Samstag, 12.05.2018
Der Tag beginnt sonnig und recht warm, perfektes Reisewetter!
Ich packe meinen Koffer zu Ende und werde dabei von Jens, meinem Ehemann, höchst unverschämt bezüglich dessen Umfang und Gewicht verspottet.
Hey, wir fahren durch die Ostsee, da kann von eiskaltem Wind bis strahlendem Sonnenschein alles dabei sein! Und frau will ja schließlich auf alle vorbereitet sein. Nun ja, ich gebe zu, der Koffer ist schon recht schwer und die Dehnungsfalte musste ich auch öffnen.
Aber ich habe wirklich nur das Allernötigste mit!
Um viertel vor zwölf klingelt es und Nele ist da.
Auch ihr Koffer ist nicht gerade leicht, das beruhigt mich.
Nele und ich kennen uns schon seit Schulzeiten und wir machen regelmäßig zusammen Urlaub.
So gern ich meine Familie auch habe, Urlaub mit Nele ist etwas, das ich niemals missen möchte.
Wir haben uns schon als Schülerinnen geschworen, dass wir nie alt und langweilig werden wollen und dass wir auch, wenn wir mal Kinder haben sollten, regelmäßig gemeinsam verreisen werden.
Nun ja, das älter werden lässt sich nun mal nicht vermeiden, aber das mit dem gemeinsamen Urlaub ziehen wir immerhin seit siebzehn Jahren durch.
Neles Mutter bringt uns zum Wuppertaler Hauptbahnhof. Der wird gerade renoviert und verdient momentan wahrscheinlich den Titel „hässlichster Bahnhof Deutschlands.“
Na, das wäre mir ja noch egal, aber leider sind im Moment bei Gleis zwei auch keine Aufzüge vorhanden…
Ich wuchte also meinen zarten Koffer die Treppen hoch (hm, vielleicht hatte Jens doch ein wenig recht, was ich natürlich niiiiemals ihm gegenüber zugeben werde) – und Nele hat Glück, ein junger Mann trägt ihr gentlemanlike den Koffer.
Allerdings kann ich an seinem etwas gequälten Gesichtsausdruck erkennen, dass ihn das Gewicht des Koffers ein wenig überrascht hat.
Unser IC hat 10 Minuten Verspätung, was ja eigentlich für die Deutsche Bahn gar nicht mal so übel ist.
Nur… wo ist bitteschön unser Waggon?
Wir haben Plätze in der 1. Klasse (war nur ein geringer Aufpreis, und etwas mehr Komfort ist ja nicht zu verachten) in Wagen 14 reserviert.
Aber Wagen 14 existiert nicht!
Ein freundlicher Schaffner klärt uns auf, dass es den Wagen tatsächlich heute nicht gibt. Na, wo isser denn hin, der Wagen?
Der Ersatzwagen ist ein alter zweite Klasse Wagen. Na toll.
Aber zum Glück sind in Wagen 12 noch Abteilplätze der 1. Klasse frei, immerhin. Wir setzen uns zu einem netten mittelalten Paar in ein Abteil, welches dank unserer Koffer dann auch voll ist. Komfort ist anders…
(Übrigens, unsere Kabine auf dem Schiff hat auch die Endnummer 14. Müssen wir uns Sorgen machen?)
Nele packt ihren Lunch aus.
Ihr vollmundig angekündigtes Menü aus Käsekuchen, Kompott und Sandwich entpuppt sich als Exquisazeug aus dem Kühlregal, Hippgläschen und plastikverpacktes Toastbrot. Wohl bekomm’s!
Gegen viertel vor sechs kommen wir in Kiel am Hauptbahnhof an.
Es ist warm, die Sonne scheint, herrlich.
Unser Hotel ist keine 10 Gehminuten vom Bahnhof entfernt.
Das Astor by Campanile ist von außen ziemlich hässlich, aber Nele hat für uns ein riesengroßes Eckzimmer mit schönem Panoramablick gebucht (für einen erstaunlich günstigen Preis. Wie Nele immer diese Schnäppchen schießt, hat sich in den vielen Jahren die wir uns kennen nicht erschlossen).
