Nach einer relativ schlaflosen Nacht - Hamburg schläft wahrscheinlich nie und auf der Reeperbahn ohnehin nicht - laufe ich gegen 06:15 Uhr hinunter zu den nicht weit entfernten Landungsbrücken, wo zwischen lauter Müll als Überbleibsel des vorherigen Hafengeburtstagstages doch schon mehr Leute unterwegs sind, als ich zu dieser frühen Stunde erwartet hätte.
Es ist nach wie vor sehr kalt, doch der Wind hat etwas nachgelassen und die Sonne lacht von einem beinahe wolkenlosen Himmel. Alle Buden sind noch geschlossen, die unzähligen Barkassen warten auf einen erneuten Besucheransturm.
Ganz allein mit einem schönen Segelschiff ... Es ist fast unwirklich, wenn ich mir überlege, was gestern Nachmittag hier los war ... Nun liegt die "Mir" noch ganz einsam in der Hamburger Morgensonne. Es ist herrlich still, nur ein paar Möwen ziehen ihre Bahn am blauen Himmel. Doch immer wieder sind Kehrmaschinen zu hören, die ihr Bestes geben, um den vielen herumliegenden Müll der vergangenen Nacht zu beräumen.
Wehmut überkommt mich in Momenten wie diesem, wenn ich daran denke, dass ich am Nachmittag wieder in den Zug steigen und mich viele hundert Kilometer von meinen geliebten Schiffen und dem "Duft der großen weiten Welt", den ich in Hafenstädten immer verspüre, entfernen muss. Es tröstet momentan wenig, dass ich im August wieder an Bord eines Kussmundschiffes gehen werde ... Also heißt es, das "Jetzt & Hier" einfach nur zu genießen. Anhalten kann ich die Zeit sowieso nicht.
Um 06:30 Uhr dann passiert die im Gegensatz zu den großen AIDA-Schiffen kleine MS "Deutschland", das ZDF-"Traumschiff", die Landungsbrücken. Vor meinem geistigen Auge sehe ich Chef-Stewardess "Beatrice" durch die noch in Morgenruhe schlummernden leeren Gänge laufen und Kapitän "Paulsen" von der Brücke aus das Geschehen im Hafenbecken akribisch beobachten.
Langsam und ganz ruhig gleitet die MS "Deutschland" an mir vorbei in Richtung Cruise Center HafenCity. Noch immer habe ich die "Traumschiff"-Titelmelodie im Ohr ... Gedankenversunken schaue ich ihr nach. Da ich ohnehin gerade in solch einer melancholischen Stimmung bin, beschließe ich, noch ein wenig weiter am Wasser entlang zu spazieren. Der Morgen ist zu herrlich, um ihn im Hotelzimmer zu verbringen.
Noch ist hier an den Anlegern der Barkassen alles still. Noch heißt es "Durchatmen" für die kleinen Boote, die schon in wenigen Stunden wieder jede Menge Hafengeburtstagsgäste aufnehmen werden. Und auch heute werden sich die Barkassenkapitäne wieder einen Spaß machen, mit den Gästen kreuz und quer über die Elbe zu schaukeln und dabei das ein oder andere "Seemannsgarn" zu spinnen.
06:38 Uhr - Die Uhr an den Landungsbrücken lügt nicht. Es ist tatsächlich so früh. Ich genieße die Ruhe an den Landungsbrücken, schaue den am blauen Himmel kreisenden und kreischenden Möwen zu und lausche dem Plätschern der Elbe. Jetzt würde ich gern die Zeit anhalten wollen ... Jetzt ... In diesem Moment ...
In Richtung Cruise Center Altona kann ich einen Blick auf AIDAblu erhaschen. Ich bummele weiter am Wasser entlang - der "Rickmer Rickmers" und der "Cap San Diego" bis zur Überseebrücke. Im City-Sporthafen liegen die unzähligen kleinen und großen Boote auch noch still in der Morgensonne und spiegeln sich im ruhigen Wasser, wie ich schon von weitem erkenne.
Schon beinahe eine "alte Freundin" - die "Rickmer Rickmers". Meine Gedanken reisen zurück in den Sommer 1990, als ich im Rahmen eines Urlaubs an der Ostsee spontan eine Tagesfahrt per Bus nach Hamburg gebucht hatte. Ich sehe mich noch staunend vor diesem Traditionsschiff stehen. Langes ist es her, damals mein erster "Berührungspunkt" mit einer westdeutschen Hafenstadt. Alles noch so neu ... So fremd ... So unbekannt ...
