11. Juli 2017 – 3. Seetag, Riga
Kein Land in Sicht? Oder doch? Ein Blick aus dem Fenster – nichts! Falsche Seite! Also nach dem Ausschlafen nach oben, um auf Deck 10 den Morgenkaffee zu ergattern. Frisch war´s – 17° - bedeckt. Aber es war doch Land in Sicht – wir fuhren parallel zur lettischen Küste. Ab und zu kamen mit Leuchtfeuern besetzte Felsbuckel aus dem Wasser. Langweilig – also runter zum Frühstück. Was war das? Regentropfen liefen an den Fenstern herunter … War´s das mit dem schönen Wetter? Abwarten! Nach dem Frühstück spielten wir „Weichei“ und inspizierten die Innereien der AIDAcara. Unser Bordkonto bedankte sich … und schickte uns nach oben. In den Wind. Aber es klarte auf und wir tankten Sonne auf dem Pooldeck. Bis sich der Magen meldete mit dem Ziel „Baltischer Poolbrunch“, der dieses Mal in der AIDA-Bar präsentiert wurde. Wie üblich mit sehr viel Fisch … etwas für uns, weniger für … aber lassen wir das!
Kurz vor 13 Uhr zeigten sich die ersten Vorboten von Riga. Die AIDAcara traf wieder einmal die Einfahrt in die Düna. Industrie- und Hafenanlagen säumten das Ufer zunächst auf der Backbordseite. Aber immer wieder von weiten Grüngürteln umgeben. Ganz weit vorne waren wie in die Luft gestreckte Zeigefinger Hochhäuser der lettischen Hauptstadt zu erkennen. Aber so weit waren wir noch nicht. Wir begutachteten aus relativer Ferne alte, dem Zerfall preisgegebene Industrieobjekte. In unserer Heimat hätte man sie bereits in Loftwohnungen umgewandelt. Aber hier?
Einige Minuten vor 14 Uhr verhinderte eine Brücke die Weiterfahrt. Wir waren angekommen – am Rande des Herzes von Riga.
Die Türme der St. Jakobs-Kathedrale, der Schlosskirche, der Akademie der Wissenschaften, der Petrikirche und des Doms grüßten uns und wurden weit übertroffen vom Fernsehturm.
Um 14.20 Uhr legten wir an – die Uhrzeit muss unbedingt noch im nautischen Sinne behandelt werden! Schon wieder zu früh! Gut, dann nutzten wir eben die zusätzliche Zeit und orientierten uns ein wenig vom Oberdeck aus.
Die Altstadt von Riga wurde von der Vanšu-Brücke – nach ihrer Fertigstellung 1981 war sie die längste Schrägseilbrücke Europas – mit den neueren Stadtteilen verbunden.
Moderne Bauten zeigten uns, dass die Hauptstadt Lettlands das wirtschaftliche Zentrum des Landes war. Auf der anderen Seite gab es Kontraste – alt und verspielt gegen Fenstermonster und jung.
Das Wetter hielt sich noch. Unseren Nachmittagskaffee schlürften wir wieder im Außenbereich bis Kreuzfahrergerd sich anschickte, „andere Bekleidung an seinen Körper zu machen.“ Weg war er – die Vorbereitung zu ersten Kontaktaufnahme mit Riga. Nach dem halben Seetag benötigten wir Bewegung. Also runter vom Schiff und halt! Vor dem Großen Christopherus. Vor vielen, vielen Jahren lebte an der Düna ein sehr kräftiger Fährmann. Eines Tages bat ihn ein Junge, ihn über den Fluss zu tragen. Er sagte zu, obwohl ein Gewitter nahte. Ein starkes Gewitter, das ihm sehr zusetzte. Mit letzter Kraft erreichte er das gegenüberliegende Ufer und er setzte den Knaben ab, der natürlich das Christuskind war. Seitdem hieß der Fährmann Christopherus und er hält seitdem über das Wohl Rigas Wacht.