So lässt es sich leben.
Wir feiern den Urlaubsbeginn mit einem Fläschchen (okay, einer Flasche) Rosé aus Plastikbechern.
Und dann brauche ich dringend was in den Magen…
Wir laufen zum Vapiano am Hafen und essen lecker Pizza bzw. Pasta.
Wir sitzen draußen und genießen den Blick auf das Wasser.
Dann laufen wir zurück und kommen dabei am momentan stattfindenen „Fest der Biere“ vorbei.
Es ist ziemlich laut und es gibt ziemlich viel Bier. Die Leute scheinen auch ziemlich fröhlich zu sein.
Aber nein danke, der Wein war uns genug.
Wieder im Hotel angekommen machen wir uns bettfertig und freuen uns an dem tollen Ausblick.
Wir überlegen, morgen aus Bequemlichkeit im Hotel zu frühstücken.
So, und jetzt sammeln wir Kraft für die nächste Woche!
Sonntag, 13. Mai 2018
Wir wachen bei strahlendem Sonnenschein auf.
Nele berichtet mir von einem ziemlich verstörenden Traum, den ich aus Gründen des Jugendschutzes hier nicht noch einmal wiedergeben werde.
Dann machen wir uns fertig und fahren in den 9. Stock.
Hier gibt es Frühstück, das 10 Euro kostet, auch Kaffeespezialitäten enthält und recht abwechslungsreich ist. Und als besonderes Schmankerl können wir von hier oben sogar schon die AidaBella sehen!
Nach dem Frühstück spazieren wir gemütlich zum Starbucks und kaufen Neles erste Tasse.
Dazu muss ich etwas erklären: Nele ist im Grunde genommen ein sehr liebenswerter Mensch.
Und recht solide.
Aber.
Wenn es um Starbucks-Tassen geht, dann klinkt sich irgendetwas in ihrem Gehirn aus.
Sie sammelt die Dinger wie andere Kühlschrankmagnete oder Pins aus verschiedenen Städten, und sie entwickelt einen bemerkenswerten Jagdinstinkt.
Das allein wäre ja gar nicht mal so tragisch, wenn Nele nicht so wahnsinnig reiselustig wäre.
Ihre Starbucks-Kollektion ist mittlerweile bestimmt schon dreistellig, und sie wächst und wächst mit jedem Urlaub weiter.
Ich habe ihr schon prophezeit, dass sie sich in nicht allzuferner Zukunft wohl eine größere Wohnung zulegen muss, um die Tassen unterbringen zu können.
Im Kieler Starbucks gibt bzw. gab es übrigens an dem Tag nur eine einzige Kiel-Tasse, die direkt in Neles Besitz übergeht.
Während sie selig ihre Beute betrachtet, schlendere ich noch kurz zum Hauptbahnhof, Postkarten und andere Kleinigkeiten kaufen.
Die Kinder haben sich regelmäßige Postkarten erbeten, und wenn ich Rabenmutter die Familie schon eine Woche lang alleine lasse, dann sollen sie zumindest ab und zu ein Lebenszeichen bekommen.
Ausschweifung Anfang
Übrigens, unsere Gesellschaft ist schon merkwürdig.
Jens ist häufig auf Geschäftsreise und manchmal auch mit seinen Kumpels unterwegs.
Dass ich dann Haushalt, Job und Kinder schmeiße, ist für alle (und auch für mich) normal und nicht der Rede wert.
Aber wenn ich mal eine Woche alleine unterwegs bin, bekommt Jens von allen Seiten Hilfsangebote und Essenseinladungen und nicht zu vergessen große Bewunderung dafür, dass er es sich zutraut mit zwei Kleinkindern eine Woche alleine zu sein.
Hallo?
21. Jahrhundert, jemand zu Hause?
Und ich bin wieder einmal sehr dankbar dafür, dass Jens und ich uns ganz selbstverständlich beide um die Kinder und den Haushalt kümmern und es gar kein Problem ist, wenn der eine oder die andere mal nicht da ist.
