6. September 2021 – Bergen
AIDA heute hatte uns auf diesen Montag vorbereitet. Wetterprognose: bewölkt, Schauer. Also typisches Bergen-Wetter. Und für mich der Hinweis, dass es sich nicht so richtig lohnte, sehr früh aufzustehen und die Fahrt durch den Byfjord zu genießen. Also schlief ich aus und wachte erst auf, als sich unsere AIDAmar dem Kai näherte. Aber dann: schnell fertig gemacht, den Weg nach oben gefunden und mit dem obligatorischen Pott Kaffee auf die obersten Decks. Was sahen meine noch immer müden Augen?
Den wolkenfreien Floyen, die Türme der Marienkirche, die alte Feuerwache, das Häusergewimmel an den Hängen der sieben Hügel. Na ja, Bergen unter blauem Himmel wäre attraktiver gewesen. Aber immerhin regnete es nicht in der regenreichsten Stadt Norwegen. Und so sollte es auch an diesem Tag bleiben!
Was hatten wir uns nach dem Frühstück vorgenommen? Keinen Ausflug. Sondern ein gemütliches Schlendern durch gewisse Teile der Stadt. Gewisse Teile? Nein, nicht die … (Honi soit qui mal y pense …). Wir wollten abseits der üblichen Touristenpfade einige beschauliche Holzhausviertel der Stadt kennenlernen. Spricht man vom Holzhausviertel von Bergen, denkt man in erster Linie an das historische Hanseviertel Bryggen. Das kennen wir fast in und auswendig – erwartet deshalb bitte in diesem Reisebericht keine weiteren Fotos von diesem Touristen-Highlight. Nein, eher von den Holzhausvierteln, die kaum von Touristen überschwemmt werden.
Nun, dann los. Vorbei an der Festung Bergenhus kamen wir zum Stadthafen Vågen. Den mussten wir überrunden oder überqueren, um unser erstes Ziel zu erreichen. Was machte am wenigsten Mühe? Logisch – das Überqueren. Aber nicht mit Schwimmbewegungen – zu kalt und zu weit. Sondern mit dem Pendelbötchen, das sich gerade anschickte, rückwärts einzuparken. Nur für uns und mit einem gewaltigen Hintergrund (Die Zahlung für die Fahrkarten war nur per Karte möglich – keine Barzahlung!) – das Hurtigruten-Schiff MS Trollfjord begab sich auf die Reise Richtung Nord-Norwegen.
Und kurze Zeit später waren wir auf der anderen Seite vom Vågen. Im Stadtteil/auf der Halbinsel Nordnes. Leider konnten wir nicht direkt am Hafenbecken vorwärts kommen. Gebäude versperrten den Weg. So stießen wir auf die parallel zum Vågen verlaufende Hauptstraße Strandgaten, der wir - vorbei an der Nykirken (der Neuen Kirche, die nach ihrer Errichtung 1764 nicht gerade neu war – aber damals war sie eben die neueste Kirche) - bis zum Ende folgten. Kurz davor erschien rechts das erste kleine Holzhausviertel mit einer Attraktion.
Wir standen vor einem Haus in der kürzesten Straße Bergens. Oder eher Gasse. 16 m lang. So gerade von uns zu bewältigen … Bekketomten hieß oder heißt sie. Oder für die des Norwegischen Unkundigen: „Stelle eines Bächleins“, das vor längerer Zeit dort vor sich hin plätscherte.
Das kleine Holzhausviertel wurde leider begrenzt von reinen Zweckbauten aus Beton. Leider, aber immerhin waren die heimeligen Holzhäuser in dieser Gegend ein Lichtblick.
Am Ende der Strandgaten fanden wir uns im Grünen wieder. Hinter dem Aquarium von Bergen, das wir links liegen ließen, breitete sich der Nordnes Park aus. An der Spitze von Nordnes stieß ein ehemaliger Pier ins Wasser. Die Ballastbryggen, an Sonnentagen ein beliebtes Ausflugsziel der Bürger der Stadt. Wir hatten keinen Sonnentag und somit Ruhe. Aber von der Spitze des Piers war der Ausblick auf die andere Seite des Hafenbeckens nicht ohne.
Na ja, das im Zerfall befindliche Haus sah nicht gerade gemütlich aus. Ob es demnächst von einem Abbruchunternehmen umgarnt wird? Vielleicht können wir es in einigen Jahren überprüfen …
Nicht weit vom Pier stutzten wir. Da stand tatsächlich ein Totempfahl in der Gegend herum!
