Mit einem Knacken in den Ohren schwebe ich wieder dem Boden entgegen, um nach nur kurzer Zeit den vier engen Wänden der Aufzugskabine den Rücken zu kehren und mich nunmehr den Ausstellungsräumen zuzuwenden.
Im Flaggenraum werden dem Besucher Kriegsflaggen verschiedener Epochen präsentiert: angefangen bei den Reichskriegsflaggen des Kaiserreichs, der Kriegsmarine, den Flaggen der DDR-Volksmarine bis hin zur Bundesmarine. Verschiedene Epochen, verschiedene Farben und Symbole. Die einen sehr negativ behaftet, andere weniger. Doch sie alle gehören zur deutschen Geschichte, die keinesfalls immer „glanzvoll“ war.
Zu einem beeindruckenden Schiff gehört auch eine mächtige Schiffsglocke. Die „Admiral Hipper“ gehörte im Zweiten Weltkrieg zur Klasse „Schwerer Kreuzer“. Das Schiff existiert schon lange nicht mehr. Nachdem es bei Angriffen auf Kiel zwei Bombentreffer erhielt, wurde es letztlich kurz vor Kriegsende im Dock gesprengt. Was blieb, ist nunmehr nur noch diese Schiffsglocke.
Welchen Klang sie wohl hat?! Sicherlich einen tief tönenden, weithin hallenden Ton. Das zu überprüfen, traue ich mich selbstverständlich nicht.
Angrenzend findet sich nun wieder jene Ausstellungsfläche, die schon beim Betreten des Denkmals einen bedrückenden, nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen hat. Darstellungen und Inschriften, die für sich selbst sprechen und die Grausamkeit zweier Weltkriege auf besondere Art deutlich machen:
Für mich geht es nunmehr ins Untergeschoss des Ehrenmals – in die Gedenkhalle, einen Ort, dem ganz besonderer Respekt und Pietät gezollt werden sollte.
So ist es zu lesen, als ich ein paar Stufen hinuntergehe, denen sich ein langer, zu beiden Seiten mit Kränzen gesäumter Gang mit leichtem Gefälle und abgedunkelter Beleuchtung anschließt. Es geht unter die Erde.
Vor mir liegt nunmehr die große, kreisrunde Ehrenhalle. Ab hier ist das Fotografieren für mich absolut tabu. Sollte es eigentlich für alle Besucher sein, ist es aber leider nicht. Immer wieder flammt Blitzlicht in der nahezu dunklen, nur durch eine kleine Kuppel in der Mitte – bestehend aus buntem Glas, durch welches Tageslicht fällt – erhellten Halle.
Entlang der Wand führt ein Gang um das mit Gebinden, Schleifen und Kränzen belegten Plateaus. Eine seltene Besonderheit ist in dieser Halle zu finden: ein Gedenkbuch des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge mit einer Liste aller im Zweiten Weltkrieg auf See Verschollenen.
Schauer laufen mir immer wieder über den Rücken. An den Temperaturen liegt es nicht, sie sind angenehm. Nein, es ist vielmehr dieser besondere, sehr nachdenklich machende Ort.
Widme ich mich nunmehr wieder dem oberirdischen Teil des Ehrenmals und einer Ausstellungsfläche, die mich ganz besonders in ihren Bann zieht: die historische Halle mit vielen maßstabsgetreuen Schiffsmodellen, alten Schiffs- und Seekarten sowie maritimen Exponaten, anhand derer die Geschichte der Schifffahrt und die Entwicklung der Marine erklärt werden.
Im Gegensatz zur restlichen Ausstellung sind hier auch viele Familien mit Kindern unterwegs, die sich an den großen Schaukästen mit den detaillierten Schiffsmodellen die Nasen plattdrücken und ihre Fingerabdrücke hinterlassen. Da gibt es täglich sicherlich jede Menge zu polieren.
Durch die großen Panoramafenster blicke ich nach draußen auf den Vorplatz des Ehrenmals. Die gedämpften Lichtverhältnisse kommen nicht etwa durch getönte Scheiben zustande; vielmehr hat sich der Himmel zwischenzeitlich leider bezogen. Blau wich einem vornehmen Grau. Diese Farbe gefällt mir aber so gar nicht …
Ich verlasse das Ehrenmal, um mich langsam meinem nächsten Programmpunkt – dem Besuch des am Strand liegenden U-Bootes zuzuwenden. Vorher suche ich mir jedoch noch eine schöne Perspektive, aus der ich den Turm gut aufs Bild bekomme.
Durch die Stelen sind hinter der Hecke schon die Aufbauten des U-Bootes auszumachen. Die davor wartende Besucherschlange jedoch noch nicht …
Gaben die sich immer mehr ballenden Wolken der Sonne gerade noch wenigstens eine geringe Chance, zwischen all dem Grau ein paar Strahlen zur Erde zu schicken, fallen auf meinem kurzen Weg vom Ehrenmal zum U-Boot sogar ein paar Regentropfen. Hoffentlich nimmt der „flüssige Sonnenschein“ nicht noch mehr zu.
„U 995“ liegt nunmehr vor mir – malerisch auf gelbem Sand hinter einer saftig-grünen Hecke, mausgrau und einer überdimensionalen Zigarre gleichend.
Die Indienststellung dieses seit 1972 als Technisches Museum fungierenden Museums-U-Bootes erfolgte im September 1943. Es absolvierte 9 Feindfahrten im Nordmeer. Im Jahr 1965 „U 995“ endgültig ausgemustert und als Zeichen der Versöhnung von Norwegen an Deutschland zurückgegeben.
