17. Oktober 2019
Einfache Frage, einfache Antwort: Wir! Denn wir achteten darauf, dass jeder von uns eine griechische 1 € - Münze im Portemonnaie hatte!
Schon wieder war ich oben, als sich die Dämmerung noch nicht voll verzogen hatte. Aktion „ganz wach werden“ war angesagt. Es klappte …
Die Dämmerung verschwand nach und nach und sie wich einem Ouzo-blauen Himmel. Und schon wieder war unsere AIDAcara nicht das einzige Kreuzfahrtschiff im Hafen. Mein Schiff Herz, Silver Shadow und MSC Magnifica sollten im Laufe des Tages ihre Passagiere „ausschütten“ und für Gedränge an den Touristenschwerpunkten sorgen. Aus diesem Grunde hatten wir vorab beschlossen, uns nach einem zeitigen Frühstück auf den Weg nach Athen zu machen. Zunächst per pedes, vorbei am Hafenbecken in Richtung Innenstadt von Piräus. Die Ausschilderung zur Metro war nicht gerade besucherfreundlich. Baustellen bewirkten, dass wir zunächst am Metro-Bahnhof vorbeigingen. Ein sehr freundlicher Mitarbeiter am regulären Bahnhof zeigte uns den richtigen Weg und schon standen wir mit vielen anderen vor dem Fahrkartenschalter. Oh Gott, unsere Griechischkenntnisse tendierten gen Null. Aber kein Problem – es war ganz einfach! Die Fahrkartenautomaten waren sehr besucherfreundlich und mit fremdsprachigen Menueführungen (auch in deutscher Sprache!) ausgestattet. Für € 1,40 p.P. buchten wir die Fahrt zur Akropolis und achteten darauf, dass die Eule im Portemonnaie blieb.
Wer auf unseren Spuren wandeln will: Piräus ist ein Kopfbahnhof – die Züge (Linie 1/grüne Linie) fahren in eine Richtung (Kifissia). Umsteigen in der Metro-Station Omnia; von dort aus die 2/rote Linie Richtung Elliniko bis zur Station Akropoli. Den Ausgang Richtung Akropolis zu finden dürfte dann kein Problem sein; Hinweisschilder „Akropolis-Museum“ folgen. (Rückfahrt: 2/rote Linie Richtung Anthouloli bis zur Station Omnia; Umsteigen in die 1/grüne Linie nach Piräus.) Vor dem Zugang zur Akropolis gibt es zwei Möglichkeiten, die Eintrittskarten (Einzeleintritt Akropolis incl. Südhang mit Dionysostheater € 20,--/50 % für Rentner, Schüler und Studenten bei Ausweisvorlage) zu erwerben. Entweder am Automaten auf Basis Kreditkarte (keine sonstigen Bankkarten!) bei allerdings komplizierter Menueführung (englisch); nicht verlässlich, denn meine PIN wurde nicht akzeptiert. Oder in bar am Kassenhäuschen.
Wir schafften es und durften die Eingangskontrolle zur Akropolis passieren. Es wurde schweißtreibend. Zum einen wurde es wärmer und wärmer, zum anderen ging es bergauf mit einigen, wenn auch kurzen steilen Strecken. Aber wir ließen uns nicht entmutigen, denn unser Ziel war schon zu erkennen!
