An diesem Morgen durften wir noch einmal ausschlafen. In einer Sechserkabine?! Nee, damit war nichts! Also früh nach oben und ein wenig frische Meerluft schnuppern. Es war Land in Sicht. Die Eugenio C hielt sich in Sichtweite der Halbinsel Peleponnes. Sie musste umrundet werden, um in den Hafen von Piräus einlaufen zu können. Am späten Vormittag war es so weit – der Hafen mit dem Mädchen aus Piräus, das den Hafen, die Schiffe und das Meer (und noch mehr …) liebte, kam in Sichtweite.
Auf den Außendecks war das Gedränge groß. Alle waren neugierig, was sie beim ersten Landgang erwartete. Ich auch und bestieg mit vielen Mitreisenden einen Bus, der uns zum Kap Sounion bringen sollte. Diese Fahrt war herrlich in jeder Hinsicht. Wir hatten Juni. Und das in Griechenland. Es war brüllend heiß. Klimaanlage im Bus? Sollte damals so etwas für Busse gegeben haben, nicht für unseren. Okeh, man konnte ja die Fenster für Durchzug öffnen. Das versuchten wir auch – aber es brachte nichts … Die, die bereits von Piräus über Athen zum Kap Sounion gefahren waren, wissen Bescheid: In Athen gab es ein Hobby für KFZ-Fahrer: das Stauerlebnis. Wir hatten es zur Genüge und so war nichts mit Durchzug. Heiße Luft und Abgase strömten in den Bus. Herrlich – also Fenster schließen und schwitzen. Und an den Plastiksitzen festkleben … Aber es gab Muße. Man konnte in Ruhe Athen erleben. So richtig toll waren auch damals die Innenstadtviertel nicht. Lichtblicke gaben vor allen Dingen die an uns im Schritttempo vorbeiziehenden Kirchen wie die Kirche der Heiligen Dreieinigkeit.
Nachdem wir Athen hinter uns gelassen und oberhalb der Küste der attischen Adria fuhren, begann das richtig schöne Griechenlanderlebnis. Blaues Meer, schöne Buchten, geöffnete Busfenster, Durchzug, Luft … Und wir kamen an. Am Kap Sounion und damit beim Poseidon-Tempel.
Das 60 m über dem Meeresspiegel liegende Kap Sounion hat in erster Linie dem Poseidon seine Berühmtheit zu verdanken. Im 5. Jahrhundert v. Chr. begann man an dieser exponierten Stelle mit der Erbauung eines Tempels. 60 m oberhalb des Meeresspiegels – es war nicht nur steil – die Felsen „fallen“ fast senkrecht ins Meer. Der Meeresgott Poseidon sollte in dem damals neuen Tempel geehrt werden. Die Oberfläche des Kaps wurde eingeebnet und dann ein waagerechter Unterbau mit den Maßen 31 m x 13,5 m geschaffen. Von den ursprünglich 38 Säulen überdauerten 11 Säulen mehr als zwei Jahrtausende bis ins 19. Jahrhundert; weitere fünf Säulen wurden wie im Puzzlespiel zusammengesetzt. Besucher in antiker Zeit waren vornehmlich Seeleute. Sie versuchten, mit Opferbestechungen den schrecklichen Poseidon milde zu stimmen für ihre bevorstehenden Schiffsfahrten. Ob es gelang? Immer mit Sicherheit nicht. Aber eine Personengruppe gewann: die Priester …
So, wie üblich raus aus dem Bus und hinauf gestiefelt zum einstigen Heiligtum. Es war frei begehbar und ich ließ mich nicht davon abhalten, den Tempel so genau wie möglich zu begutachten. Einfach nur schön und auch elegant, was die alten Griechen damals geschaffen hatten. Und auch luftig – wir genossen es, unter der sengenden Sonne den leichten Wind um unsere Nasen streichen zu lassen. Einen Nachteil hatte es, dass man sich – wie seit nunmehr vielen Jahren aus gutem Grund nicht mehr – auf der Anlage frei bewegen konnte. An den Tempelresten übten sich die Vorgänger der heutigen Graffiti-Sprayer.
Ende des 19. Jahrhunderts gab es zwar noch nicht die technischen Möglichkeiten wie heute – aber dafür Hammer und Meißel. Unter den Wildhämmernden sollen sich auch bekannte Persönlichkeiten hervorgetan haben …
Selbstverständlich schauten wir uns von ganz oben die Schönheiten der Küste unterhalb des Kap Sounion an. Steil- und Sandküste mit blauem Meer,
das zum Reinspringen verlockte. Aber dazu kam es nicht – keine Zeit. Wir mussten zurück. Mit dem Bus. Dieselbe Strecke wie auf der Hinfahrt. Aber zum Glück war es nicht mehr ganz so heiß. Trotzdem – wir kamen durchgeschwitzt bei unserer Eugenio C an und das Anstehen vor den Duschmöglichkeiten begann. Kreuzfahrtusus in der 70er Jahren, sofern man die Bretterklasse gewählt hatte. Ich hatte sie erkoren und schaffte es trotzdem, pünktlich mit dem Fummel um den Hals zum ausgezeichneten Abendessen zu erscheinen. Was machte unsere Truppe danach? Klönen auf dem Außendeck mit dem einen oder auch anderen Glas in der Hand. Unglaublich, wie schnell der Inhalt verdunstete …
Der Tag 5 brach an. Aus dem Bett gewälzt, fertig gemacht und nach dem Frühstück auf zum nächsten Ausflug. Wir wollten einem Erfolgssong von Mireille Mathieu Lügen strafen. Für uns hieß es nicht „Akropolis adieu“ sondern „Bienvenue Akropolis“. Doch so weit war es noch nicht. Zunächst stand eine Stadtrundfahrt auf dem Programm. Oder eher eine Staurundfahrt. Aus diesem Grunde wurde das aus dem stehenden Bus geschossene Foto der Nationale und Kapodistrias-Universität einigermaßen scharf.