Wir spazierten eine kurze Zeit auf der Promenade längs der Düna und sahen auf der anderen Straßenseite das Rigaer Schloss, in dem zunächst der Deutsche Orden seinen Sitz hatte, später die jeweiligen Machthaber und aktuell der lettische Präsident.
Kurz hinter dem Schloss stießen wir in die Altstadt Richtung Domplatz. Kurz vor dem Dom standen zwei männliche Gestalten, die sich sehr ähnlich sahen. Im Vordergrund ein echter Schotte, der mit seinem Motorrad zu einem Bikertreffen mal so eben nach Lettland gefahren war. Wir unterhielten uns einige Minuten sehr nett, dann mussten wir uns trennen, denn seine Bikerbekannten warteten auf ihn. Im Hintergrund ein alter Bekannter. Ein Bekannter, weil mich Johann Gottfried Herder mit seinen Werken in meiner Schulzeit quälte. In Riga war er fünf Jahre als Hilfslehrer an der Domschule und Hilfspfarrer tätig, so dass man meinte, ihm ein Denkmal setzen zu müssen. In erster Lage …
Nur noch einige Meter weiter und wir standen auf dem weitläufigen Domplatz. Uns gegenüber das Gebäude des lettischen Rundfunks, in dem anfangs die Rigaer Kommerzbank untergebracht war. Dann das Gebäude der ehemaligen Börse von Riga, das nunmehr als Kunstmuseum dient.
Jugendstil um dem Domplatz herum? Fehlanzeige … Neoklassizismus (Kommerzbank) und ein stilmäßiger Mischmasch (Börse) herrschen vor. Aber immerhin, Einzelheiten der ehemaligen Börse erinnerten an den Jugendstil.
Auch der Rigaer Dom hatte allein aufgrund seines Alters nichts mit Jugendstil zu tun.
Außen herrschte Romanik vor – auch die Gotik hinterließ ihre Spuren. Der Dom ist das größte Gotteshaus im Baltikum, der Kirchenturm war mit 140 m, seit 1776 nur noch 90 m der höchste in Riga.
Als wir uns in die Nebenstraßen begaben, kam es aber Schlag auf Schlag. Jugendstil, so wie er eben faszinierte. Und der Regen. Und wir ohne Schirme. Na gut, in Hauseingängen konnten wir uns gut ausruhen …
Der Regen hörte auf und wir zogen weiter. Schon wieder kein Jugendstil – der Pulverturm baute sich vor uns auf. Einst als ein Teil der Stadtmauer, wurde in ihm das Lettische Kriegsmuseum untergebracht. Eintritt frei – so durchstreiften wir es kurz in der Hoffnung, von oben aus einen guten Ausblick auf Riga zu haben. War aber nichts – keine Chance. Überall standen Aufpasserinnen, so dass wir kein Fenster öffnen konnten. Fast unmittelbar neben dem Pulverturm zog ein Giebel mit den Wappen lettischer Städte die Blicke auf sich.
Von hier aus orientierten wir uns langsam zurück Richtung Heimat AIDAcara. Wir fanden die Torņa iela, die Turmstraße. Diese Fußgängerzone war durch viele kleine Andenkenläden und Restaurants gekennzeichnet. Ein gefundenes Fressen für Floppymann, der in einem Laden den für ihn unbedingt erforderlichen Hafen-Schlüsselanhänger suchte. War nichts – er musste uns unbeschwert begleiten. Die Gasse wird auf der einen Seite von den Jakobskasernen gesäumt,
die im 18. Jahrhundert entlang der Stadtmauer erbaut worden waren. In diesen Häusern gab es selbstverständlich keine vermieften 12-Mann-Zimmer mehr – urige, mit Produkten des Landes gestaltete Hinterlassenschaften
lockten Interessierte in die Restaurants. Wir wurden jedoch von der Kunst am Boden abgelenkt und erfuhren durch den Gullydeckel, dass Riga schon älter als 800 Jahre war. Von der Torņa iela zweigten wunderschöne, für Fußsohlen sympathische Gassen ab. Wir folgten einer und standen vor einem tollen Gebäudeensemble. Übrigens, kein Jugendstil!
