Nach so viel Stahl, Technik und Geschichtlichem brauchen meine Augen und meine Seele erst einmal ein wenig „Naturbalsam“. Unterhalb des Marine-Ehrenmals führt ein Weg irgendwohin ins Grüne, in die Dünenlandschaft, zum Strand. Sehr schön. Solch eine Ruhe brauche ich jetzt. Neben einem Hinweisschild zur „Meeresbiologischen Station Laboe“ spricht mich ein weiteres Schild aktuell aber noch mehr an: „Bernstein – Imbiss & Café“. Perfekt, um dort meinen „kleinen Hunger“ zu stillen.
Also bummele ich erst auf Asphalt, dann auf festgetretenem Sand durch eine Landschaft aus Hundsrosen, Sanddornbüschen, Birken und anderem Gehölz, Dünengras und zwitschernden Vögeln.
Zwischendurch bieten sich immer wieder idyllische Blicke auf den Strand und die Segelboote hinter den Sanddünen und den sich im Wind wiegenden Strandhafer.
Vor mich hinträumend spaziere ich bis zur „Meeresbiologischen Station“. Unter ihrem Dach beherbergt sie Aquarien, welche Flora und Fauna der Ostsee zeigen. Auch können hier Bootstouren auf der Ostsee gebucht werden. Allerdings ist an diesem späten Mittag hier nur wenig los.
Ich kehre um, denn mich zieht es mit Macht zum „Bernstein“. Auf der Speisekarte habe ich vorhin auf dem Hinweg schon ein Gericht entdeckt, das ich mir jetzt unbedingt bestellen möchte, denn mir „tropft“ inzwischen sprichwörtlich „der Zahn“ und mein Magen „hängt in den Kniekehlen“, wie man bei uns so schön sagt, wenn das Hungergefühl sich immer stärker meldet.
Ein leichter Wind weht. Er lässt nicht nur die Blätter der Bäume rascheln. Auch die Halme des Strandhafers lässt er wellenförmig auf der hügeligen Dünenlandschaft tanzen. Das finde ich immer unglaublich entspannend, so auch hier und heute.
Als ich das Strand-Restaurant unterhalb des Marine-Ehrenmals erreiche, tröpfelt es einmal mehr etwas vor sich hin. Die Sonne ist scheinbar mal wieder „undicht“. Dennoch nehme ich im Freien Platz. Ein aktuell noch zusammengeklappter großer Sonnenschirm würde mir im Notfall auch als „Regenschirm“ nutzen. Die Tische ringsum sind auch gut besetzt.
Meine Bestellung ist schnell aufgegeben, denn ich hatte mich ja bereits entschieden: Scampi in Knobi-Chili-Öl, dazu Baguette und ein süffiges, kaltes „Flensburger Pils“.
Am Nachbartisch lächelt ein nettes Paar zu mir herüber, als ich mein meergrünes Reisetagebuch zücke und die Wartezeit auf die bestellten Meeresfrüchte dafür nutze, es mit den bisherigen Erlebnissen dieses Tages zu füttern. Das Ganze macht sie scheinbar neugierig und sie fragen mich doch tatsächlich, ob ich Restaurant-Testerin sei. Lachend verneine ich. Zwar teste ich ja in diesem Moment das Restaurant, aber eben nicht in DEM Sinne. Wir kommen ins Gespräch und ich erzähle ihnen von meiner zurückliegenden Norwegen-Kreuzfahrt mit AIDA. Da kommen sie gleich ins Schwärmen. Ja, dorthin würden sie jetzt auch gern fahren. Sie finden es toll, dass ich Reiseberichte schreibe. Sie schaffen es auf ihren Reisen immer „nur“ zu fotografieren.
Während wir uns angeregt von Tisch zu Tisch unterhalten, kommt mein Essen. Boah, ist das lecker angerichtet. Die Scampi schmecken vorzüglich und weder am Knoblauch noch am Chili wurde gespart. Ganz nach meinem Geschmack.
Wäre ich jetzt ein „echter“ Restauranttester gewesen – ich hätte dem „Bernstein“ auf jeden Fall eine gute Bewertung gegeben. So tue ich es nun hier in meinem Reisebericht und kann jedem einen Besuch empfehlen.
Ich tunke das Baguette ordentlich in das leckere Öl, um auch ja alles zu erwischen. Zu schade wäre es, etwas auf dem Teller zurückzulassen. Und außerdem hoffe ich, dass nachher die Sonne wieder scheinen wird, wenn ich jetzt meinen Teller so artig leergegessen habe …
Danach sieht es aber leider noch nicht aus, als ich den gemütlichen Strandimbiss verlasse, um mich ganz langsam auf den Rückweg zu machen. Gern gehe ich wieder meiner Lieblingsbeschäftigung am Meer nach: am Strand entlang bummeln und dabei verschiedene „Schätzchen des Spülsaums“ zu sammeln.