Bis zu 400.000 Besucher begeben sich Jahr für Jahr in die Enge dieser 67 Meter langen Stahlhülle. Einer dieser Besucher bin heute ich. Wieder einmal. Ein neuerlicher Besuch nach vielen Jahren. Im „Stop & Go“ nähern sich die wartenden Besucher dem an der linken Seite befindlichen Eingang zum U-Boot. Klar, dass im klaustrophobischen Inneren „Einbahnstraßenverkehr“ herrscht. Währenddessen tröpfelt munter weiterer „flüssiger Sonnenschein“ auf uns herunter. Nur noch wenige Meter, dann bin ich im Trockenen. Aber auch auf engstem Raum mit etlichen anderen Besuchern, eingerahmt von jeder Menge Stahl und nautischen Geräten …
Nunmehr ragt es unmittelbar vor mir auf. Da muss ich jetzt wohl „durch“, im wahrsten Sinne des Wortes. Umkehren wäre dann eher ungünstig. Wobei ich mich gleichzeitig frage, warum ich mir überhaupt so viele Gedanken mache. Bei meinem letzten Besuch hat mich diese Enge kein bisschen gestört. Also wird es mir dieses Mal bestimmt auch nichts ausmachen.
Noch ein paar Stufen, den Kopf einziehen und schon stehe ich im U-Boot – mit freiem Blick aufs breite Kreuz meines Vordermanns und den Atem meiner „Nachfolgerin“ beinahe im Nacken.
Ja, es ist eng. Sehr eng. Im Schneckentempo bewegen wir uns vorwärts – mit großen Augen um uns blickend und manch einer mit einem etwas gezwungen scheinenden Lächeln. Beim einen oder anderen bildet sich die eine oder andere Schweißperle auf der Stirn. „Ganz schön eng hier …“ „Hm, und ganz schön warm hier.“ Ja, das Erlebnis „schweißt zusammen“, auch wenn die beginnende Konversation sich auf nur wenige kurze Gespräche beschränkt, deren „Tiefgründigkeit“ man auch besser nicht näher analysieren sollte.
Frauen wird ja immer wieder gern mal nachgesagt, dass sie und die „Technik“ sich nicht unbedingt vertragen. Von daher verzichte ich hier auf umfangreiche technische Beschreibungen, für die ich zugegebenermaßen entweder einschlägige Fachliteratur zu diesem Thema (die ich nicht habe) oder Wikipedia zu Rate ziehen müsste. In erster Linie lasse ich einfach ein paar Bilder sprechen, versehen mit einer kurzen Beschreibung. Die Enge des U-Bootes, das eine Besatzung von bis zu 50 Seeleuten hatte, wird auf jeden Fall deutlich.
Das Hecktorpedorohr im hinteren Torpedoraum:
Ein Teil des Steuerstandes der E-Maschinen:
Der Dieselraum mit zwei Sechs-Zylinder-Viertakt-Dieseln mit je 1400 PS, Dieselölvorrat: 113 Tonnen
Einige der schmalen, harten Kojen – Wenn ich so das dahinter liegende Druckschott betrachte, fallen mir unwillkürlich Szenen aus dem Kino-Klassiker „Das Boot“ mit „Herrn Kaleun“ Jürgen Prochnow ein. Die Mannschaft schwang sich damals in Windeseile durch die kreisrunde Öffnung. Gut, dass uns niemand dabei filmt, wie unelegant wir alle dort hindurch klettern.
Die „Brücke“ des U-Bootes: das Kontrollzentrum in der vorderen Zentrale. Rechts im Bild das Steuerelement (das Rad mit den beiden schwarzen Hebeln). Hier befinden sich auch Seiten- und Tiefenruder, das Sehrohr sowie Ein- und Ausstieg.
Einmal mehr versuche ich mir vorzustellen, das U-Boot befindet sich dutzende Meter unter Wasser. Ich glaube, dann würde ich wirklich Platzangst bekommen. Hier an Land macht mir diese Enge aber auch dieses Mal nichts aus. Meinen vor und hinter mir befindlichen „U-Boot-Genossen-auf-Zeit“ scheint es glücklicherweise ähnlich zu gehen. Ich glaube, ein hyperventilierender Klaustrophobiker wäre so ziemlich das letzte, was wir alle gebrauchen könnten. Zwar befinden wir uns an Land. Doch befindet man sich erst einmal irgendwo zwischen dem Einstieg am Heck und dem Ausstieg am Bug, dann wird´s kompliziert, mal eben wieder so auf die Schnelle rauszukommen.
Blick in den Horchraum
Der Mannschaftswohn- und -schlafraum – Bis zu 27 Männer haben hier gegessen und geschlafen. Angesichts des begrenzten Platzes eigentlich unvorstellbar. Doch es war tatsächlich so. Zu Wartungszwecken wurden die sich hier auf und unter den Flurplatten befindlichen sechs Reserve-Torpedos täglich herausgezogen.
Mit einem Blick in den vorderen Torpedo-Bugraum sind wir am Ausgang angelangt.
Ein wenig froh bin ich schon, die beklemmende Enge der stählernen „Zigarre“ verlassen zu können. Die frische Luft und das friedliche Leben haben mich wieder.
Nun muss ich erst einmal durchatmen. Nach so vielen Erlebnissen meldet sich außerdem der „kleine Hunger“.
Fortsetzung folgt …
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