12. März 2020 – Seetag 3, Alta
Irgendwann am sehr, sehr frühen Morgen wachte ich auf. Ein Blick auf die Uhr – zu früh, um den gewohnten Morgenkaffee in der Pool Bar zu erhalten. Auch die Erkenntnis, dass wir in der kommenden Nacht das Nordlichterlebnis auf uns wartete und es somit sehr spät werden sollte, brachte mich dazu, mich umzudrehen und … wieder einzuschlafen. An nichts Böses denken. Nur träumen – der Tag musste vorbereitet werden! Wie sollte er beginnen? Natürlich mit dem Frühe-Vogel-Kaffee, den ich gerade noch ergattere. Kalt ist´s und oh Wunder! In der Nacht hatte es ein bisschen geschneit.
Der raue Nordmeerwind sorgt dafür, dass die offenen Decks nur wie leicht bepudert aussehen. Noch befinden wir uns auf dem offenen Meer. Rings um uns Wasser. Ein Grund zu frühstücken bevor wir zwischen der Insel Sørøya und dem norwegischen Festland den Altafjord und die Stadt Alta ansteuern sollten. Dann ist es so weit. Der Morgensegen von Kapitän Müller mit der Information des Tages, dass die Kreuzfahrt wie geplant fortgesetzt und Alta angefahren werden sollte. Ein Grund, so schnell wie möglich die Oberdecks aufzusuchen und frische Luft nicht nur zu schnuppern. Land war in Sicht!
Aus dem Nordmeer empor wachsende Berge. Schneebedeckt. So, wie wir sie erleben wollen. Aber darüber? Tiefe, dunkle Wolken. Nicht die ideale Voraussetzung für Nordlichter. Doch der Lichtblick ist da – die Sonne versucht sich durchzukämpfen. Das kann noch werden.
Die AIDAcara bleibt auf Kurs. Wir auf dem Pooldeck. Dicke Jacken, Mützen und Handschuhe sorgen dafür, dass wir nicht frieren. Es kommt Bewegung auf. Nicht auf dem Wasser – auf dem Pooldeck. Eine AIDA-Gastgeberin stellt eine Quizfrage: Welches Prädikat hat unser Ziel Alta! Einer aus unserer Truppe antwortet als Erster: Die Stadt der Nordlichter! Ein lautes Hurra, Glückwunsch und der Gewinn: Gutschein für den Shuttle Bus vom Hafen ins Zentrum von Alta für zwei Personen. Noch einmal ein lautes Hurra: Zwei von uns müssen nicht auf ihren Füßen in die Stadt schliddern!
Hunger kommt auf. Das ist wohl allgemein bekannt und ein Grund, auf dem Pooldeck die Theke für den Poolbrunch aufzubauen.
Von den Passagieren werden Gulasch- und Brokkolisuppe sowie gegrillte Thunfischsteaks sehr gut angenommen. Auch von uns. Dabei schauen wir regelmäßig misstrauisch nach dem, was sich links und rechts vom Schiff tut.
Schöne Berge, nicht so schöner Himmel. Aber nur nicht den Mut verlieren! Und tatsächlich: Es gibt sogar blauen Himmel. Oder Flecken blauen Himmels …
Alles in allem präsentiert sich an diesem Vormittag der hohe Norden sehr, sehr mystisch. Dunkle, sich mehr und mehr zusammenballende Wolkenberge.
Schneeweiße, aneinander hängende Wolkenklumpen, die sich anschicken, sich über Bergketten zu wälzen.
Auf Deck 11 neugierige Mitreisende, die wie wir die grandiose Landschaft von ganz oben genießen. Und fleißige Helfer, die versuchen, das Spielfeld auf dem Pooldeck schneefrei zu machen.
Und das Ergebnis von Mitreisenden, die allen zeigen wollen, wo wir uns befanden.