Hamburg ohne die "Cap San Diego"?! Einfach unvorstellbar. Es ist schon toll, dass das größte fahrtüchtige Museumsfrachtschiff der Welt seit dem Jahr 2003 die markante Silhouette des Hamburger Hafens bereichert. Da fällt mir gerade ein, dass ich sie noch nie besichtigte habe. Na, ich komme garantiert noch öfters nach Hamburg.
Die "Überseebrücke". Auch wenn es sich bei diesem Bau schon lange nicht mehr um das Original aus dem Jahr 1927 handelt - an dieser Stelle begann für viele Menschen vor dem Zweiten Weltkrieg und auch in den 1950er Jahren der Traum von einem Leben in Amerika. Heute legen hier keine Schiffe nach "Übersee" mehr an. Dennoch hat dieser Ort einen Hauch von Fernweh, Abenteuerlust aber auch von einer gewissen Verzweiflung, die die Menschen zu dieser Reise "über den großen Teich" bewog, behalten.
Was für ein farbenfroher Anblick. Das "Feuerschiff" im Vordergrund ist nicht nur ein uriges Restaurant, sondern auch ein kleines, ausgefallenes Hotel. Wenn es in Hamburg eines reichlich gibt, dann BOOTE. Wohin das Auge blickt ... Hier vom Gelände des City-Sporthafens aus hat man auch einen guten Blick hinüber zur Großbaustelle der Elbphilharmonie, im Volksmund bereits jetzt liebevoll "Elphi" genannt.
Der Liegeplatz der "Alexander von Humboldt 2" verströmt südländisches Flair. Blauer Himmel, Sonnenschein, nur die morgendlich frühlingsfrischen Temperaturen passen da irgendwie nicht so ganz ins Bild ...
Noch einmal hänge ich beim Betrachten des polnischen Segelschulschiffes "Dar Mlodziezy" meinen Gedanken an längst vergangene Zeiten meines Lebens nach. Als ich dieses Schiff zum ersten Mal sah, war der Gedanke an Reisefreiheit, einer mir zu Füßen liegenden Welt, völlig utopisch. Hätte mir damals vor 30 Jahren jemand gesagt, dass ich eines Tages im Hamburger Hafen ein Wiedersehen mit diesem Schiff feiere, ich hätte es ihm nicht geglaubt.
Zurück im Hotel stärken wir uns bei einem leckeren Frühstück, bevor wir auschecken und uns ein weiterer erlebnisreicher Tag in der Hansestadt bevorsteht. Wir bummeln wieder einen Teil der Reeperbahn entlang, wo die letzten Unentwegten der vergangenen Nacht gerade noch auf dem Heimweg sind, mehr oder weniger gut geradeaus laufen könnend ...
Wieder am Hafen genieße ich das einzigartige Flair des St. Pauli-Fischmarktes. Es geht auf 09:30 Uhr zu und trotz mehrmaliger Aufforderungen an die Marktbeschicker, ihren Verkauf ab sofort einzustellen und die Buden abzubauen, da der Markt für heute geschlossen sei, lassen es sich die lautstarken Hamburger Originale nicht nehmen, ihre letzte verbliebene Ware noch mit allen Mitteln an den Mann oder an die Frau bringen. Mit Erfolg, wie man überall sehen kann. Da werden riesige Grünpflanzen geschleppt, wunderschöne Orchideen, kistenweise Obst und Gemüse und auch der Fisch muss noch weg.
Es ist schon Wahnsinn, wie viel der gewillte Käufer hier für 10 Euro bekommt. "Bananen-Fred" kriegt die letzten 3 Stiegen kernlose Weintrauben für 5 Euro locker los. Auch in der Fischauktionshalle herrscht noch eine Super-Stimmung, und ans Gehen denkt hier anscheinend auch noch keiner. Ich erstehe dann noch einen Räucheraal und kann an einem der Stände mit den wunderschönen indischen Seiden-Pashminaschals nicht widerstehen. Türkis, meeresblau, grün und gelb - "meine" Farben, erinnern sich mich doch immer irgendwie an Sonnenschein und weite See. AIDA-Feeling sozusagen.
Unterwegs auf der Festmeile - oder besser: den Festmeilen - denn Hamburgs "Kaikante" ist lang ... Jedenfalls sollte jeder Hafengeburtstagsbesucher bequemes Schuhwerk tragen und auch sonst gut zu Fuß sein. Wir sind es noch. So lassen wir uns noch einmal treiben und genießen die maritime Atmosphäre.
Bereits rund eine Stunde vor dem Auslaufen von AIDAsol und der Ankunft des Kreuzfahrt-Riesen "Queen Mary 2" füllen sich die besten Plätze mit unzähligen Schaulustigen. Und auch ich stehe mir gern die Beine in den Bauch, um für ein solches Ereignis noch einen Platz in der ersten Reihe zu bekommen.