Mit Akropolis – übersetzt Ober- oder auch Hochstadt – wurden in altgriechischer Zeit allgemein die auf einem Berg bzw. Hügel angelegten Wehranlagen bezeichnet. Eine der weltberühmtesten war und ist die auf einem 156 m hohen Hügel mit den Maßen 156 m x 320 m liegende Athener Akropolis. Zunächst war sie um 1.400 v. Chr. Königssitz der Mykener mit einer Burg- und Wehranlage. In der klassischen Zeit der alten Griechen wurde auf dem die Stadt überragenden Felsen ein Heiligtum für die Götter eingerichtet – ein einzigartiges Tempelkonglomerat. In der römischen und byzantinischen Zeit wurde sie wieder zur Wehranlage umfunktioniert. Nach Einführung des Christentums waren die alten Götter natürlich nicht „in“ – der Haupttempel wurde in eine Kirche umgewandelt. Wo man den christlichen Gott anbeten konnte, durfte man auch Allah ehren. Das dachten die Osmanen und so blieb es bis zur Unabhängigkeit Griechenlands. Fortan diente die Akropolis als archäologische Stätte, auf der sich die Archäologen verschiedener Nationen hervortun konnten. Griechenland selbst ließ sämtliche Bauten, die nicht dem klassischen Ideal entsprachen, beseitigen. Wir erkannten, dass das Areal schon in den vergangenen Jahrtausenden vielseitig nutzbar war …
Ja, das Ziel war zu erkennen. Weit oben … Abgesehen davon wussten wir nicht, wohin wir zuerst blicken sollten. So viele Trümmer … nein, auch seit den klassischen Zeiten erhaltene oder auch restaurierte Bauten(teile). Einige Nachbildungen von Statuen (ein gewisser Meander)
passierend erreichten wir die Geburtsstätte des europäischen Theaters. Dionysos war daran schuld – der griechische Gott des Weines, der Freude, der Trauben, der Fruchtbarkeit, des Wahnsinns und der Ekstase. Passt doch alles zum Theater …
Hier, an dieser Stätte wurde diesem Gott seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. mit Tänzen und Chorgesängen gehuldigt. Irgendein antiker Grieche wirkte auf die Darsteller insofern ein, als er ihnen einen Gegenspieler zuschusterte. Rede und Gegenrede – damit hatten wir das Theater … In den guten, antiken Zeiten nahmen die Zuschauer am Berghang Platz; später wurden Holzbänke aufgestellt und noch später steinerne Sitzgelegenheiten. In der ersten Reihe nahmen die VIPs ihre Plätze ein. Natürlich nicht auf popeligem Stein sondern auf Marmor. Und das mit Rücklehnen. Während der römischen Besatzung war der gute Kaiser Nero nicht mit einfachem Theater zufriedenzustellen. Er ließ die Bühne umgestalten, dass sich dort Gladiatoren gegenseitig piesacken konnten.
Während wir langsam im Menschenpulk den aufwärts strebenden Weg hinaufschnaubten, konnten wir erkennen, welch eine Meisterleistung die damaligen Griechen geschaffen hatten. Allein das Herbeischaffen der für die Mauern benötigten Steine war ein halbes Wunder …
Der nächste Hingucker war die Stoa des Eumenes, eine nach dem Erbauer benannte Säulenhalle.
Dass die Byzantiner wenig Sinn für alte klassische Bauten hatten, erkennt man daran, dass sie Marmorbestandteile für eine 1060 vorgenommene Verstärkung der Wehrbauten verwendeten. Schade …
Dann ging der Blick nach oben …
… und wir sahen das, was Heinrich Schliemann- und Karl May-Fans auf den ersten Blick erkennen würden. Den Tempel der Athena Nike. Klein und zierlich und auf das Wesentliche beschränkt. In ihm beschränkte man sich im Gegensatz zu den anderen Bauten auf der Akropolis auf kultische Handlungen ohne das auch schon damals übliche Drumherum. Schon wieder ein Wunder: dass dieses Tempelchen überhaupt wieder aus den einzelnen Bestandteilen zusammengesetzt werden konnte. Die Osmanen verwendeten im 16. Jahrhundert das Gebäude als Pulvermagazin und Ende des 17. Jahrhunderts nutzten sie die Marmorblöcke als Baumaterial zur Verstärkung der Befestigung bei venezianischen Angriffen.
Schlag auf Schlag ging´s weiter – wir blickten von oben auf das Odeon des Herodes Atticus.
In den Zeiten römischer Besetzung stiftete der römisch-griechische Redner, Politiker und Mäzen Lucius Vibullius Hipparchus Tiberius Claudius Atticus Herodes (ein herrlicher Name!) das 5.000 Zuschauer aufnehmende Theater dem Athener Volk. Ca. 100 Jahre traten in dem Odeon die bekanntesten Schauspieler der griechisch-römischen Welt auf bis ein ostgermanischer Stamm meinte, dass man so etwas nicht brauchte. Es wurde geplündert und das Dach zerstört; anschließend nicht wieder ausgebessert. Dieses Theater verfügt auch heute noch über eine bemerkenswerte Akustik; ein Grund, dass es seit ca. 90 Jahren wieder für öffentliche Aufführungen genutzt wird.