Aber ich schweife ab, kommen wir zurück zum Thema.
Ausschweifung Ende
Um 11 Uhr checken wir aus und fahren mit dem Taxi zum Ostseekai.
Naja, oder zumindest fast.
Unser Taxifahrer ist ein wenig desorientiert und weiß nicht, dass heute zwei Aidas in Kiel liegen.
Prompt fährt er auch an unserem Liegeplatz vorbei und fährt erst auf erst sanfte und dann deutliche Ansprache von Nele mit quietschenden Bremsen und unter Missachtung sämtlicher Verkehrsregeln (aus beruflicher Gewohnheit zähle ich im Geiste die begangenen Ordnungswidrigkeiten zusammen und komme auf mindestens drei) rechts auf dem Bürgersteig ran.
„Ist ja Ihr Führerschein“ kommentiert Nele nur.
Recht hat sie.
Und dann liegt sie vor uns, die AidaBella.
Groß ist sie, und sie liegt „Mund an Mund“ mit der Cara.
Es ist zehn nach elf, wir geben unsere Koffer bei freundlichen jungen Aida-Mitarbeitern ab.
Dann schlendern wir noch ein wenig über den Kai, da der Check-In erst ab 12 Uhr freigegeben ist.
Aber als wir um zwanzig vor zwölf noch einmal zum Terminal kommen, ist dort schon viel los. W
ir stellen uns an und sind kurze Zeit später beim Check-In. Als wir unsere Bordkarte bekommen, ist das ein richtig schönes Urlaubs-Gefühl.
Unser erster Weg führt uns auf Deck 11, wo wir uns auf eine Liege legen.
Es ist richtig warm, Neles „Nuk“ (sie hat auf Reisen immer ein Badethermometer in der Tasche) zeigt 35 Grad in der Sonne.
Ich habe vergessen meine Postkarten die Kinder einzuwerfen, also verlasse ich das Schiff noch einmal und finde in der Kieler Altstadt einen Briefkasten.
Zurück auf dem Schiff sonnen wir uns noch ein bisschen, betrachten die im Gegensatz zur Bella schnuckelig kleine Cara und gehen gegen halb eins ins weite Welt Restaurant.
Wir sitzen draußen, genehmigen uns einen Schluck Weißwein zum Essen und finden, dass das Leben wirklich schlimmer sein könnte. In Wuppertal regnet es übrigens in Strömen.
Dann können wir unsere Kabine beziehen.
Naja, das Bad ist nicht allzu sauber, aber die routinierte Nele holt mit geübtem Griff eine Flasche Sagrotan aus dem Koffer und desinfiziert erstmal alles.
Unser nächster Weg führt uns auf Deck 11 zum Biking-Terminal. Ich habe nämlich entdeckt, dass im Gegensatz zu MyAida in Danzig ein Biking-Ausflug angeboten wird!
Wir nutzen die Chance, unsere bereits gebuchten Transfer-Vouchers zu stornieren und buchen den Bike-Ausflug. Die Guides am Counter sind sehr witzig, das wird bestimmt ein lustiger Ausflug.
Zurück in der Kabine habe ich eine kurze Koffer-Krise (mein Schloss geht nicht auf), aber zum Glück geht dann wieder alles.
Um 17 Uhr ist Seenotrettungsübung.
Zum Glück geht diese recht schnell über die Bühne.
Dann holen wir uns einen Sail-away-Cocktail am Pooldeck und gesellen uns zum Auslaufen an den Bug.
Die AidaCara muss noch warten, wir liegen laut unseres Kapitäns (Es ist Erik Kelt Kirchner) in Pole Position.
Dann ertönt unglaublich laut das Typhon (okay, wir stehen auch genau drunter) und die Cara antwortet uns.
Und als dann die Melodie von „Sail Away“ beginnt, weiß ich: Der Urlaub hat tatsächlich so richtig angefangen!
