" im Kieler Hafen. Sie wird heute Abend rückwärts ablegen und erst ein Stück weiter vorn auf der Kieler Förde drehen. Hoffentlich noch vor der ersten Biegung, damit ich sie noch bei ihrem "Tänzchen" bewundern kann.
"Costa Pacifica" in voller Schönheit von der Kiellinie aus gesehen. Sie wird nachher als drittes der vier am heutigen Nachmittag im Hafen liegenden Traumschiffe ablegen.
In Richtung des Anlegers "Reventlou" suche ich mir einen schönen Platz. Dort, wo sich schon etliche Schaulustige oder auch "Sehleute" eingefunden haben, hat man freie Sicht auf die Kieler Förde. Quasi an "vorderster Front" postiere ich mich, um AIDAluna zuwinken zu können - ganz nach dem Motto: "Wenn es schon weh tut, mein schönes Schiff ohne mich ziehen lassen zu müssen, dann auch richtig!" Und plötzlich habe ich etwas Angst vor meiner eigenen Courage und meiner mich in wenigen Augenblicken sicher überwältigenden Gefühlswelt. Habe ich mir das auch gut überlegt?! Will ich mir dieses "Sail Away" wirklich antun?! Doch, ich tue es. Auch wenn sicher gleich ein paar Tränen fließen werden …
Warum fällt mir bei diesem Anblick "Jack Sparrow" ein?!
Ich kann aber Entwarnung geben. Diese Möwe muss nicht etwa das Leben mit nur einem Bein meistern. Das andere Bein versteckte sie unter ihrem Federkleid. Bestimmt eine weibliche Möwe mit kalten Füßen …
Es ist kurz vor 18 Uhr, als die große "Stena Scandinavica" den Reigen der auslaufenden Schiffe eröffnet. Rückwärts schiebt sie sich von ihrem Liegeplatz, um direkt vor meinem Blickfeld zu drehen. Schade, dass sich ausgerechnet jetzt die Sonne hinter einer Wolke versteckt. Glücklicherweise hinter nur einer und nicht gleich wieder einer ganzen Front.
Solche Anblicke begeistern mich immer wieder. Stolze 241 Meter lang ist die Skandinavien-Fähre und die gewaltigen Dimensionen verdeutlichen sich richtig, wenn gerade ein weitaus kleineres Bötchen den Vergleich "David gegen Goliath" bildhaft darstellt:
Als käme ein "Kind" zu seiner "Mutter" - die kleine "Prinzessin" und "Königin Mutter" …
Der "Reigen der Riesen" geht weiter. Kaum zieht "Stena Scandinavica" ihre Bahn über die Förde hinaus in die offene Ostsee, ist es pünktlich um 18 Uhr so weit: AIDAluna, mein persönliches Traumschiff, macht die Leinen los und sticht in See. Zwar kann ich die Loslösung der "Landverbindung" von meinem Standort nicht sehen, doch ganz langsam schiebt sich das Kussmundschiff aus dem Schatten der großen Costa-Schwester.
Klein wirkt sie noch, so halb versteckt hinter der großen "Pacifica", aber das ist ja kein Wunder. Ihr volle Größe und Schönheit wird sie den am Ufer wartenden "Sehleuten" gleich zeigen.
Und so stehe ich hier, Puls und Herzschlag beschleunigen sich und das langsam Fahrt aufnehmende Schiff versetzt mir einen Stich, ganz tief in meinem Herzen. Ich schlucke, dennoch kann ich den "Kloß im Hals" nicht ganz zurückhalten. Er steigt höher und höher und in meinen Augenwinkeln sammelt sich salziges Wasser …
AIDAluna schiebt sich in die Fahrrinne und erstrahlt nach und nach in voller Schönheit …
Ein toller Anblick, der mich begeistert - so wie immer eigentlich, wenn ich irgendwo ein Kussmundschiff sehe. Und dennoch ist es dieses Mal so ganz anders. Einen knappen halben Tag ist es erst her, als ich noch dort drüben an der Reling stand - unter dem farbenfrohen AIDA-Logo - und auf das verregnete Kiel schaute. "Mein" Schiff sticht nunmehr ohne mich wieder in See - mit erneutem Kurs auf mein Traumland.
Wie ich es Thilo und Stefan gestern Abend versprochen hatte, stehe ich nun am Ufer - mit meinem langen Seidenschal in Meeresfarben - und winke … und versuche erst gar nicht, meine Tränen zurückzuhalten.
