Der 13. August 2018 ist angebrochen. Wenigstens ist es kein Freitag … Auch wenn ich nicht an so etwas glaube – dennoch ist dieser Montag, der 13. August, für mich ein Unglückstag. Und zwar deswegen, weil ich heute Mittag wieder in den Zug steigen und nach Hause fahren muss, nachdem ich mich von Möwengeschrei, Fährschiffen und maritimem Ambiente schweren Herzens wieder einmal verabschiedet habe.
Zum Glück bleiben mir noch ein paar Stunden, auch wenn der Abschiedsschmerz jetzt schon da ist.
Es ist noch früh am Morgen, der Tag „graut“ – und das im sprichwörtlichen Sinne. Obwohl die Sonne erst so nach und nach ihre Reise über den Horizont antreten wird, kann ich durch die Gardinen meines großen Panoramafensters bereits jetzt erkennen, dass man sie heute wohl eher nur erahnen als sich von ihren warmen Sonnenstrahlen bescheinen lassen kann. Der Himmel ist trüb. Grau. Wie meine Stimmung. Abschiedsstimmung eben.
Gegen 06:30 Uhr entsage ich Kopfkissen & Co. und stehe auf. Die letzten Stunden in Kiel möchte ich ganz entspannt angehen. Und so nehme ich zunächst noch einmal meinen Lieblingsplatz in meinem Hotelzimmer ein – auf dem Fensterbrett.
Direkt vor meinem Fenster machen sich die ersten Fördedampfer für die „Pendelfahrten“ entlang der beschaulichen Fördeorte bereit.
Ich lasse meinen Blick schweifen – nach links in Richtung Norwegen- und Schwedenkai, die Beide noch verwaist in der Morgenstimmung liegen. Wenigstens kommen „Color Line“ und „Stena Line“ zum Abschied nachher noch einmal vorbei. Zumindest rede ich es mir an diesem Morgen ein, dass sie extra meinetwegen noch einmal nach Kiel kommen. Auch wenn mein Abschied nicht der Grund ihrer Ankunft ist – davon zu träumen, ist ja erlaubt.
Etwas zieht dann doch meine Aufmerksamkeit auf sich. Etwas, das aus meiner Perspektive eigentlich aktuell eher noch unscheinbar wirkt. Aber dennoch … Endlich kann ich mal beobachten, wie die Hörnbrücke zusammengefaltet wird, um den Schiffsverkehr passieren zu lassen. Bei meinem bisherigen Aufenthalt blieb mir das verborgen. Dabei passiert das Ganze normalerweise bis zu zwölf Mal täglich für jeweils 15 Minuten.
Da hole ich mir die dreigliedrige Faltbrücke doch mal etwas näher heran. Die Hörnbrücke ist übrigens die einzige nach diesem „Dreifeldzugklappen-Prinzip“ funktionierende Brücke weltweit.
Kaum sind die kleinen Schiffchen durch, wird das 25,6 Meter lange und 5 Meter breite „Zick-Zack-Muster“ wieder im Zeitlupentempo geglättet.
Total faszinierend. Und so halte ich dieses kleine technische Wunder daumenkinoartig im Bild fest:
Und so ist nach kurzer Zeit der Weg wieder frei für Fußgänger und Drahteselbesitzer.
Gegen 08:00 Uhr genieße ich ein letztes Mal das leckere „Frühstück mit Ausblick“, auch wenn dieser nach wie vor trüb ist.
Zurück in meinem Zimmer beobachte ich das Einlaufen der „Stena Scandinavica“ – der letzte „große Pott“ meines Urlaubs … Und da ist er schlagartig wieder: der Abschiedsschmerz.
Noch einmal den „Duft der großen weiten Welt“ aufnehmen und ganz tief im Herzen verwahren …
Während die Schwedenfähre ihren Liegeplatz ansteuert, muss ich meine „To do-Liste“ für die Heimreise jedoch noch „abarbeiten“ und eine „Futter-Theke“ ansteuern.