Abends essen wir wieder draußen im Weite-Welt-Restaurant. Es ist zwar sehr kühl, aber egal.
Der Kellner versorgt uns fleißig mit Wein, und dann verteilt Aida auch noch Muttertags-Sekt… Das kann ja was werden.
Wir sitzen am Tisch mit einer Dame und ihrem „Lebenspartner, der beim MAD ist.“ Sie kommen sich sehr wichtig und sehr toll vor. Nun ja, jeder wie er mag.
A pro pos Muttertag:
Als wir beim nächsten Mal auf der Kabine sind, steht da doch tatsächlich eine Flasche Sekt mit zwei Gläsern!
Ein Muttertagsgeschenk meiner Familie, klammheimlich von Jens im Voraus bestellt.
Nele verdrückt ein kleines Tränchen vor Rührung, und auch ich finde das richtig süß.
Abends setzen wir uns mit Cocktails aufs Pooldeck in einen Strandkorb.
Es ist zwar sehr sehr windig (Nele bringt uns unter gefühlter Lebensgefahr unsere Cocktails die Treppe rauf), aber dafür werden wir mit einem astreinen Sonnenuntergang belohnt. So einen habe ich schon lange nicht mehr gesehen, die Sonne versinkt bühnenreif im Meer.
Ich brauche noch etwas im Magen, und so besuchen wir noch die Pizzeria Mare.
Und dann versinken wir irgendwann auch, und zwar in unseren gemütlichen Kabinenbetten.
Montag, 14. Mai 2018
Unser erster Seetag beginnt mit dem Weckruf um halb acht.
Nach Duschen und fertigmachen sitzen wir eine Stunde später im Weite-Welt-Restaurant (natürlich draußen) und genießen Omelettes, Müsli und einiges andere.
Das Wetter ist sehr sonnig, aber kühl (morgens nur 12 Grad).
Während ich mich von der sympathischen Friseurin Dani im Spa wieder vorzeigbar machen lasse, macht Nele uns zwei Liegen auf Deck 12, backbord, klar.
Frisch geföhnt werden meine Haare direkt wieder durchgepustet, aber das ist egal. Ich lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen, lese und ruhe mich aus. So muss Urlaub sein. In eine Decke gekuschelt ist das Ganze richtig gemütlich. Gegen ein Uhr essen wir zu Mittag.
Ich überlege erst, danach drinnen mein Buch weiter zu lesen, aber Nele überzeugt mich, dass es draußen auf dem Pooldeck schöner ist. Recht hat sie, es wird immer wärmer und die Decke brauche ich jetzt gar nicht mehr.
Was ein bisschen nervt, ist die betont fröhliche Animation unserer „Gastgeber“, aber wir schalten einfach ab und konzentrieren uns auf die Sonne. Das geht bis halb fünf so, und dann scheuche ich Nele unbarmherzig aus dem Liegestuhl hoch. Jetzt ist es Zeit aktiv zu werden!
Auf dem Sportdeck auf Deck 11 ist nicht viel los und ich laufe etwas und fahre dann noch Rad. Muss mich ja zumindest schon mal ein bisschen in Form bringen für unsere Radtour in Danzig…
Zum Abendessen bleiben wir ausnahmsweise mal drinnen, besuchen die brandneue Almhütte. Die Bella war kurz vor unserer Fahrt in der Werft und hat unter anderem jenes neue Restaurant bekommen.
Der Burger ist lecker, die Kellner recht aufdringlich und der Kaiserschmarrn schmeckt, wie Nele treffend bemerkt, eigentlich nach nichts. Dafür gibt es danach im Weite Welt köstliches Tiramisu und der Kellner von gestern Abend versorgt uns wieder großzügig mit Rotwein.
Dann trauen wir uns doch noch nach draußen und bemerken überrascht, dass es eigentlich gar nicht mehr so kalt ist. Na dann, ab zur Ocean Bar auf Deck 12! Wir trinken in der Sonne leckere Cocktails und finden, dass so ein Urlaub eine ganz schön tolle Sache ist. Ich mache im Sonnenuntergang ungefähr siebenundneunzig Fotos von Nele an der Reling, die sie aber alle nicht ganz so gelungen findet. Dafür zocke ich sie dann eiskalt zweimal beim Air-Hockey ab, hat sie verdient.