Dann wurde es für uns ernst – die erste Stauphase begann. Alle wollten hinauf und -durch – durch die Propyläen und das damalige Wolkenkuckucksheim der klassischen Griechen betreten. Wolkenkuckucksheim? Nein, es stimmt nicht so ganz. Aber mir gefällt dieser von Aristophanes (s.o.) kreierte Begriff so gut …
So, nun zurück zu unseren Erlebnissen. Wir kamen tatsächlich immer langsamer voran, obwohl der Besucheransturm NOCH recht übersichtlich war. Aber es war wie in den klassischen Zeiten: Wer die Akropolis betreten wollten, musste durch dieses Nadelöhr. Und nicht nur an diesem Tag mussten alle den Tempelberg hinauf Schnaufenden da durch …
Wir kamen durch! Besser geschrieben: Wir drängelten uns durch. Interessant waren die Beobachtungen der Mitbesucher. Einige hielten sich eng an die für diese einst heiligen Stätten vorgegebenen Verhaltensregeln. Trotz der vielsprachigen Aufforderungen der Aufseher gehe(Move along! Weiter! Προχωρήστε! Verder gaan! Aller plus loin! …) man langsam. Man soll sich nur nicht ablenken lassen von den vielen, links und rechts flankierenden Säulen. Nein, Unterhaltungen müssen lautstark und gestikulierend zu Ende geführt werden. Am besten zu dritt oder viert nebeneinander. Und zwischendurch stehen bleiben, um mit Nachdruck Argumente auszutauschen! Und noch eins: Die Absperrungen sind nur für die anderen gedacht. Man selbst musste sie einfach ignorieren. War das ein Pfeifkonzert! Die Aufseher beenden sicher mit Atemschwierigkeiten ihre Schicht …
Mein alter Grieche, welch´ monumentale Bauten habt Ihr damals –Propyläen etwa 435 v. Chr. - bei den seinerzeitigen technischen Möglichkeiten geschaffen! Alles aus Marmor! Protzbauten? Nein, alles für die Götter! Fertiggestellt wurden diese – übersetzt – Vorhallen nicht. Anfang des Peloponnesischen Krieges stellte man die Arbeiten an dem Eingangsbereich zur Akropolis ein und so blieb ein unfertiges Bauwerk übrig, bestehend aus Torhaus und zwei Flügeln. Trotzdem: sehr beeindruckend. So beeindruckend, dass dieser Bau auch in den postklassischen Zeiten genutzt wurde. Ab dem 12. Jahrhundert wählte der Bischoff von Athen diese Behausung als seine aus (ob er jemals zu Fuß hochgepilgert war?). Als Florentiner meinten, sich in Athen ausbreiten zu müssen, ließ einer von deren Oberen in dem Gemäuer einen Palast für sich und seine Geliebte(n) einfügen. Und bei den Osmanen waren die Propyläen eine kleine, schlichte Wohnung für den Stadtkommandanten. Man wusste zu residieren …
Na ja, wohnen wollten wir dort nicht. Es könnte zügig werden … Aber wir waren geplättet, als wir den Vorhof passierten – dicke und trotzdem schlank erscheinende geriffelte Säulen. Und sooooo hoch!
Und auf diesem Foto versteckt sich zwischen den Säulen der anmutige Nike-Tempel. Seit 1909 versuchten sich – und das sehr gut! – die Restauratoren an der Wiederauferstehung der Propyläen. Ob diese Säule ein Restant der anfänglichen Arbeiten war?
Dann erspähten wir das Prachtstück des gesamten Ensembles – den Parthenon. Werden die denn nie fertig? Vermutlich nicht – schon bei meinem 1977er Besuch versperrten Gerüste die uneingeschränkte Sicht; auch Kreuzfahrergerd versucht seit 2012, die Stützelemente wegzupixeln … Trotz dieser störenden Elemente konnten wir nur sagen: Hut ab, liebe Griechen!