Unterhalb des U-Bootes bietet sich mir nochmals eine interessante Foto-Perspektive:
Am Strand herrscht noch immer „Ebbe“. Nicht nur ich hoffe, das eine oder andere Strandgut zu finden, auch die Seevögel sind auf der Suche, wenn auch nach Futter und nicht nach Deko-Material.
Aufmerksam beobachten sie aus erhöhter Position das Meer …
… oder sind bereits fündig geworden …
„Ein Schiff wird kommen …“ Gemächlich zieht die „Color Fantasy“ vorbei – auf ihrem Weg in mein geliebtes Norwegen …
Gedankenverloren und auch ein wenig traurig schaue ich ihr nach, wie sie langsam am Horizont kleiner und kleiner wird … Von Kind an standen imposante Schiffe auf ihrem Weg in die Ferne für mich als Synonym für den „Duft der großen weiten Welt“. Das hat sich im Laufe der Jahre auch niemals geändert.
Muscheln, Steinchen, kleine Holzstücke, Seetang zum Trocknen … Das eine oder andere Strandgut wandert in eine kleine Tüte, die ich für solche Fälle immer dabei habe. Und bei der Suche bietet sich auch so manches schöne Fotomotiv.
Argwöhnisch beäugt mich bei meinem gemächlichen Spaziergang auch immer wieder das Möwen-Federvieh. Dabei will ich ihnen doch ihr Futter gar nicht wegschnappen …
Der grün-weiße Leuchtturm Friedrichsort rückt genauso wieder in mein Blickfeld wie einer der Fördedampfer, die regelmäßig in Laboe anlegen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass ich bald wieder am Anleger angekommen bin. Schade. Von mir aus hätte dieser Tag nie enden brauchen. Ganz vorbei ist er ja zum Glück noch nicht.
Eines muss ich jetzt jedoch wirklich mal bemängeln. „Herzlich willkommen auf der Sonnenseite der Kieler Förde“ – damit wirbt Laboe und so ist es auch vollmundig und vielversprechend in großen Buchstaben am Dampferanleger zu lesen. WO bitteschön ist sie denn nun, die Sonne?! Aufgegessen habe ich, daran kann es also nicht liegen. Und von wegen „Sonnenseite“. Egal, ob an diesem Ufer oder drüben am anderen Landstreifen: keine Sonne! Nichts! Immer diese leeren Versprechungen …
Die trübe Wahrheit an diesem August-Nachmittag sieht dann leider etwas anders aus: verlassene Strandkörbe …
… und auch die Möwen suchen die Sonne in der grauen Wolkensuppe vergeblich …
Das trübe Wetter passt zu meiner nun schlagartig einsetzenden traurigen Stimmung. Wieder einmal ist es soweit: Ich muss Abschied nehmen vom Ostseestrand. Auch wenn ich erst morgen Mittag in den Zug in Richtung meiner meeresfernen Heimat steige, so habe ich dennoch hier letztmalig die Gelegenheit, mich noch einmal in den Sand zu setzen oder meine Füße vom Wasser umspülen zu lassen. So schön die Lage Kiels direkt an der Förde ist – es gibt dort leider keinen direkten Strand.
Also ziehe ich noch einmal meine Schuhe aus und laufe durch den Spülsaum des Meeres. Herrlich. Erfrischend. Wenn auch aufgrund der gar nicht so hohen Wassertemperaturen fast ein bisschen zu erfrischend. Der Wind dreht etwas und auf den Strand laufen ein paar kleine „Plätscherwellen“ auf.
„Schön war´s – Danke, AIDA“ schreibe ich in den feuchten Sand. Die Worte werden ein ganzes Stückchen lesbar sein, bevor sie wieder fortgespült werden.
Menschen laufen hinter oder auch mal vor mir vorbei. Keinen kümmert es, was der andere macht. Eine gewisse Anonymität, auch wenn sicherlich viele Menschen gerade am Meer ihren Gedanken nachhängen, bestimmt auch ihre Sorgen und Probleme haben. Vielleicht ist auch jemand unter ihnen, der – so wie ich – sich gerade von diesem schönen Fleckchen Erde verabschiedet.
