Tage 7 und 8 – Israel
… ich von ganz allein aufwachte. War´s die Spannung? War´s die Aufregung? Schließlich lag der für mich interessanteste Teil der Kreuzfahrt vor uns: Israel! So schnell war ich in frühen Morgenstunden noch nicht oben. Und ich war nicht der einzige an der frischen Luft – es gab nicht wenige, die das Anlaufen von Haifa nicht versäumen wollten. In der Ferne war Land in Sicht. Es lag im Dunst. Je näher wir kamen, desto weniger diesig war es. Nach einigen Minuten waren oberhalb von schneeweißen höheren Gebäuden weiße Villen gut zu erkennen. Sie waren von viel Grün umrahmt. Der relativ viel Niederschlag anlockende Berg Karmel war ein bevorzugtes und für israelische Verhältnisse mit Sicherheit nicht gerade preiswertes Siedlungsgebiet. Hinter dem Bergzug ging die Sonne auf. Sie traf auf die nunmehr unter blauem Himmel erkennbare goldene Kuppel des Schreins des Bab (Bahai-Moschee). Sie strahlte uns an. Eine unglaubliche Stimmung, die auch die Mitreisenden an Deck mitzog. Unwillkürlich begannen wir zu singen: „Hava Nagila“ und zu tanzen. Ja, wir alle waren so, wie es der Liedtitel aussagte: „Lasst uns glücklich sein“. Eine unfassbare Faszination am frühen Morgen …
Aber wir mussten uns voneinander lösen. Ohne Frühstück wollten wir nicht an Land – auch die in Israel äußerst strenge Sicherheitskontrolle stand an. Wir kamen durch und saßen auf einmal im Ausflugsbus. Er sollte uns an diesem Tag zu historischen und damit religiösen Ursprungsstätten Galiläas bringen. Das Mittelmeer lag schnell hinter uns und nach Verlassen Haifas und „Überwindung“ des Karmel änderte sich die Landschaftsstruktur. Hügel. Karges, steiniges Land. Kleine Ortschaften. Nach unserem Dafürhalten (Mitte/Ende der 70er Jahre!) eine ärmliche Gegend. Kleine Gärten, kaum Felder. Vereinzelte Baumgruppen.
Auf den Hügeln ab und zu doch stärker bewirtschaftete Gebiete. Kibuzze oder Moschaws? Wahrscheinlich. Mit harter Knochenarbeit versuchte die Bevölkerung, das einstmals so fruchtbare Land wiederzubeleben. Sie hatte es bewiesen – es ging, wie wir es später immer wieder erkennen konnten. Dass wir uns im Ursprungsland dreier Weltreligionen befanden, zeigten viele, unseren Weg säumende Gotteshäuser.
Nach längerer Fahrt kamen wir an unserem ersten Ziel an. Nazareth mit der Verkündigungsbasilika.
Dieses Gotteshaus - bestehend aus Ober- und Unterkirche sowie Kuppel - wurde über Ruinen von früheren Kirchen erbaut; diese wiederum über der Verkündigungsgrotte, in der der Erzengel Gabriel der Jungfrau Maria offenbarte, dass sie Mutter des künftigen Erlösers werden sollte. Die Eltern von Jesus wohnten in Nazareth; insofern heißt es, dass Jesus in dieser Stadt aufgewachsen war.
Wir besichtigten lediglich das Kuppelinnere; es beeindruckte durch Schlichtheit.
Weiter mit dem Bus. Durch Galiläa. Ziel waren Stätten am See Genezareth. Wir fuhren oberhalb des Sees an Tiberias vorbei,
eine Stadt römischen Ursprungs, die nach der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n.Chr. das geistige und religiöse Zentrum des Judentums wurde. Für eine Besichtigung war keine Zeit vorhanden; aber der hinter den wieder schneeweißen Bauten schimmernde tiefblaue See Genezareth war ein regelrechter Hingucker. Auf der anderen Seite des Sees waren die Golan-Höhen zu erkennen.
Nach wenigen Minuten kamen wir in Kapernaum an. In diesem Ort lehrte Jesus in der damaligen Synagoge; fünf seiner Jünger sollen aus diesem Ort stammen. Wir wurden nicht nur über Jesus´ Schaffen in Kapernaum umfassend informiert; eine Besichtigung der restaurierten Ruine der dortigen Synagoge stand außerdem auf dem Programm.
Die abgebildete Ruinenlandschaft hat allerdings nichts mit dem Lehrort von Jesus zu tun. Diese Synagoge wurde erst im 5. Jahrhundert der neuen Zeitrechnung erbaut.
Nur wenige Kilometer von Kapernaum entfernt machten wir eine kurze Rast an der Mündung des Jordans in den See Genezareth.