Wer die Tallinner Altstadt besucht hatte, stand mit Sicherheit vor den Drei Schwestern. Bei diesen Häusern handelte es sich aber um die Drei Brüder, die aber keine gewesen sein konnten. Allein das Alter des jeweiligen Hauses sprach dagegen. Das älteste Haus (links) wurde um 1490 erbaut, das mittlere ca. 1646 und der Jungspund rechts in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Geschwistereigenschaft erlangten allerdings die drei Gebäude, als sie nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg in den 1950er Jahren wiederaufgebaut wurden.
Nicht, dass wir uns verlaufen hatten – aber nachdem wir einer Jugendstilfigur unsere Referenz zur Genüge erwiesen hatten, fanden wir uns auf dem Domplatz wieder. Bunt war er auf einmal – ein alter Volvo sorgte dafür. Wir ließen uns nicht von dem am Lenkrad mit einem Feuerwehrhelm sitzenden Gerippe und dem von einem Totenschädel geprägten St. Pauli Aufkleber ablenken – wir rätselten kurz über die Malereien am hinteren Seitenteil des Fahrzeugs. Aha, es kam die Erkenntnis – das Peace-Zeichen wurde durch die Menschenkette des Baltischen Wegs verstärkt.
Ach ja, Durst kam auf! Merkwürdig, an einigen Straßenecken hing dieses Schild. „Pils iela“. Ein sympathisches Viertel. Und das Schild begleitete uns zunächst auf dem Weg zurück zu unserer AIDAcara! Durch eine der repräsentativen, vom Domplatz abzweigenden Straßen zweigten winzige Seitengassen ab, die zu attraktiven Außenrestaurants umfunktioniert wurden.
Ein kleines Stück weiter duckte sich die Kathedrale des Schmerzes unserer Gottesmutter zwischen den höheren Bauten. So richtig unscheinbar … Aber nicht mehr lange, denn nachdem wir kein Pils-Schild mehr entdeckten, standen wir vor der Rückseite des Schlosses. Hier sollte der Präsident – mit oder ohne Pilsmarke Iela – tagen? Oder an diesem Tage etwa nicht? Kein Wachtposten, Tor verrammelt! Hatte Präses Angst vor uns? Wir waren doch soooooooooo harmlos …
Und schon lagen sie vor uns – zwei Perlen …
Welche war wohl die Wertvollere? Egal – rauf auf die AIDAcara und rein ins Restaurant. Wir mussten uns vor unserem Abendausflug „Nachtwanderung durch Riga“ stärken. Logisch, dass wir das schafften und kurz nach 19 Uhr vor dem Schiff von Ilka empfangen wurden. Ilka, eine Lettin, die uns voll Inbrunst und mit unheimlich einprägsamer Mimik, Gestik und Modulation die Altstadt Rigas näherbrachte. Mit Ausschnitten von lettischen Märchen und Sagen fesselte sie uns und sie ließ keine Sekunde Langeweile aufkommen, auch wenn wir in den folgenden Stunden an von uns bereits besuchten Flecken vorbeikamen. Zunächst bewegte sich die Gruppe wieder an der Düna entlang. Wir erkannten, dass Riga nicht nur die Jugendstilhauptstadt war – Riga war auch die Stadt der Kirchen.
Da sich am späten Nachmittag die Wolken verzogen hatten, erschien nunmehr das Schloss gegen den blauen Himmel viel attraktiverer.
Und dann hinein ins Vergnügen – hinein in die Altstadt. Eine Altstadt zum Wohlfühlen. Jede Menge renovierte Häuser. Details wurden wunderbar herausgearbeitet. Wie auch das Schuhgeschäft Kipiani, in dem die alte Familie noch immer das althergebrachte Handwerk fortführte. Genauso liebevoll und der Umgebung angepasst war der Hinweis auf ein Fotogeschäft.
