Vorbericht
1976. Die Tage zwischen Weihnachten und dem neuen Jahr. Urlaub und damit Zeit satt, die abonnierte rheinische Tageszeitung genauer zu studieren. Eine große Anzeige fiel auf. „Besuchen Sie mit Apfelreisen attraktive Ziele am und im Mittelmeer“. Oder so ähnlich. Apfelreisen? Kannte ich nicht. Attraktive Ziele wie Athen, Kreta, die Pyramiden, Israel, Malta – dort war ich auch noch nicht. Und der Preis? Ab DM 999,-- für 11 Tage incl. Hin- und Rückfahrt in einem Sonderzug und zwei Übernachtungen in renommierten Hotels. Das war doch was …
Am ersten Arbeitstag 1977 stimmte ich mit meinem Chef den Urlaub ab und buchte die Kreuzfahrt. An diesem Preis konnte ich doch nicht vorbei gehen … 5 ½ Monate hatte ich Zeit, mich auf die Einzelziele vorzubereiten. Wie? Ganz einfach: Ich deckte mich mit Polyglott-Reiseführern ein. Das war´s! Schließlich hatte ein 26-Jähriger anderes zu tun als sich mit den alten Stätten zu beschäftigen und während der Hinfahrt und der Seetage sollte ich genug Zeit zum Einlesen haben. Ach ja, ich zog mir noch einmal den Roman „Exodus“ von Leon Uris rein, in dem Hauptepisoden der jüdischen und israelischen Geschichte anschaulich und spannend geschildert werden. Übrigens sehr zu empfehlen.
Liebe Leser, vor nunmehr 43 Jahren hatte ich nicht die Lust, meine Erlebnisse festzuhalten. Vieles, was hier niedergeschrieben ist, stammt aus meiner Erinnerung; darüber hinaus hilft auch Tante Guggel. Die Qualität der Fotos ist auch nicht mit der heutigen zu vergleichen. Damals schoss ich meine Aufnahme mit der alt bewährten Praktika Super TL. Keine Papierbilder sondern Dias, die seitdem hinter Glas gerahmt im Keller ihr Dasein fristeten. Es lag an Corona, dass ich endlich einmal dem vollgestopften Keller zu Leibe ging. Was fiel mir in die Hände? Hunderte Dias, Videofilme, die ich nach und nach digitalisieren werde. Als erstes kamen die Erinnerungen an meine erste Kreuzfahrt an die Reihe. Von den Dias fanden ca. 50 % direkt den Weg in die Tonne. Festgeklebt am Glas oder sehr starke Farbschleier. Der Rest bildet nach Digitalisierung die Grundlage für diesen Reisebericht. Ach ja, ich fand nirgendwo die tagesgenauen Termine der Kreuzfahrt, lediglich im Internet einen Hinweis, der meine Erinnerung bestätigte. Die Kreuzfahrt fand im Juni 1977 statt.
So, genug der Vorerläuterungen – wer will, kann mich auf meine Reise begleiten.
Tage 1 und 2: Düsseldorf, Mailand, Arcona
Am frühen Morgen stand ich mit „großem“ Gepäck – bestehend aus Koffer und kleiner Reisetasche – auf einem Bahnsteig des Düsseldorfer Hauptbahnhofs. Nicht allein – viele Mitreisende warteten auf die Ankunft des Sonderzuges. Skeptische Blicke gingen von links nach rechts. Auch von mir. Vor allen Dingen mit der Befürchtung, dass ich als noch Jugendlicher mit vorwiegend Alten auf dem Schiff kaserniert werden sollte. Die Befürchtung trat nicht ein – Junge und Alte waren dabei. Eine nach meinen damaligen Vorstellungen akzeptable Mischung. Der Zug kam. Und hinein – mir zugewiesenes Abteil und Sitzplatz waren schnell gefunden. Auch von den unmittelbar Mitreisenden. Fast alle in meinem Alter – Glück musste man haben! Die ersten Stunden der Fahrt waren von gegenseitigem Abtasten geprägt. Und es stellte sich heraus, dass ich es schlechter hätte antreffen können. Die Chemie stimmte weitgehend; im Laufe der Kreuzfahrt bildete sich aus der Abteilcrew eine Fünfergruppe, die vieles gemeinsam unternahm. Alle hatten noch nie eine Kreuzfahrt unternommen und wir waren gespannt, was auf uns zukommen sollte.
