9. März 2020 - Haugesund
Von der Schäreneinfahrt nach Haugesund bekamen wir nichts mit. Als wir das Oberdeck betraten, hatte die AIDAcara gerade die Karmøy-Brücke unterquert
und machte sich bereit zum Anlegen. Es war trocken und in dieser Gegend mit 8° für diese Jahreszeit recht warm. Die altbekannten Bauten Haugesunds wie die Vår Frelsers Kirche mit dem spitzen Turm begrüßten uns.
Es war ein kurzer Gruß, denn aufgrund des bevorstehenden AIDA-Ausflugs frühstückten wir recht früh. Bereits um 9.15 Uhr startete unser Bus – einer von vieren – zum „Erlebnis Natur: Åkrafjord und Wasserfall Langfoss“. Mit der Überquerung des Smedasundets
hatten Floppys, wir und alle Businsassen das Hafengelände verlassen und fuhren durch die Innenstadt von Haugesund. Viele vorwiegend weiße Holzhäuser – mehr als Beton- bzw. Steinbauten. Nicht wenige der Holzbauten hatten Anstriche oder auch Renovierungen nötig; ein nicht geringer Leerstand war unübersehbar. Trotzdem strahlte die Umgebung ein gemütliches Flair aus. Die Außenbezirke der Stadt und damit ein riesiger Obelisk, umringt um 29 Stelen, wurde erreicht. DAS Nationaldenkmal Norwegens – Haraldshaugen,
das für König Harald Hårfagre, auch bekannt als Harald Schönhaar, steht. Haralds Verdienst war, dass er im 9. Jahrhundert die anderen 28 norwegischen Stämme mehr oder weniger einkassierte und damit das damalige Norwegen einte. 872 war es und er herrschte über die insgesamt 29 Stämme (s.a. Anzahl der Stelen) bis zu seinem Tod im Jahre 932. Dort, wo er beigesetzt wurde, setzte man Harald ein für die damaligen norwegischen Zeiten gigantisches Denkmal. 1.000 Jahre nach der Einigung.
Ein wenig ging das 1.000 Jahre alte Kreuz unter,
das auf einem Felsblock in unmittelbarer Nähe von Haralds Überresten aufgestellt wurde. Dort wurden in den guten alten Zeiten Thingversammlungen abgehalten. Als irgendwann während eines Things das Christentum für diese Region angenommen wurde, errichtete man dieses seit langer Zeit den Wetterunbillen standhaltende und recht gut erhaltene Kreuz.
Ganze zehn Minuten Besichtigungszeit wurde uns zugestanden, die wir voll ausnutzten. Nicht genug Zeit, um das Denkmal und das Kreuz zu umrunden und eingehend zu besichtigen. Nun gut, wir waren nicht zum ersten Mal dort … Zum Abschluss unseres 2016er Mietwagenausfluges hatte wir uns viel mehr Zeit genommen …
Also nun rein in den Bus und los. Er fuhr ganze 10 m bis der Ruf eines Mitpassagiers „Es fehlt noch jemand!“ den Fahrer zum Anhalten animierte. Zweites Durchzählen! Komplett! Nein! Nochmaliges Durchzählen. Es fehlte tatsächlich eine Person … Ausschwärmen von Reiseleiter und AIDA-Scout auf dem Denkmalsgelände. Und es näherte sich ein Mitreisender im sportlichen Laufschritt. Entschuldigung? Fehlanzeige! Aber gut – wir waren (hoffentlich) komplett und die Fahrt ins Landesinnere wurde fortgesetzt. Mit dem Segen von oben – es begann zu regnen. Schade, aber die Nässe hinderte uns nicht, die an uns vorüber ziehende Landschaft zu genießen. Felsbuckel, Wiesen, Weiden, Fjordausläufer, Seen.
Und damit viel Grün. Ohne Anzeichen des Winters. Kein Schnee. Also auch nicht der von uns ersehnte Winter im hohen Norden. Nach ungefähr einer Stunde erreichten wir den Ort Ølen am Ølensfjord. Einige Bohrinsel standen so einfach im Fjord herum. Wurde auf und mit ihnen nach Öl gebohrt? Nein, sie wurden in einem der dafür bestimmten Zentren überholt und repariert. Kein so schöner Anblick, den wir aber rund um das norwegenrote Anwesen Rosemaling fanden.
In diesem Haus residierte die Künstlerin Unni Marie Lien, die sich der in diesen Landesteilen üblichen Rosenmalerei widmete. Ein Besuch der Verkaufsausstellung – auch mit dem üblichen Norwegen-Kitsch - incl. Vortrag von Unni Marie gehörte zum Standardrepertoire dieses Ausflugs. Nicht, dass wir uns falsch verstehen – es war keine aufdringliche Verkaufsanimation, aber vom Zeitlichen her zu lange terminiert. Wir schauten kurz in den Laden und wandten uns danach dem liebevoll gestalteten Garten zu.