Auf dem Wege Richtung Schwarzhäupterhaus mussten wir vor einem Restaurant anhalten. Das „1221“-
sah die Fassade nicht traumhaft aus? Ganz oben konnte man anhand des Sonnenschirms eine Dachterrasse erkennen. Dort in Ruhe zu speisen musste ein Erlebnis sein. Und bei dem Ausblick … Konnte es noch Steigerungen geben? Nein? Doch – wir kamen einfach nicht voran, da uns das „Rozengrals“ lockte.
Ein mittelalterliches Restaurant mit Gewölbekeller, wie ich las. Allein die äußeren Gegebenheiten gaben genügend Hinweise, wie das Innere des Restaurants gestaltet war.
Irgendwann erreichten wir doch das Schwarzhäupterhaus, das sicherlich meistfotografierte Gebäude Rigas.
Schwarzhäupter waren Vereinigungen meist norddeutscher lediger Kaufleute in baltischen Städten. Sie schlossen sich zusammen aus politischen und auch gesellschaftlichen Gründen. Besonders für letzteren Grund benötigten sie einen Treffpunkt. In Riga wurde dieses 1334 urkundlich erwähnte, allerdings erst 1687 mit dieser Bezeichnung versehene Haus auserwählt, das zunächst vom Rat der Stadt Riga gemietet wurde und 1713 ins Eigentum der Schwarzhäupter überging. Ganz schön los war es in den guten alten Zeiten. „Während der Schützenfeste, zu Fastnacht und an anderen Tagen“ fanden Veranstaltungen, genannt Umtrünke, statt. So kam man insgesamt schnell auf 365 Tage … Bis zu 300 Junggesellen vergnügten sich auf einmal …
Wenn man sich das Gebäudeensemble betrachtet, sucht man den Jugendstil und findet ihn nicht (O.K. Super-Mario?!). Ganz links verbirgt sich der Speicher der Blauen Garde schlicht und einfach, in der Mitte drängt sich das im neoklassischen Stil errichtete Schwabehaus in den Vordergrund und rechts hält sich das mit gotischen und holländisch-flämischen Elementen gespickte Schwarzhäupterhaus vornehm im Hintergrund. Bewacht wird alles vom Bremer Roland als besonders in vielen nord- und ostdeutschen Orten übliches Symbol der Freiheitrechte des städtischen Bürgertums. Bremen? Weit entfernt … aber aus der Historie heraus gab es immer enge Verbindungen zu den norddeutschen Hansestädten; seit 1985 ist Bremen Partnerstadt Rigas – Rostock war mit 1974 ein wenig schneller …
Allein der Giebel mit der 1626 hergestellten astronomischen Uhr, den darunter fixierten Wappen der Hansestädte Riga, Bremen, Lübeck und Hamburg und den auf Podesten stehenden Skulpturen war ein Blickfang erster Ordnung. Vernachlässigen wir nicht das Schwabehaus – auch dessen Giebel mit dem Fisch als Wetterfahne war nicht ohne. Am Giebel waren einige Inschriften angebracht. So auch aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Schwarzhäuptern und dem Rat der Stadt: „Sollt ich einmal fallen nieder, so erbauet mich doch wieder.“ Das wurde Wirklichkeit, denn das Gebäude wurde 1941 durch den Beschuss deutscher Truppen zerstört. In sowjetischer Zeit wurden 1948 die Ruinen dem Boden gleich gemacht. Nach der Unabhängigkeit Lettlands (1991) wurde das Schwarzhäupterhaus ab 1993 wieder in den jetzigen Zustand gebracht, was durch die Inschrift im unteren Teil des Fotos dokumentiert wurde: „Das Schwarzhäupterhaus wurde zerstört im Jahre 1941. Zu Ehren der 800-Jahr-Feier der Stadt wurde das Haus von der Stadt Riga wieder aufgebaut“. Wir verabschiedeten uns von diesem wunderschönen Ensemble und auch vom ehemaligen Schutzpatron der Schwarzhäupter, dem heiligen Georg, und wandten uns einer im Pflaster angebrachten, selbst erklärenden Plakette zu: „Der erste Tannenbaum in Riga. 1510“. Man musste nur daran glauben – die Stadtväter von Tallinn und Freiburg i.Br. boten die Jahre 1441 bzw. 1419 … bestimmt gibt es dort auf ihrem Rathausplätzen auch Plaketten … Ja, der Rathausplatz – ein Rathaus gab es dort auch. Direkt gegenüber vom Schwarzhäupterhaus.