Um viertel nach neun finden wir uns auf Deck 9 im Theatrium an der Bella Bar ein.
Die sechs AidaStars werden mit einem kurzen Filmchen vorgestellt und singen ein paar Lieder. Ganz nett.
Danach halten die Schauspieler der Reise, Verena Karg und Axel Becker, eine Loriot-Lesung.
Ich finde es klasse, Nele neben mir hält tapfer durch.
Dann ist es auch schon 23 Uhr (wir haben eine Stunde später, heute wurden die Uhren umgestellt) und langsam werden wir etwas müde.
Daher beschließen wir, den Tag zu beenden.
Morgen ist schließlich unser erster Hafentag, und wir wollen für Tallinn fit sein!
Dienstag, 15. Mai 2018
Der Telefon-Wecker klingelt wieder um halb acht.
Wir machen uns fertig und frühstücken draußen im Weite Welt Restaurant.
Es ist schon erstaunlich warm, ich glaube das wird ein schöner Tag.
Die Kellner kennen uns mittlerweile und fragen augenzwinkernd, ob wir Rotwein haben möchten.
Nein, danke, wir bleiben beim Kaffee.
Wir sehen die Küste Estlands vorbeiziehen und dann taucht Tallinn auf.
Gleich sind wir da!
Auf der Kabine packen wir unsere Rucksäcke, beschließen, dass es das richtige Wetter für eine kurze Hose ist, cremen uns mit Sonnenmilch ein und starten dann gut gelaunt unseren Ausflug.
Wir liegen zusammen mit zwei weiteren großen Kreuzfahrtschiffen im Hafen, wir haben die erste Position (Nr. 24).
Es wird wahrscheinlich heute recht voll in Tallinn.
Das mit den kurzen Hosen war eine gute Idee; obwohl es erst 10 Uhr ist, strahlt die Sonne vom wolkenlosen Himmel und wärmt uns richtig schön auf.
Der Fußmarsch in die Altstadt dauert ca. eine Viertelstunde, wir trotten einfach dem Schwarm hinterher.
Dann taucht die Altstadt vor uns auf, in Form der dicken Margarethe.
Das ist keine estnische Bauersfrau, sondern ein Turm der alten Stadtmauer, in dem heutzutage das Estnische Schifffahrtsmuseum untergebracht ist. Er wurde gebaut, um vom Meer kommende Besucher zu beeindrucken – Mission erfüllt.
Tallinns Altstadt ist vor allem eins: sehr sauber.
Außerdem richtig schön restauriert, mit tollen Fassaden und vielen schnuckeligen kleinen Hinterhöfen.
Der Rathausplatz ist unser erstes Ziel, man kann ihn gar nicht verfehlen.
Es ist übrigens das am besten erhaltene gotische Rathaus in Nordeuropa, falls das jemanden interessiert, und wurde zwischen 1402 und 1404 erbaut.
Nele ist wie immer völlig unbeeindruckt von meinem Reiseführerwissen, sie hat ein sehr pragmatisches Verhältnis zu „alten Steinen“.
Drum herum haben sich viele Restaurants und Cafés angesiedelt, es herrscht ein reges Treiben.
Außerdem baut ein Team emsig Fernsehkameras auf, anscheinend passiert hier heute noch was.
Wir schlendern weiter auf den Domberg, auch Toompea genannt.
Der Domberg war schon immer der Ort, von wo aus die Nation regiert wurde, und auch heute residiert das Parlament in einem beeindruckenden Gebäude neben dem Schloss. Besonderer Anziehungspunkt ist die Alexander-Newsky-Kathedrale, die von außen wunderschön anzusehen ist.
Nele nennt sie in beispielloser Ignoranz einfach nur die „Blutskirche“.
Innendrin finde ich sie ziemlich überladen und bunt, aber jedem das Seine.