Wer überraschte uns dort? Trollnachwuchs – und davon jede Menge …
Am Rande der Wege waren die Trolle klein, sie können aber auch riesig sein.
Aber alle haben eine lange gebogene Knubbelnase sowie an jeder Hand bzw. jedem Fuß vier Finger resp. Zehen. Sie können nur im dunklen Wald und in der Nacht zum Vorschein kommen, denn Licht führt zu rissiger Haut bzw. sie können erstarren, wenn sie ein Sonnenstrahl trifft (Aus diesem Grunde starrten uns die Rosemalen-Trolle bewegungslos an!). Im Allgemeinen sind Trolle gutartig – aber man sollte sie nie reizen, denn ihr Zorn ist im Regelfall fürchterlich. So war und ist es für die Norweger wichtig, gut mit den Trollen auszukommen, denn sie waren/sind die Beschützer der Wälder und Beschützer aller Freunde der Wälder. Wir als Besucher forderten die Trolle nicht heraus; wir und sie blieben friedlich – wer weiß, was andererseits noch alles hätte passieren können …
Die nach einer nicht allzu langen Regenpause wieder einsetzenden Schauer führten zum Sturm unseres Busses. Und los ging´s – vorbei an Gewerbeparks, kleineren Ortschaften, Binnenseen, ausgedehnten Weiden mit Einzelgehöften erreichten wir ein lang gezogenes, von mehr oder weniger hohen Bergrücken begrenztes Tal. Die höheren Berge hatten weiße Spitzen –
es gab also doch Schnee in diesen Teilen Norwegens! Aber nur ganz oben …
Inzwischen war die Temperatur auf 11°, später auf 12° gestiegen. Kein Wunder, dass der vor einigen Tagen gefallene Schnee weitgehend Vergangenheit war.
Neben der von unserem Bus befahrenen Straße begleitete uns lange Zeit der Fluss Etne. Wildes Wasser, das sich vor langer Zeit seinen Weg gegraben hatte. Stromschnellen, Biegungen – bestimmt ein Paradies für Forellen. Hinter der nicht gerade attraktiven Ortschaft Etne führte die Straße weiter nach oben. Auf beiden Seiten wie schon gewohnt kleinere und auch größere Seen. Immer wieder – mitten im Gelände oder auch direkt an einem See – Einzelhäuser oder Häuseransammlungen, die teilweise nicht ganzjährig bewohnt waren.
Im Gegenteil – viele Hütten. Das mit der Muttermilch übertragene Hobby der Norweger, die in ihnen gerne ihre Wochenenden und auch Ferien verbrachten. Aber nicht an diesem Tag – es standen nur vereinzelt Autos vor den hytten.
Neben uns – auf Backbord – erschien der Åkrafjord. Tief unter uns. Er begleitete uns längere Zeit bis zu unserem Hauptziel. Er war jedoch nicht ununterbrochen zu sehen. Immer wieder vor uns auftauchende Bergsperren verhinderten es. Sie, die Bergsperren wurden durchfahren. Norwegen zeigte uns, dass es das Land der Tunnelexperten war. Nach dem zehnten durchfahrenen Tunnel hatten wir keine Lust weiter zu zählen. Auf einmal wurde es länger dunkel. Im Åkrafjordtunnel. 7.404 m lang. Eine echte Herausforderung für die, die Tunnel hassen. Aber auch ein Meisterwerk der Tunnelbaukunst. Nicht dass dieser der letzte Tunnel war … doch nach wenigen weiteren Tunnel sahen wir ihn – den Langfossen.
Das Wasser fiel wie ein Brautschleier nach unten – 612 m bis in den Åkrafjord. Der Langfossen sah toll aus – aber auch enttäuschend. Wir hatten uns einen Eisfall erhofft – war aber nix … Gab es doch einen Klimawandel? Nun gut, wir mussten mit dem leben, was wir sahen. Und konnten gut damit leben. Die Auslöser unserer Kameras klickten unaufhörlich. Und dabei ließen wir uns von dem natürlich einsetzenden Regen nicht stören. Zunächst nicht. Doch als er stärker und stärker wurde, stürzten wir alle in den Bus, der den nächsten Programmpunkt ansteuerte. Durch – wie sollte es anders sein – durch Tunnel und zwischendurch ein Stück über die alte, während der Besatzung im 2. Weltkrieg erbaute Straße. Bis zum Restaurant Åkrafjordtunet. Wir waren aber zu früh, denn die Tische mussten eingedeckt werden. Ein Aufenthalt im Freien war nicht empfehlenswert – es regnete … Floppymann und ich nahmen gerne eine Anregung des Reiseleiters auf, einen dem Restaurant angeschlossenen Supermarkt aufzusuchen. Immerhin war es dort trocken und ein bisschen Sortimentskontrolle konnte auch nicht schaden.
Bewohner eines bestimmten Nachbarstädtchens in der Heimat, oh, Pardon, einer Nachbarstadt, hätten sich in dieser Gegend mit Sicherheit heimisch gefühlt …
So, nun aber hinein ins Restaurant. Was erwartete uns? Zunächst lustig bemalte Toilettentüren.