Also raus aus dem Hotel – die Schwedenfähre blinzelt mir hinter den Blumenkübeln zu …
… einmal den Bahnhof (noch) ignorieren und „links liegen lassen“, den „Platz der Kieler Matrosen“ überqueren und schon befinde ich mich inmitten des quirligen Trubels eines Montagsmorgens.
Im Edeka des unweit von Hotel und Bahnhof befindlichen Shopping Centers „Sophienhof“ gebe ich noch ein wenig Leergut ab und decke mich mit leckeren belegten Brötchen, Obst und Getränken für die lange Reise nach Hause ein.
Schnell die Sachen ins Hotelzimmer gebracht und schon zieht es mich noch einmal – letztmalig in meinem Urlaub – zur Bahnhofsbrücke, dorthin, wo die Fördedampfer abfahren und dorthin, wo ich noch einmal einen ungehinderten Blick hinüber zum Schwedenkai habe.
Auch die „Color Magic“ hat zur „Abschiedsvorstellung“ inzwischen angelegt.
Schließlich werde ich auch noch Zeuge eines Tête-à-Têtes zweier turtelnder Täubchen.
Ach guck, das ist aber schön: Auch vom Schlepper „Falckenstein“ kann ich mich an diesem Morgen verabschieden. Zweimal hat mich das bullige Gefährt gestern gut über die Förde gebracht. Heute darf ich nicht mehr an Bord …
Die Zeit arbeitet jedoch gegen mich. Die Zeiger meiner Armbanduhr weisen mich unmissverständlich darauf hin, dass meine Zeit in Kiel, meine Zeit an der Ostsee, nunmehr endgültig zu Ende geht.
So heißt es Abschied nehmen von den Schiffen, den plätschernden kleinen Wellen auf der Wasseroberfläche unter der Brücke, den durch die Luft segelnden schreienden Möwen. Alles fehlt mir schon jetzt unglaublich sehr.
Ich wende mich ab und meinem Hotel zu.
Hier werde ich erwartet – von meinem großen Koffer und den restlichen „Sieben Sachen“, die noch darin verstaut werden wollen. Auf geht´s also.
Einen kleinen Moment verweile ich noch am großen Findling direkt neben der Brücke. „Hilsen fra Oslo“ – „Grüße aus Oslo“. Fast ein wenig wie Hohn muten diese drei Worte in diesem Moment des Abschieds an. Tja, das Ende eines Urlaubs ist nun mal traurig.
Schließlich ist das Polycarbonat-Ungetüm zugeklappt und verschlossen. Der Rucksack ist geschultert. Ein letzter Blick aus dem Fenster meines Zimmers mit der tollen Aussicht. Was würde ich dafür geben, diesen Panoramablick mit nach Hause nehmen zu können …
Um 11:30 Uhr checke ich aus, bedanke mich für den kurzen, aber schönen Aufenthalt und den Mega-Ausblick und laufe den mehr als kurzen Weg zum Bahnhof.
Betrachte ich zu Beginn eines Urlaubs Bahnhöfe immer als „Startorte ins Glück“, so werde ich dieses Mal beim Betreten des Hauptbahnhofs Kiel nur unsagbar traurig. Ich fühle mich irgendwie nicht mehr dazugehörig und komme mir ein bisschen vor wie im „falschen Film“. Das war´s. Ende. Aus. Vorbei. Es geht nach Hause. Nach zehn Tagen.
Wo sind sie geblieben – diese zehn Tage?! Es war doch erst „gestern“, als ich vom norddeutschen Sonnenschein und einer nordischen Frohnatur beim Aussteigen hier so herzlich willkommen geheißen wurde?! So viel Schönes ist seitdem passiert – Schiffegucken in Kiel … Eine fantastische Norwegen-Kreuzfahrt mit AIDAluna und ein perfekter Abschluss meines Urlaubs mit einem erlebnisreichen Ausflug ins Ostseebad Laboe.