Auch kümmere ich mich nicht weiter um die anderen Gäste, die so wie ich an der Kiellinie stehen. Nur einen kurzen Blick lasse ich schweifen - ich bin nicht der einzige winkende Fan. Einige haben Handys am Ohr, vielleicht telefonieren sie mit ihren Lieben drüben an Bord von AIDAluna.
Andere stehen da und wirken etwas gedankenverloren - so wie ich. In mir herrscht ein Gefühlschaos. Doch ich habe es mir ausgesucht. Schon, als ich meine norwegische Traumreise gebucht hatte, wusste ich, dass ich nach Rückkehr nicht sofort wieder nach Hause fahren kann und möchte. Ich wusste schon damals, dass ich heute, an diesem 11. August 2018, hier an der Kiellinie stehen und das schöne Schiff wieder verabschieden werde.
Auf die Sonne ist eben doch Verlass. Genau in dem Moment, in dem AIDAluna genau mir gegenüber majestätisch vorbeizieht, kommt sie hinter den dunklen Wolken wieder hervor, lässt die weiße Außenhülle des Schiffes leuchten, Auge und Kussmund strahlen - auch wenn mein persönlicher Blick durch die sich nach wie vor ihren Weg suchenden Tränen etwas "verschleiert" ist …
Gute Reise, AIDAluna! Deinen neuen Gästen wünsche ich, dass die fantastischen nordischen Destinationen sie genauso begeistern werden, wie sie es bei mir geschafft haben. Neid schwingt kein bisschen mit, lediglich Traurigkeit, nicht dabei sein zu können. Ich bin dankbar, eine solche tolle Woche erlebt haben zu dürfen, von der ich noch lange zehren werde. Die Erinnerungen werden mir über den einen oder anderen trüben Moment der Sehnsucht in den nunmehr wieder folgenden vielen Monaten ohne meine geliebten Kussmundschiffe, ohne mein blaues Meer und ohne meinen weiten Horizont hinweghelfen und Trost in traurigen Situationen geben.
Ein kleines Bötchen begleitet AIDAluna eine Weile. Dieser Moment erinnert mich an das emotionale "Sail Away" in Warnemünde. Eine Möwe zieht laut schreiend ihre Bahn.
Nach wie vor winke ich mit meinem blau-weißen Schal. Ob man´s drüben sieht?! Keine Ahnung. Was man aber zum Glück nicht sieht, sind meine Tränen.
Mir geht´s echt besch… Entschuldigung, normalerweise gehören solche Worte nicht zu meinem Sprachjargon. Aber manchmal muss man eben deutlich sagen, wie es ist. Da hilft auch kein Beschönigen, die bittere Realität sieht schonungslos anders aus.
"Tschüss, meine Luna!"
So zieht sie dahin ... Unter wirklich beeindruckenden Wolkenformationen ... wird langsam kleiner. Inzwischen winke ich nicht mehr. Die Schaulustigen gehen nach und nach wieder ihrer Wege, verstreuen sich in alle Richtungen. Ich bleibe zurück. Fühle mich irgendwie verloren … Allein gelassen … Ich denke, viele Leser kennen dieses Gefühl der "Leere", wenn man von einer tollen Reise zurückkehrt, körperlich zwar wieder im "Landmodus" ist, doch Kopf und Gedanken noch irgendwo zwischen Horizont und Meer, zwischen Bug und Heck, steuer- und backbord umherschwirren.
Ich bleibe so lange stehen, bis AIDAluna hinter dem Bootshafen und den "Kieler Landungsbrücken" sowie den hohen Bäumen und der leichten Biegung, die die Kieler Förde an dieser Stelle macht, verschwunden ist.
Aus dieser Perspektive habe ich vor einer Woche, am Morgen des 4. August 2018, AIDAluna begrüßt - voller Vorfreude auf die bevorstehende Kreuzfahrt - ein wesentlich schönerer Anlass als der heutige. Doch das Abschiednehmen von meinem schönen Schiff, es wieder hinaus in die Welt und auf eine neue Reise zu "entlassen", gehört für mich irgendwie dazu. Es bildet irgendwie einen "Abschluss".
Kaum ist AIDAluna endgültig aus meinem Blickfeld, aber nicht aus meinem Herzen verschwunden, versteckt sich die Sonne wieder hinter dunklen Wolken. Ist auch sie etwa so traurig wie ich und befindet, dass das keineswegs ein strahlender, sondern ein trüber Moment ist?!
Fortsetzung folgt …
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