Der Tag verlief mit Geklöne und Lesen von Reiseführern. Zwischendurch schaute öfters jemand von der Apfelreisen-Organisation in unser Abteil und fragte, ob uns etwas fehlte. So nebenbei: Der Reiseveranstalter Apfelreisen, ein Tochterunternehmen der Internationale Apfelpfeilfahrten Organisation (IAO) und mitführend bei kombinierten Zug-/Schiffsreisen, hatte diese Tour von Anfang bis Ende einwandfrei organisiert. Auf 40 Reisende kam ein „Betreuer“; das Kostenvolumen war wohl auch einer der Gründe, dass das Gesamtunternehmen 1980 leider Konkurs anmelden musste. So weit war es zum Glück noch nicht – gut gelaunt passierten wir in unserem Zug Mannheim, Basel, Chiasso und erreichten schließlich am Abend Mailand. Per Bus wurden wir in ein gutes Hotel „gekarrt“. Nach dem Abendessen und einem Absacker an der stark bevölkerten Bar fiel ich müde ins Bett.
Die Nacht war recht kurz. Nach dem Frühstück und Busfahrt zu unserem Sonderzug wurde die Fahrt zum Einschiffungshafen fortgesetzt. Am frühen Nachmittag kamen wir in Ancona an. Rein in den Bus und nach einigen Minuten standen wir vor der damals 13 Jahre alten Eugenio C. Wir waren tief beeindruckt. Schneeweiß mit zwei gelben Costa-Schornsteinen und länger als zwei 100 m – Bahnen.
Lange standen wir nicht vor dem bewundernswerten Schiff – wir wurden in den Schiffsbauch getrieben. Richtung Kabine. Ich staunte – auch wenn mir von vornherein klar war, dass ich nachts mir fünf weiteren Personen in einer Kabine schnarchen musste, schaute ich kritisch meine für die Folgetage vorgesehene Heimat an. Eng – aber immerhin größer als die Jahre später berühmt gewordene Besenkammer … Etagenbetten. Um den Inhalt des Gepäcks unterzubringen, standen schmale, hohe Spinde zur Verfügung. Nicht groß genug, um den gesamten Kofferinhalt zu schlucken. Nun gut, es musste das eine oder andere im unter dem Bett unterzubringenden Koffer bleiben. Dass es kein der Kajüte angeschlossenes Badezimmer gab, war für diese Preiskategorie selbstverständlich. Es befand sich wie auch die Toiletten mehrere Meter entfernt (keine Plumpsklos!); aber immerhin schnell zu erreichen. Spartanisch hoch drei. Aber für mich aufgrund des Preises akzeptabel. Während meiner einige Jahre zurückliegenden Bundeswehrzeit war es anfangs nicht anders. Bis auf den Platz … und ich hatte etwas, nämlich den Sold, bekommen … aber ich befand mich auf einem Schiff. Wann befand ich mich i.Ü. auf der Kabine. Nachts – nur zum Schnarchen …
Nach dem Spindeinräumungsgedränge machte ich meinen ersten Rundgang auf einem der Außendecks. Es war so gut wie nichts los.
Warum eigentlich? Kämpfte die meisten noch mit dem Verlagern der Kofferinhalte? Bei mir ging´s blitzschnell. Na ja, ich reist ja auch allein. Ob es daran lag? Egal, ich genoss den Blick auf die Anconaer Hafengegend. Auch auf dem Kai war so gut wie nichts los, was sich auch bis zum Ablegen nicht sehr ändern sollte. Ich schaute mir die wenigen palastähnlichen Bauten von oben aus an; nicht so toll. Die an hervorragender Stelle plazierte Banco di Roma musste irgendwann in den letzten Jahren die Segel streichen; sie gibt es als solche nicht mehr. Ein Blick zum Industriehafen – es gab schönere Gegenden.