Dann aber das Wichtigere: ein aus landestypischen Bio-Produkten bestehendes Buffet. Gemischter Salat, Rentiersalami, Rauchschinken, vorab in Cognac marinierter Räucherlachs (Spitze!), Brunost (Braunkäse – eine besondere Spezialität), verschiedene Ziegenkäsesorten, Kräuterkartoffeldrillinge, Bratwürstchen, eine besondere Art von Frikadellen mit Zwiebeln, mit Beeren und Schmand gefüllt Pfannküchlein, heißer Kaffee. Alles äußerst schmackhaft und sehr gut!
Mit vollen Mägen bestiegen wir den Bus, der uns zum Örtchen Piravik am Ende des Åkrafjords brachte. Dort wartete ein kleines Ausflugsboot auf die gesamte Truppe. Groß genug für uns alle, auch wenn es einige Mitausflüglerinnen nicht wahrhaben wollten. Wir hatten keine Probleme … und enterten das Bötchen so schnell wie möglich, denn es – na ja, wir kannten es schon – regnete … Wie viele andere verschwanden wir zunächst in der Innenkajüte. Unser Bötchen legte ab und – oh Wunder – der Regen verschwand. Also rauf – nach oben an die frische Luft. Wir fuhren ganz nahe an den steil aufragenden Felswänden vorbei. Ein kleiner Wasserfall neben dem anderen. Und Kontrast gebendes Grün. Moos. Aber auch sich in den Felsritzen klammernde Krüppelkiefern.
Im Laufe der Fahrt passierten wir die Häuseransammlung Lyngnesvika.
Kein Licht in den Häusern, kein Leben in und zwischen den nur mit Booten zu erreichenden Gebäuden. Es waren bestimmt Ferienhäuser für die Interessenten, die in ihrem Urlaub vorwiegend Einsamkeit und damit auch Ruhe bevorzugten. Das fanden sie an diesem Flecken. Nicht allzu viele Nachbarn konnten die Ruhe beeinträchtigen.
Von hier aus begann die Fahrt quer über den Fjord. Bis das Bötchen unmittelbar vor den Ausläufern des Wasserfalls stoppte. Schon während der Bootsfahrt bewunderten wir den Langfossen aus der Ferne. Nun baute er sich majestätisch vor uns auf.
Einfach nur schön. Wenn nur nicht der erneut einsetzende Regen gewesen wäre … Ein Grund, dass wir uns wieder in die Kajüte verzogen und dort bis zum Anlegen blieben.
Durch den Regen schnell hinein in den Bus und ab Richtung Haugesund. Mit derselben Streckenführung wie auf der Hinfahrt; es gab keine andere Möglichkeit. Aber auch so wurde es uns nicht langweilig, denn wir genossen die selbst im Regen prächtig erscheinende Landschaft Norwegens.
In Haugesund angekommen wunderten wir uns: Die Straßen waren trocken und es gab Streifen blauen Himmels. Ein gutes Zeichen für das bevorstehende sail-away. Zunächst fuhren wir über den Smedasundet,
dann beeilten wir uns, kurz nach dem vorgegebenen Toresschluss unser Schiff zu entern.
Wir legten mit geringer Verspätung ab, denn eine einfahrende Fähre hatte Vorrang. Los ging´s wie immer mit Typhongetöse und Auslaufmelodien. Vorbei an den die Hafeneinfahrt einzwängenden Inselchen und dem noch mit bloßen Augen zu erkennenden Haraldshaugen
nahm die AIDAcara Geschwindigkeit auf. Eine Schärenfahrt begann. Viel Vegetation war auf den kleinen und auch weitflächigen Felsbuckeln nicht zu erkennen. Das änderte sich, als auf der Steuerbordseite die Inseln vom Festland abgelöst wurden. Ab und zu kleine Ortschaften, die uns in der einsetzenden Dämmerung mit ihren Lichtern begrüßten und auch verabschiedeten. Auf der Backbordseite begrenzte eine lange, mit Brücken verbundene Inselgruppe den Meeresarm. Sie sorgte dafür, dass die AIDAcara trotz des einsetzenden stärkeren Windes noch recht ruhig ihre Bahn ziehen konnte. Ob es in der Nacht bei vorausgesagten Windgeschwindigkeiten um 50 km/h so bleiben sollte? Wir machten uns darüber keine Gedanken und suchten nach einer nicht zu langen Ausruhphase das Marktrestaurant auf. Die Achterbande eroberte ohne Ausfälle ihren Achterbandentisch. Die Skandinavien-Speisen – Fisch, Fleisch, …, z.T. landestypisch - waren sehr schmackhaft und unsere Stimmung konnte schwer übertroffen werden. Erneut ein gelungener Abend, der von den Kältefreaks an der Poolbar und vom Rest der Bande im Inneren der AIDAcara fortgesetzt wurde.
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