Gerade 14 Jahre jung. Kein funktionaler Stil, sondern Elemente aus der Moderne und der Klassik. So fielen die Gegensätze nicht zu sehr ins Gewicht. Ein Rathausplatz, der eine Zierde der Kulturhauptstadt 2014 darstellte. Und immer wieder Scharen von Besuchern anzog. Es gibt noch etwas anderes, das man auslassen darf. Den Besuch der Kaļķu Iela 10 (Adresse merken!). Dort gibt es eine besondere Bar, die Black Magic Bar (echt lettisch, woll!).
Hineinspaziert mit der gesamten Gruppe! Dort sollten wir Platz nehmen. Mit der gesamten Gruppe … Ging nicht – die meisten standen noch auf der Straße! Warum? Weil die Spitze der Meute einfach nicht weiter ging. Sie bewunderten die Regale incl. Ausstattung. Fertig, Fotos gemacht – alles rein in die gastliche Stätte! Aber wo sollten wir uns hinsetzen? Zu eng … Es gab einen Tipp von Ilka. Unten gab es Platz satt. Unten? Wie sollte man runtergehen – es war keine Treppe in Sicht! Und noch ein Tipp von Ilks: Es gab einen Geheimgang. Alle suchten und dann … Sesam, öffne Dich! Das Bücherregal schwenkte sich nach links und machte den Blick auf eine grob gehauene, steinerne, dunkle Treppe frei. Ja, und dann spielten wir alle Treppenbesetzer. Langsam runter tappen und unten, vorbei am Tresen, zu den Tischen. So wurden wir zu Tischbesetzern. Eine nette junge Dame in lettischer Tracht kam mit Tabletten, nee, mit Tabletts, vorbei. Gefüllt mit netten kleinen Gläsern. Und einigen Pralinen. Pralinen? Die waren für die Alkoholgegner gedacht. Ich misstraute ihnen, den Pralinen, und nahm mit einem gut gefüllten Gläschen vorlieb. Es kam Ilkas Stunde. Sie erläuterte den Inhalt, aber nicht die Zusammensetzung. Es war Rīgas Melnais balzams – Rigas schwarzer Balsam. Balsam? Also gut für den Schlund … also Medizin. Die mussten wir nehmen! Ilka führte aus, dass die Wirkstoffe, vermutlich 24 Zutaten incl. diversen Kräutern, die wir normalerweise links liegen lassen würden, Mitte des 18. Jahrhunderts von einem Apotheker (!) mit dem prosaischen Namen Kunze erstmals am Menschen angewendet wurde. Er konnte nach der Überlieferung die damals in Riga erkrankte Zarin Katharina die Große mit dem Trunk heilen. Und was für die große Katharina gut war, konnte uns auch nicht schaden. Ilka wollte uns noch erklären, wie man den Balsam schlürfen sollte. Aber quatsch – wir waren groß! Also rein … hmmmmmh – wir merkten die 45 Umdrehungen. Er wirkte also und wir ließen keinen Tropfen übrig. Alle? Nein, denn in der Ausflugsbeschreibung waren Gespenstergeschichten à la Ilka angekündigt. Geschichten benötigten wir nicht, denn die Geschpenschter machten sich bemerkbar. Unmittelbar hinter Modena öffnete sich knarzend ein Fenster. Ein Gerumpel … und … Modena verschwendete einen Teil ihrer wertvollen Medizin …
Na ja, sie leckte unter Gelächter ihrer Tischnachbarn den Balsam von ihrer Hand ab, wischte als gewissenhafte Hausfrau den Tisch ab und stürzte – bevor weitere Geschpenschter mit anderen Unsinn anfangen sollte – den Rest des Getränkes herunter. Ob sie das Glas aufgrund des z.T. verschütteten Inhalts ausgeleckt hatte, weiß ich nicht …
Wir schauten uns noch ein wenig in dem original wieder hergestellten Gewölbe um und krochen die Kellertreppe nach oben. Licht! Und keine Gespenster mehr! Auf Richtung Petrikirche, die wir am folgenden Tag näher kennenlernen sollten.
