16. März 2020 – Seetag 7
Allmählich gewöhnten wir uns daran, an den Seetagen länger zu schlafen. So war ich erst gegen 8.30 Uhr ganz oben in der frischen Luft. + 4,8°, Windstärke 2. Herrlichster Sonnenschein und blauer Himmel. Eine Ruhe auf den obersten Decks …
Die rd. 24 km entfernte norwegische Küste konnten wir ohne Ferngläser erkennen. Allerdings vom Dunst umhüllt.
Während des Frühstücks kündigte Kapitän Müller DEN Höhepunkt dieser Kreuzfahrt an. Wir würden die direkte Route Richtung Hamburg verlassen und den Korsfjord, die südliche Zufahrt Richtung Bergen sowie die nördliche Einfahrt Richtung Hardangerfjord, ansteuern. Dort würde ein Lotsenboot längsseits gehen. Mit einem Lotsen. Aber er würde nicht die AIDAcara entern – Corona! Nein, er würde Überbringer eines regelrechten Schatzes sein, um den sich in diesen Tagen in unserer Heimat Menschen nahezu an die Hälse gingen! Es handelte sich um ganz profanes Toilettenpapier … es wurde knapp auf unserem Schiff … Warum knapp? Bunkerten Mitreisende diese wertvollen Rollen in ihren noch leeren Koffern? Aus Angst, dass sie zu Hause keine mehr bekommen sollten? Oder war der vorgesehene Papiernachschub in einem der nicht angelaufenen Häfen ausgefallen? Oder hatten sich die Papiervorräte aufgrund des Wassereinfalls während des Orkans vollgesaugt? Wir erfuhren die Gründe nicht – sie waren uns aber auch egal. Hauptsache, das Einholen der Luxusware klappte …
Das gab uns zu denken. Und schon wurden die ersten WhatsApp-Orders an unsere Hausbanken weitergegeben. Toilet Paper Shares hatten schon seit einigen Tagen ein hervorragendes Kurspotential …
Das war allerdings das Zweitwichtigste während des Frühstücks. Viel wichtiger war das Geburtstagsspektakel durch die Crewband. Aufsehenerregend und ein wahrer Ohrenschmaus, wie sie mit Küchen- und Bedienungsinstrumenten Happy Birthday begleitete. Und dem rundenden Geburtstagskind hatte es auf jeden Fall gefallen … Oder etwa nicht?
Die Sonne „knallte“ noch immer. Also raus in den Außenbereich des Calypso. Schon wieder wurden wir Tischbesetzer. Na ja, im Sitzen konnte man besser speisen als im Stehen. Der Poolbruch bot leckere Hotdogs (schwierig zu essen …) und eine ausgezeichnete Gulaschsuppe …
Unsere Unterhaltung wurde Punkt 13 Uhr vom WO unterbrochen. Es war soweit für seinen täglichen Zustandsbericht (Luft 7,4°, Windstärke 8 ) mit der Ankündigung, dass wir um 14.15 Uhr im Korsfjord Ausrüstungsgegenstände übernehmen sollten … An Mittagsruhe war aus diesem Grunde nicht zu denken – das mussten wir beobachten. Nicht nur wir – hunderte Passagiere bevölkerten die Relings auf der Backbordseite. Zunächst wurden wir von einem Regenbogen begrüßt.
Dann vom Leuchtturm Marstein fyr,
der seit 1877 von der Insel Mastein sich nähernde Schiffe warnt bzw. ihnen die Position bei der Einfahrt Richtung Bergen bzw. Hardangerfjord zeigt. Kurze Zeit später sahen wir von weitem, wie das versprochene Lotsenboot mit der kostbaren Fracht herankam. Nach einem riesigen Schlenker
näherte es sich der Lotsenluke und übergab drei hoffentlich gut und wasserdicht verpackte Pakete in den Schlund der AIDAcara.