Und danach ging´s zurück. Im langsamen Buszuckeltempo Richtung Haifa. Ein besonderer Höhepunkt wartete oberhalb von Haifa auf uns. Wir standen auf dem Berg Karmel und unter uns erhob sich inmitten der hängenden Gärten von Haifa die goldene Kuppel der Bahai-Moschee. Einfach nur schön … An diesen Anblick erinnere ich mich heute nach mehr als 40 Jahren immer wieder gerne.
Den Abend verbrachten wir an Bord und waren gespannt auf die Höhepunkte des Folgetages – auf den Besuch heiliger Stätten Jerusalems.
Am Tag 8 machten wir uns im Bus früh nach Jerusalem auf. Es gab eine Schnellstraße, die schon damals gut zu befahren war. Aber das auf und ab über die hügelige Landschaft und damit auch die kurvenreiche Straße führten dazu, dass wir genügend Muße hatten, die an uns vorüberziehende Landschaft zu betrachten. Wieder karge Böden, denen das Wasser fehlte. Kleine Ortschaften mit oder ohne grüne Ummantelung. Araber und Israelis mühten sich ab, dem vermeintlich unfruchtbaren Land Erträge abzuringen. Mit Hilfe von vermehrt genutzter Bewässerungstechnik schafften sie es nach und nach. Aber weiter. Sehr oft fielen links und rechts der Straße liegen gebliebene deformierte und verrostete Militärfahrzeuge auf. Panzer, LKWs, Panzerspähwagen. Unsere Reiseleiterin erläuterte, dass sie Relikte von den verschiedenen arabisch-israelischen Kriegen war. Aufgrund von Anweisungen der israelischen Regierung sollten diese zerstörten Fahrzeuge als Mahnmale dort verbleiben, wo sie zertrümmert wurden.
Endlich kamen wir in Jerusalem an. Unser Bus steuerte zunächst den Ölberg an. Wir passierten den Garten Gethsemane am Fuße des Ölbergs mit der Kirche aller Nationen;
anschließend fuhren wir zu einem Aussichtspunkt auf den Ölberg. War das ein Ausblick!
Im Hintergrund Jerusalem, davor die die Altstadt umgürtende Stadtmauer. Direkt im Anschluss umfassende Gräberfelder, die sich auch auf dem ansteigenden Ölberg fortsetzten. Rechts die Kirche Dominus flevit (Der Herr weinte). Was hat es mit den seit Jahrhunderten, nein, teilweise seit Jahrtausenden unveränderte gebliebenen Gräberfeldern auf sich? Lt. jüdischer Lehre soll der Messias vom Ölberg nach Jerusalem einziehen und im Kidrontal zwischen Tempel- und Ölberg Gericht halten. Zunächst soll über die gerichtet werden, die dort in seiner unmittelbaren Nähe begraben waren. Sie hatten die erste Chance der Auferstehung – aus diesem Grunde waren schon in biblischen Zeiten (und davor) die Grabstätten nahe der Stadtmauer sehr begehrt.
Dieses Foto zeigt u.a. die auf dem Tempelberg erbaute al-Aqsa-Moschee, die als drittwichtigste Moschee des Islams gilt. Sie wurde um 700 auf dem Gelände des Jahrhunderte zuvor zerstörten jüdischen Tempels errichtet. Noch imposanter erschien uns der Felsendom mit der goldenen Kuppel und den typischen arabischen blauen Mosaiken.
Er wurde einige Jahre vor der al-Aqsa-Moschee – ebenfalls auf dem Tempelberg – direkt auf harten grauen Fels errichtet. Von hier aus stieg nach muslimischer Überlieferung Mohammed auf dem Rücken des Reittiers al-Burāq, einem pferdeähnlichen Tier mit menschlichem Gesicht und Flügeln, zum Himmel hinauf. Der Felsendom gilt als eins der wichtigsten islamischen Heiligtümer.
Das, was wir vom Ölberg aus sahen, war sehr beeindruckend. Aber es sollte sich noch steigern. Wir fuhren zurück zur Stadtmauer und folgten dann zu Fuß der Reiseleitung. Einen kurzen Stopp gönnte man uns in Sichtweite der Klagemauer.
Diese westliche Mauer des zerstörten Tempels ist eine der bekanntesten religiösen Stätten des Judentums, die täglich von vielen Gläubigen zum Beten besucht wird.
Nach dem Besuch dieses bedeutenden Standortes umrundeten wir den Tempelberg und stürzten uns in das Gewusel der Altstadt. Zunächst war es ruhig,
aber mit Erreichen der Via Dolorosa füllten sich die engen Pilgergassen enorm. Wir besuchten im Gedränge Stationen des Leidensweges Christi bis wir das Ende dieses Kreuzweges erreichten – die Grabeskirche.