Es trübt sich leider mehr und mehr ein. Was sollen wir tun? Weiter in den dunklen Himmel starren? Oder sollen wir uns auf die lange Nacht mit den Nordlichtern vorbereiten? Der beste Gedanke. Und so verziehen wir uns für ein Nickerchen in unsere Kojen. Wir werden wach, von einem leichten Stoß. Ein Blick aus dem Fenster: Gebäude! Wir haben in Alta angelegt. Nichts wie raus und nach oben. Zum ersten Rundumblick. Auf den verschneiten Flughafen.
Auf einen Vorort von Alta. Auf die Hafenanlage. Auf die Sprungschanze, die uns schamhaft ihren Rücken zeigt.
Dann der Blick Richtung Himmel. Ohoh, ob daraus noch etwas werden kann? Mit den Nordlichtern? Aber keine Angst, die Mädels und Jungs von Pœscatun wissen, wo im Landesinneren freier Himmel und damit die farbige Lichterorgel zu finden sind. Mit diesen Gedanken widmen wir uns dem Kuchenbuffet, um anschließend die dicken, mehrlagigen Klamotten und die Fotoausrüstung bereit zu machen. Und oh Wunder – die vor vielen Monaten angeschaffte Polarkleidung passt noch! Aber die Anprobe dauert … Und auch das wird zur Zufriedenheit aller geschafft. So bleibt noch etwas Zeit, uns auf Deck herumzutreiben. Was sagt der Himmel? Klasse! Die dicken grauen Wolken sind in der Minderheit. Es klart auf! Das muss auch sein, denn besonderes wartet in der Nacht auf uns. Dafür müssen wir uns stärken. Ob „Spanien“ oder „Spezialitäten der Fjorde“ – für uns egal. Allerdings nicht für die „norddeutsche Fraktion“, die nichts von Fisch hält – also Spanien. Auf jeden Fall stehen wir pünktlich vor Öffnung des Restaurants vor der geschlossenen Tür. Einmal dürfen wir uns das erlauben. Es tut sich nichts … bei unserem immerwährenden Hunger! Und so skandieren wir: „Die Mauer muss weg!“ Sie wird beseitigt und wir haben keine Mühe, einen für uns passenden und unbesetzten Achterbandentisch zu finden. Zum Speisen. Aber nur auf die Schnelle, denn wir müssen uns nach dem Abendessen sputen und dick einpacken. Das dauert … dennoch sind wir unter sternenklarem Himmel kurz nach 19.30 Uhr pünktlich vor dem Schiff zum Treffen mit einem lokalen Anbieter. Zum Glück haben wir die Nordlichterjagd nicht über AIDA gebucht … Als wir losfahren, wird es dunkler und dunkler. Die Acht unserer Bande werden während der halbstündigen Fahrt ins Camp von Pœscatun eingewiesen. Als wir dort ankommen, ist es richtig dunkel. Zunächst werden Kaffee, Tee und frisch gebackener Kuchen in einem kleinen, richtig warmen Holzhaus serviert. Wir greiffen zu – leider gibt es keinen KAKAO! Noch nicht …
Uns wird es in der Hütte zu warm. Also rein in die dicken Jacken und raus in die Kälte. Wir stellen die Stative in Positur und richten die Kameras ein. Wo bleiben nur die Nordlichter? Woanders? Warum nicht bei uns? Na ja, Alta in der Ferne sieht auch nicht schlecht aus. Wie auch das Samizelt und die Eismauer mit Illumination.
Aber trotzdem? Wo laufen sie denn? Mein Gott, bei mir bleibt alles dunkel. Aber was ist denn das? Die Nordlichter! Meine ersten Nordlichter! Zunächst zögerlich, aber noch nicht so, wie wir es gerne gehabt hätten.
Woran liegt es? An den Lichtern Altas? Oder befinden wir uns nicht im optimalen Jagdrevier? Wer weiß? Nichtsdestotrotz – es ist der erste Höhepunkt dieser Nacht! Unsere Scouts von Pœscatun beschließen, einen Platz mit tieferer Dunkelheit aufzusuchen. Unsere drei Kleinbusse flüchten – zufälligerweise (?) in dem Moment, als eine Armada von AIDA-Bussen ankommt. Der zweite Höhepunkt! Die Fahrt ist abenteuerlich. Die Chauffeure kennen sämtliche Blitzer. Wir wissen sofort, wenn wir uns einem nähern. Der Fahrer fährt dann extrem langsam. Und dann wieder schneller … Teilweise 110 km/h auf der eisglatten Straße. Wir kommen an … an einem Parkplatz mit freier Sicht. Und auch sie kommen … die Nordlichter = Höhepunkt 3!