Natürlich von Hunderten wohlwollend beobachtet – was tat man nicht alles für sie …
Nach diesem Stress hatten wir uns Kaffee und Kuchen mehr als verdient. Und anschließend unsere Runden auf Deck. Es trübte sich wieder ein -
für uns der Anlass, uns in den Innereien auf das Abendessen einzustimmen. Wir wählten im Calypso Finnland. Richtig überzeugt waren wir von diesem Themenabend nicht; aber es gab für jeden genug zur Sättigung. Auf das anschließende Zusammensein in der Achterbandenecke hatten wir uns sowieso gefreut. Vor allen Dingen, weil es die Geburtstagsrunde gab … grins …
Und weil für die Lambada Bar die „Pub Night zum St. Patrick´s Day“ mit der Band Take Six angekündigt war:
„Genießen Sie heute eine gemütliche Kneipenstimmung mit der Band Take Six. Lauschen Sie Rock- und PopMusik unplugged und lassen Sie den Tag entspannt ausklingen.“ ß AIDA Heute
Die Band gab sicher ihr Bestes, aber die irische Pub Stimmung konnten wir beim besten Willen nicht feststellen. Auch weil die für eine Pub Night unpassenden Lieder fehlten. Irish songs … Damit kamen wir insofern zurecht, als wir in unserer Runde für Stimmung ohne Animation sorgten – bis die alten Leute ins Bett mussten …
17. März 2020 Seetag 8
Der letzte ganze Tag in „Schiffsgefangenschaft“. Pur neigte sich dem Ende zu … leider oder zum Glück? Beides – unsere Truppe hatte zwar keine Sekunde Langeweile, aber die Heimat kam immer näher. Zeit, sich in die nächste „Gefangenschaft“ zu begeben. Aber so weit war es noch nicht. Der letzte Pool-Bar-Kaffee musste bei 7,8° und Windstärke 8 inhaliert werden. Danach holte ich mir mit einigen Runden den nötigen Hunger. Beim Frühstück ließen wir uns mehr Zeit als sonst. Probten wir das Abschiednehmen? Vielleicht …
Dem Frühstück schloss sich die Kalorienvernichtungsstunde auf den oberen Decks an. Es war frisch; der Wind meinte, dass wir uns besser bewegen sollten. Wir gehorchten - Runde um Runde.
Wir konnten und durften es nicht länger aufschieben. Die ersten Koffer wurden gepackt. Ablenkung gab es statt auf dem zügigen Pooldeck in der AIDA-Bar: AIDA Welten mit Freibier und Poolbrunch. So kurz vor dem Ende der Reise waren Bratwürste an der Reihe. Auch einfache Dinge konnten gut schmecken. Oder war es nur der Hinweis, was demnächst aufgetischt werden sollte? Egal, ich widmete mich den Würsten, meine bessere Hälfte den Handtuchkünstlern. Mit Erfolg:
Am frühen Nachmittag lockte die Sonne Passagiere nach oben.
Dicke Jacken und Mützen mussten allerdings sein. Kurz vor dem Abschieds-Aperitif mit den Hotel-Offizieren lockte es uns noch einmal an die frische Luft. Rund um die AIDAcara präsentierte sich ein nordischer Seetag, wie er sein musste.
Vor dem Abschiedsessen gingen wir wie an jedem letzten Tag vor der Rückkehr auf Fotojagd. Die Reisedokumentation musste vervollständigt werden. Mit der Abschiedstorte – hier in der fehlerfreien Variante:
Mit den dieses Mal erneut sehr hübsch anzuschauenden Obst-/Gemüseschnitzereien:
Einen Vorteil hatte diese Fotojagd: Wir informierten uns vorab, was uns Gutes aufgetischt wurde. Im Marktrestaurant. Außergewöhnlich leer – wir tanzten erst zur zweiten Essenszeit an, als sich die Mehrzahl der Mitreisenden Richtung Abschiedssekt, Verabschiedung durch Kapitän, HD sowie EM, Abschiedsshow und Verabschiedung mit der Besatzung begaben. Wir speisten ganz in Ruhe und bekamen nicht mit, was sich vor und im Theater tat. Wir hatten unsere eigene Abschiedsveranstaltung – wie jeden Abend in der Achterbandenecke in der Lambada-Bar. Schön war´s … für Monate der letzte Mai Tai …
18. März 2020
An diesem Tag sollten wir lt. Plan Trondheim unsicher machen. Aber was war in den damaligen Corona-Zeiten planmäßig? Es war eben nix mit Trondheim. Trondheim wurde durch Hamburg ersetzt. Unser Abfahrts- und Ankunftshafen. Die leider abgebrochene Kreuzfahrt neigte sich endgültig ihrem Ende zu. Von der Einfahrt in die Elbe und vom Anlegen bekamen wir nichts mit. War die Abschiedsfeier so anstrengend? Oder waren wir einfach nur müde? Wahrscheinlich Letzteres. Kurz vor 7 Uhr schlich ich in das Calypso-Restaurant, in dem zwei Frühaufsteher der Achterbande warteten. Allerdings nur deshalb Frühaufsteher, da ihr Zug früh den Hamburger Hauptbahnhof verlassen sollte. Beim männlichen Part der beiden wurde ich den Geburtstagsglückwunsch los. Eine Tasse Kaffee machte mich munter; anschließend drehte ich meine übliche Morgenrunde auf Deck 11. Der Hamburger Hafen mit den bekannten Silhouetten kurz nach dem Sonnenaufgang.
Die in Steinwerder gefangene AIDAaura,
die ohne Passagiere und wegen der Quarantänebestimmungen mit vermutlich fast vollständiger Besatzung darauf wartete, dass so schnell wie möglich das gewohnte Leben auf dem Schiff herrschen sollte. Was heißt „So schnell wie möglich“? Niemand wusste es damals. Und heute?