Beginnen wir mit der Bezeichnung „Parthenon“, übersetzt Jungfrauengemach. Das Bauwerk ist der Schutzgöttin Athens, der Pallas Athene, geweiht. Als eine der zwölf olympischen Götter war sie für die Weisheit, die Strategie und den Kampf, die Kunst, das Handwerk und die Handarbeit zuständig. Ein ganz schön weiter Aufgabenbereich – deshalb musste für die während ihres olympischen Wirkens nie eine Liebesbeziehung eingehende Göttin ein pompöses Gemach her. Der in der damaligen Zeit hochgeschätzte Perikles war für die Gesamtplanung der Akropolis zuständig. Im 5. Jahrhundert v. Chr. ließ er auf der Fläche von 31 m x 70 m ein knapp 14 m hohes Gebäude hochziehen. 74 Außen- und Innensäulen gaben dem Prachtbau ein spielerisches, graziöses Aussehen. Auch mit den Gerüsten erscheint es noch immer so …
Im Parthenon wurde das aus Gold und Edelstein bestehende Abbild der Athene zur Schau gestellt. Er fungierte nicht als Tempel – vor und in ihm gab es keinen für das Anbeten notwenigen Altar. Nebenbei wurde er als Schatzhaus für den Attisch-Delischen Seebund verwendet.
Auch als Pallas Athene als Göttin nicht mehr up to date war, wurde der Parthenon von ihren Nachfolgern gerne genutzt. Von den Römern wurde er zunächst geleert – das Standbild der Athena Parthenos wurde auf Befehl eines römischen Kaisers ins damalige Konstantinopel geschafft, wo es irgendwann – wie so viele andere antike Herrlichkeiten, eventuell während der Kreuzzüge – verschütt ging. Christen bauten die Innereien zu einer Kirche um; später nutzten die Osmanen den ehemaligen Tempel als Moschee; noch später auch als Pulverlager. Leider, denn während des venezianischen Krieges fand eine venezianische Kugel den richtigen Weg, das Pulverlager ging hoch und zerstörte einen großen Teil des Parthenons. Daran arbeiteten auch die Briten – wenn auch in geringerem Umfang. Mit der Brechstange. Ein britischer adliger Diplomat erhielt Anfang des 19. Jahrhunderts von den Türken die Erlaubnis, archäologische Grabungen vorzunehmen und die Fundstücke zu untersuchen. Aber dieses Schlitzohr, um nicht zu werten: Kunsträuber, meinte, dass er das behalten könne, was er hatte ausbuddeln lassen. Eine merkwürdige Auffassung des Finderlohns. Er schaffte viel außer Landes, schmückte damit sein Landhaus und verkaufte einiges an das Britische Museum in London, dass sich weiterhin weigert, diese Kunstschätze dorthin zurückzubringen, wohin sie gehören. Aber nicht nur die Briten können so etwas – denken wir einfach an den Pergamonaltar im Berliner Pergamonmuseum … aber sie konnten es sehr gut …
Wir gingen langsam an der linken Seite des Parthenons vorbei. Die anfängliche Menschenmenge zerstreute sich auf dem Plateau – genügend Platz für jeden. Interessant war nicht nur der vermeintliche Tempel. Auch die Blicke über Athen vom Rande des Hügels faszinierten. Wie hier der auf das Theater des Dionysos und das Akropolis-Museum.
Oder der auf den Tempel des Olympischen Zeus.
Inzwischen waren wir an der Rückseite des Parthenon angekommen. Oh Wunder – es gelang uns ein Foto (fast) ohne Menschen, die wohlgemerkt mehr Farbe ins Bild bringen würden. Wir erkannten, dass auch an dieser Seite noch viel Arbeit auf die Restauratoren wartete …
Das mit den im Bild stehenden Personen änderte sich kurze Zeit später …
Und immer wieder schauten wir von oben auf das Häusergewimmel. Mit dem Hausberg Athens, dem Lykavittos, mit der schneeweißen St. Georgs – Kapelle ganz oben.
Und dem Tempel des Hephaistos.
... Fortsetzung folgt in einer Woche ...
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