Und nun stehe ich hier – im trüben Kieler Montagmittag. Keinen interessiert, welchen Zug ich ansteuere, wohin ich fahre. Und zur Verabschiedung ist auch niemand da. Das wäre auch das letzte, was ich jetzt brauchen könnte. Es würde alles nur noch schwerer machen.
Dann also mal los in Richtung des bereits wartenden, einen frühlingsgrünen Anstrich tragenden Regionalexpress nach Hamburg. Klackend rollt mein Polycarbonatgefährt neben mir her, fast ein wenig störrisch. So, als würde es selbst meinem Koffer, der neben jeder Menge Wäsche auch so einige Urlaubserinnerungen in sich trägt, widerstreben, nunmehr nach Hause fahren zu müssen.
Es nützt ihm nichts. Er muss mit, genauso wie ich. „Alles einsteigen, bitte!“
12:02 Uhr: „Rail Away, Sailing City!“ Mach´s gut, Kiel! Mach´s gut, Ostsee! Der Zug rollt an in Richtung meiner meeresfernen Heimat. Leider tönt kein Typhon und auch kein „Auslaufsong“ wird gespielt. Ein letztes Mal erhasche ich einen kurzen Blick auf „Color Magic“ und „Stena Scandinavica“. Dann sind sie verschwunden, meine geliebten Schiffe. Viel zu schnell. Und ich weiß schon jetzt: Für eine wieder viel zu lange Zeit.
Auf dem Weg nach Hamburg fliegt die Landschaft an mir vorbei: Städte, Dörfer, gut genutzte Pools in Gärten. Felder mit mickrigem Mais, ein Rosenfeld. Viel weite, unberührte Natur. Alles getaucht in sommerliches Licht.
In Hamburg muss ich mich sputen. Die Zeit zwischen der Ankunft meines Zuges aus Kiel und der Abfahrt des ICE war ohnehin schon knapp bemessen. Ausgerechnet heute fährt das schlanke Schienenfahrzeug von einem anderen Gleis ab. Puh, also Beeilung. Und mein rollender Gefährte bockt immer noch.
Alles geht gut und um 13:38 Uhr rollt der Zug an. Schienenkilometer für Schienenkilometer geht es unbarmherzig gen Süden, während meine Gedanken zu AIDAluna reisen, die sich Seemeile für Seemeile weiter in Richtung Norden entfernt. Von Bergen aus wird sie heute Abend aufbrechen, um einen weiteren norwegischen Traumort anzufahren.
So entfernen wir uns mit jedem Schienenkilometer, jeder Seemeile und jeder Minute weiter voneinander.
Während ich so vor mich hinträume, zieht aus Westen eine Gewitterfront heran. Bedrohlich sieht sie aus. Ein heftiges Sommergewitter eben. So schnell, wie es kommt, zieht das Gewitter dann auch weiter.
15:20 Uhr – die Weltstadt Berlin. Hier muss ich umsteigen. Was für ein Gewusel auf dem Bahnsteig. Es fällt mir noch immer schwer, nach der herrlichen norwegischen Einsamkeit den ganzen Trubel wieder an mich heranzulassen. Ein Kokon scheint mich noch vor dem Alltag zu schützen. Das ist auch gut so.
16:31 Uhr – Bitterfeld. Es regnet. Das Wetter passt zu meiner Stimmung: melancholisch-trüb.16:50 Uhr – erneutes Umsteigen in Halle/Saale. Kompliziert ist mein langer Weg nach Hause wieder einmal. Nicht zum ersten Mal. Und sicher nicht zum letzten Mal. Immerhin befinde ich mich mittlerweile in meinem sächsischen Heimatbundesland, bin also schon fast zu Hause. Was letztlich aber doch nochmal einige Zeit länger dauert. Ich sage nur: Zugverspätung. Allmählich reicht es dann auch. Ich möchte nur noch ankommen, von meiner Familie empfangen und von meinem „Privat-Chauffeur“ in meine Vorstadtsiedlung gebracht werden, um dann noch ein wenig im Garten sitzen und über meine Reiseerlebnisse plaudern zu können.