Vor dem Gotteshaus begrüßte uns ein Denkmal – die Bremer Stadtmusikanten. Wieder ein Symbol, das die enge Verbindung Rigas mit Bremen zeigte. Sie geht auf das Jahr 1201 zurück, als Bischof Albert von Buxthoeven aus Bremen die Stadt Riga gegründet hatte.
Quasi gegenüber der Petrikirche zeigte sich die Johanniskirche im besten Abendlicht.
Neben der Johanniskirche erspähten wir einen Torbogen. Hindurch! Und schon standen wir im Johannishof, in dem im 16. Jahrhundert die erste lettische Schule eröffnet wurde. Ein restauriertes Stück der alten Stadtmauer mit bedachtem Wehrgang ließ die mittelalterliche Zeit atmen. Hier könnte man einfach nur sitzen und genießen … wenn nur die Autos nicht gewesen wären …
Anschließend kreuzten wir weiter durch die Altstadt. Ein auf einem Bierfass reitender Colonel
unterstrich, dass Riga eine weltoffene Stadt war. Ohne Pause stießen wir auf Ergebnisse des in Riga einstmals bevorzugten Jugenstils. Nicht viel später fanden wir uns auf dem Livenplatz wieder. Ein einzigartiger Platz mit einer tollen Kulisse. Eingerahmt von den wieder hergestellten Gilde-Häusern und dem Russischen Theater herrschte auch während unseres Besuchs eine einzigartige Kneipen- und Restaurantszene. Bei gutem Wetter spielt sich hier alles im Freien ab. Ein aus dem Rahmen fallendes Gebäude war das 1909 an der Nordseite erbaute Katzenhaus.
Natürlich im reinen Jugendstil. Damals wusste man, was Standesdünkel bedeutete. Und wie Außenstehende darunter litten und sich auch rächten. Dem Erbauer des Hauses, ein lettischer Kaufmann, verwehrte man den Beitritt zur Gilde – 1909! Das gefiel ihm überhaupt nicht und er zahlte es den Gildemitgliedern heim, indem er auf den Türmen Katzen anbringen ließ, die ihre A….., nein, ihre Hinterteile, in Richtung Gildehäuser zeigen ließen. Das missfiel den Gildeangehörigen, die gegen den lettischen Kaufmann prozessierten. Und gewannen. Seitdem sind die Köpfe der Katze auf die Gildehäuser gerichtet. Alles gut …
Ilka musste uns als nationalbewusste Lettin natürlich auch zum Brīvības bulvāris, dem Freiheitsboulevard, führen. Ein wenig zurückversetzt stand die als Deutsches Stadttheater 1863 eröffnete neoklassische Lettische Nationaloper; weit vor uns baute sich das knapp 43 m hohe Freiheitsdenkmal auf. 1930 als Zeichen der errungenen Freiheit errichtet, überstand das schlanke Monument die beiden Sowjetzeiten und auch die dazwischen zu ertragende Nazizeit. Auf einem Obelisken steht die lettische Göttin der Liebe und Freiheit Milda und hält in ihren emporgestreckten Armen drei Sterne, die für die drei Regionen Lettlands stehen: Kurland, Livland und Lettgallen.
Von nun ging´s bergab – nein, zurück. Zunächst durch die Parkanlage Besteiberg, dann vorbei am Haus mit den Wappen der lettischen Städte dem Pulverturm
und den Jacobskasernen, um bei einsetzender Dunkelheit unsere AIDAcara zu erreichen. Zu faul zum Treppensteigen nahmen wir den Aufzug, um über Deck 10 Deck 9 zu erreichen (also ging´s doch bergab …). Dort gab es eine Absackerecke …
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