Die Zeit verging schnell bis zum Abendessen. Die Fünf, die mit mir im Abteil saßen, fanden sich an einem Sechsertisch wieder. Alles schön schnieke. Die Damen in Kleidern oder Kostümen, die Herren in Anzügen oder Kombinationen. Ein Merkmal der Kreuzfahrten und für die damaligen Zeiten eine Selbstverständlichkeit, wie wir – AIDA und Mein Schiff-Fahrer – sie nicht mehr kennen und akzeptieren wollen. Egal – die Hauptsache, nämlich das aus mehreren Gängen bestehende Essen schmeckte. Auch der Wein. Anschließend begann der Stress. Umziehen und raus an die Decks. Das Ablegen stand bevor. Ein Schlepper unterstützte die Eugenio C beim Ablegen. Tatsächlich gab es doch einige Interessierte an Land …
Wenn ich an die heutigen, na ja, Corona!, okay, an das sail-aways in Warnemünde – wie wir es vor einigen Jahren erlebten - denke … Aber immerhin zeigte sich die untergehende Sonne von ihrer besten Seite.
Sie verabschiedete sich und mich – ich suchte die Schlafkajüte auf und mischte beim Schnarchsextett bestens mit.
Tag 3 – Seetag 1
Ungewohnte Geräusche am sehr frühen Morgen. Wo war ich? Ach ja, in einer verschworenen Schnarchgemeinschaft! Ein Grund, schnellstens aus dem Bett zu springen (leise!), sich Toiletten- und Anziehsachen unter dem Arm zu klemmen und die dafür vorgesehenen Örtlichkeiten aufzusuchen. Um diese Zeit gab es keine Probleme mit freien Waschbecken und Duschen. Gut – anschließend folgte der Morgenrundgang. Dann das Frühstück. Kleiderordnung: im Gegensatz zum Abendessen gepflegte Freizeitkleidung, wie man es heute ausdrückt. Kurze Hosen waren verpönt. Das Frühstück gab´s in Buffetform; die Auswahl war mehr als ausreichend. Kaffee usw. wurde am Tisch von der Servicekraft eingeschenkt.
Der Bauch war nach dem Frühstück voller als anfangs geplant. So viel zur Auswahl und Qualität. Dann begann der Seetag. Was machte man in den 70er Jahren – außer der Teilnahme an den Pflichtveranstaltungen wie Essen, Essen, Essen, … - an einem Seetag? Sport? Fehlanzeige. Shows? Gab es nicht. Besuch des Kasinos? Wo waren wir denn? Nee … man suchte sich eine ruhige Ecke, schaute aufs Meer, unterhielt sich oder las.
Oder man suchte sich einen Liegestuhl an einer Stelle, an der mehr los war.
Jawoll! Es gab einen Pool! An Seetagen war er bei entsprechendem Wetter gut gefüllt (nicht nur mit Wasser) und umlagert. Ich machte mit! So zwischendurch eine Abkühlung war nicht schlecht …
Der Abend kam und mit ihm das Abendessen im großen Restaurant. Vorbereitet wurde es von meiner Seite wieder mit Umziehen. Rein in den Anzug mit Krawatte um den Hals und auf zu unserem Sechsertisch. Es wurde aufgetischt. Das, was wir uns während des Frühstücks aus dem Speiseplan ausgesucht hatten. An den in rascher Folge servierten Speisen war in Punkto Qualität und Geschmack nichts auszusetzen. So machten wir uns nach dem Futtern gestärkt auf, uns wieder umzuziehen, um in bequemeren Klamotten auf einem der Außendecks den Abend zu beschließen. Voller Erwartung, was am folgenden Tag in Piräus auf uns zukommen sollte.
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