Was wurde uns noch gezeigt? Der eine und andere Tempel und das für die olympischen Spiele 1896 gebaute Stadion – diese Fotos zeugten der Fahrbewegung des Busses Tribut – alles verwackelt. Aber ich sollte mich fotomäßig steigern! Wir kamen am Fuß des steinernen Hügels an, auf dem die Akropolis erbaut wurde. So´n Mist – es gab keinen Fahrstuhl. Auch keine Rolltreppe. Die Sonne tat ihr Bestes. Sie knallte von oben runter auf uns Ausflügler. Ein schweißerzeugender, zunächst leicht ansteigender, später umso steiler nach oben führender Weg. Da mussten wir durch – wir wollten doch sehen, was die Hellenen vor langer, langer Zeit erschaffen hatten. Oder ließen …
Mit Akropolis – übersetzt Ober- oder auch Hochstadt – wurden in altgriechischer Zeit allgemein die auf einem Berg bzw. Hügel angelegten Wehranlagen bezeichnet. Eine der weltberühmtesten war und ist die auf einem 156 m hohen Hügel mit den Maßen 156 m x 320 m liegende Athener Akropolis. Zunächst war sie um 1.400 v. Chr. Königssitz der Mykener mit einer Burg- und Wehranlage. In der klassischen Zeit der alten Griechen wurde auf dem die Stadt überragenden Felsen ein Heiligtum für die Götter eingerichtet – ein einzigartiges Tempelkonglomerat.
Bevor wir die einstmals heiligen Stätten aus der Nähe bewundern durften, machten wir eine Verschnaufpause oberhalb des Odeons des Herodes Atticus,
ein 5.000 Zuschauer fassendes Theater, das aufgrund der bemerkenswerten Akustik seit ca. 50 Jahren wieder für öffentliche Aufführungen genutzt wird.
Irgendwann hatten wir es geschafft. Durchgeschwitzt. Der leichte Wind und die Sonne sorgten dafür, dass alles schnell trocknete. Unsere Busgruppe stand vor der Vorhalle, auf gut deutsch Propyläen.
Alles aus Marmor. Nichts war gut genug für die Götter. Auf der anderen Seite zeigte sich die Zuführung zum Tempelplateau:
Es wurde restauriert. Wie auch bei anderen alten Bauten. Doch wenn ich dieses Foto mit einem ungefähr 40 Jahre später geschossenen vergleiche, scheint man nicht sehr weit gekommen zu sein. Aber egal – wir waren damals sehr beeindruckt.
Hinter den Propyläen versteckte sich der Tempel der Athena Nike.
Klein, zierlich, anmutig. Leute, der Tempel! Nicht das Mädel. Aber wie üblich stand immer jemand im Weg …
Ich drehte mich um und konzentrierte mich auf das nächstliegende Bauwerk. Auf den Parthenon,
übersetzt Jungfrauengemach. Nicht so klein wie der Tempel der Athene Nike. Pompös und trotzdem aufgrund der offenen Räumlichkeiten und der Säulenmaße wieder anmutig.
Diese Stätte ist der Schutzgöttin Athens, der Pallas Athene, geweiht. Als eine der zwölf olympischen Götter war sie für die Weisheit, die Strategie und den Kampf, die Kunst, das Handwerk und die Handarbeit zuständig. Ein ganz schön weiter Aufgabenbereich – deshalb musste für die während ihres olympischen Wirkens nie eine Liebesbeziehung eingehende Göttin ein pompöses Gemach her. Der in der damaligen Zeit hochgeschätzte Perikles war für die Gesamtplanung der Akropolis zuständig. Im 5. Jahrhundert v. Chr. ließ er auf der Fläche von 31 m x 70 m ein knapp 14 m hohes Gebäude hochziehen. 74 Außen- und Innensäulen gaben dem Prachtbau ein spielerisches, graziöses Aussehen. Auf jeden Fall bei unserem Besuch, denn uns blieben beim Anblick des Prachtbaus die später aufgestellten Gerüste erspart.
Sie, die Gerüste, hatten auch ihren Platz am Erechtheion.
Irgendwann soll an seiner Stelle der Palast des attischen Königs Erichthonios gestanden haben. Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. baute man an seiner Stelle eine Zusammenballung von verschiedenartigen Bauten, in denen insgesamt 13 Gottheiten und Heroen wie Poseidon oder Hephaistos geehrt wurden.
Oh, oh, wir wurden vollgestopft mit Wissen. Über das, was sich vor Jahrtausenden die Hellenen geleistet hatten. Aber es reichte noch nicht. Von ganz oben hatten wir auch prima Ausblicke auf die Stadt Athen. Und was sahen wir auf einmal? Endlich wieder einen Tempel. Den des Hephaistos, der als besterhaltener Tempel Griechenlands gilt.
Nicht sehr weit von diesem Ausblick entfernt sahen wir einen steinernen Berg. Den Areopag, den „Gesetzesfelsen“.
Auf ihm tagte in klassischen Zeiten der oberste Athener Gerichtshof. Der Ausblick von dort oben musste hervorragend gewesen sein. Davon zeugten viele Touristen, die ihn im Gänsemarsch erklommen.
Ja, das war´s dann von Athen. Wir durften den Abstieg als nicht sehr schweißtreibend erleben, wurden per Bus zurück zum Schiff gebracht und genossen den Abend wieder in unterschiedlicher Kleidung (Ich kann´s nicht lassen …). Zunächst mit Anzug und Schlippes, anschließend im schweren Bieranzug. Die Vorbereitung zum Sechserratzen …
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