Sechs christliche Konfessionen teilen sich die Grabeskirche, wobei jede auf ihre eigenen Rechte pocht. Böse Zungen behaupten, dass es in der Vergangenheit zu handgreiflichen Streitigkeiten zwischen Mönchen verschiedener Glaubensrichtungen kam. Christentum im wahrsten Sinne …
Die Grabeskirche wurde an dem Ort errichtet, wo Jesus gekreuzigt und begraben wurde.
Das Innere der Kirche blendete durch Pracht. Ikonostasen, Gemälde, Mosaike, Altäre, … Und (entschuldigt bitte!): Es war der Teufel los! Das Durcheinander in der Via Dolorosa war nichts gegen das Geknubbel in den verschiedenen „Abteilungen“ des Gotteshauses. „Echte“ Gläubige fühlten sich in ihrer Besinnung mit Sicherheit durch ein an- und abschwellendes Stimmengewirr gestört. Vielleicht auch von den vielen Mönchen verschiedener Konfessionen, die zur Ehre Gottes (?) Besucher erleichterten. Ich kann mich noch daran erinnern, dass sie nichts von den israelischen Pfunden hielten – sie wollten Dollars …
Wir durchstreiften die Grabeskirche, konnten uns allerdings aufgrund des Gedränges kaum auf die üblichen Touristenattraktionen konzentrieren. Es war ein Wunder, dass unsere Busgruppe sich zum Ende der Besichtigung wieder komplett zusammenfand.
Der Bus war unser Ziel. Wir fanden ihn nach dem Verlassen der Altstadt durch das Jaffa-Tor. So ganz nebenbei: Fühlte ich mich sicher in Jerusalem? Eine Frage, die man sich auf jeden Fall angesichts der Nahost-Konflikte stellen konnte. Ich hatte kein Problem: An fast jeder Straßen-/Gassenecke in der Altstadt stand ein/e in Khaki gekleideter Militärangehörige/r. Sie standen nicht einfach so herum sondern beobachteten konzentriert das Hin und Her. Mit der Uzi im Anschlag …
Der Bus führte uns nach einer kurzen Rundfahrt durch die Jerusalemer Neustadt incl. Knesseth zum letzten Besichtigungspunkt unserer historisch religiösen Rundfahrt. Nach Bethlehem. Logisch – die Geburtskirche musste besucht werden!
Wie man an dem Gemäuer erkennen kann, ist diese für die Christen sehr wichtige Kirche das Ergebnis vieler Generationen. Sie musste immer wieder ausgebessert und erweitert werden. Immerhin ist dieses Gotteshaus das am längsten ununterbrochen genutzte seit der Frühzeit des Christentums. Im 4. Jahrhundert wurde die erste Kirche dort errichtet, wo Jesus geboren sein soll. Das erfuhren wir, als wir in der langen Schlange vor dem Eingang standen. So schlimm war es aber letztendlich nicht, denn nach wenigen Minuten standen wir vor der engen und nicht sehr hohen Türöffnung und quetschten uns durch sie.
Wie die Grabeskirche ist die Geburtskirche mehreren christlichen Richtungen zugeordnet. Und auch hier gab es immer wieder zwischen den Mönchen Gezänk. Selbst in den Zeiten, als im Heiligen Land Juden und Muslime friedlich miteinander lebten. Nun gut, daran mussten sich die Christen nicht orientieren …
So, wir waren im Innenraum. Alles strebte zur engen Geburtsgrotte, an dem der Heiland geboren wurde. Ein vierzehnzackiger silberner Stern kennzeichnete den Geburtsplatz. Viel Zeit zum Informieren oder auch zum Gebet blieb nicht, denn man wurde im nicht nachlassenden Besucherstrom vorwärts gedrängt. In den anderen Teilen der Kirche war entsprechend mehr Platz. So vor der Ikonostase.
Die Uhr tickte weiter und wir saßen pünktlich im Bus, der uns zur Eugenio C zurückbrachte. Wie am Vormittag durch die karge, mitunter von Bäumen aufgelockerte Hügellandschaft und vorbei an nicht gerade ansehnlichen Ortschaften.
Das und die Fahrt durch das geschäftige Haifa waren unsere letzten Eindrücke von Israel. Oder vom Heiligen Land. Ich kann mich noch gut an meine Gefühle beim Besuch der Stätten erinnern. Auch als nicht unbedingt gläubiger Mensch beeindruckten mich die seit zwei Jahrtausenden ununterbrochen verehrten und umkämpften Orte und Landstriche. Gerade dort kam zum Ausdruck, dass die der Menschheit zugeneigten Teile der verschiedenen Religionen zu Konfrontationen neigten. Und leider weiter neigen. Na ja, wenn sich in Geburts- und Grabeskirche selbst die christlichen Religionen grün sind – wie soll/te es dann mit anderen Glaubensrichtungen klappen …
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