Während ich hier sitze, wandern meine Gedanken auch zu meinem lieben Papa, der vor noch nicht einmal einem Jahr verstorben ist. Viele Jahre ist es her, seitdem ich an genau diesem Strand mit meinen Eltern spazieren gegangen bin. Es war kurz nach der Wende und diese Reise gehörte zu den ersten Reisen, die wir in der neu gewonnenen Freiheit unternommen hatten. Lange ist es her, dennoch erinnere ich mich ganz genau daran.
Es fühlt sich jedes Mal so an, als würde ein Teil meines Herzens herausgerissen, wenn ich wieder einmal meinem geliebten Meer und dem weiten Horizont „Auf Wiedersehen“ sagen muss. Doch so ist das halt, wenn man erblich „vorbelastet“ ist und in den Venen auch ein wenig „Salzwasser fließt“.
Gerade, als ich wieder aufstehen will, kommt in einiger Entfernung eine Entenmutter mit ihren flauschigen Küken vorbeigeschwommen, mich aufmerksam beobachtend, während ihre Kleinen sich noch etwas schwertun und ordentlich hin und her schaukeln. Nein, ich tue euch nichts, keine Angst. Ich bleibe noch sitzen, bis sie vorbeigeschwommen sind, um sie nicht zu erschrecken.
Es nützt nicht. So schwer es mir fällt und so groß mein Wehmut bereits jetzt ist – ich muss weiter, denn irgendwann muss ich ja wieder zurück. Ausgesucht habe ich mir den Fördedampfer gegen 16:45 Uhr. Bis dahin ist noch etwas Zeit.
Meine Füße sind inzwischen getrocknet. Also Strümpfe und Schuhe wieder angezogen. Seesand unter meinen Füßen werde ich nun leider wieder für lange Zeit nicht mehr spüren.
Ich wende mich der Promenade zu. Ein einladendes Geschäft, das nicht nur die typischen Touristensouvenirs anbietet, zieht mich an. Auch ich möchte mir noch eine kleine Erinnerung mit nach Hause nehmen. Ich finde ein liebevoll und mit vielen kleinen Details gestaltetes Hauseingangsschild. Es gefällt mir spontan und ich kaufe es. Ab sofort wird es mein Zuhause schmücken. Einen schicken Anhänger, verziert mit Abalone-Muscheln, entdecke ich auch noch.
Ich bummele weiter, in Richtung des Yachthafens. Direkt angrenzend befindet sich der Anleger der Fördedampfer. Über den sich an einen kleinen Hang kuschelnden Häuschen thront eine hübsche Windmühle. Wenn ich wieder mal nach Laboe komme, werde ich sie mal besuchen. Heute schaffe ich es leider nicht mehr.
Es ist ein fotogener Anblick.
Die einladenden Restaurants und Cafés ums Rund des Yachthafens sind gut besucht. Topfpalmen rascheln im frischen Wind, der auch in den Rahen der Boote singt. Fast ein wenig mediterranes Flair, wenn es etwas wärmer wäre.
Ich genieße die Atmosphäre, lasse mich treiben, schlendere entlang der Bootsliegeplätze …
Auf meinem Weg entdecke ich eine Fischbrötchenbude, die mir gerade recht kommt. Heute Abend noch einmal frisch geräucherten, leckeren Seefisch genießen. Ich kann da einfach nicht widerstehen. So entscheide ich mich für Butterfisch und Matjes „Nordischer Art“, dazu ein Holsten Pils. Alles wandert in die Tiefen meines Rucksacks.
Auf dem Rückweg zur Anlegestelle lerne ich gleich noch eine Lektion „Plattdütsch“:
Der Zufall will es, dass der Schlepper „Falckenstein“ wieder angebraust kommt – somit dasselbe Gefährt, das mich heute früh bereits hierhergebracht hat. Ich weiß nicht, wie viele Fördedampfer tagtäglich die einzelnen Orte anfahren. Doch ich denke, es ist schon ein kleiner Zufall, zweimal an einem Tag mit demselben Fortbewegungsmittel unterwegs zu sein.
16:45 Uhr scheint bei vielen Ausflüglern eine beliebte Zeit zu sein, denn viele Fahrgäste wollen mit mir an Bord. Ich suche mir einen Platz am Heck, dort, wo die beiden Schrauben das dunkelgrüne Wasser ordentlich durcheinanderwirbeln.
Mach´s gut, Ostseebad Laboe! Es war ein schöner Tag und der perfekte Abschluss eines wunderschönen Urlaubs.
„Kiek mol wedder in!“ – Das werde ich bestimmt eines Tages tun.
Fortsetzung folgt …
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