12. März 2020 – Seetag 3, Alta
Ihr habt bestimmt gemerkt, dass einige der Schilderungen im letzten Reisebericht nicht der Realität entsprachen. Es waren so etwas wie fake oldies! Corona hatte uns eingeholt. Aber ich träumte einfach, wie der Tag hätte verlaufen können … Mit Nordlichtern … Die beiden letzten Fotos von den Nordlichtern hatte Floppy „gebastelt“ – vielen lieben Dank! Und nun das, was wirklich geschah. Ehrlich! Oder traut Ihr mir etwa nicht mehr?
Irgendwann am frühen Morgen wachte ich auf. Ein Blick auf die Uhr – ca. 7 Uhr. Wie sollte der Tag beginnen? Nicht mit blöden Gedanken über Corona-Beeinträchtigungen - natürlich mit dem Frühe-Vogel-Kaffee, den ich so gerade noch ergatterte.
Kalt war´s und oh Wunder! In der Nacht hatte es ein bisschen geschneit.
Der raue Nordmeerwind hatte dafür gesorgt, dass die offenen Decks nur wie leicht bepudert aussahen. Noch befanden wir uns auf dem offenen Meer. Rings um uns Wasser.
Irgendwie konnte ich mich in dieser frühen Stunde nicht richtig freuen. Anders als an den letzten Tagen bei meinen morgendlichen Bordinspektionen. Das Corona-Damoklesschwert schwebte über uns. Zwar unbestätigt, aber es war eben da. Und so war es nur natürlich, dass ich mich via Internet schlau machen wollte. Ergebnis: Es gab keinen Hinweis, dass Alta den Hafen dicht gemacht hatte. Dafür allerdings Informationen, dass neben Bodø auch andere norwegische Häfen nicht mehr von Kreuzfahrtschiffen angefahren werden durften. Auch für Honningsvåg gab es (noch) keine Restriktionen. Hoffnung!
Ein Grund mit guter Laune zu frühstücken, als wir zwischen der Insel Sørøya und dem norwegischen Festland schipperten und den Altafjord und die Stadt Alta ansteuerten. Dann war es so weit. Der Morgensegen von Kapitän Müller mit der Information des Tages, dass die Kreuzfahrt wie geplant fortgesetzt und Alta angefahren werden sollte; wir würden ungefähr 15.00 Uhr anlegen. Schön, weiter mit bester Laune suchten wir so schnell wie möglich die Oberdecks auf, um frische Luft nicht nur zu schnuppern. Land war in Sicht!
Aus dem Nordmeer wachsende Berge. Schneebedeckt. So, wie wir sie erleben wollten. Aber darüber? Tiefe, dunkle Wolken. Nicht die ideale Voraussetzung für Nordlichter. Doch der Lichtblick war da – die Sonne versuchte sich durchzukämpfen. Das konnte noch werden.
Die AIDAcara blieb auf Kurs. Wir auf dem Pooldeck. Dicke Jacken, Mützen und Handschuhe sorgten dafür, dass wir nicht froren. Es kam Bewegung auf. Nicht auf dem Wasser – auf dem Pooldeck. Eine AIDA-Gastgeberin stellte eine Quizfrage: „Welche Bezeichnung hat unser Ziel Alta?“ Einer aus unserer Truppe antwortete als Erster: „Die Stadt der Nordlichter!“ Ein lautes Hurra, Glückwunsch und der Gewinn: Gutschein für den Shuttle Bus vom Hafen ins Zentrum von Alta (und zurück) für zwei Personen. Noch einmal ein lautes Hurra: Zwei von uns mussten nicht auf ihren Füßen in die Stadt schliddern!
Hunger kam auf. Das war allgemein bekannt und ein Grund, auf dem Pooldeck die Theke für den Poolbrunch aufzubauen.
Von den Passagieren wurden Gulasch- und Brokkolisuppe sowie gegrillte Thunfischsteaks sehr gut angenommen. Auch von uns. Dabei schauten wir misstrauisch nach dem, was sich links und rechts vom Schiff tat.
Schöne Berge, nicht so schöner Himmel. Aber nur nicht den Mut verlieren! Und tatsächlich: Es gab sogar blauen Himmel. Oder Flecken blauen Himmels …
Alles in allem präsentierte sich an diesem Vormittag der hohe Norden sehr, sehr mystisch. Dunkle, sich mehr und mehr zusammenballende Wolkenberge.
Schneeweiße, aneinander hängende Wolkenklumpen, die sich anschickten, sich über Bergketten zu wälzen.
Auf Deck 11 neugierige Mitreisende, die wie wir die grandiose Landschaft von ganz oben genossen. Und fleißige Helfer, die versuchten, das Spielfeld auf dem Pooldeck schneefrei zu machen.
Und das Ergebnis von Mitreisenden, die allen zeigen wollten, wo wir uns befanden.