Um 11:30 Uhr heißt es "Sail Away, AIDAsol". Sie dreht im Becken vor der HafenCity und verlässt die Hansestadt, aber natürlich nicht ohne Abschiedsgrüße und Winken der vielen Schaulustigen, die gern von Bord aus erwidert werden.
Gegen 12:30 Uhr kommt der große Augenblick: Aus Richtung Altona nähert sich langsam ein "Hochhaus" in Form eines Schiffes: Eine Königin gibt sich die Ehre - "Queen Mary 2" läuft ein.
Ein unglaublicher und gewaltiger Anblick. Sind die schönen AIDA-Schiffe schon groß, "Queen Mary 2" stellt sie alle in den Schatten: 345 Meter lang, 41 Meter breit und 70 Meter hoch … Und wieder einmal stelle ich fest, dass es ungünstig ist, wenn man eine eher "handliche" Körpergröße hat ...
Ein neben mir stehendes Ehepaar aus Österreich erzählt stolz, dass sie am Abend an Bord dieses Pottes gehen und eine einwöchige Kreuzfahrt durch Norwegens Fjorde unternehmen. Ich kann die Frau, der die Stimme schließlich versagt und Tränen in die Augen treten, so gut verstehen. Ich denke, der Moment, in dem man "sein" Schiff, sein Zuhause auf Zeit, einlaufen oder generell zum ersten Mal sieht und weiß, man darf dort bald rauf, gehört mit zu den schönsten Erlebnissen einer Kreuzfahrt.
Majestätisch gleitet "Queen Mary 2" an uns vorbei in Richtung Cruise Center HafenCity, untermalt von "God Save the Queen" - Gänsehaut pur! Nunmehr bin ich völlig überwältigt. Die Ankunft dieses Schiffes war wirklich noch der krönende Abschluss unseres Hamburg-Besuches. Doch halt, es gab dann wider Erwarten noch ein weiteres i-Tüpfelchen …
Noch völlig überwältigt von dem eben Erlebten besuchen wir noch das russische Drei-Mast-Vollschiff "Mir". Ja, richtig - es hat tatsächlich noch geklappt mit einem Besuch. Obwohl ich gar nicht mehr daran geglaubt habe, war plötzlich die Schlange vor dem schönen Segelschiff erfreulicherweise sehr kurz. Diese Gelegenheit mussten wir nutzen.
Von Deck aus beobachten wir eine Vorführung der Küstenwache, so richtig mit simulierten Explosionen, Löschen und Hubschraubereinsatz mit Bergung Schiffbrüchiger. Mensch, was wird hier alles geboten. Es ist einfach unglaublich. Wenn wir zu Hause erzählen, was wir in zwei Tagen alles erlebt haben ...
Eine Besichtigung der "Alexander von Humboldt 2" klappt leider nicht mehr. Hier bereitet man sich schon auf die große Auslaufparade am Abend vor. Schade, da sind wir schon längst wieder irgendwo unterwegs im Binnenland ...
Wir stärken uns mit Nordseekrabbenbrötchen und genießen einen "Abschieds-Aperol-Spritz", bevor wir unser in der Hotellobby zwischengeparktes Gepäck holen und mit einem lustigen Hamburger Taxifahrer zum Hauptbahnhof fahren. Noch schnell ein Erinnerungsfoto mit Wasserträger Hummel, und schon müssen wir zum Zug, der auch dieses Mal pünktlich ist.
Kurz nach 16 Uhr heißt es leider für uns "Rail Away". "Bye Bye, Hamburg!" Der ICE verlässt die Hansestadt in Richtung Heimat. Wehmut kommt auf, sobald sich der Zug in Bewegung setzt. Und ich erinnere mich zurück an den 9. Juli 2011, als ich nach meiner ersten Kreuzfahrt mit AIDA Abschied von diesem Traumschiff und von Warnemünde nehmen musste. Vom Zugfenster aus ließ ich damals die schöne AIDAsol nicht aus den Augen, bis sie hinter den Bäumen und einer Kurve verschwunden war.
Und auch jetzt bin ich etwas traurig, denn das wunderschöne Wochenende mit der größten Schiffstaufe der Welt ist vorbei. Was bleibt, sind die Erinnerungen an unvergessliche Stunden.
Tschüss, Hamburg! - Und: "Hummel, Hummel!" - Es war so toll!!!!!!!!!!
Doch wie heißt es so schön?! "Nach der Taufe ist vor der Taufe". Und so freue ich mich schon heute auf den März 2013, wenn es heißen wird: "Ahoi, AIDAstella!" oder: "Ein neuer Stern erstrahlt über Warnemünde". Denn dann werde ich auch wieder vor Ort sein …
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