Richtige grüne Lichtervorhänge treten am Himmel auf …
Wir jubeln und fahren nach ca. einer Stunde weiter. Eine weitere halbe Stunde. Wir haben keine Ahnung, wo wir uns befinden, als wir den nächsten Parkplatz erreichen. Ein Parkplatz mit einer Hütte. Und merkwürdig, ganz links, dort, wo wir unsere Kameras aufbauen, steht ein PKW ohne Schneedach.
Er steht mit Sicherheit noch nicht lange dort – die Scheiben sind von innen beschlagen und angefroren. Na und … wir haben Programm und machen die ersten Aufnahmen, als das Erscheinen von Nordlichtern zu erahnen war. Plötzlich öffnet sich das hintere Autofenster. Huch?! Zwei Köpfe – Weiblein und Männlein - schauen heraus und sie fragen uns, was wir machen (Man stellt das Stativ nicht auf ein Wagendach!). Wir antworten ganz lieb in unserem allerbesten Schulenglisch: „Wir sind auf Nordlichterjagd …“ Gut, man bittet uns, sich ein wenig vom Auto zu entfernen. Wegen der Höhepunkte oder so??? Machen wir (nicht die Höhepunkte!), nachdem wir eine weiterhin gute Nacht gewünscht hatten. So ungefähr zwei Meter Abstand … Kennen wir doch im Moment – oder etwa nicht?! Die Nordlichterausbeute ist nicht ganz so gut wie an dem vorherigen Platz. Aber doch ganz passabel und damit unser vierter Höhepunkt!
Dann kommt Hektik auf. Nicht bei den Jägern sondern bei den Scouts. Sie schaufeln in unmittelbarer Nähe des Schlafzimmerautos einen Weg frei und schaffen Schneebänke für unsere gemütliche Runde. Überraschung?!
Man gönnt uns bei 15° (minus oder so) heißen, dickflüssigen Kakao. Lecker – und das auch ohne Cognac oder Rum …
Zurück zu unserer AIDAcara geht´s nicht gerade im Schneckentempo. Wir suchen das ganze Schiff ab – es gibt kein geöffnete Bar. Schade! Denn zum Abschluss eines solchen ereignisreichen Tages (oder auch frühen Morgens) hätten wir gerne einen Absacker genossen. Was bleibt uns nur noch übrig? Über den Rundgang auf Deck 6 in Richtung Kabinen und dann … schauen wir nochmals in den Himmel. Nein, das hätten wir nicht gedacht! Langsam, aber unaufhaltsam schiebt sich über den Hügel ein kleiner grüner Vorhang in den Himmel.
Nur für die Achterbande, die sich diese Überraschung verdient hat! Wir müssen uns zurückhalten, um nicht laut zu jubeln! Es ist tiefe und trotzdem farbige Nacht und wir wollen niemanden wecken. Oder ist es Egoismus? Es sind UNSERE Nordlichter! Die sich weiter ausbreiten. Das von uns so gewünschte farbige Himmelorchester … es beginnt mit dem Largo, fährt fort mit dem Andante und zum Schluss breitet sich das von uns bevorzugte Allegro aus.
Wir genießen es und sind auch nicht über das unvermeidliche Verschwinden enttäuscht. Glücklich lächelnd sinken wir ungefähr 2.45 Uhr in die Falle.
2.45 Uhr? Quatsch! Tageslicht fiel in unsere Kabine! 7 Uhr morgens! Was war das? Ein Traum? Jaaaaaaaaaa, ein schöner Traum … Und schon hatte mich die Realität eingeholt … AUFSTEHEN!
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