Schnell nach unten, sich der Jacke entledigt, die bessere Hälfte in und an den Arm genommen und auf zum Achterbandentisch. Nach und nach trudelten alle ein. Schön, dass wir noch einmal komplett zusammenkamen – doch der Abschied nahte. Ein Paar nach dem anderen machte sich auf – und das war´s dann. Eine ungewöhnliche Kreuzfahrt, bei der nicht alles lief, wie es laufen sollte. Abbruch, Orkan, Knappheit an Toilettenpapier … also eine unvergessliche Kreuzfahrt, die die Achterbande durchgestanden hatte. Ob man noch lange darüber reden würde? Mit Sicherheit …
Es war toll mit Euch, Rest der Achterbande. Selbstverständlich auch mit den Passagieren, die mit uns die Zeit der Freiheitsbeeinträchtigung auf der AIDAcara verbringen durften, besser mussten, nicht wahr cherrywoman? Vielleicht sieht man sich irgendwann wieder – die Achterbande bestimmt. Wir würden uns riesig freuen. Das mit der Achterbande für nächste Woche geplante Landtreffen wird aufgrund der Corona-Einschränkungen leider nicht stattfinden. Aber wir haben noch soooooooo viel Zeit …
Zum Schluss dieser Berichtsfolge wie üblich ein kleines Fazit zu dieser Kreuzfahrt:
- Auch wenn wir nicht die vorgesehenen Ziele komplett anlaufen durften, genossen wir das Kreuzfahrterlebnis. Als Ersatz für die ausgefallenen Ziele ließen wir uns während der restlichen Pur-Kreuzfahrt verwöhnen. Mit Vollpension incl. Getränken zu den Mahlzeiten. Aufgrund der wechselnden Themenabende gab es genügend Abwechslung bei den Abendessen. Qualitativ gut und sehr schmackhaft. Klar, dass z.B. das Fleisch nach dem Nachfüllen zarter war als die „Reste“ – aber es gab immer genügend Alternativen. Und die Poolbrunches … ich bin ein Freund davon …
- Zum Schiff: Wir müssen mit Sicherheit nicht darüber diskutieren, dass das Mutterschiff der Flotte in die Jahre gekommen ist. Das eine oder andere Wehwehchen war zweifelsohne vorhanden. Siehe das Wasser, das während des Orkans den Weg über die Entlüftung (Angabe der Betroffenen) in die Kabinen gefunden hatte. Oder dass das Wasser durch die Außentürritzen auf Deck 6 in die Innenräume gepresst wurde. Bei allem darf man nicht vergessen, dass wir mit der alten Dame gut durch den Orkan gekommen sind und sicher den Hamburger Hafen erreicht haben.
- Letzteres ist auch ein Verdienst der Crew, die sich während der Sturmtage umsichtig und mit außerordentlichem Einsatz um die Passagiere gekümmert hatte. Fast alle und vorwiegend mit einem Lächeln auf den Lippen. Nicht nur uns war es unverständlich, dass einzelne Passagiere sich während der Schließung der Außenbereiche über die Anordnung der Schiffsführung hinwegsetzten. Sie gefährdeten nicht nur sich sondern auch die Crewmitarbeiter, die sie persönlich in die Innenbereiche zurückzitieren mussten.
- Wir hatten den Eindruck, dass Informationen über das Procedere nach dem sukzessiven Schließen der Häfen zeitnah und umfassend gegeben wurden.
- Der von Rostock umgehend nach der Umroutung versprochene finanzielle Ausgleich ist sehr fair (i.W. Rückvergütung von ¾ des Reisepreises, zusätzliches Bordguthaben von € 250,-- pro Kabine bei Neubuchungen bis zum 31.5.2020); es ist allerdings schade, dass nach dem Verlassen des Schiffes längere Zeit keine weiteren Informationen über die Zahlung verlautbart wurden. Auch wenn AIDA eine Vielzahl von Problemen abarbeiten musste und noch immer muss, durfte es kein Problem gewesen sein, sämtliche Passagiere z.B. per Mail über das weitere Vorgehen zu benachrichtigen. Nach meinem Eindruck sind aktuell nahezu alle zugesagten Ausgleichszahlungen zu unserer abgebrochenen Reise erfolgt.
- Auch nach dem Ausfall der interessanteren Häfen war u.E. die Stimmung an Bord gut; anfangs teilweise Galgenhumor. Aber sollte man nur noch mit langem Gesicht durch die (eingeschränkte … grins …) Gegend laufen?!
So, das wär´s von dieser Kreuzfahrt. Ich hoffe, dass ich über die in noch nicht einmal 100 Tagen beginnende nächste Kreuzfahrt über mehr Landbesuche berichten kann … sofern die Tour stattfinden wird…
Und noch eins: Die Achterbande wendet sich nicht von AIDA ab!
Ich danke Euch für Eure Ausdauer und tut mir einen großen Gefallen: Bleibt alle gesund!
Achim
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