Es ist auch dieses Mal wieder wie nach jeder meiner Reisen: So ungern ich aufgebrochen und mich auf den Rückweg gemacht habe. Irgendwann unterwegs wandelt sich der Abschiedsschmerz in liebevolle Erinnerungen an einen schönen Urlaub und die Vorfreude auf meine wartende Familie überwiegt.
So auch dieses Mal. Es geht auf 20:30 Uhr, als ich endlich heimatliche Gefilde erreiche. Eine lange Reise ist zu Ende. Auf dem Bahnhof werde ich herzlich in Empfang genommen.
Die Sonne geht unter und schenkt mir am Ende meines Urlaubs noch einen stimmungsvollen Sonnenuntergang …
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Mit diesem finalen Kapitel schließe ich mein Reisetagebuch. Umfangreich ist er geworden und es hat lange gedauert, bis er nunmehr fertig geworden ist – mein Reisebericht über „NORWAY – My endless Love“ – am 14. März 2021 und zu einer Zeit, in der die Welt schon lange nicht mehr so ist, wie wir alle sie einmal kannten.
Das Schreiben ist meine große Leidenschaft, auch wenn ich oft viel zu wenig Zeit und Muße dafür habe. Doch es hilft mir, all die schönen Erlebnisse beim Niederschreiben noch einmal Revue passieren lassen zu können. In schweren Zeiten wie diesen ganz besonders wertvoll.
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Die folgenden Worte als endgültigen Abschluss meines Reiseberichtes habe ich bereits vor rund zwei Jahren aufgeschrieben – zu einer Zeit, als die Kreuzfahrt auf den Weltmeeren noch eine Selbstverständlichkeit war und kein global grassierendes Virus die Wünsche, Hoffnungen und Träume so vieler Menschen zunichte gemacht und stattdessen in Sorgen, Nöte und Ängste gewandelt hat. Von daher mögen sie in der aktuellen Situation stellenweise etwas eigenartig anmuten. Doch ich wollte sie bewusst nicht verändern, denn sie entstanden zu einer Zeit, in der auch ich – wenn auch leider nur einmal im Jahr – unbeschwert auf ein Kreuzfahrtschiff gehen konnte …
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An dieser Stelle ist es mir ein großes Bedürfnis, von ganzem Herzen DANKE zu sagen.
Stellvertretend für die gesamte AIDAluna-Crew geht dieses Dankeschön an unseren überaus sympathischen Kapitän Marc-Dominique Tidow, unseren unnachahmlichen Entertainment-Manager Thilo Ebbighausen und unseren General Manager Stefan Weder mit seinem feinsinnigen Humor. Meinen herzlichsten Dank ebenfalls noch einmal für die Zustimmung, Ihre und weitere in diesen Reisebericht eingearbeiteten Fotos von Crew-Mitgliedern veröffentlichen zu dürfen.
Sie alle und Ihre Crew haben diese Reise an Bord von AIDAluna zu meiner „Endless Love“ zu einem unvergesslichen Erlebnis und zur wirklich schönsten Zeit des Jahres 2018 werden lassen.
Ihnen allen persönlich und beruflich alles Gute sowie weiterhin eine gute Zeit auf den Weltmeeren. Und vielleicht sieht man sich ja eines Tages wieder.
Auf AIDAsehen
Meerelfe
Und ein ganz herzliches Dankeschön gilt natürlich auch allen fleißigen Lesern, die mich gern in mein Traumland Norwegen begleitet haben.
Macht´s gut, bleibt gesund und auf ein „Wiederlesen“.
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