Gegenüber der Kathedrale in der Postfiliale gebe ich zwei Karten für meinen Nachwuchs ab. Im Gegensatz zu der nur wenigen Meter entfernten pompösen Kirche ist es hier leer, ruhig und schmucklos. Schön finde ich die Spiegelung, welche die Kirche an der Außenseite der Post hinterlässt.
Nachdem wir den Domberg erkundet haben, trinken wir einen Kaffee auf dem Rathausplatz.
Mittlerweile hat das Spektakel begonnen, es ist anscheinend irgendein Fest, das mit Kuchen zu tun hat.
Zumindest ist eine lange Reihe von Zelten aufgebaut, in denen junge Damen Backwaren verteilen.
Dazu spielt eine Kapelle, die Menge johlt und ein Mann in Uniform ruft irgendetwas unverständliches.
Wir haben keine Ahnung was das Ganze soll, aber zumindest scheinen die Leute ihren Spaß zu haben.
A pro pos Spaß, unser Kaffee ist ganz schön teuer, fast 5 Euro kostet er. Nun ja, Location, Location, Location…
Dann geht es weiter, wir möchten die Stadt gerne noch von oben erkunden.
Das machen wir auf der Plattform der St. Olaikirche.
Allerdings muss man dafür 258 Stufen in einem sehr engen, dunklen Turm hinaufsteigen, was Nele (die Höhe und Enge nicht so gerne mag) ziemlich viel abverlangt.
Aber sie meistert die Aufgabe mit Bravour und wir werden mit einem hervorragenden Ausblick über die ganze Stadt bis hin zum Hafen belohnt.
Mit 3 Euro war diese Erfahrung übrigens preiswerter als der Kaffee vorhin.
Nachdem wir noch ein bisschen durch die Stadt geschlendert sind, beschließen wir, den restlichen Nachmittag auf dem Schiff in der Sonne zu verbringen.
Wir finden wieder einen schönen Platz an Deck und genießen das grandiose Wetter im Bikini. Wir hätten nicht gedacht, dass wir das auf unserer Ostseetour einmal so erleben würden!
Um halb fünf mache ich Sport und pünktlich zum Auslaufen sind wir wieder auf dem Pooldeck.
Zu den Klängen von „Sail away“ sehen wir Tallinn wieder an uns vorbeiziehen.
Eine wirklich schöne Stadt!
Wir gehen direkt ins Weite Welt Restaurant und essen ausführlich zu Abend.
Es gibt leckere Wraps (oder wie auch immer die Teile hießen), stellen uns köstliches asiatisches Essen selbst zusammen und genießen es, ganz in Ruhe zu essen.
Wer kleine Kinder hat weiß, wie wertvoll solche Momente sind.
Der Kellner stellt uns wieder unaufgefordert Rotwein hin. Läuft.
Danach ziehen wir um an unseren Lieblingsort auf dem Schiff: Die OceanBar auf Deck 12.
Dort trinken wir Erdbeer-Margharitas und bestaunen einen wieder mal grandiosen Sonnenuntergang.
Das Wasser zieht sanfte Wellen und wird von der untergehenden Sonne in unzählige Farbtöne getaucht.
Das ist so wunderschön, dass es schon fast zu kitschig ist.
Wir beschließen, uns diesen Moment ganz fest einzuprägen.
Das ist einer dieser Augenblicke, an die wir uns auch im Altersheim noch erinnern möchten.
Fotos können das, was wir hier sehen dürfen, niemals richtig wiedergeben.
Und ehe wir uns versehen, ist es schon wieder fast elf Uhr.
Es ist immer noch nicht ganz dunkel, ein rötlich-violetter Streifen schimmert geheimnisvoll am Horizont.
In der Kabine angekommen löscht Nele emsig Fotos auf ihrem Iphone, sie hat nämlich mittlerweile über 20.000 Bilder darauf gespeichert.
Und für morgen benötigt sie natürlich einiges an Speicher – dann werden wir in St. Petersburg sein!