Es trübte sich leider mehr und mehr ein. Was sollten wir tun? Weiter in den dunklen Himmel starren? Oder uns auf die lange Nacht mit den Nordlichtern vorbereiten? Ein guter Gedanke. Und so verzogen wir uns für ein Nickerchen in unsere Kabine. Dort stellte ich fest, dass um 12.58 Uhr ein Handyanruf von mir verpasst worden war. Der Anrufer hatte eine norwegische Vorwahl; Tante Guggel half ´mal wieder: Die Telefonnummer des örtlichen Nordlichtjägers Pœscatun. Nachtigall, … Ein Rückruf brachte nichts – er wurde nicht angenommen. Also hinein in die Koje. Ca. 14.15 Uhr war erneut Pœscatun am Apparat mit einer, genau genommen zwei betrüblichen Nachrichten: Zum einen musste die Nordlichterjagd aufgrund des Wetters bzw. der dichten Bewölkung ohne Chancen auf Besserung abgesagt werden; zum anderen hatten die Behörden die Sperre von Alta für Kreuzfahrtschiffe angeordnet. Mist! Was nun? Die anderen informieren? Nein, die Laune würde man ihnen noch früh genug verderben. Also wieder zurück in die Koje. Aber keine allzu lange Ruhe, denn fünf Minuten kam Kapitän Müllers offizielle Durchsage: Alta war dicht; wir durften anlegen zum Bunkern von Frischwasser sowie Entsorgen von Grauwasser und Müll. Niemand durfte von Bord. Das war´s – wie es weitergehen sollte, konnte er noch nicht sagen. Rostock würde sich Gedanken machen. Honningsvåg sollte zwar bis 18 Uhr am kommenden Tag geöffnet bleiben; wir sollten uns allerdings auf eine Weiterfahrt Richtung Süden einstellen …
Und nun? Darauf erst einmal Kaffee und Kuchen und dabei die hin und her gehenden Diskussionen. Doch was sollte man machen? Augen zu und durch – für Norwegen hatten wir aufgrund der Corona-Entwicklung mehr als Verständnis. So kam es auch, dass unsere Stimmung nicht so angespannt war wie zuvor vermutet. Insgeheim hatten wir uns bereits auf diese Entscheidung Norwegens eingestellt.
Während der Kaffeestunde legte die AIDAcara in Alta an. Am Wetter hatte sich nichts geändert – weiterhin alles grau in grau. Der Anlass, dass wir die Kaffeepause voll ausnutzen, um uns anschließend in unseren dicken Klamotten an Deck zu begeben. Und um nachzuschauen, was sich an Land tat. So gut wie nichts – dicke Schläuche wurden ausgerollt, nur wenige Security-Mitarbeiter bewegten sich im rund um das Schiff abgesperrten Bereich. Container für den Abfall wurden bereit bestellt. Das war´s … So schauten wir uns lieber die trübe Gegend an. Den verschneiten Flughafen.
Die Hafenanlage vor einem Vorort Altas. Die uns schamhaft ihr Hinterteil zeigende Sprungschanze hoch oben auf dem Hügel.
Und wir durften nicht raus … gefangen! Deshalb blieb uns auch nichts anderes übrig, uns wie Gefangene zu verhalten. Und drehten auf Deck 11 unsere Runden. Viele Runden. Bis uns richtig warm geworden war, uns im Windschutz auf dem Pooldeck zusammenrotteten und die vorher stockende Unterhaltung wieder aufnahmen. Als wäre nichts geschehen …
Bis zum Abendessen war noch Zeit satt. Sie verging mit Lesen, Rätseln usw. Und mit einem Besuch der kurzfristig eingeschobenen ABBA-Show „Dancing Queen“. Wir sahen sie nicht zum ersten Mal, waren aber aufgrund des professionellen Auftritts der Stars und der zu den Songs passenden, sehr guten Stimmen wieder begeistert. Zuhören und Klatschen machten Hunger. Auf ins Marktrestaurant! Aber mit Desinfektion der Hände. Was gab´s? „Spanien“ oder „Spezialitäten der Fjorde“ – für uns egal. Allerdings nicht für die „norddeutsche Fraktion“, die nicht vom Fisch angetan war. Also „Spanien“. Auch gut und es gab natürlich neben Fleisch Fisch. Und Bier und Wein und Wasser. Fisch und Fleisch mussten schließlich schwimmen … Merkte man uns und den Mitreisenden an, dass unsere Kreuzfahrt nicht planmäßig ablaufen sollte? Nein, der Lärmpegel war wie immer. Nicht gerade niedrig. Auch unsere Stimmung näherte sich der der Vortage an. Also fast phantastisch. Oder sollten wir das Galgenhumor nennen? Egal, wir setzten den Abend wie gewohnt in unserer Stammecke in der Lambada-Bar fort. In Bombenstimmung und mit den gleichen Getränken wie an den Vorabenden. Welchen? Wenn ich das nur noch wüsste …
Einer aus unserer Truppe beleerte uns am späten Vormittag, dass Alta als Stadt der Nordlichter galt. Das musste getestet werden. Denn mit Corona hatten die Nordlichter nie etwas am Hut. Rein in die dicken Klamotten, Kamera aufs Stativ und auf nach oben. Ans Heck auf Deck 10. Blicke nach oben, Wolken. Positionswechsel. Egal, ob auf Back-, Steuerbordseite, Heck oder Bug – alle hatten an diesem Tag etwas gegen uns. Sogar die Nordlichter … Das sollte nichts werden … und so verzogen wir uns in die Wärme. Ins angewärmte Bett.
Am folgenden Tag hörten wir, dass einer der Passagiere das Glück hatte, in dieser Nacht vom Deck aus Nordlichter zu fotografieren. Eher gegen Morgen?! Sollte der Glückspilz diese Zeilen lesen, bitte ich ihn, das Foto im Forum hochzuladen.
Danke!
Achim
Kommentare 32