Wir suchten die normalerweise dazu gehörenden Indianer und fanden sie nicht. Dafür ein Hinweis, warum der Pfahl dort stand. Er ist ein Geschenk der amerikanischen Partnerstadt Bergens Seattle anlässlich der 900-Jahr-Feier der Gründung Bergens im Jahr 1970. 51 Jahre hatte der Totempfahl bereits auf dem „Buckel“ und er sah noch immer gut aus. Haltbares kanadisches Holz …
Und weiter auf einem Spazierweg oberhalb eines Ablegers des Byfjords, dem Puddefjord. Ein Hingucker war ein Freibad, das Nordnes Sjøbad.
Wer in kälteren Jahreszeiten Schwimmen im Seewasser genießen will, sollte dort reinhüpfen. Keine Angst vor einem Kälteschock! Es ist beheizt!
Irgendwann verließen wir den Spazierweg und keuchten – vorbei an dem Denkmal für 350 in den Jahren 1550 bis 1700 ermordeten Hexen - hoch zur nächsten Hauptstraße auf der Halbinsel, zum Haugeveien. Wir hatten den Eindruck, dass wir uns in einem der Schulviertel Bergens befanden. Zum Ausgleich sahen wir auch einige Kindergärten und Altenpflegeheime. Aber weiter mit unserem Ausflug. Ab und zu hatten wir über die Dächer von Bergen den Durchblick in Richtung des Ortsteils Stølen.
Dass der Turm der Nykirken „im Wege stand“ störte nicht. Nach einigen weiteren Metern über den Haugeveien hörte ich bei einigen von unserer Gruppe ein leises Stöhnen: Pause … Okeh – sie musste allmählich sein … Das Glück war vollkommen, als vor uns eine kleinere Parkanlage auftauchte und dort gnädigerweise einige Minuten Beinpflege gewährt wurde. Auf einer Sonnenbank … nein, auf einer Bank in der Sonne! Unter Bewachung eines weiteren, vor uns aufragenden Denkmals - das für Kriegsmütter,
das treffend oder auch unbewusst 2009 auf dem Platz vor dem Fort Frederiksberg
aufgestellt wurde. Das Fort selbst hatte man in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auf dem höchsten Punkt der Halbinsel Nordnes zum Schutz des Bergenser Hafens erbaut. Kreuzfahrergerd und ich schauten uns das Fortgelände an und wir waren der einhelligen Meinung, dass es sich nicht lohnte.
So, zu viel Ruhe für die Beine war nicht gut. Deshalb: keine Müdigkeit vorschützen und weiter! Vorbei an einem – oh Wunder – olivfarbenen Holzhäuschen.
Ganz anders als das gewohnte Weiß. Aber nicht störend, denn Kontraste lockern alles auf, wie wir auch später immer wieder erlebten. Wir befanden uns nun am Rande des Stadtviertels Verftet. Dieses Holzhausviertel ist ein echtes Kleinod.
Von den oberen, parallel zur Wasserlinie verlaufenden Straßen wie Kloster- oder Skottegatten führen kleine, meist gepflasterte Gässchen nach unten. Richtung Puddefjord. In diesen Häuschen wohnten in den guten (?) alten norwegischen Zeiten Arbeiter der direkt am Wasser gelegenen Fabriken wie die Sardinenfabrik USF Verftet. Diese guten alten Zeiten liegen weit hinter uns; die Sardinenfabrik wurde in ein Kultur- und Bühnenhaus umgewandelt und die ehemaligen Arbeiterhäuser wurden regelrecht aufgehübscht.
Wir sahen in dieser Gegend selten ungepflegte Holzhäuser. Dafür als Gegensatz zum vorherrschenden Weiß verschiedenfarbige Fenster und Türen, Blumen
sowie ab und zu riesige Farbtupfer in Form eines anders farbigen Hauses.
Leute, kommt Ihr nach Bergen, plant einen Ausflug nach Verftet ein. Es lohnt sich! Auf jeden Fall lohnte es sich für uns, die wir sehr lange fast alle Gassen besuchten.
Irgendwann wollten wir aber auch nicht mehr und machten uns auf Richtung Vågen bzw. AIDAmar. Auf dem Weg zu unserem Zuhause lag der in den Vor-Corona-Zeiten pulsierende Fischmarkt. Vom Puls der Stadt war an diesem Tag nicht viel zu merken.
Lag es daran, dass sich die Kreuzfahrtpötte rarer machten als in den Vorjahren? Lag es daran, dass Corona Vorsichtsmaßnahmen mit sich brachte, die den Spaß stark einschränkten, den Fischmarkt ohne Menschengedränge aufzusuchen. Wir verkniffen uns das für uns in Bergen übliche Krabbenbrötchen. Vor allen Dingen aus einem Grund: Speisen in der Hand war nicht zugelassen – nur in den noch immer bestehenden Fischrestaurants, die vor Leere strotzten. Ergo: Uns fehlte etwas – das, was uns fehlte, bekamen wir auf der AIDAmar im Marktrestaurant.
Am Nachmittag suchten wir weitere Holzhausviertel auf – der Bericht folgt irgendwann.
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